Goebbels in der KPD. Wäre das möglich gewesen?

Friesengeist

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Angeregt durch das Handbuch der deutschen Geschichte – Band 20 von Prof. Dr. Karl Friedrich Erdmann – hab ich zu Joseph Goebbels eine Frage.

Nach seinem Studium, trotz der Zugehörigkeit zum Strasser-Kreis, liebäugelte er zunächst mit den Kommunisten. Er sprach abfällig von den „Münchener Bonzen“ und dem „kleinen Bourgeois Hitler“.

Kann mir jemand sagen wie weit diese kommunistische Liebe ging. Gibt es Anhaltspunkte ob er einen Parteieintritt in die KPD je in Betracht gezogen hat?

Mich würde interessieren ob ihm die Partei, bzw. das Parteiprogramm eigentlich egal waren. Ging es ihm nur um das Erreichen einer Machtposition. Hätte er auch in der KPD versucht seinen Weg zu machen?

Erst ab 1926 inszenierte er einen fanatischen und hemmungslosen Führerkult um Adolf Hitler.
Im besagten Buch wird der Zeitpunkt als Goebbels Damaskus bezeichnet.
Um was handelt es sich bei dieser Aussage genau?
 
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Nach seinem Studium, trotz der Zugehörigkeit zum Strasser-Kreis, liebäugelte er zunächst mit den Kommunisten. Er sprach abfällig von den „Münchener Bonzen“ und dem „kleinen Bourgeois Hitler“.
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Hast du eine Jahreszahl, wann er dies gesagt haben soll?

Ich schau dann in seinen Tagebüchern nach.
 
Hast du eine Jahreszahl, wann er dies gesagt haben soll?

Ich schau dann in seinen Tagebüchern nach.
Nein leider ist kein genauer Zeitpunkt angegeben. In dem Buch (Seite 39 falls jemand nach schauen möchte) heißt es:

(...)Das größte demagogische Talent des Nationalsozialismus war Joseph Goebbels. Er hatte bei dem berühmten jüdischen Literaturwissenschaftler Friedrich Gundolf in Heidelberg studiert, und danach mit schriftstellerischen Versuchen aber keinen Erfolg gehabt und schließlich in der NS-Bewegung das Wirkungsfeld gefunden auf dem sich seine propagandistischen Fähigkeiten entfalten konnten. Dem Strasser-Kreis angehörend, kokettierte er ideologisch zunächst mit den Kommunisten. Er sprach verächtlich von den "Münchener Bonzen" und dem "kleinen Bourgeois Hitler", bis er 1926 sein Damaskus erlebte und von nun an einen hemmungslosen Führerkult inszenierte. (...)
 
Mich würde interessieren ob ihm die Partei, bzw. das Parteiprogramm eigentlich egal waren. Ging es ihm nur um das Erreichen einer Machtposition. Hätte er auch in der KPD versucht seinen Weg zu machen?
Einen solchen Ansatz habe ich mal über Roland Freisler gelesen...frag mich grade selber wo..

Die Nazis und die KPD haben 1931 sogar zusammen auf einer Kundgebung gegen Weimar teilgenommen.
Davon existiert ein Foto auf dem Ulbricht und Goebbels zu sehen sind.
Hier das Foto.

Generell denke ich aber, dass Goebbels spätestens ab 1926 ein richtiger Nationalsozialist war.
Ich finde Goebbels passt so ganz und gar nicht in das Bild eines "Auscherers" wie zb die Strassers betrachtet wurden.
 
Goebbels war nach dem gescheiterten Kapp-Putsch aus der Ferne begeistert von einer deutschen Roten Armee die gegen die Republik marschierte.

Aus seinen Erinnerungsblättern:

Osterferien 1920 in Rheydt
Hans (anm. von mir: Hans ist sein Bruder) bringt Hass mit und Kampfgedanken. (...) Kapp-Putsch. Rote Revolution im Ruhrgebiet. Sie (anm. von mir: damit ist Anka Stalherm gemeint. lernt dort den Terror kennen. Ich bin aus der Ferne begeistert.

Aus einem Brief vom 14.4.1920 an Anka Stalherm:

"Kann man es da den Millionen verdanken, wenn sie für ihre Interessen, und auch nur für ihre Interessen eintreten? Kann man es ihnen verdenken, wenn sie eine internationale Gemeinschaft anstreben, deren Ziel der Kampf gegen den korrupten Kapitalismus ist? Kann man es verurteilen, wenn ein grosser Teil der gebildeten Stürmerjugend dagegen angeht, dass die Bildung käuflich ist und nicht dem zuteil wird, der die Befähigung dazu hat? Ist es nicht ein Unding, dass Leute mit den glänzendsten geistigen Gaben verelenden und verkommen, weil die andern das Geld, das ihnen helfen könnte, verpassen, verjubeln und vertuen?"

