Goebbels in der KPD. Wäre das möglich gewesen?

Nach seinem Studium, trotz der Zugehörigkeit zum Strasser-Kreis, liebäugelte er zunächst mit den Kommunisten. Er sprach abfällig von den „Münchener Bonzen“ und dem „kleinen Bourgeois Hitler“.

Hab eine Aussage von den "Münchener Bonzen" gefunden.

Dabei geht es aber nicht um Hitler persönlich, sondern um sein Umfeld in München.

21. August 1925

Gestern war Strasser den ganzen Nachmittag hier. (...) Erzählt viel Trauriges von München. Von dieser Sau- und Luderwirtschaft in der Zentrale. Hiter ost von falschen Leuten umgeben. Ich glaube, Hermann Esser ist sein Verhängnis.
(...) Der Westblock gibt die nat. soz. Briefe heraus, die von Strasser herausgegeben und von mir redigiert werden. Damit werden wir ein Kampfmittel gegen die verkalkten Bonzen in München haben. Wir werden usn schon bei Hitler durchsetzen.
(...)

30. September 1930

Strasser ist hier. (...) Strasser ist ein lieber Kerl. Er kann und wird noch viel dazu lernen. Aber er ist zu jeder Radikalisierung der Idee bereit. Er soll unser Sturmblocl gegen die Münchener Bonzen sein. Vielleicht wird sehr bald schon der Kampf entbrennen. (...)

2. Oktober 1925

Mit Strasser lang und viel verhandelt. (...) "Bist du völkisch?" Eine wunderbare Frage des Schicksals. Strasser ist lange nicht so bourgeois wie ich anfangs dachte. (...) Deshalb sein Hass gegen Esser und München, die ihm bei Hitler im Wege stehen.
 
Freisler war in russischer Kriegsgefangenschaft und ist dort mit dem Bolschewismus in Kontakt gekommen. Anscheinend ziemlich intensiv.

Goebbels hat während Hitlers Haft und danach zusammen mit Strasser die Partei in Norddeutschland aufgebaut. Aus der Zeit kurz danach gibt es mehrere äußerst kritische Äußerungen über die "Münchner" und Hitler.
Der Zeitpunkt als er zum Satrapen Hitlers wurde, steht glaube ich fast auf den Tag fest, ich weiß ihn jetzt nur aus der Hand nicht. Kann aber bei Bedarf gerne nachsehen.
Schau mal hier nach:

Claus-Ekkehard Bärsch, Der junge Goebbels: Erlösung und Vernichtung, 2004, S. 179 (ab letztem Drittel) ff.

Baersch beschreibt wie Goebbels schon im Okt. 1925 unter Hitlers Liebesentzug leidet (S. 180), intellektuell (z.B. bei der Frage der entschädigungslosen Fürstenenteignung) aber noch radikal sozialistischen Ideen anhängt. Goebbels hat aufgrund dieses Konflikts noch letzte Zweifel an Hitler: "Ich glaube nicht mehr restlos an Hitler" (S. 180 Ende). Auf der S. 181 berichtet Bärsch dann wie Goebbels seine letzten Zweifel an Hitler Ende April 1926 verlor.

OT:
Auf der Seite 180 berichtet Bärsch auch davon, dass die von Strasser verbreitete Version, Goebbels habe kurz vor der Bamberger Tagung den Ausschluss des „kleinen Bourgeois Hitler“ gefordert, von der Forschung widerlegt wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, leider ist mein Buch vom Juni 1980 - ich habe eben ein Faible für alte Bücher :D , aber grundsätzlich dürfte das Alter des Buches für meine Überlegung Zweitrangig sein. ;) Zusammen mit den Meinungen aus diesem Forum dürfte sich dann schon ein stimmiges Gesamtbild abzeichnen.

Ach alte Bücher sind doch auch wichtig. So kann man die Forschung viel besser nachvollziehen. Und dein Weg auch neuere Literatur beizuziehen und natürlich das GF, finde ich richtig. Ich mach das ja auch so. :yes:
 
Zuletzt bearbeitet:
letztem Drittel) ff[/URL].

