Globkes Widerstand

ponzelar

Mitglied
weiß eigentlich irgendwer etwas konkretes über globkes angeblichen widerstand während der ns-zeit zu sagen?

ponzelar
 
Ich zitiere, wie immer be Personenfragen aus Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945:
Personenlexikon schrieb:
Globke, Hans. Jurist.
* 10.9.1898 Düsseldorf. 1922 Mitglied des Zentrum. 1929 Regierungsrat im Preußischen Innenministerium. Ab 1932 (sic) Ministerialrat im Reichsinnenministerium. Laut Innenminister Frick im hervorragenden Maße beteiligt am Erbgesundheits- und Blutschutzgesetz und am Gesetz über die Änderung von Familiennamen: Zwangsvornamen Sara und Israel für Juden. 1936 mit Stuckart Verfasser des Kommentars zur deutschen Rassengesetzgebung (zit. n. Blasius): "Aus dem Rassegedanken folgt so zwangsläufig der Führergedanke. Der völkische Staat muß also notwendig Führerstaat sein." Im Krieg Rechtsberater verbündeter Regierungen bei Einführung von Judengesetzen. 1943 Ablehnung NSDAP Aufnahmeantrag (Weiß). Laut Robert Kemper während des Krieges Informant des Berliner Bischofs Preysing. 1949 Ministerialrat im Bundeskanzleramt, 1950 Ministerialdirigent und Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten, somit für den Aufbau der inneren Verwaltung der BRD zuständig. Ab 1953 Adenauers Staatssekretär und Strippenzieher. Am 23.7.1963 vom Obersten Gericht der DDR in Abwesenheit zu lebenslang Haft verurteilt. Rücktritt am 15.10.1963. † 13.21973 Bad Godesberg.

Also von Widerstand steht da nix und die Lebensstationen, wie die Beteiligung an antijüdischer Gesetzgebung und dem späten Versuch, noch Parteimitglied zu werden, sprechen gegen die Widerstandsbehauptung.
 
El Quijote schrieb:
Ich zitiere, wie immer be Personenfragen aus Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945:
das natürlich auch seine Tücken hat:

Trotzdem wollte Ernst Klee darauf hereinfallen, wie "Das Personenlexikon zum Dritten Reich" (2003) zeigt: "Am 23. 7. 1963 vom Obersten Gericht der DDR in Abwesenheit zu lebenslang Haft verurteilt. Rücktritt am 15. 10. 1963." Er erwähnt nicht, daß es sich um einen Schauprozeß handelte, und er gebraucht das falsche Wort vom "Rücktritt".

http://www.faz.net/s/Rub5C2BFD49230...CE9DAC2D3C625B4FF7~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Rainer Blasius von der FAZ hat aber auch unsauber gearbeitet, denn nach Eigensaussage bezieht sich Klee auf die Christian Dirks: Die Ahndung von NS-Verbrechen in der SBZ/DDR. Das Beispiel des Fischer-Prozesses. Dissertation FU Berlin 1998.
Und dass es sich bei DDR-Prozessen gegen Angehörige des westdeutschen Staatsapparats um Schauprozesse oder politische Prozesse handelte muss, glaube ich nicht zwingend erwähnt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Globke konnte so viel erklären, wie er wollte, konnte beliebig viele eidesstattliche Versicherungen von Zeitgenossen vorlegen, die seine Version bestätigten - geglaubt wurde ihm trotzdem nicht. Im kürzlich erschienenen "Personenlexikon zum Dritten Reich" von Ernst Klee (S. Fischer, Frankfurt/M.) wird das Verdikt aus Ost-Berlin kommentarlos aufgeführt, als habe es irgendeinen Wert.
http://www.welt.de/data/2003/12/01/204702.html?prx=1
 
aufgrund welcher sachverhalte ist das ddr-gericht denn zu seinem ergebnis gekommen? das es ein ddr-gericht war, besagt ja nicht zwangsläufig, daß die schlußfolgerungen des gerichtes völlig falsch waren.

ponzelar
 
Ich weiss jetzt nicht, was Globke so im Widerstand gemacht hat.
Ich weiss nur, dass er die Nürnberger Rassegesetze kommentiert hat. Und das im 3. Reich.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand die Nürnberger Rassegesetze im 3. Reich verrissen oder angegriffen hätte können ohne dafür abzuwandern.
 
