Der eigentliche Prozess der Machtergreifung wurde schon oben von Ursi kompetent beschrieben. Der Rechtsstaat wurde Schritt für Schritt aus den Angeln gehoben, die Grundrechte der Bürger einkassiert, Parteien verboten, Pressefreiheit gab es nicht mehr etc.etc.
Schaut man sich das mit zeitlichem Abstand im Detail an, ist die Beseitigung der Rechtstaatlichkeit fast ohne Gegenwehr erschreckend.
Beispiel Fürth, industriell und durch Arbeiterschaft geprägt:
Massenkundgebungen und Fackelzüge am 1.2.1933, Messianische Reden des NSDAP-Kreisleiters Jakob zum gottgesandten Führer: "jetzt gelte, wer gegen uns ist, ist gegen den Staat." "Vaterlandslosen Gesellen und Bonzen [!] marxistischer Coleur" wird die Abrechnung angekündigt.
Die ersten Auseinandersetzungen richten sich im Schwerpunkt gegen die Kommunisten. Die NSDAP hatte in den Vorjahren in den Schlägereien meist den Kürzeren gezogen. In der Nacht 3./4.2.1933 wurde das geänderte Kräfteverhältnis demonstriert, etwa 70 SA-Leute überfielen das kommunistische Verkehrslokal Gänsberg. NSDAP-Presse drehte das um und sprach von "Rotmordüberfällen" auf NSDAP-Leute. Es setzte in den nächsten Tagen eine massive Greuelpropaganda gegen SPD und KPD ein. Für die Nachtstunden wurden Warnungen ausgesprochen, da "lichtscheue Burschen" Nationalsozialisten auf dem Heimweg niedergeschlagen hätten. Ein "Blutrausch des bolschewistischen Gesindels" stehe bevor; die "Kommune versuche, auch dich, du deutscher Bürger, zu ermorden." Das ging so mehrere Wochen in der Fürther Provinz, bis Reichstagsbrand und Notverordnung folgten.
Auch in Fürth wurde eine "kommunistische Versammlung" für den 1.3.1933 verboten. Inzwischen wurde die Polizei aktiv, und durchsuchte Wohnungen und das kommunistische Parteibüro, der Sekretär der KPD wurde verhaftet. Mit der Reichstagswahl war dann die Schonzeit auch für alle übrigen Parteien vorbei.
Fürths OB Dr. Wild und der Stadtrat (SPD) waren bereits in den Kundgebungen zur Machtergreifung angegriffen worden, die NSDAP hetzte nun gegen das Nichterscheinen des "roten Stadtrates" bei Hitlers Erscheinen auf dem Fürther Flughafen am 25.2.1933. Die NSDAP-Presse errechnete sofort nach der Wahl die fiktiv neue Sitzverteilung und erwartete "Bereinigung der Situation" in Kürze mit einer neuen Gemeindewahl (7.3.1933).
Am 9.3. brach dann die "Befreiung Fürths" los, bereits ab dem Nachmittag versammelten sich viele Menschen/Zuschauer vor dem Fürther Rathaus in Erwartung der Ereignisse. Kurz nach 18 Uhr rückte die erste SA-Abteilung durch das verlassene Rathaustor an, Polizei hielt sich fern. Gegen 20 Uhr erschien die Hauptstreitmacht der SA sowie eine Einheit vom Stahlhelm. Der NSDAP-Landtagsabgeiordnete Holz sprach nun vom Rathausbalkon, der Platz von Fackelträgern flankiert. Am 9.11.1918 sei "von dieser Stelle aus" von "internationalen Landesverrätern und Judenknechten" zur Fürther Bevölkerung
gesprochen worden. Vor 14 Jahren sei von dieser Stelle "der rote Fetzen des Juden" ausgehängt worden, die Zeiten des Verrats seien nun aber vorbei. Holz kündigte an, in Fürth und "im ganzen Bayernlande" habe die deutsche Revolution begonnen, "es beginne das Saubermachen, hinaus mit den schwarzen Mamelucken". Wer von der Bevölkerung glaube, "sich dieser Bewegung entgegenzustellen zu können, werde von ihr niedergemacht werden" "Wer charakterlos, fremdrassig und international ist, müsse hinweg."