Bereits 1919 schrieb Goebbels ein Fragment eines Dramas mit dem Titel: "Kampf der Arbeiterklasse" und im März 1920 schrieb er das Drama "Die Saat. Ein Geschehen in drei Akten".

In dem Drama "die Saat" schreibt er: "Wenn die Arbeiter erst erwachten, legten sie die Saat für das "Geschlecht, das heranreift, dem starken, schönen neuen Menschen."

Goebbels sah sich selber als einen materiell benachteiligt an. Er kam zur der vermeintlichen Erkenntnis, dass der Materialismus die Wurzel des Übels sei. Eine seiner wichtigsten Lektüre war Oswald Spenglers Buch Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Er schreibt in der Westdeutschen Landeszeitung vom 6.2.1922 folgendes über das Buch:
"Ich liebe Spenglers Buch sehr und verdanke ihm manche kostbare Stunde. Das aber kann mich nicht abhalten, zu behaupten, dass das Buch unserem deutschen Geiste mehr geschadet denn genutzt hat; aber leider haben viele daraus einen krankhaften Pessimismus geschöpft, und Pessimismus ist heute mehr denn je Gift für unseren Volkskörper".

Ab 1922 begann Goebbels zischen dem zunehmenden verhassten Materialismus und dem Judentum einen Zusammenhang herzustellen.

Er äusserte sich gegenüber Anke Stahlherm über den Literaturgeschichtler Adolf Bartels: " Du weisst ja, dass ich diese übertriebene Antisemitentum nicht besonders leiden mag. (...) Ich kann ja auch nicht gerade sagen, das die Juden meine besonderen Freunde wären, aber ich meine durch Schimpfen oder gar durch Pogrome schafft man sie nicht aus der Welt, und wenn man es auf diese Weise könnte, dann wäre das sehr unedel und menschenunwürdig".

Seine damalige Freundin Else Janke war eine Tochter einer jüdischen Mutter und eines christlichen Vaters. Er änderte seine Haltung ihr gegenüber deswegen nicht, für ihn existierte aber bereits eine Judenfrage. Nur muss man dazu sagen, dass "die Judenfrage" auch von den jüdischen Gemeinden ein Thema war.

Ab November 1923 gehörte das Buch von Housten Stewart Chamberlain; Grundlagen des 19. Jahrhunderts zu seinem Fundus. Der Brite hatte die Rassenlehre des Franzosen Gobineau weiterentwickelt. Goebbels sah nun die Juden immer mehr als Übel der Welt an.

Goebbels unterschied zwischen Marxismus und Bolschewismus, diese Differenzierung revidierte er dann unter dem Einfluss Hitlers. Er sah im Bolschewismus den Erben des russischen Nationalismus. Kein Zar habe das russische Volk in seinen Instinkten so verstanden wie Lenin, der im Gegensatz zu den deutschen Kommunisten kein internationalistischer Marxist sei.

1923 bezeichnete sich selbst als deutschen Kommunisten. Er schreibt in seinen Erinnerungsblättern von Januar bis August 1923 in Cöln:

"Zurück nach Cöln. Verzweiflung, Selbstmordgedanken. Die politische Lage. Chaos in Deutschland. Die Franzosen. England. Amerika. Hans schwer erkrankt. Cöln ein Ekel, die Bank Sinnlosigkeit. Gehalt gleich Null. Krank an Körper und Geist. Nicht mehr auszuhalten. (...) Ich muss heraus. Gewissenbisse. Ich weiss, dass ich nach Cöln nicht mehr zurück kann. (...) Der Tod oder aus diesem Kasten heraus. Chamberlain "Grundlagen". Judenfrage. (...) Die Inflation. Tolle Zeiten. Der Doller klettere wie ein Jongleur. Bei mir heimliche Freude. Ja das Chaos kann kommen, wenn es besser werden soll. Der Kommunismus. Judentum. Ich bin deutscher Kommunist".

Ein deutscher Kommunist war für ihn identisch mit einem nationalen Sozialisten. Aus all dem ergab sich für Goebbels ab ca. Ende 1923 eine unerbittliche Logik, nämlich diejenige, dass der Weg in eine bessere Welt über den Existenzkampf gegen das internationale Judentum führen musste.