das mag ja sein, verehrter hurvinek, aber wer im dritten reich an der die physische vernichtung vorbereitenden juristischen rechtlosmachung der juden mitgewirkt hat, dasselbe dann während des krieges in der slowakei weitergeführt hat, wurde dazu doch sicher nicht gezwungen, oder?
der von mercy angeführte artikel in der welt war mir bereits bekannt, enthält zur eingangs gestellten frage aber leider auch nichts erhellendes.

ponzelar
 
Die wesentliche Entlastung für Globke im Artikel besteht darin:



- Die anderen drei Kommentare waren wesentlich schärfer als Globkes.


- Die Namengesetzgebung sei durch Globke gebremst und abgeschwächt worden, so habe er Namenszusätze Jüd und Itzig verhindert.


Beides zeigt keineswegs an, dass er irgendeine Form des Widerstands ausgeübt hat. Das zentrale etwa an der Namensgesetzgebung ist, dass es sie gab und die Juden dadurch schon im Pass erfasst werden konnten, und nicht dass "Sara" und "Israel" netter klingen als "Jüd" und "Itzig".

Das einzige, was sich sagen lässt: Er hat an den rechtlichen Grundlagen des Holocausts mitgearbeitet, auch wenn dies vielleicht nicht in seiner Motivation lag und er weniger "scharf" arbeitet, aber keineswegs Sabotage oder gar Widerstand leistete.
 
ich kann in dem von dir geschilderten keine wirkliche entlastung erkennen, verehrter ashigaru. die entlastungsargumentation folgt doch der gleichen logik, wie die des kz-schergen, der sich darauf beruft, die gefangenen stets gesietzt zu haben.

ponzelar
 
ponzelar schrieb:
ich kann in dem von dir geschilderten keine wirkliche entlastung erkennen, verehrter ashigaru. die entlastungsargumentation folgt doch der gleichen logik, wie die des kz-schergen, der sich darauf beruft, die gefangenen stets gesietzt zu haben.

ponzelar

Den Eindruck habe ich auch, das liest sich alles ähnlich wie einst Filbingers Argumentation. Immer wieder begegnet man selbst heute noch der Meinung, dass Zwänge ausgeübt wurden.

Das ist aber schlicht nicht wahr!

Ich kenne die Geschichte eines Bürgermeisters der 1943 von seinem Amt mit der Begründung zurücktrat, "dass auch die Juden Geschöpfe Gottes seien, und dass er trotz allen, sicher zutreffenden Anschuldigungen, den Umgang mit ihnen mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne." Diesen Satz habe ich aus der Erinnerung aus seinem Schreiben mit der Bitte um Entlassung aus dem Amt zitiert.
Es ist ihm, fast möchte ich sagen: natürlich, nichts geschehen. Seine Karriere bei den Nazis war beendet, klar, im Staatsdienst hat man ihn auch nicht weiterbeschäftigt. Das wars aber.
(Die Akten liegen vor, bei Unglauben kann ich Auszüge beschaffen)

Es ist meines Wissens keinem einzigen etwas geschehen, der sich weigerte bei irgendwelchen Verbrechen mitzumachen, keinem Richter, keinem Polizisten niemand.
Außer verschlechterten, oder gar keinen, Karrierechancen mehr, musste er mit keinen Konsequenzen rechnen.

Alles andere sind Fabeln.


Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Den Eindruck habe ich auch, das liest sich alles ähnlich wie einst Filbingers Argumentation. Immer wieder begegnet man selbst heute noch der Meinung, dass Zwänge ausgeübt wurden.

Das ist aber schlicht nicht wahr!

Ich kenne die Geschichte eines Bürgermeisters der 1943 von seinem Amt mit der Begründung zurücktrat, "dass auch die Juden Geschöpfe Gottes seien, und dass er trotz allen, sicher zutreffenden Anschuldigungen, den Umgang mit ihnen mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne." Diesen Satz habe ich aus der Erinnerung aus seinem Schreiben mit der Bitte um Entlassung aus dem Amt zitiert.
Es ist ihm, fast möchte ich sagen: natürlich, nichts geschehen. Seine Karriere bei den Nazis war beendet, klar, im Staatsdienst hat man ihn auch nicht weiterbeschäftigt. Das wars aber.
(Die Akten liegen vor, bei Unglauben kann ich Auszüge beschaffen)

Es ist meines Wissens keinem einzigen etwas geschehen, der sich weigerte bei irgendwelchen Verbrechen mitzumachen, keinem Richter, keinem Polizisten niemand.
Außer verschlechterten, oder gar keinen, Karrierechancen mehr, musste er mit keinen Konsequenzen rechnen.