Sodann hißten SA und Stahlhelm unter Glockengeläut die alte Reichsflagge auf dem Rathausturm und entrollten an der Rathausfront die Hakenkreuzflagge. Zuvor wurden die NS-Flaggen auf dem Fürther Hauptbahnhof, dem Stadttheater und dem Polizeiamt [!] gehißt. Lobend erwähnt wurde "die vaterländische Haltung" der Landespolizei, die gemeindliche Selbstverwaltung und Polizei stand dem hilflos gegenüber. Noch tagsüber war die übliche Dienstroutine abgewickelt worden.
Da nun aber die "Novemberherrschaften" nicht freiwillig das Feld räumten, gab es neue Kundgebungen. Am 15.3. abends hetzte SA-Führer Dr. Streck: "Oberbürgermeister und Chef des Polizeiamtes" hätten die neue Situation der nationalen Revolution noch nicht erfaßt, die Menschenmenge zog anschließend zur Wohnung des OB, dann zum Stadttheater, wo ihm "eine Delegation der SA den Wunsch der Menge zum Rücktritt übermittelte". Dr. Wild erbat sich Bedenkzeit bis zur Rücksprache [!] mit NSDAP-Kreisleiter Jakob.
Die NS-Presse verbreitete allerdings bereits am nächsten Tag (16.3.), der OB würde sofort seinen Urlaub antreten. Die Amtsgeschäfte würden von NS-Kreisleiter Jakob "übernommen". [Am 1.5.1933 hieß es, Dr. Wild würde aus gesundheitlichen Gründen seinen Ruhestand antreten, der 2. Bürgermeister vorgezogen aus Altersgründen ebenfalls.] Am 17.3. folgte der "Amtsübernahme" von Jakob die obligatorische große Kundgebung. Jakob verkündete dort: "alle Vertreter des Marxismus in verantwortlicher Stellung" müßten gehen. Der Wohlfahrtsreferent Dr. Bornkessel sei beurlaubt worden, ebenso der Chef des Polizeiamtes Fürth, Oberregierungsrat Scholz. Gerade Scholz hatte sich zuvor unerschrocken gezeigt, Jakob im Februar 1933 ermahnt, SA-Leute verhaften lassen.
Weiter suspendiert wurden der Leiter des Städtischen Krankenhauses Dr. Frank, gegen den "schwere Anschuldigungen" erhoben worden seien. Er sei in Schutzhaft genommen worden, da "Tätlichkeiten der Bevölkerung" befürchtet wurden. Anfang April wurde der Leiter der AOK Fürth ebenfalls entlassen, ihm folgten in der AOK weitere 8 SPD-Mitglieder und der gesamte Vorstand des Krankenhauses. An die Stelle der entlassenen Beamten traten "vom nationalen Geist durchwehte" NSDAP-Mitglieder.
Gleichwohl konnte man nicht die gesamte Verwaltung austauschen: NSDAP-Kreisleiter Jakob baute daher allen städtischen Beamten eine Brücke: ein großer Teil habe sich nur unter "linkem Druck" orientiert. Gegen diese Beamten werde nichts unternommen. Ende März 1933 gab es zudem eine große Ansprache vor den versammelten Angestellten und Arbeitern der Stadt: "er verlange von niemanden, zum Gesinnungslumpen zu werden. Mehr Respekt werde man vor dem haben, der sage, er sei der alte geblieben und gehe lieber." Es folgten dann eine Reihe Beurlaubungen, worauf zahlreiche Austritte der Angehörigen der Stadtverwaltung aus den alten Parteien verzeichnet wurden.
Rechtswidrig wurde Ende März 1933 die alte Gemeindevertretung aufgelöst und nach dem Stimmenverhältnis der Reichstagswahl [!] neu besetzt. CSVD und DVP hatten dabei ihre Stimmen "in anerkenneswerter Weise" auf die NSDAP übertragen. Am 24.4. wählte der rechtswidrig eingesetzte Stadtrat mit NSDAP-Mehrheit Jakob zum neuen Oberbürgermeister.