Baersch beschreibt wie Goebbels im Okt 1925 unter Hitlers Liebesentzug leidet (S. 180), intellektuell (z.B. bei der Frage der entschädigungslosen Fürstenenteignung) aber noch radikal sozialistischen Ideen anhängt. Goebbels hat aufgrund dieses Konflikts noch letzte Zweifel an Hitler: "Ich glaube nicht mehr restlos an Hitler" (S. 180 Ende). Auf der S. 181 berichtet Bärsch dann wie Goebbels seine letzten Zweifel an Hitler Ende April 1926 verlor.

Goebbels schreibt am 19. April 1926

(...) Hitler umarmt mich, als er mich sieht. Er sagt mir viel Lob. Ich glaube, er hat mich wie keinen ins Herz geschlossen. (...) Wir feieren Hitlers Geburtstag 37 Jahre ist er alt. 37 Kerzen um Blumen brennend. Und er erzählt vom 9. November 1923. Adolf Hitler, ich liebe Dich, wei Du gross und einfach zugleich bist. Das was man Genie nennt. (...)


Ganz interessant ist, dass Goebbels immer wieder schreibt, dass Hitler ihn wohl mag. Das war ihm sehr wichtig.
 
Wenn man sich das Parteiprogramm von 1920 anschaut, wundert es nicht, dass sogar Leute, die sich zum Kommunismus hingezogen fühlten, NSDAP wählten oder Mitglieder wurden.
Aus dem Programm:

"11) Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens. Brechung der Zinsknechtschaft.
12) Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Berei*cherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden. Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.
13) Wir fordern die Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trusts) Betriebe.
14) Wir fordern Gewinnbeteiligung an Großbetrieben.
15) Wir fordern einen großzügigen Ausbau der Alters-Versorgung.
16) Wir fordern die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung, sofortige Kommuna*lisierung der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende, schärfste Berücksichtigung aller kleinen Gewerbetreibenden bei Lieferung an den Staat, die Länder oder Gemeinden.
17) Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepaßte Bodenreform, Schaffung eines Geset*zes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzin*ses und Verhinderung jeder Bodenspeku*lation.
...
20) Um jedem fähigen und fleißigen Deutschen das Erreichen höherer Bildung und damit das Einrücken in führende Stel*lung zu ermöglichen, hat der Staat für einen gründlichen Ausbau unseres gesamten Volks*bildungswesens Sorge zu tra*gen. Die Lehrpläne aller Bildungsanstalten sind den Erfordernissen des praktischen Lebens anzupassen. Das Erfassen des Staatsgedankens muß bereits mit dem Beginn des Verständnisses durch die Schule (Staatsbürgerkunde) erzielt wer*den.
21) Wir fordern die Ausbildung be*sonders veranlagter Kinder armer Eltern ohne Rücksicht auf deren Stand oder Beruf auf Staatskosten.
...
22) Wir fordern die Abschaffung der Söldnertruppe und die Bildung eines Volksheeres."

Da sind viele sozialistische Forderungen drin (man vergleiche ja dann auch den Parteinamen). Götz Aly schreibt in "Hitlers Volksstaat" ja dann auch ausdrücklich, dass in der NSDAP einige ehemalige Kommunisten waren.
 
Zentner, G. d. Dritten Reiches, Südwest München 1963:pfeif:
Seite 98 + 99
"In Goebbels handschriftlichem Tagebuch aus 1925/26, das erhalten geblieben ist.."12. Okt. 1925 "... in München sind Lumpen am Werk. Dummköpfe die keinen Kopf neben sich dulden..."
"Im Nov. 1925 beruft Strasser eine Konferenz der Nordd. Nationalsozialisten ein.... Nur Ley ist in dieser Versammlung für Hitler. Goebbels schreit ihn im Verlauf der Auseinandersetzungen an: Ich beantrage, dass dieser kleine Bourgeois Hitler aus der Nationalsozialistischen Partei ausgeschlossen wird!"
(es geht um die Fürstenabfindung, Hitler ist dafür, was Goebbels fürchterlich aufregt) "14.2.1926 Hitler redet, wohl 2 Stunden, welch ein Hitler? Ein Reaktionär?... Wohl eine der größten Enttäuschungen meines Lebens"

Hitler lädt Goebbels dann nach München ein. Zentner meint, dass Hitler Goebbels Eigenschaften richtig einschätzt. Vom 7. April bis 17. April 1926 ist Goebbels in München, Hitler ist fast ständig um ihn.