Alles andere sind Fabeln.


Grüße Repo

Ich glaube dir das. Kannst Du aber bitte den Namen des Bürgermeisters nennen. Danke
 
ursi schrieb:
Ich glaube dir das. Kannst Du aber bitte den Namen des Bürgermeisters nennen. Danke

Gerne Ursi,

das war Bürgermeister Hayer von Ebingen/Württ. jetzt Albstadt-Ebingen.
Er wurde dann von der Besatzungsmacht bis zur demokratischen Wahl eines neuen Bürgermeisters wieder in sein früheres Amt eingesetzt.
Näheres kann ich Dir heute abend gerne heraussuchen.

Grüße Repo
 
@ Repo/Ponzelar: Ich habe mich da missverständlich ausgedrückt. Ich wollte nur auf die Argumente verweisen, mit denen der Historiker Lommartzsch laut Welte Globke entlasten will.
Es sollte also eher ein Zitat sein. Was meine persönliche Meinung betrifft, so gehe ich insgesamt mit dem Post von Repo bzgl. Filbinger d'accord.

Außerdem war meine Kritik an diesen Argumenten ja schon im ersten Post enthalten.
 
ursi schrieb:
Ich glaube dir das. Kannst Du aber bitte den Namen des Bürgermeisters nennen. Danke

der einzige Grund, dass solche Geschichten nicht bekannter sind, ist, dass sich in den 50er-60ern hunderttausende gegenseitigt deckten, fröhlich auf dem gleichen Bürostuhl weiterfurzten und die eifrig Legenden von Zwang und Widerstand erfanden.
Aber der Widerstand hat sich zu 99% darauf beschränkt, dass dem Hitlerbild an der Wand die zunge herausgestreckt wurde, wenn sonst keiner da war. Und der einzige Zwang war, dass ein Stellungsbefehl drohte.

Und all denen sind/waren solche Geschichten natürlich überaus peinlich.

Grüße Repo
 
ponzelar schrieb:
der von mercy angeführte artikel in der welt war mir bereits bekannt, enthält zur eingangs gestellten frage aber leider auch nichts erhellendes.
Klar, wen interessiert den das:
WELT schrieb:
Es ist Erik Lommatzschs Verdienst, seinen Untersuchungen über Globkes Rolle im Dritten Reich jede apologetische oder gar exkulpatorische Tendenz zu ersparen. Er schließt nicht ganz zufällig mit einem Zitat aus dem Privatbrief von Margarete Sommer, deren "Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat zu Berlin" Globke vor 1945 unterstützte. Sie vertrat 1953 die Ansicht, dass trotz aller Anerkennung seiner Verdienste für Verfolgte und für den Widerstand seine Position zu exponiert gewesen sei, um der eben gegründeten Bundesrepublik als Staatssekretär im Bundeskanzleramt dienen zu können.
Aber wer ist schon Margarete Sommer?

Vorurteile pflegen ist leicht. Die Hintergründe des historischen Geschehens zu erruieren bedeutet Anstrengung.
 
ursi schrieb:
Ich glaube dir das. Kannst Du aber bitte den Namen des Bürgermeisters nennen. Danke