Parallel wurden Aktionen (Besetzungen etc.) gegen die Gewerkschaften geführt. Der Bevölkerung wurde durch Veröffentlichung "kommunistischer Aktionspläne" (Brückensprengungen, Brandlegung, Bahnhofsbesetzungen etc.) vor Augen geführt, welchen Gefahren sie entgangen sei. Die Presse meldete, dass der Münchener Polizeipräsident Himmler das erste KZ "eröffnet" habe. Umfangreiche Razzien in Fürth am 28.3.1933 sorgten dafür, "dass 50 der übelsten Moskowiter" verhaftet und dorthin "in Sicherheit gebracht" worden seien. "Die tapferen Maulhelden hätten sich ohne Widerstand ergeben". $ Wochen später, am 25.4.1933, erfolgte eine weitere Verhaftungswelle, die 60 Personen traf. Die NSDAP vermeldete, dass in der kommunistisch stark duzrchsetzten östlichen Südstadt Fürths, dem "Glasscherbenviertel" ein kräftiger Aufwind für die NSDAP zu verzeichnen sei. Wo vor wenigen Wochen die "Kämpfer der NSDAP" angepöbelt worden sein, wehe nun die Hakenkreuzflagge. Die dortige NSDAP-Zentrale vermelde starken Besuch von "Volksgenossen, die vor wenigen Tagen noch rot" gewesen sein.
Die shcließlich umfassenste Aktion gegen die Gewerkaschaften (das Haus war erstmals am 10.3. besetzt worden) folgte am 2.5.1933, am 10.5. wurde ein Kommissar für den Fürther ADGB eingesetzt. Anfang Juni wurden schließlich alle SPD-Mitglieder aus Volks- und Gemeindevertretungen im Reich ausgeschlossen, die SPD-Stadtratsfraktion in Fürth hatte sich bereits am 12.5. selbst aufgelöst, die 8 SPD-Vorstandsmitglieder wurden am 30.6. verhaftet und mußten "mit 10 ehemaligen SpD-Stadträten die Reise nach Dachau antreten".
Der 1.5. war zuvor von der NSDAP für eine Kundgebung der "neuen Volksgemeinschaft" genutzt worden. Die aufmarschierten Belegschaften der Fürther Betriebe wurden am 1.5. jeweils vom Direktor oder Inhaber an der Spitze angeführt. In den Festzug wurden auch alle Vereine etc. eingegliedert, die NSDAP hatte etwa 15.000 Menschen an dem Tag auf die Straße gebracht (andere Quellen bis 25.000). In den Vereinen, Verbänden etc. fand zudem eine Welle von Vorstandswechseln, Ausschlüssen bzw. Bekenntnissen zur NSDAP statt.
Die Gleichschaltung funktionierte auch in der Wirtschaft: am 8.4. war dem IHK-Sekretär in "freundschaftlicher Weise" die Beurlaubung angeboten worden, es folgten die Vereinigten Innungen Fürths im April mit einer "Loyalitätsbekundung" zur NSDAP. Am 21.4. fand eine Veranstaltung des "Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes" statt, auf dem der Gauleiter den Ton angab. Der "Mittelstand habe nicht nur von Adolf Hitler keine Notiz genommen, sondern zusammen mit Roten und Schwarzen den Führer verlacht und bekämpft". Die Mittelstandsverbände wurden angewiesen, ihre "Vorstände ordnungsgemäß mit mindestens 51% NSDAP-Mitglieder" zu besetzen.
Fast alle folgten willig und schnell. Die größten Mühen bei diesen NS- Umgestaltungen brachten in Fürth die Kleingartenverbände, in denen bis zu 80% Arbeiter und SPD-Mitglieder waren. Der OB ernannte wegen dieser Widerstände einen "Kommissar für das Kleingartenwesen", um die gleichschaltung durchzudrücken.
Strauß: Fürth in der Weltwirtschaftskrise und der nationalsozialistischen Machtergreifung (Schriftenreihe Nürnberg 29)
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