Wieder das Tagebuch. "8. April 1926 im Bürgerbräu ...Hitler ist schon da...Tobende Begrüßung...Und dann rede ich zweieinhab Stunden...Man lärmt man tobt...Am Schluss umarmt mich Hitler. DieTränen stehen (unleserlich mir oder ihm) in den Augen. Ich bin so etwas von glücklich...."
Wenige Tage später (Zentner gibt kein Datum an) "Er (Hitler) spricht drei Stunden. Glänzend. Könnte einen irre machen...Ich liebe ihn.....Er hat alles durchdacht. Ich bin bei ihm in allem beruhigt...Ich beuge mich dem Größeren, dem politischen Genie."

Das Damaskuserlebnis des Dr. Goebbels war in München zw. dem 8. und 17. April 1926
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Goebbels gehörte zu Zeiten seiner Bonner Studienjahre einer katholischen Studentenverbindung an, aus der er dann aber wohl wegen schlechten Benehmens ausgeschlossen wurde.
 
Zentner, G. d. Dritten Reiches, Südwest München 1963:pfeif:
Seite 98 + 99
"In Goebbels handschriftlichem Tagebuch aus 1925/26, das erhalten geblieben ist.."12. Okt. 1925 "... in München sind Lumpen am Werk. Dummköpfe die keinen Kopf neben sich dulden..."

Siehst du, deshalb empfiehlt es sich doch mal neuere Literatur herbeizuziehen. Ich habe das Buch auch zu Hause. Zentner gibt keine seiner Quellen an, es hat zwar ein Literaturverzeichnis, aber kein Quellenverzeichnis.

1963 wusste Zentner noch nicht, dass später einmal die Moskauer Archive geöffnet werden. Was in diesem einen Fall nicht von Bedeutung ist. Den bei dem vom Zentner zitierten Text handelt es sich nicht um die sog. Elberfelder Tagebuch von 1925/26. Hier hatte man das Glück, dass es der amerikanische Offizier W. Montenegro fand. Ganz in der Nähe des Führerbunkers.

Aber erst nach 1990 nach der Öffnung des Archives konnte man die alle Tagbücher editieren.



"Im Nov. 1925 beruft Strasser eine Konferenz der Nordd. Nationalsozialisten ein.... Nur Ley ist in dieser Versammlung für Hitler. Goebbels schreit ihn im Verlauf der Auseinandersetzungen an: Ich beantrage, dass dieser kleine Bourgeois Hitler aus der Nationalsozialistischen Partei ausgeschlossen wird!"

Das schreibt aber Zentner ohne eine Quellenangabe. Gandolf hat ja schon geschrieben, dass diese Aussage durch die Forschung widerlegt wurde.

Das Buch von Zentner ist gut und recht, hält aber der heutigen Forschung nicht mehr stand. Da es keine seriösen Quellenangaben hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Siehst du, deshalb empfiehlt es sich doch mal neuere Literatur herbeizuziehen. Ich habe das Buch auch zu Hause. Zentner gibt keine seiner Quellen an, es hat zwar ein Literaturverzeichnis, aber kein Quellenverzeichnis.
Aber erst nach 1990 nach der Öffnung des Archives konnte man die alle Tagbücher editieren.


Die Wandlung von Goebbels und das Erreichen des rettenden Ufers in der parteiinternen Krise mit Machtkampf wird bereits beschrieben von:

Heiber, Helmut: Das Tagebuch des Joseph Goebbels 1925/26, Band 1 (1961). Sonderhefte der VfZ.

Heiber analysiert die Tagebücher, und stellt die Abläufe im Kontext dar. Goebbels hat hier parteiintern die Seiten gewechselt, vermutlich nach direkten Gesprächen mit Hitler und mit gewissen "Kompensationen". Das ist jetzt aber nur aus der Erinnerung zu dieser Literatur wiedergegeben. Näheres müßte ich nachlesen.