In dieser Zeit drang auch Hitler in das Bewusstsein Goebbels ein. Goebbels war 1924 einziger Redakteur eines Kampfblättchens namens "Völkische Freiheit" darin feierte Goebbels Hitler als "grossen deutschen Apostel" (15.11.1924), als die Inkarnation unseres Glaubens und unserer Idee, einer Idee, die dem Führerprinzip ihre Vollendung finden sollte.

Über Gregor Strasser kam Goebbels mit Hitler in Kontakt. Am 12. Juli 1925 trafen sich Hitler und Goebbels das erste Mal in Weimar. Am 23.11.1925 schreibt er in sein Tagebuch: "Ich komme an. Hitler ist da. Meine Freude ist gross. (...) Wie lieb ich ihn! So ein Kerl.(...) Ich muss auf Wunsch zuerst sprechen. Und dann redet er. Wie klein ich bin! Er gibt mir sein Bild. Mit einem Gruss ins Rheinland. Heil Hitler!"

Quelle: Joseph Goebbels, Tagebücher, Band 1, 1924 bis 1929. S. 5 - 46
 
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Im besagten Buch wird der Zeitpunkt als Goebbels Damaskus bezeichnet.
Um was handelt es sich bei dieser Aussage genau?

Hier wird wohl auf das Damaskuserlebnis hingewiesen.

Der Ausdruck Damaskuserlebnis bezeichnet allgemein ein Erlebnis, das einer Person eine einschneidende Selbsterkenntnis vermittelt, ihre Einstellung und ihr Verhalten zum für sie Positiven verändert.

Quelle: Wiki.
 
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Erst ab 1926 inszenierte er einen fanatischen und hemmungslosen Führerkult um Adolf Hitler.
Im besagten Buch wird der Zeitpunkt als Goebbels Damaskus bezeichnet.
Um was handelt es sich bei dieser Aussage genau?

Mit "Damaskus" ist die Konversion des Saulus zum Paulus gemeint, die auf seinem Weg in diese Stadt erfolgte.

Bezüglich des Verhältnisses zu den Kommunisten: Ich meine mich zu erinnern gelesen zu haben, dass Goebbels in den letzten Tagen des dritten Reichs begann über eine Übereinkunft mit den Sowjets gegen die Westmächte zu fantasieren, im absoluten Gegensatz zu anderen Bonzen, die verzweifelt auf eine Übereinkunft mit letzteren gegen die Russen spekulierten.
 
Einen solchen Ansatz habe ich mal über Roland Freisler gelesen...frag mich grade selber wo..

Freisler war in russischer Kriegsgefangenschaft und ist dort mit dem Bolschewismus in Kontakt gekommen. Anscheinend ziemlich intensiv.

Generell denke ich aber, dass Goebbels spätestens ab 1926 ein richtiger Nationalsozialist war.
Ich finde Goebbels passt so ganz und gar nicht in das Bild eines "Auscherers" wie zb die Strassers betrachtet wurden.
Goebbels hat während Hitlers Haft und danach zusammen mit Strasser die Partei in Norddeutschland aufgebaut. Aus der Zeit kurz danach gibt es mehrere äußerst kritische Äußerungen über die "Münchner" und Hitler.
Der Zeitpunkt als er zum Satrapen Hitlers wurde, steht glaube ich fast auf den Tag fest, ich weiß ihn jetzt nur aus der Hand nicht. Kann aber bei Bedarf gerne nachsehen.
 
Nach seinem Studium, trotz der Zugehörigkeit zum Strasser-Kreis, liebäugelte er zunächst mit den Kommunisten. Er sprach abfällig von den „Münchener Bonzen“ und dem „kleinen Bourgeois Hitler“.

Diese Aussage findet man in seinen Erinnerungsblättern und im Tagebuch nicht. Es wär sehr interessant auf welche Quellen sich Prof. Dr. Karl Friedrich Erdmann bezieht.

Erst ab 1926 inszenierte er einen fanatischen und hemmungslosen Führerkult um Adolf Hitler.
Im besagten Buch wird der Zeitpunkt als Goebbels Damaskus bezeichnet.
Um was handelt es sich bei dieser Aussage genau?

Ich denke Goebbels war schon vor 1926 ein fanatischer Anhänger Hitlers.
 
Freisler war in russischer Kriegsgefangenschaft und ist dort mit dem Bolschewismus in Kontakt gekommen. Anscheinend ziemlich intensiv.