Hallo Ursi, wie versprochen:
"Bürgermeister Hayer am 25. April 1944 gegenüber den Beigeordneten, Ratsherren und Amtsvorständen: Er habe dem Ministerium seine Entlassung aus dem Beamtenverhältniss unter Verzicht auf alle Rechte eingereicht. Seine Ehre lasse er sich nicht nehmen, und wenn er Steine klopfen müsse. Wenn er scheide, so tue er das ohne Groll in der Überzeugung, seine Pflicht als Beamter jederzeit getan zu haben. Er verwerfe das Tun und Treiben der Juden unserer Zeit, er sehe aber in der Bibel das Wort Gottes; nach der Bibel sei die jüdische Rasse das auserwählte Volk Gottes, die Juden hätten noch eine Mission zu erfüllen, deshalb dürfe er die Juden als Rasse nicht bekämpfen. Das wollen viele heute nicht mehr sehen, aber es werde die Zeit kommen, dass es offenbar werde.
5.7.1944 Landrat Dr. Zeller an die Ministerial-Abteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung:
Ich habe am 13.6. festgestellt, dass BM Hayer dauernd unfähig ist, seine Amtspflichten als BM der Stadt Ebingen zu erfüllen. BM Hayer ist antragsgemäß zum 30.6.1944 in den Ruhestand versetzt worden."
Dr. Walter Stettner, Ebingen die Geschichte einer württembergischen Stadt, Thorbecke 1986

Es ist ihm weiter nichts geschehen! Ende April 1945 wurde er von den franz. Besatzern zum kommissarischen Bürgermeister ernannt.

Grüße Repo
 
Mercy schrieb:
Klar, wen interessiert den das:

Aber wer ist schon Margarete Sommer?

Vorurteile pflegen ist leicht. Die Hintergründe des historischen Geschehens zu erruieren bedeutet Anstrengung.

Mercy, bitte verstehe mich bloß nicht falsch,

aber mit dieser Argumentation kannst Du selbst Hitler zum Widerstandskämpfer machen.
Aus wie vielen "Viertels-" und "Halb-Juden" hat er sogenannte Ehren-Arier gemacht? Wenn ich mich richtig erinnere waren es hunderte.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Hallo Ursi, wie versprochen:
"Bürgermeister Hayer am 25. April 1944 gegenüber den Beigeordneten, Ratsherren und Amtsvorständen: Er habe dem Ministerium seine Entlassung aus dem Beamtenverhältniss unter Verzicht auf alle Rechte eingereicht. Seine Ehre lasse er sich nicht nehmen, und wenn er Steine klopfen müsse. Wenn er scheide, so tue er das ohne Groll in der Überzeugung, seine Pflicht als Beamter jederzeit getan zu haben. Er verwerfe das Tun und Treiben der Juden unserer Zeit, er sehe aber in der Bibel das Wort Gottes; nach der Bibel sei die jüdische Rasse das auserwählte Volk Gottes, die Juden hätten noch eine Mission zu erfüllen, deshalb dürfe er die Juden als Rasse nicht bekämpfen. Das wollen viele heute nicht mehr sehen, aber es werde die Zeit kommen, dass es offenbar werde.
5.7.1944 Landrat Dr. Zeller an die Ministerial-Abteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung:
Ich habe am 13.6. festgestellt, dass BM Hayer dauernd unfähig ist, seine Amtspflichten als BM der Stadt Ebingen zu erfüllen. BM Hayer ist antragsgemäß zum 30.6.1944 in den Ruhestand versetzt worden."
Dr. Walter Stettner, Ebingen die Geschichte einer württembergischen Stadt, Thorbecke 1986

Es ist ihm weiter nichts geschehen! Ende April 1945 wurde er von den franz. Besatzern zum kommissarischen Bürgermeister ernannt.

Grüße Repo

Vielen Dank Repo :bussi:
 
Mercy schrieb:
Klar, wen interessiert den das:

Aber wer ist schon Margarete Sommer?

Vorurteile pflegen ist leicht. Die Hintergründe des historischen Geschehens zu erruieren bedeutet Anstrengung.

beinahe habe ich den eindruck, deine antwort gleitet doch arg ins persönliche ab, seis drum. ich pflege keine vorurteile, sondern bin auf der hut, nicht vorschnell irgendwelchen legendenbildungen zu erliegen und benutze hierzu u.a. meinen gesunden menschenverstand. außer dem vorerst nicht nachprüfbaren hinweis auf die ehrenwerte frau sommer findet sich in dem welt-artikel nichts entlastendes, auch der faz-artikel enthält nichts wirklich überzeugendes. repo hat grundsätzlich recht(http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=101169&postcount=18), auch zu göring beispielsweise findet man, wenn man will und sucht sicher liebenswürdiges.

das thema wird mich wohl noch etwas länger beschäftigen, gut möglich, daß mir da noch weitere fragen zu einfallen.

ponzelar
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben