Graf Schenk von Stauffenberg

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HAllo zusammen,

für eine schulische Abhandlung brauche ich ein paar Meinungen. Es geht um Herrn Staufenberg und sein Attentat auf Hitler. In vielen Medien wird Staufenberg in der weiteren Geschichtsschreibung als ein deutsche Held charakterisiert. Ich selbst stehe dieser Einschätzung etwas kritisch gegenüber. Was er geleistet hat ist ohne Frage ehrenwert, mutig und unvergesslich, aber kann man einen Mann als Helden und Rettter bezeichnen, wenn er eine enorme Zeitspanne vor seiner Tat als großer Unterstützer des Dritten Reiches gelebt hat. Mich würde eure Meinung interessieren, ob Staufenbergs Motivation zu seinem Attentat als Hintergrund die Beseitigung Hitlers und damit die Beendigung der Diktatur oder wohl doch eher persönliche Machtansprüche auf einen Posten im neuen Staat, welcher entstehen sollte, war.

Ich meine ein richtiger Held hätte doch alles dafür getan sein Ziel zu erreichen. Staufenberg wollte sein Ziel nicht unter allen Bedingungen erreichen, hätte er das gewollt, so hätte er sich neben Hitler in die Luft gesprängt. Aber sein Leben war ihm anscheinend dann doch zu schade.

Ich würde mich über eure Anregungen und Meinungen freuen.
 
HAllo zusammen,

für eine schulische Abhandlung brauche ich ein paar Meinungen. Es geht um Herrn Staufenberg und sein Attentat auf Hitler. In vielen Medien wird Staufenberg in der weiteren Geschichtsschreibung als ein deutsche Held charakterisiert. Ich selbst stehe dieser Einschätzung etwas kritisch gegenüber. Was er geleistet hat ist ohne Frage ehrenwert, mutig und unvergesslich, aber kann man einen Mann als Helden und Rettter bezeichnen, wenn er eine enorme Zeitspanne vor seiner Tat als großer Unterstützer des Dritten Reiches gelebt hat. Mich würde eure Meinung interessieren, ob Staufenbergs Motivation zu seinem Attentat als Hintergrund die Beseitigung Hitlers und damit die Beendigung der Diktatur oder wohl doch eher persönliche Machtansprüche auf einen Posten im neuen Staat, welcher entstehen sollte, war.

Was verstehst du denn unter grossen Unterstützer? Hier einen Auszug aus der neuen Biographie über Stauffenbergs Ehefrau, geschrieben von der jüngsten Tochter Stauffenbergs (lohnt sich zu lesen, wenn man sich mit der Person Stauffenberg auseinandersetzen möchte):

" Manche Historiker sprechen von später Einsicht nach anfänglicher Begeisterung - ein Urteil, das meine Mutter sehr aufbrachte. Deshalb protestierte sei energisch gegen die Darstellung des erwähnten Biografen, mein Vater sei anfangs enthusiastischer Gefolgsmann Hitlers gewesen. Was mich an Ihrem Buch besonders stört, ist die Bejubelung meines Mannes für Hitler! Er war kein Bejubler. Mein Mann hatte Hitler nicht bejubelt, er mochte ihn nicht! Er habe keinen Kopf, sein ein Spiesser!
Er respektierte seine Erfolge. Er bewunderte anfänglich - bis Frankreich - sein militärisches Gespür für richtige Entscheidungen. Die Einkesselung von Dünkirchen, ohne nachzustossen, sei ein Fehler gewesen, den er sicher nicht wiederholen würde - ein Fehlschluss.
Dass mein Mann Befriedigung darin fand, dass er seine Aufgaben mit Erfolg durchführte - eine Bestätigung in seinem erlernten Beruf-, steht auf einem andern Blatt.
(...)

In der Familie Stauffenbergs war es ein offenes Geheimnis, dass man den Hitlerstaat kritisch sah. Man nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es um den angeblich geliebten Führer ging.

S. 71 -72

Stauffenberg hatte sich bereits 1939 an konkreten Plänen beteiligt, Hitler zu töten, diese wurden dann immer wieder fallengelassen.