Somit konnte sich auch Zentner 1963 auf die Heiber-Analyse beziehen.
 
Die Wandlung von Goebbels und das Erreichen des rettenden Ufers in der parteiinternen Krise mit Machtkampf wird bereits beschrieben von:

Heiber, Helmut: Das Tagebuch des Joseph Goebbels 1925/26, Band 1 (1961). Sonderhefte der VfZ.

Heiber analysiert die Tagebücher, und stellt die Abläufe im Kontext dar. Goebbels hat hier parteiintern die Seiten gewechselt, vermutlich nach direkten Gesprächen mit Hitler und mit gewissen "Kompensationen". Das ist jetzt aber nur aus der Erinnerung zu dieser Literatur wiedergegeben. Näheres müßte ich nachlesen.

Somit konnte sich auch Zentner 1963 auf die Heiber-Analyse beziehen.

Das könnte sein. Ich frag mich da einfach, weshalb gibt er ihn dann nicht als Quelle an. Das ist für mich keine seriöse historische Arbeitsweise. Aber vielleicht war das in dieser Zeit noch nicht gang und gäbe seine Quellen preis zu geben.
 
Wäre es möglich gewesen? Warum denn nicht?
Weil heute der Nationalsozialismus als "rechts" gesehen wird und der Kommunismus als "links"? Von wegen total gegensätzlich?

Das ist schwarz-weiß-Denken, das nicht angebracht ist, auch wenn es heute kaum jemand gern hört, besonders aus dem linken Lager*. Man muß beachten, daß der Namensteil "sozialistische" in NSDAP nicht wahllos ist, da gab es durchaus elementare Programmpunkte und auch vertretene Meinungen in den Partei. Phrasen wie "Arbeit adelt" und "Volksgemeinschaft" kommen nicht aus dem Vokabular einer bürgerlichen Partei. Ich sehe da eine Menge Ähnlichkeiten, auch wenn sie sich in den Straßen der Weimarer Republik gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben.

* Dafür wird´s wahrscheinlich wieder ein paar Rote Sterne geben.
 
Ich verweise anlässlich Arnes Beitrag (bevor jemand rote Bommel vergibt) auf mein längeres Zitat aus dem Parteiprogramm der (NS)DAP von 1920.
 
Wäre es möglich gewesen? Warum denn nicht?
Weil heute der Nationalsozialismus als "rechts" gesehen wird und der Kommunismus als "links"? Von wegen total gegensätzlich?

Das ist schwarz-weiß-Denken, das nicht angebracht ist, auch wenn es heute kaum jemand gern hört, besonders aus dem linken Lager*. Man muß beachten, daß der Namensteil "sozialistische" in NSDAP nicht wahllos ist, da gab es durchaus elementare Programmpunkte und auch vertretene Meinungen in den Partei. Phrasen wie "Arbeit adelt" und "Volksgemeinschaft" kommen nicht aus dem Vokabular einer bürgerlichen Partei. Ich sehe da eine Menge Ähnlichkeiten, auch wenn sie sich in den Straßen der Weimarer Republik gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben.

* Dafür wird´s wahrscheinlich wieder ein paar Rote Sterne geben.

Sehe ich auch so. Papa Leo hat ja schon das Parteiprogramm der NSDAP reingestellt. Wo diese Ähnlichkeiten aufgezeigt werden.

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mit unserm heutigem Wissen Goebbels betrachten, sondern versuchen uns in die Zeit in der er gelebt hatte hineinzuversetzen. Er machte eine Entwicklung durch, dabei spielten seine Lebenssituation als Student und danach eine wichtige Rolle.

Wenn man seine Schriften und Dramen die er als Student und später verfasste anschaut, dann spielen hier die Arbeiterklasse eine wichtige Rolle.
 
Ganz interessant ist, dass Goebbels immer wieder schreibt, dass Hitler ihn wohl mag. Das war ihm sehr wichtig.




