Gleichschaltung

Für Württemberg: Sauer schreibt hierzu einiges.

So wurde im Februar 1933 an die Polizeibeamten ein Wahlrundbrief des NSDAP versandt. Länger schon wurde versucht die Polizei mit Hitleranhängern zu durchsetzen, und die Führung in ihrem Sinn zu beeinflussen.
Von der SPD frühzeitig erkannt und bekämpft. Aber die Regierung Bolz sah keinen Grund zum einschreiten. Wie Bolz später selbst bedauerte.

Am 8. März übernahm die Reichsregierung gemäß §2 der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" die vollziehende Gewalt in Württemberg.
Reichskommissar wurde der Eßlinger SA-Führer Jagow.
Eine der ersten (wenn nicht die erste) Verfügung bereits am 8.3.:
"Die gesamte württ. Polizei hat meinen Anordnungen Folge zu leisten".
Am 9. März wurde an der Stgt. "Moltke-Kaserne", die als Polizeikaserne diente, die Hakenkreuzflagge aufgezogen und man ließ Reichskanzler und Reichspräsident hochleben.

Näheres bei Bedarf gerne.
 
Ablauf der Gleichschaltung vor Ort:

Beispiel Bürgermeister:
Bürgermeister einer Stadt im Südwesten, seit 1909 im Amt, das 3. Mal wiedergewählt, damit auf Lebenszeit. Mitte der 20er zum Oberbürgermeister ernannt. Die Nazis konnte er nicht riechen. Der Chronist des Jahres 1937 schreibt "...nicht als Freund des Nationalsozialismus bekannt".
Im Jahr 1933 stellte er sich "voll und ganz auf den Boden des nationalsozialistischen Staats" und im Juli wurde er in seinem Amt bestätigt.
Man hat ihm aber auf alle erdenkliche Art und Weise das Leben schwer gemacht. So schrieb er im November schließlich sein Rücktrittsgesuch "da er sich mit seinen 58 Jahren den Aufgaben der Zeit nicht mehr gewachsen fühle, und er den Platz jungen Kräften, von denen es schließlich genug gäbe, freimachen möchte". Murr verfügte im Februar 1934 seine Entlassung, als letzte Spitze "aufgrund §6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums".
Ein Vorgang wie er damals ähnlich verm. sehr oft abgelaufen ist.

Nun wird es interessant.
Man brauchte einen Nachfolger, die Stelle wurde ausgeschrieben, es meldeten sich sehr viele Bewerber. Einige werden geladen sich dem Gemeinderat vorzustellen, der dann wiederum ein Vorschlagsrecht beim Ministerium hatte. (Wahlen gab es ja nicht mehr)
Die Bewerber kommen, stellen ihre Konzepte dem Gemeinderat vor, dieser zieht sich zur Beratung zurück.
Während der Beratung wird bekannt, (wie wohl?) "dass das Ministerium an den Kreisleiter herangetreten ist, mit der Bitte dieses Amt zu übernehmen, wozu der Kreisleiter schweren Herzens bereit wäre".
Der Gemeinderat hatte die Zeichen der Zeit längst verstanden. Einstimmig wurde dem Innenminister der Kreisleiter als einziger Bewerber vorgeschlagen. "Bei ihm wären sowohl der Überblick in der Verwaltung und die geistigen Fähigkeiten (sic!) wie auch der feste Wille vorhanden die Geschäfte des Bürgermeisters im Sinne des Nationalsozialismus zu führen".

Das Ministerium jedoch, lobt den Kreisleiter als entschiedenen Kämpfer für den Nationalsozialismus über den Schellenkönig, legt aber Wert darauf "an der Spitze einen erfahrenen, rechts- und verwaltungskundigen Bürgermeister zu sehen".
OT:
Der ernannte ist dann 10 Jahre später zurückgetreten, da ihm "der Umgang mit den Juden" nicht passte. Aber das ist eine andere Thematik.

Wie es auch hier schon deutlich wird, ist es anscheinend ein Kennzeichen totalitärer Staaten, dass die persönlicher Feindschaften unter den Satrapen manches möglich macht, was man eher für unmöglich halten würde.
Gauleiter und Reichsstatthalter Murr und Staatspräsident Mergenthaler waren sich spinnefeind.
 
Beispiel Gemeinderat

Da verlief die Gleichschaltung in mehreren Stufen.
Bei den letzten Wahlen 1931 kam erstmals ein NSDAP-Mitglied in den Gemeinderat. Also einer von achtzehn.

Am 5. Mai 1933 wurde der Gemeinderat entsprechend den Ergebnissen der Reichstagswahl neu gebildet.
NSDAP 8, SPD 4, Zentrum + DDP je 2, Christlich-Sozialer Volksdienst und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot je 1.
Keine Mehrheit für die NSDAP.