Dazu noch einmal ein Zitat aus dem Buch:

"1939 hat er die Sache abgelehnt, weil nach Hitlers Erfolgen in Polen kein Verständnis in der Bevölkerung zu erwarten war.
Es war also nicht mangelnde Entschlusskraft oder Unsicherheit, die ihn abwarten lies, sondern eine realistische Einschätzung des politischen Klimas".

S. 72

Quelle:
Konstanze von Schulthess, Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt.
Pendo Verlag 2008


Ich meine ein richtiger Held hätte doch alles dafür getan sein Ziel zu erreichen. Staufenberg wollte sein Ziel nicht unter allen Bedingungen erreichen, hätte er das gewollt, so hätte er sich neben Hitler in die Luft gesprängt. Aber sein Leben war ihm anscheinend dann doch zu schade.


Ja und dann... Stauffenberg hatte ein Problem, er war der einzige der Verschwöhrer der Zugang zu Hitler hatte und auch der einzige der die Operation Walküre in Berlin in gang setzen konnte. Sein Mitverschwöhrer und Mitplaner von Tresckow, der nach den Plänen in Berlin hätte den Einsatz geben sollen, wurde vor dem Attentat nach Russland versetzt. Somit blieb nur Stauffenberg, der beides tun musste.
 
Staufenberg und sein Attentat auf Hitler. In vielen Medien wird Stauffenberg in der weiteren Geschichtsschreibung als ein deutscher Held charakterisiert. Ich selbst stehe dieser Einschätzung etwas kritisch gegenüber.

Das ist dein gutes Recht.

Was er geleistet hat, ist ohne Frage ehrenwert, mutig und unvergesslich, aber kann man einen Mann als Helden und Retter bezeichnen, wenn er eine enorme Zeitspanne vor seiner Tat als großer Unterstützer des Dritten Reiches gelebt hat?

Menschen neigen dazu, sich zu verändern. Der Nationalist und Berufssoldat hatte unter einer nationalen und autoritären Regierung mehr Möglichkeiten Karriere zu machen, als in einem demokratischen Staat, das heißt aber nicht, dass er alle Ideologeme der Nazis teilte. Ein Demokrat war er aber sicher nicht (weshalb es in der Tat nicht ganz verständlich ist, warum er nach wie vor den Rang des ersten Widerstandskämpfers genießt - vielleicht, weil man an ihm gut polarisieren kann, wie Du es hier tust).

Ich meine, ein richtiger Held hätte doch alles dafür getan sein Ziel zu erreichen. Stauffenberg wollte sein Ziel nicht unter allen Bedingungen erreichen, hätte er das gewollt, so hätte er sich neben Hitler in die Luft gesprengt. Aber sein Leben war ihm anscheinend dann doch zu schade.

Warum sollte er, wo das Attentat doch eine so gut wie sichere Sache war - woher sollte er wissen, dass irgendjemand sich an der Aktentasche stören und sie deshalb unter den massiven Eichentisch schieben würde - sein eigenes Leben opfern? Selbstmordattentate sind eher das Ding religiöser Phantasten als das von politisch denkenden Menschen. Wer mitgestalten will, muss überleben. Desweiteren hatten Selbstmordattentate noch nicht die Medienwirksamkeit (denn darum geht's bei Selbstmordattentaten in erster Linie), die sie heute bei der Allgegenwärtigkeit von Kameras besitzen. Jemandem vorzuwerfen, dass er sein Leben nicht weggeworfen hat, ist allerdings ziemlich arrogant (Wiewohl solcherlei Arroganz ein Vorrecht der Jugend ist). Dennoch waren die Konsequenzen klar: Überlebte oder stürbe Hitler, eine Machtübernahme der Verschwörer war in beiden Fällen keine sichere Sache und der eigene Tod muss einkalkuliert gewesen sein.
 
ja natürlich das mit dem großen Unterstützer ist ein wenig überspitzt formuliert, aber das er ein Unterstützer des Systems war steht außer Frage. Und er war Soldat, hatte also auf Hitler einen Eid geleistet, das ist denke ich eine viel größere Unterstützung des Systems und der Person Hitlers als tausende weitere Deutsche geleistet haben. Aber mir geht es nicht darum, ob er ein Unterstützer war oder ob die Operation hätte gelingen können. Mir geht es um die Frage: "Ist es gerechtfertigt, dass Graf Schenk von Staufenberg als Held angesehen wird."
 
