Gesucht: Überblicksdarstellung zur Spätphase

Aeon

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Ich lese eben den ersten Band von Gibbons Reihenwerk: "The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire" - ein semantischer Genuss.

Nun ist mir aber zu Ohren gekommen, dass die Arbeit in weiten Teil überholt ist. Als Laie bin ich über den Forschungsstand nicht orientiert. Kann mir daher jemand Standardliteratur für diese Epoche empfehlen?
 
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Bei mir im Regal habe ich dazu etwa stehen:

Demandt, Alexander: Geschichte der Spätantike.
Heather, Peter: Der Untergang des römischen Weltreichs.

Letzteres Werk fand in den letzten Jahren starke Beachtung, auch hier im Forum, und wurde kontrovers diskutiert.

In die Kerbe schlägt auch das Meisterwerk von Alexander Demandt:
Der Fall Roms.

Allerdings ist die Sichtweise wesentlich anders gewählt als bei Gibbon und anderen Autoren, denn es geht mehr darum, wie der Fall Roms im Rahmen historiografischer Traditionen bewertet wurde, von zeitgenössischen Geschichtsschreibern bis in die Moderne.

Es gibt freilich noch zahlreiche weitere Werke, da der Untergang des römischen Reiches stets ein großes Interesse in der Forschung fand.
 
Besten Dank für die rasche Reaktion!

Verstehe ich es richtig, dass es auch heute noch kein allgemein anerkanntes Grundlagenwerk hierzu gibt? Lässt die fragmentarische Überlieferungssituation derart viel Raum für Interpretationen? Heather habe ich mir jedenfalls notiert. Eventuell kann sonst noch jemand dazu etwas beitragen...
 
Besten Dank für die rasche Reaktion!

Verstehe ich es richtig, dass es auch heute noch kein allgemein anerkanntes Grundlagenwerk hierzu gibt?

Demandts "Geschichte der Spätantike" würde ich schon als Grundlagenwerk in dem Sinne sehen, dass es sehr kompendiumhaft aufgebaut ist, aufgeteilt in 1. Forschungsstand, 2. Ereignisgeschichte, 3. Gesellschaftsgeschichte, 4. Rezeption der Spätantike. "Allgemein anerkannt" in dem Sinne, dass 90 Prozent der Althistoriker sagen "so war es!" ist wohl keines dieser Werke, allerdings gelten alle auch als Standardwerke. Der Untergang vor allem des weströmischen Reiches ist nun mal ein heiß umstrittenes Thema, wobei die Kernfrage ist, ob das Reich von innen zerfiel oder von außen zerstört wurde (so zumindest die Pole).
 
den Heather les ich grad; in etappen. liest sich eher wie ein roman als ein geschichtsbuch. was nicht heissen soll, daß er nicht wissenschaftlich wäre. es liest sich halt sehr angenehm. auf jeden fall hat er meine vorurteile zur spätantike schwer beschädigt. ;)
 
Heather, Peter: Der Untergang des römischen Weltreichs.

Letzteres Werk fand in den letzten Jahren starke Beachtung, auch hier im Forum, und wurde kontrovers diskutiert.

Heather hat hier offenbar auch noch einmal nachgelegt (2009):
Empires and Barbarians - The Fall of Rome and the Birth of Europe.

Oder ist das deckungsgleich mit der deutschen Ausgabe?
 
Heather und Ward-Perkins widersprechen im wesentlichen der These von Gibbon.

Der Untergang Des Römischen Weltreichs - Peter J. Heather - Google Books

Empires and Barbarians - Peter Heather - Google Books

(Invasion der Barbaren)

The Fall of Rome: And the End of Civilization - Bryan Ward-Perkins - Google Books

(Untergang des Römischen Reichs und das Ende der Zivilisation)

Und zum Paradigmenwechsel der "Dekadenztheorie" von Gibbon, auch durch Heather und Ward-Perkins:

http://de.wikipedia.org/wiki/Spätantike
 
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Nein Silesia, das ist ein neues Buch, wo er wirklich nachgelegt hat und das seit letztem Jahr auch in Deutsch vorliegt mit dem Titel „Invasion der Barbaren, Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus “. Wie der Titel schon zeigt, versucht er darin die in seinem bekannteren Vorgängerbuch entwickelte Herangehensweise seiner Analyse zum Untergang Roms auch auf die spätere Zeit anzuwenden. Dabei spricht er auch die merkwürdige und weiterhin nur unbefriedigend erklärte Expansion der Slawen an…. Das Thema ragt also über den Untergang Roms weit hinaus.

Heather steht im Widerspruch zur Idee einer „Transformation des Imperiums“ durch die neuen, meist germanischen Völker auf dem Boden des Imperiums. Bei dieser Idee werden die Kontinuitäten zu Rom herausgestellt, statt immer nur die Brüche. Bekannt hierfür ist die „Wiener Schule“. Deren Grundüberlegungen sind nicht so leicht darzustellen. Basis waren aber die Erkenntnisse über die Grundlagen der Ethnogese bei den germanischen Völkern, durch den Deutschen Wenskus, dargelegt in seinem Werk „Stammesbildung und Verfassung“. Mit den dabei entwickelten Methoden haben Männer wie Herwig Wolfram oder Walter Pohl die Ethnogese(n) von Goten, Awaren oder anderen Völkern nachgezeichnet. Die Sichtweise ist also eher aus der Perspektive der „Barbaren“ und in kurzen Artikeln findet sich diese in „Das Reich und die Germanen“ von 1990 wiedergespiegelt – also etwas älter… Man muss dazu sagen, dass die ganze Geschichte über die Völker der Völkerwanderung ohne römische Quellen und Betrachtungen zum Imperium ja nicht auskommen kann! Einfach besser zu lesen und Aufschlussreicher sind natürlich die Bände über diese Fremdvölker selbst (wie Wolframs „Die Goten“, Pohls „Die Awaren“ etc.).
Aus einer etwas anderen Ecke und recht leicht zu lesen ist auch von Michael Schmauder das mehr als interessante Werk über die Hunnen: „Die Hunnen. Ein Reitervolk in Europa“. Hier spielen die Römer eine natürlich geringere Rolle, aber: Die Hunnen nehmen fraglos eine Schlüsselstellung ein im Verständnis für den Untergang des Imperiums und die Völkerwanderung insgesamt! Sein Blick auf die Reitervölker lässt vieles besser verstehen mit ihrer völlig anderen Kultur und Lebensweise...

Ein ebenfalls viel beachtetes Buch der letzten Jahre ist jenes von Bryan Ward-Perkins mit dem Titel „Der Untergang des Römischen Reiches; Und das Ende der Zivilisation“. Er betrachtet die Vorgänge stärker anhand der archäologischen Hinterlassenschaften, da die typisch, römische Kultur in weiten Teilen des ehemaligen Reiches abbricht und an seine Stelle die Lebensweisen der Invasoren tritt, die archäologisch kaum fassbar ist. Gerade in Britannien kann er die Brüche sehr gut herausstellen.

Letztlich sind die „3 Bücher / Sichtweisen“ (+) unterschiedliche Perspektiven, was sich in dem jeweiligen Fazit niederschlagen muss. Aber darüber wurde im Forum schon viel diskutiert… Der Dekadenztheorie widersprechen eigentlich nicht nur die beiden Briten, sondern auch Demandt oder die „Wiener“. Meiner Meinung nach zeichnet Heather ein besonders kraftstrotzendes Bild vom Imperium am Vorabend der Völkerwanderung…

Aber Andere können besser rezensieren:
Sammelrez: "The fall of Rome" - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher (über Heather und Perkins)
Michael Schmauder: Die Hunnen. Ein Reitervolk in Europa. Darmstadt 2009. - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher (über Schmauder)
 
Ich kann mir die Frage mittlerweile selbst beantworten. Wer eine gute Grundlage suchen sollte, der wird bei Michael Sommers "Römische Geschichte II. Rom und sein Imperium in der Kaiserzeit" fündig.
 
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