Das wusst ich noch gar nicht.
Aber ich meinte meinen Freisler-Vergleich auch mehr im Hinblick auf die Machtgeilheit.
Ich hab gelesen, Freisler hätte sich in jedem System ohne Menschenrechte vermutlich ähnlich verhalten.
 
Mit "Damaskus" ist die Konversion des Saulus zum Paulus gemeint, die auf seinem Weg in diese Stadt erfolgte.

Bezüglich des Verhältnisses zu den Kommunisten: Ich meine mich zu erinnern gelesen zu haben, dass Goebbels in den letzten Tagen des dritten Reichs begann über eine Übereinkunft mit den Sowjets gegen die Westmächte zu fantasieren, im absoluten Gegensatz zu anderen Bonzen, die verzweifelt auf eine Übereinkunft mit letzteren gegen die Russen spekulierten.

In seiner Studienzeit war Goebbels fasziniert von Russland. Er lass sehr viel russische Literatur und hegte eine gewisse Liebe zu dem Land.
 
Diese Aussage findet man in seinen Erinnerungsblättern und im Tagebuch nicht. Es wär sehr interessant auf welche Quellen sich Prof. Dr. Karl Friedrich Erdmann bezieht.


Dies schreibt auch Zentner in "Geschichte des Dritten Reiches"


Ich denke Goebbels war schon vor 1926 ein fanatischer Anhänger Hitlers.

Nazis sicher, aber Fraktion Strasser

Falls dich genaueres interessiert, vielleicht komme ich heute Abend noch dazu
 
Aber das wär schon interessant, ab wann sich Goebbels komplett Hitler hingegeben hat.

Ernst Röhm und seine SA waren ja auch eher vom "linken" Flügel der NSDAP und v.a. sehr auf die sozialrevolutionären Inhalte der "Nationalen Revolution" bedacht.
Wäre interessant zu wissen wie Goebbels zu Röhm & SA stand, da sie ja das Gegenteil der "Münchner Bonzen und Bourgeoisie" waren.
Außerdem wären Reaktionen auf die Nacht der langen Messer interessant.
 
Dies schreibt auch Zentner in "Geschichte des Dritten Reiches"

Schön, nur auf welche Quelle beziehen sie sich.
Soviel mir ist ist sein Buch auch nicht mehr das Aktuellste. Und gerade in der Forschung des Nationalsozialismus wurde nach 1990 viel überarbeitet. Weiss jetzt nicht ob Zentner sein Buch überarbeitet hat. Aber ich halte mich da lieber an die neuere Forschung.


Nazis sicher, aber Fraktion Strasser

Falls dich genaueres interessiert, vielleicht komme ich heute Abend noch dazu

Nein er war Hitler Anhänger. Er schreibt das ja auch Ausdrücklich in seinen Texten von 1925
 
Schön, nur auf welche Quelle beziehen sie sich.
Soviel mir ist ist sein Buch auch nicht mehr das Aktuellste. Und gerade in der Forschung des Nationalsozialismus wurde nach 1990 viel überarbeitet. Weiss jetzt nicht ob Zentner sein Buch überarbeitet hat. Aber ich halte mich da lieber an die neuere Forschung.




Nein er war Hitler Anhänger. Er schreibt das ja auch Ausdrücklich in seinen Texten von 1925

OK ich schau nach.

(Hoffentlich hat Ehefrau noch zu telefonieren, sonst sieht es schlecht aus:D)
 
(...)Diese Aussage findet man in seinen Erinnerungsblättern und im Tagebuch nicht. Es wär sehr interessant auf welche Quellen sich Prof. Dr. Karl Friedrich Erdmann bezieht. (...)

Also wenn ich das Quellenverzeichnis richtig interpretiere, dann bezieht er sich wohl auf "M.H.Klee, Nazis and Workers (Chapel Hill 1972)".

Aber wie gesagt, diese Angabe ist ohne Gewähr ;) - irgendwie unübersichtlich geschrieben das ganze.
 
@ursi:

Damit meinte ich, ab wann er seinem Führer bedingungslos nachfolgte.
In allen, auch ideologischen Fragen.
 
(...)Soviel mir ist ist sein Buch auch nicht mehr das Aktuellste. (...)

Ja, leider ist mein Buch vom Juni 1980 - ich habe eben ein Faible für alte Bücher :D , aber grundsätzlich dürfte das Alter des Buches für meine Überlegung Zweitrangig sein. ;) Zusammen mit den Meinungen aus diesem Forum dürfte sich dann schon ein stimmiges Gesamtbild abzeichnen.
 
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