Interessant ist wie unterschiedlich Goebbels Hitlers ihm gegenüber gezeigten Emotionen im Vergleich zu seinen eigenen Hitler gegenüber empfundenen Emotionen beschreibt:
  • Von Hitler schreibt er, dass er ihn umarmt, zu ihm sei wie ein alter Freund, er ihn umhege, Tränen in den Augen habe nach einer Goebbelsrede, etc.
  • Von sich schreibt Goebbels hingegen, dass er von Hitler "beglückt" sei, "wie lieb ich ihn hab", er beschreibt Hitler als inneren Halt und als zweite Hälfte, "ich liebe ihn", "Adolf Hitler, ich liebe Dich, weil Du groß und einfach zugleich bist", "Ich verehre und liebe ihn", etc.
Hitlers Emotionen werden im Rahmen des Normalen geschildert. Bei der Beschreibung seiner eigenen Gefühle gleitet Goebbels eindeutig ins Homoerotische ab.
PS: Ich will keine Diskussion darüber eröffnen, ob Goebbels schwul war. Seine Frauengeschichten sind mir auch bekannt. Aber auffällig ist das schon.
Das könnte sein. Ich frag mich da einfach, weshalb gibt er ihn dann nicht als Quelle an. Das ist für mich keine seriöse historische Arbeitsweise. Aber vielleicht war das in dieser Zeit noch nicht gang und gäbe seine Quellen preis zu geben.
Ich habe mal Zentners Zweiten Weltkrieg in den Händen gehalten. Im Vorwort dieses Buches stand sinngemäß folgendes drin: Kurt Zentner sei ein Fernsehjorurnalist gewesen, dessen Serien zum "Dritten Reich" und zum Zweiten Weltkrieg beim Publikum große Resonanz hatte. Dann sei der Verlag auf die Idee gekommen, hieraus ein Buch zu machen. Dabei handle es sich aber eher um Zentners "sehr individuellen Tatsachenbericht" weniger um ein Buch der wissenschaftlichen Forschung. Später hat ja dann auch sein Sohn Christian Zentner (ein Historiker) das Buch vom Vater entsprechend überarbeitet.
Repo schrieb:
Das Damaskuserlebnis des Dr. Goebbels war in München zw. dem 8. und 17. April 1926
Da hat er seinen "letzten Zweifel" verloren. Aber schon am 12.9.1925 hat er in seinem Tagebuch geschrieben, dass er von Hitler "beglückt" sei. "Alles hat dieser Mann, um König zu sein. Der geborene Volkstribun. Der kommende Diktator". Ein paar Tage später schreibt er, wie lieb er (Goebbels) ihn (Hitler) habe. Am 12.10.1925 schreibt Goebbels, dass er von Strasser einen Brief erhalten habe mit dem Inhalt, dass Hitler über ihn geschimpft habe und ihm nicht traue. Darüber ist Goebbels ganz geknickt: "und dann noch Vorwürfe von Hitler selbst". So plötzlich ("Damaskuserlebnis") kam also Goebbels Bekehrung nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant ist wie unterschiedlich Goebbels Hitlers ihm gegenüber gezeigten Emotionen im Vergleich zu seinen eigenen Hitler gegenüber empfundenen Emotionen beschreibt:
  • Von Hitler schreibt er, dass er ihn umarmt, zu ihm sei wie ein alter Freund, er ihn umhege, Tränen in den Augen habe nach einer Goebbelsrede, etc.
  • Von sich schreibt Goebbels hingegen, dass er von Hitler "beglückt" sei, "wie lieb ich ihn hab", er beschreibt Hitler als inneren Halt und als zweite Hälfte, "ich liebe ihn", "Adolf Hitler, ich liebe Dich, weil Du groß und einfach zugleich bist", "Ich verehre und liebe ihn", etc.
Hitlers Emotionen werden im Rahmen des Normalen geschildert. Bei der Beschreibung seiner eigenen Gefühle gleitet Goebbels eindeutig ins Homoerotische ab.
PS: Ich will keine Diskussion darüber eröffnen, ob Goebbels schwul war. Seine Frauengeschichten sind mir auch bekannt. Aber auffällig ist das schon.