Ok das sehe ich auch so und deshalb würde ich gern deine Meinung dazu hören. Was denkst du? (du musst es mir nicht sagen aber es wäre interessant zu wissen)
 
Ich denke, dass seine Vorrangstellung unter den Widerständlern nicht gerechtfertigt und der Adenauer-Ära geschuldet ist, wo alles, was als "links" wahrgenommen wurde, alsbald unter den Tisch gekehrt wurde. Sein Widerstandskämpfertum würde ich ihm aber nicht absprechen oder niedere Beweggründe unterstellen wollen.
 
Ok das sehe ich auch so und deshalb würde ich gern deine Meinung dazu hören. Was denkst du? (du musst es mir nicht sagen aber es wäre interessant zu wissen)

Stauffenberg wurde vom Nachkriegsdeutschland zum Helden gemacht. Seine Tat wurde dazu benutzt um zu zeigen - es gab noch ein anderes Deutschland.


Sein Attentat wurde auch von den Alliierten zu Kenntniss genommen. Was bei den andern Widerstandsgruppen nicht der Fall war.
 
Danke dir für deine Meinung und das mit den niederen Beweggründen, nunja wir Menschen neigen nun einmal dazu das zu tun was uns selbst den größten Nutzen bringt (ich weiß dafür gibt es tausende Gegenbeispiele, aber ich gehe vom logisch kalkulierenden und berechnenden Staufenberg aus). Ich denke kein Mensch setzt sein Leben aufs Spiel, ohne einen Gewissen Anreiz und ich denke bei Staufenberg war dieser Anreiz das was nach dem Attentat aufgebaut werden sollte mit ihm in einer führenden Rolle. Ich kann es mir einfach nicht anders erklären, denn Menschen die nur dafür sterben, dass andere Überleben können, ohne einen eigenen Nutzen daraus zu ziehen, und wenn es die Berühmtheit ist, sind auf dieser Erde in unserer Gesellschaft nicht existent.
 
Danke dir für deine Meinung und das mit den niederen Beweggründen, nunja wir Menschen neigen nun einmal dazu das zu tun was uns selbst den größten Nutzen bringt (ich weiß dafür gibt es tausende Gegenbeispiele, aber ich gehe vom logisch kalkulierenden und berechnenden Staufenberg aus). Ich denke kein Mensch setzt sein Leben aufs Spiel, ohne einen Gewissen Anreiz und ich denke bei Staufenberg war dieser Anreiz das was nach dem Attentat aufgebaut werden sollte mit ihm in einer führenden Rolle. Ich kann es mir einfach nicht anders erklären, denn Menschen die nur dafür sterben, dass andere Überleben können, ohne einen eigenen Nutzen daraus zu ziehen, und wenn es die Berühmtheit ist, sind auf dieser Erde in unserer Gesellschaft nicht existent.

Darf ich dich fragen, was du schon an Literatur über Stauffenberg (wäre doch nett, wenn du ihn auch richtig schreiben könntest) gelesen hast?
 
Folgendes literarisches Werk habe ich zu Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg schon gelesen: "Wolfgang Benz: Der militärische Widerstand – 20. Juli 1944" (und Entschuldigung das ich beim tippen vorhin den Buchstaben vergessen habe).
 
Folgendes literarisches Werk habe ich zu Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg schon gelesen: "Wolfgang Benz: Der militärische Widerstand – 20. Juli 1944" (und Entschuldigung das ich beim tippen vorhin den Buchstaben vergessen habe).


Also das aus dem Heft Information zur politischen Bildung, Widerstand:

Der militärische Widerstand - Informationen zur politischen Bildung (Heft 243)

Für den Einstieg und erster Überblick sehr gut. Da aber der militärische Widerstand sehr komplex ist, sollte man dann noch tiefer reinschauen.