Dieser Mangel wurde schnell behoben. Am 19. Mai verlas der Oberbürgermeister ein Schreiben der 4 SPD-Gemeinderäte, indem sie erklärten, dass sie sich zu einer Vertretung der Partei nicht mehr berechtigt fühlten, nachdem sich der Landesvorstand der SPD Württ. aufgelöst habe.
Die gewählten Vertreter der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, des Zentrums und des Christlich-Sozialen Volksdiensts traten gleichzeitig als Hospitanten der NS-Fraktion bei.

Am 12.7.33 entschuldigten sich die beiden DDP-Gemeinderäte. Sie wollten "abwarten, ob in nächster Zeit nicht auch die Mandate der DDP bezüglich des Gemeinderats aufgehoben würden".
Am 6.9. erklärt der Vorsitzende der NS-Fraktion, die beiden Herren würden seit einiger Zeit entschuldigt fehlen, dieser Zustand könne aber nicht länger bestehen. "Eine Gleichschaltung mit der Demokratie sei nicht zu vereinbaren"! er würde den beiden Herren raten, auf ihre Mandate zu verzichten. "Die Regierung wolle keine Zwangsmaßnahmen vornehmen, und er hoffe, dass das genüge und auch im Gemeinderat XXXXs die volle Gleichschaltung durchgeführt werden könne".
Am 13. Oktober verzichtet einer der DDP Gemeinderäte, ein selbständiger Handwerksmeister, dem mit erheblichen Boykottmaßnahmen gedroht hatte, auf sein Amt.
Der NS-Fraktionsvorsitzende fordert den 2. DDP-Gemeinderat ebenfalls zum Amtsverzicht auf. XStadt sei wohl die einzige Stadt in welche n och demokratische Vertreter im Gemeinderat sitzen würden, die Partei sei verschwunden, und der Marxismus, dessen Anhängsel sie gewesen sei, erledigt. Der Gemeinderat erklärt, "er sei als freier ungebunder Mann in das Rathaus gekommen, Die XStadt demokratische Partei sei keine Listenverbindung mit den Sozialdemokraten eingegangen. er vermöge nicht zu erkennen, dass Gründe für sein Ausscheiden vorhanden wären.

Am 17. November erklärt sich zu der ungemeinen Empörung der NS-Fraktion der bisherige DDP-Landtagsabgeordnete, der auf der DDP-Liste Ersatzmann für den Gemeinderat war, bereit das 2. DDP-Mandat im Gemeinderat zu übernehmen.

Am 29.12.33 fragt der NS-Fraktionsvorsitzende wieder nach einem Mandatsverzicht des 2. DDP-Abgeordneten, dieser verweigert den Schritt.
Daraufhin wird diesem von der "politischen Polizei" jede politische Tätigkeit untersagt. Der andere DDP-Rat kommt noch das ganze erste Halbjahr 1934 zu den Sitzungen.
Am 26. juni 1934 heißt es: Bezüglich den beiden Stadträte XXX und YYY ist bei der Ministerialabteilung Antrag auf Amtsenthebung gemäß §34 Abs. 2 der Gemeindeordnung gestellt worden. Dieselben sind bis zum Abschluß des verfahrens von den Sitzungen ausgeschlossen.
 
Beispiel Gemeinderat Fortsetzung

Der NS-Ortsgruppenleiter sagte in dieser Sitzung, die Aufhebung des alten Gemeinderats habe erfolgen müssen, damit das nationalsozialistische Prinzip auch in XXXstadt zur Durchführung kommen würde, nun bestehe der Gemeinderat nur noch aus Nationalsozialisten. (Demnach sind die beiden ehem. Zentrumsvertreter inzwischen in die Partei eingetreten)
Die >neue< Eidesformel lautete:
"Ich schwöre, ich werde Volk und Vaterland Treue halten; Verfassung und Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe".
Die Weimarer Verfassung! eine andere gab es ja nie. die von der Regierung inzwischen vermutlich 100 000mal gebrochen war.

Die Eidesformel hatte aber nur noch 3 Monate Bestand hatte, nach Hindenburgs Tod wurde die Verfassung gestrichen und durch Hitler ersetzt!

Zum 1. Jan. 1935 gab es dann eine neue Gemeindeordnung, keine Gemeinderäte mehr, Ratsherren, die der Kreisleiter berief!
Der neue Rat spielte aber dann eine ähnliche Rolle wie der Reichstag, er tagte nur noch sehr selten.
Die Gleichschaltung war durchgeführt.
 
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