Wenn ich die Eintragungen im Tagebuch lese, kommt es mir so vor, als Suche Goebbels eine Bezugsperson zu dem er Aufblicken kann. Wie wenn er auf der Suche nach einem Vater wäre. Aber das ist reine Spekualtion und mein persönliches empfinden, beim durchlesen der Einträge. Ich habe mich mit der Kindheit von Goebbels nicht beschäftigt, also weiss ich nicht wie sein Verhältnis zu seinen Eltern war. Und dann möchte ich auch nicht auf eine pseudopsychoanlayse abtrieften - das kommt eh nicht gut raus.


Ich habe mal Zentners Zweiten Weltkrieg in den Händen gehalten. Im Vorwort dieses Buches stand sinngemäß folgendes drin: Kurt Zentner sei ein Fernsehjorurnalist gewesen, dessen Serien zum "Dritten Reich" und zum Zweiten Weltkrieg beim Publikum große Resonanz hatte. Dann sei der Verlag auf die Idee gekommen, hieraus ein Buch zu machen. Dabei handle es sich aber eher um Zentners "sehr individuellen Tatsachenbericht" weniger um ein Buch der wissenschaftlichen Forschung. Später hat ja dann auch sein Sohn Christian Zentner (ein Historiker) das Buch vom Vater entsprechend überarbeitet.

Danke das erklärt einiges. Das Buch ist auch eher ein individueller Tatsachenbericht. Wobei ich gestehen muss, dank diesem Buch wurde mein Interesse in der Jugend für das Dritte Reich geweckt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich die Eintragungen im Tagebuch lese, kommt es mir so vor, als Suche Goebbels eine Bezugsperson zu dem er Aufblicken kann. Wie wenn er auf der Suche nach einem Vater wäre. Aber das ist reine Spekualtion und mein persönliches empfinden, bei durchlesen der Einträge. Ich habe mich mit der Kindheit von Goebbels nicht beschäftigt, also weiss ich nicht wie sein Verhältnis zu seinen Eltern war. Und dann möchte ich auch nicht auf eine pseudopsychoanlayse abtrieften - das kommt eh nicht gut raus.
Du hast recht. Die Psychoanalyse sollten wir den Profis überlassen. Sollen die die Frage klären, weshalb Goebbels, wenn es ihm nur darum ging, seine Verehrung für Hitler auszudrücken, in sein Tagebuch zahlreiche "Lieberserklärungen" einträgt.
Arne schrieb:
Wäre es möglich gewesen? Warum denn nicht?
Weil heute der Nationalsozialismus als "rechts" gesehen wird und der Kommunismus als "links"? Von wegen total gegensätzlich?

Das ist schwarz-weiß-Denken, das nicht angebracht ist, auch wenn es heute kaum jemand gern hört, besonders aus dem linken Lager*. Man muß beachten, daß der Namensteil "sozialistische" in NSDAP nicht wahllos ist, da gab es durchaus elementare Programmpunkte und auch vertretene Meinungen in den Partei. Phrasen wie "Arbeit adelt" und "Volksgemeinschaft" kommen nicht aus dem Vokabular einer bürgerlichen Partei. Ich sehe da eine Menge Ähnlichkeiten, auch wenn sie sich in den Straßen der Weimarer Republik gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben.

* Dafür wird´s wahrscheinlich wieder ein paar Rote Sterne geben.
Von mir gibt es keine Roten Sterne sondern Folgendes:

1. Wurde der Nationalsozialismus nicht schon damals als "rechts" und der Kommunismus schon damals als "links" bewertet?

Wenn ja: was war damals der Unterschied zwischen "rechts" und "links"? Bei Links sehe ich das eher so: Teilhabe aller am gesellschaftlichen und staatlichen Leben mit "entsprechenden" Schlussfolgerungen (je nachdem wie radikal links man eingestellt war); für "rechts" ist es viel schwieriger eine gemeinsame Formel zu finden.

2. Der Begriff der "Volksgemeinschaft" kommt Ende des 19. Jh./Anfang 20. Jh. in den besten bürgerlichen Kreisen vor als Gegenbegriff zur "Gesellschaft". Vereinfacht dargestellt: Die "Gesellschaft" bestand aus Individuen, die nach ihrem Glück strebten. Die "Volksgemeinschaft" hingegen verpflichtete den Einzelnen auf die Gemeinschaft mit seinem Volk. Hier war das Einfallstor für antiliberale, antiemanzipatorische Ideen, mit denen später der Nationalsozialismus die "Volksgemeinschaft" auflud.