Dazu empehle dir folgende Sekundärliteratur:

Biographien:

Peter Hoffmann
Claus Schenk Graf von Stauffenberg: Die Biographie
2007

Claus Schenk Graf von Stauffenberg: Die Biographie: Peter Hoffmann: Amazon.de: Bücher

Gerd R. Ueberschär

Stauffenberg und das Attentat des 20. Juli 1944: Darstellung, Biographien, Dokumente
2006

Stauffenberg und das Attentat des 20. Juli 1944: Darstellung, Biographien, Dokumente: Gerd R. Ueberschär: Amazon.de: Bücher


Konstanze von Schulhess
Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg
Ein Porträt
2008

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt: Konstanze von Schulthess: Amazon.de: Bücher


Standartwerk über den 20. Juli und der Weg dahin:

Joachim Fest
Der lange Weg zum 20. Juli
1997

Staatsstreich: Der lange Weg zum 20. Juli: Joachim Fest: Amazon.de: Bücher

Wenn du dich über die Regierungspläne informiern möchtest, solltest du die Seite der Gedenkstätte Deutscher Widerstand besuchen:

http://www.gdw-berlin.de/b13/b13-mat-d.php

Auf dieser Seite findest du auch die Pläne des 20. Juli:

http://www.gdw-berlin.de/b12/start-d.php
 
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Hier einen Auszug aus der neuen Biographie über Stauffenbergs Ehefrau, geschrieben von der jüngsten Tochter Stauffenbergs (lohnt sich zu lesen, wenn man sich mit der Person Stauffenberg auseinandersetzen möchte):
" Manche Historiker sprechen von später Einsicht nach anfänglicher Begeisterung - ein Urteil, das meine Mutter sehr aufbrachte. Deshalb protestierte sei energisch gegen die Darstellung des erwähnten Biografen, mein Vater sei anfangs enthusiastischer Gefolgsmann Hitlers gewesen.
Wenn eine Tochter über Ihre Eltern schreibt, dann wandelt sie naturgemäß auf einem schmalen Grad. Ich kenne mehrere einschlägige Werke deutscher Adeliger über die Rolle ihrer Angehörigen in der Nazizeit und muss sagen, dass die meisten mehr oder weniger apologetisch ausgefallen sind. Wenn es hier anders ist, umso besser.

Übers Zitat jedenfalls kommt man sofort ins Grübeln: "Man nahm kein Blatt vor den Mund..." familienintern, man war nicht "enthusiastisch". Das hinderte Stauffenberg freilich nicht, "1930 bis 1932 [sic] als junger Offizier in nächtlichen Felddienstübungen SA-Männer" auszubilden und sich "am 30.1.1933 an die Spitze einer begeisterten Menschenmenge" zu setzen (so der Biograph Hoffmann, zit. b. Malinowski [1], Vom König zum Führer, TB-Ausgabe, S. 580).


[1] Malinowski wirkte in der Sendung über den Adel im Dritten Reich mit, die eben in 3sat lief, konnte allerdings nur Rudimentäres aus seiner Forschungsarbeit vortragen.
 
Wenn eine Tochter über Ihre Eltern schreibt, dann wandelt sie naturgemäß auf einem schmalen Grad. Ich kenne mehrere einschlägige Werke deutscher Adeliger über die Rolle ihrer Angehörigen in der Nazizeit und muss sagen, dass die meisten mehr oder weniger apologetisch ausgefallen sind. Wenn es hier anders ist, umso besser.

Übers Zitat jedenfalls kommt man sofort ins Grübeln: "Man nahm kein Blatt vor den Mund..." familienintern, man war nicht "enthusiastisch". Das hinderte Stauffenberg freilich nicht, "1930 bis 1932 [sic] als junger Offizier in nächtlichen Felddienstübungen SA-Männer" auszubilden und sich "am 30.1.1933 an die Spitze einer begeisterten Menschenmenge" zu setzen (so der Biograph Hoffmann, zit. b. Malinowski [1], Vom König zum Führer, TB-Ausgabe, S. 580).


[1] Malinowski wirkte in der Sendung über den Adel im Dritten Reich mit, die eben in 3sat lief, konnte allerdings nur Rudimentäres aus seiner Forschungsarbeit vortragen.