3. Stand "Arbeit adelt" nicht für ein Bürgertum, das sich vom Adel abgrenzte, weil es prodktiv war (arbeitete) und keinem Müsiggang nachging? - "Arbeit adelt" in der Sozialpolitik bedeutet so viel wie: "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". War das "links"?
Wenn man sich das Parteiprogramm von 1920 anschaut, wundert es nicht, dass sogar Leute, die sich zum Kommunismus hingezogen fühlten, NSDAP wählten oder Mitglieder wurden.
Aus dem Programm:

"11) Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens...
Wohl kaum, oder?:winke:
 
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Wäre es möglich gewesen? Warum denn nicht?
Weil heute der Nationalsozialismus als "rechts" gesehen wird und der Kommunismus als "links"? Von wegen total gegensätzlich?

Das ist schwarz-weiß-Denken, das nicht angebracht ist, auch wenn es heute kaum jemand gern hört, besonders aus dem linken Lager*. Man muß beachten, daß der Namensteil "sozialistische" in NSDAP nicht wahllos ist, da gab es durchaus elementare Programmpunkte und auch vertretene Meinungen in den Partei. Phrasen wie "Arbeit adelt" und "Volksgemeinschaft" kommen nicht aus dem Vokabular einer bürgerlichen Partei. Ich sehe da eine Menge Ähnlichkeiten, auch wenn sie sich in den Straßen der Weimarer Republik gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben.

* Dafür wird´s wahrscheinlich wieder ein paar Rote Sterne geben.
Von mir keine roten Sterne, weil das unterstes Niveau ist, einen Diskurs zu führen, aber eine Erwiederung auf Deine Vermutungen.

Zunächst sind es sicherlich drei Ebenen, die für eine Beantwortung dieser Frage relevant sind.

1. Die programmatischen bzw. parteipolitischen Aussagen beider politischen Bewegungen
2. das spezifische soziokulturelle Milieu, aus denen sich beide Bewegungen rekrutiert haben
3. die individuelle charakterliche Ebene, die in der Sozialforschung in der Regel als "autoritärer Charakter" beschrieben werden und eine wichtige Voraussetzung bilden, für die Bejahung autoritärer sozialer Bewegungen

Ich bilde mir nicht ein, diese Fragen für die NSDAP vs. KPD wirklich kompetent beurteilen zu können, aber ich finde es vorschnell, die Anhänger beider Bewegungen, quasi über den "autoritären Charakter" als identisch anzunehmen und es als Zufall anzunehmen, zu welcher der beiden Gruppierungen man sich zählte.

Dennoch in paar Argumente:
zu 1. Es sind sicherlich Ähnlichkeiten in den programmtischen Vorstellungen vorhanden, die sich auf die Ablehnung der traditionellen kapitalistischen Vorstellungen konzentrieren, aber diese Strömungen sind zumindest in der NSDAP relativ schnell isoliert worden und duch die Kooption ergab sich eine Symbiose vom Großkapital zur NS-Bewegung.

Sicherlich sind beide prgrammatischen Plattformen assoziiert mit dem Begriff "Sozialistisch", der Stellenwert und die programmtische Bdeutung haben in beiden Bewegungen einen deutlich unterschiedlichen Stellenwert.

zu 2. Die wohl seriöseste Analyse zu diesem Thma stammt von Falter.
http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/100083/100083kapitel7.pdf
Und es wird ersichtlich, dass beide Bewegungen sich im Prinzip aus unterschiedlichen Milieus bzw. sozialen Schichten rekrutiert haben. Insofern hat die politische Radikalität der alten und neuen Mittelschicht sich für andere politische Parteien (NSDAP) interessiert wie die klassische Arbeiterschicht (KP Und SPD). Es also deutlich Unterschiede zwischen beiden Gruppierungen gab.