Man sollte jede Biographie kritisch anschauen. Auch die von Hoffmann.

Der Biograph Hoffmann wurde von Nina von Stauffenberg, über Aussagen die er in seiner Biographie geschrieben hat kritisiert. Weil es nicht den Tatsachen entsprach.

Vielleicht solltest du das Buch über Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg lesen (wenn du es nicht schon hast), zusammen mit den den vielen Biographien, die es von ihrem Mann gibt, wird das Bild abgerundet und einiges richtiggestellt und ergänzt.
 
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Man sollte jede Biographie kritisch anschauen.
... über Aussagen die er in seiner Biographie geschrieben hat kritisiert. Weil es nicht den Tatsachen entsprach.
...es von ihrem Mann gibt, wird das Bild abgerundet und einiges richtiggestellt und ergänzt.
Ich habe das Wort "jede" fett geschrieben, was sicher in Deinem Sinne ist. Sind die kritisierten Tatsachen genau die, die ich auszugsweise zitiert habe, oder handelt es sich um eine allgemeine Aussage?
 
Ich habe das Wort "jede" fett geschrieben, was sicher in Deinem Sinne ist. Sind die kritisierten Tatsachen genau die, die ich auszugsweise zitiert habe, oder handelt es sich um eine allgemeine Aussage?


Von mir ist es eine allgemeine Aussage.

Konstanze von Schulthess hat keine Biographie über ihren Vater geschrieben, sondern über ihre Mutter. Dabei hat sie Quellen benutzt, wie die Briefe die Mutter ihrem Vater und umgekehrt geschrieben hat. Auch verwendete die Tochter die Familienchronik, die ihre Mutter in den sechziger Jahren geschrieben hatte und bis zum erscheinen der Biographie über Nina von Stauffenberg noch nie veröffentlich wurde.

Ich weiss jetzt nicht in wie weit Hoffmann in diese Briefe Einblick hatte (in die Chronik hatte er keine) und ob er überhaupt Einblick hatte. Wenn man nun eine Biographie über Stauffenberg nimmt und die von der Ehefrau, beide kritisch anschaut, dann erhält man mehr oder weniger ein mögliches Gesamtbild. Denn die Blickwinkel und Gewichtigkeit ist nun einmal anders.

Du möchtest wissen ob die Tochter von der Zeit 1930 bis 1933 schreibt, ja tut sie. Aber eben aus einer ganz anderen Perspektive. 1930 haben sich Nina und Claus verlobt. Nina war siebzehn Jahre alt und Claus dreiundzwanzig. Die Verlobung fand am 15. November 1930 statt, am Geburtstag von Stauffenberg. Gleich danach fuhr er nach Potsdam zu einem dreiwöchigen Minenwerferkurs.

Und was soll nun Konstanze von Schulthess über diese dreiwochen die ihr Vater in Potsdam war schreiben? Ganz einfach nichts. Wenn der Vater nicht zu Hause war, was will sie dann schreiben? Nichts, weil weder die Autorin (sie war da noch nicht auf der Welt) noch ihre Mutter dabei war. Sie wusste auch nicht was im Georg-Kreis besprochen wurde, weil dies ein Verstoss gegen die Regeln war. Scheinbar steht auch nichts in den Briefen, also kann sie nichts darüber schreiben, ausser eben nichts.

Sie fragt sich dann eher, ob ihrer Mutter es bewusst war, was es heisst einen Soldaten zu heiraten. Dann fährt sie weiter mit der Erzählung wie die Eltern von Stauffenberg 1931 nach Greifenstein fuhren und es dort zwischen den zukünftigen Schwiegereltern und der zukünftigen Schwiegertochter zu einer Aussprache kam.

Dann kommen Erzählungen über einen Familienrat zur bevorstehenden Hochzeit und schliesslich die Hochzeit am 26. September 1933 in Bamberg in der St. Jakobskirche.

Danach die Beschreibung der Hochzeitsreise nach Florenz und Rom.

Wie du siehst, ist es eben eine andere Geschichte und eine andere Biographie.