Auch deswegen sollte man zwischen den Anhängern der beiden Bewegungen deutliche Unterschiede machen und nicht so tun, als wenn es Zufall gewesen wäre, ob man NSDA oder KP gewählt hat.

zu 3. Speziell die unterschiedlichen Studien des Frankfurter Instituts für Sozialforschung vor 1933 und in der Immigration (Horkheimer, Adorno, Fromm und Marcuse) weisen darauf hin, dass die Zugehörigkeit zu autoritären sozailen Bewegungen durch das Persönlichkeitsmerkmal des autortären Charakters beeinflusst wird. Ergänzt werden diese Studien durch die Forschung zum moralischen Urteil - kantschen Imperativ - in Anlehnung an die Arbeiten von Piaget.

An diesem Punkt sind wohl strukturell die stärksten Ähnlichkeiten zwischen den Anhängern beider sozialen Bewegungen tendenziell vorhanden.

Eine wenig analytische Randbemerkung. Eine Zeitlang hatte ich in Hamburg reativ viel mit typischen, meist älteren Wählern aus der Arbeiterschaft der Hamburger Sozialdemokratie zu tun, die als Jugendliche den NS-Staat erlebt haben und einige sind auch in den KZ rund um Hamburg eingesessen.

Für diesen Personenkreis wäre es undenkbar gewesen, sich der NSDAP anzuschliessen! Das lag sicherlich an dem relativ intakten soziokulturellen Mileu der Arbeiterschaft in Hamburg.

Aus diesen, sicherlich sehr oberflächlich, dargestellen Gründen - lieber Arne - sind es doch zwei unterschiedliche Lager, die zwar das Wort "sozialistisch" gemeinsam haben, aber ansonsten eher durch Unterschiede gekennzeichnet sind. Und es war kein Zufall, ob man die eine oder die andere Seitepräferiert hat.
 
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Der junge Goebbels: Erlsung und ... - Google Bcher

Dort ab S. 123, insbesondere zu Hitler ab 1924 und der Schrift "Michael", der Sieg/Heil/Verzweifelungsphase im Sommer 1925, und der Bezug zu den Strasser-Brüdern. Später ab S. 152 der Bezug zur Analyse von Heiber. Die Phase fällt zusammen mit dem Machtkampf in der Partei, nachdem Hitler im Dez1924 aus der Haft entlassen worden war.

Parallel zu dem Treffen im September 1924 mit Hitler (und der "Kompensation" für die Gefolgschaft) wurde er unverzüglich Gaugeschäftsführer Rheinland/Nord und dann schnell im Frühjahr 1926 Gauleiter Berlin/Brandenburg.
 
Von mir keine roten Sterne, weil das unterstes Niveau ist, einen Diskurs zu führen, aber eine Erwiederung auf Deine Vermutungen.

Gandolf & ThanPower. Danke, für den qualifizierten Diskurs ;-)


Als Antwort auf eure Beiträge, möchte ich aber gerade NICHT den wissenschaftlich-historisch-politischen Weg suchen, sondern ganz tief runter auf die gefühlte Ebene der Zeit...

Stellen wir uns einen arbeitslosen Arbeiter vor, der von Vorurteilen, Neid (und Hass) auf Politiker, Adel und Wirtschaftsbürgertum geprägt war, der sich vom Staat und dem geflohenem Kaiser allein gelassen fühlte. Er hatte alles durch Wirtschaftskrise und/oder Krieg verloren. Die "da oben" hatten alles.

Er sieht zwei starke Gruppierungen auf der Straße, die so denken wie er. Die Arbeiter und Bauern viel versprechen. Die den Reichen was wegnehmen wollen, die dem Kaufmann, dem Anwalt dem adligen Großgrundbesitzer entgegentreten wollen, die sagen, daß nur körperliche Arbeit im Schweiße des Angesichts was Echtes und Rechtschaffendes ist und daß das Volk nur stark ist, wenn es zusammenhält und die Schmarotzer rauswirft. Beide Gruppen bringen Zusammenhalt, fördern dich mit Spenden...zeigen Stärke auf der Straße!

Welchen schließt er sich an? Den mit den roten Fahnen und der Schiebermütze oder den in den braunen Uniformen? Die Wahl konnte mal so mal so ausfallen, je nach Wohnviertel oder persönlichen Bindungen.

Der "Mann auf der Straße" laß nicht groß Parteiprogramme, der sah zu und hörte auf die Redner...
 
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