Wenn man nun aber eben beides zusammen kritisch anschaut und auf der eine Seite den Soldaten Stauffenberg und auf der andern Seite den Ehemann und Vater Stauffenberg sieht, seine Haltung und die Haltung der Familie Stauffenberg (sein Bruder wurde ja auch hingerichtet) gegenüber dem Regime, bekommt man ein viel besserer Eindruck und wie schon gesagt man erhält ein mögliches Gesamtbild.

Mir kommt es so vor, jeder möchte sich „seinen“ Stauffenberg zusammen setzten. Für die einen ist der ein Held, für die andern ein Feigling und für die nächsten ein zunächst regimetreuer Anhänger der am Ende nach Macht strebt und so ein Attentat verübt. Dabei wird der Mensch Stauffenberg mit seine positiven wie negativen Seiten einfach ausgeblendet.
Für mich ist das kein Weg - und was er wirklich gedacht hat, das weiss nur er alleine.

Du hast dich über das Ziat mukiert. Diese stammt aus einem Brief an den Biographen ihres Mannes. Ich empfehle dir wirklich das ganze Buch zu lesen, ich habe irgenwie keine Lust alles zu zitieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du möchtest wissen ob die Tochter von der Zeit 1930 bis 1933 schreibt, ja tut sie. Aber eben aus einer ganz anderen Perspektive.
Es kann also gut sein (und bliebe nachzulesen), dass Frau von Stauffenberg nichts darüber weiss (und die Tochter erst recht nicht), inwieweit sich ihr Vater bei der Ausbildung von SA-Einheiten und damit bei der Stärkung der NS-Bewegung usw. insgesamt engagiert hat, eben weil das gar nicht im Fokus ihres Berichts steht. Hieraus ist ihr selbstverständlich kein Vorwurf zu machen! [1]

Wenn man nun aber eben beides zusammen kritisch anschaut und auf der eine Seite den Soldaten Stauffenberg und auf der andern Seite den Ehemann und Vater Stauffenberg sieht...
... dann ergibt sich die altbekannte Frage, wie eine Synthese zwischen diesen beiden Perspektiven überhaupt aussehen könnte. Etwas zugespitzter gefragt: Wenn jemand die Geschichte von Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus schreibt und die Rolle einzelner Personen dabei beleuchtet, inwieweit spielt dabei das private Leben solcher Personen eine Rolle?

Noch schärfer, jedoch nicht auf Stauffenberg bezogen: Gesetzt den Fall, jemand hätte nachweislich ein Kriegsverbrechen begangen - Welche Stellenwert hat es, wenn ihm seine Familie bestätigt, dass er immer ein vorbildlicher Ehemann und Vater war (und, ein bekannter Topos, daheim mit der ganzen Familie musiziert hat)? Führt das zu einer anderen Bewertung der Tat, ist das ggf. schuldmildernd?

Der Nationalist und Berufssoldat hatte unter einer nationalen und autoritären Regierung mehr Möglichkeiten Karriere zu machen, als in einem demokratischen Staat, das heißt aber nicht, dass er alle Ideologeme der Nazis teilte.
Genau so war es wohl! Malinowski meint (aaO, S. 589), dass gerade bei vielen adeligen Widerständlern "eine nie vollständig aufgelöste Restdistanz" vorhanden gewesen sei, "die den geistigen Raum zur Entwicklung von Haltungen schuf, wie sie von Stauffenberg [...] und anderen bekannt sind." - Darin mag man Elemente von Heldentum erkennen oder nicht.


[1] Im eingangs zitierten Brief von Frau Stauffenberg heisst es: "Dass mein Mann Befriedigung darin fand, dass er seine Aufgaben mit Erfolg durchführte - eine Bestätigung in seinem erlernten Beruf-, steht auf einem andern Blatt." Freilich sind gerade dieses "andere Blatt" und die daraus resultierenden Fragen - welche Aufgaben? welches Berufsverständnis? - für viele Historiker das eigentlich Wichtige.
 
Es kann also gut sein (und bliebe nachzulesen), dass Frau von Stauffenberg nichts darüber weiss (und die Tochter erst recht nicht), inwieweit sich ihr Vater bei der Ausbildung von SA-Einheiten und damit bei der Stärkung der NS-Bewegung usw. insgesamt engagiert hat, eben weil das gar nicht im Fokus ihres Berichts steht. Hieraus ist ihr selbstverständlich kein Vorwurf zu machen! [1]

Wie gesagt, es geht um die Mutter, also um die Frau neben Stauffenberg und ihre Rolle und nicht um den Vater.


Du siehts also in Stauffenberg einer, der die NS-Regierung gestärkt hat? In wie weit lag das überhaupt in seinen Möglichkeiten als Leutnant?


... dann ergibt sich die altbekannte Frage, wie eine Synthese zwischen diesen beiden Perspektiven überhaupt aussehen könnte. Etwas zugespitzter gefragt: Wenn jemand die Geschichte von Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus schreibt und die Rolle einzelner Personen dabei beleuchtet, inwieweit spielt dabei das private Leben solcher Personen eine Rolle?

Wenn jemand vom Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus schreibt, hat er für den Widerstand gerade mal vielleicht zehn Seiten zur Verfügung. Solche Gesamtwerke gibt es genügend und die sind oberflächlich.
Ausser man hat vor hundert und mehr Bände zu schreiben.

Wenn man sich aber mit dem miliätrischen Widerstand und insbesondere mit Stauffenberg auseinandersetzt, dann sollte man auch die private Person anschauen. Schliesslich hat er sich ja zu Hause auch geäussert über das Regime, diese Äusserungen gehören ebenso zu ihm, wie seine Handlungen.

Wenn du dann eben das private ausblendest gibt es nur ein halbes Bild. Aber jedem das seine.



Noch schärfer, jedoch nicht auf Stauffenberg bezogen: Gesetzt den Fall, jemand hätte nachweislich ein Kriegsverbrechen begangen - Welche Stellenwert hat es, wenn ihm seine Familie bestätigt, dass er immer ein vorbildlicher Ehemann und Vater war (und, ein bekannter Topos, daheim mit der ganzen Familie musiziert hat)? Führt das zu einer anderen Bewertung der Tat, ist das ggf. schuldmildernd?

Was willst du mir eigentlich unterstellen?


Solche Äusserungen von Familien gibt es, das ist bekannt.
Wieso soll das zu einer andern Bewertung kommen? Eher - es wirft fragen auf.
Wie zum Beispiel, konnte eine vorbildlicher Ehemann und Vater den ganzen Tag morden und am Abend seine Kinder etwas vorspielen?
Da werden auf einmal Täter menschlich und so, wie du und ich. - Erschreckend oder?

Hannah Arendt beschreibt in ihrem Buch Eichmann in Jerusalem - Eichmann als erschreckend normal. Hat sie ihn nun von seiner Schuld freigesprochen? Nein natürlich nicht, aber sie hat das Bild abgerundet.

Es gibt eben auch hier nicht nur schwarz und weiss, auch wenn man das gerne hätte.


Genau so war es wohl! Malinowski meint (aaO, S. 589), dass gerade bei vielen adeligen Widerständlern "eine nie vollständig aufgelöste Restdistanz" vorhanden gewesen sei, "die den geistigen Raum zur Entwicklung von Haltungen schuf, wie sie von Stauffenberg [...] und anderen bekannt sind." - Darin mag man Elemente von Heldentum erkennen oder nicht.

Heldetum wird gemacht. Stauffenberg wurde in der Nachkriegszeit zum Helden gemacht.

Es ist ja auch bekannt, dass die Familie Stauffenberg der Weimarer Republik sehr sekptisch gegenüber stand. Ich sehe es auch so wie El, für eine militärische Karriere war das NS-Regime sicher interessanter, als die Weimarer Republik.

[1] Im eingangs zitierten Brief von Frau Stauffenberg heisst es: "Dass mein Mann Befriedigung darin fand, dass er seine Aufgaben mit Erfolg durchführte - eine Bestätigung in seinem erlernten Beruf-, steht auf einem andern Blatt." Freilich sind gerade dieses "andere Blatt" und die daraus resultierenden Fragen - welche Aufgaben? welches Berufsverständnis? - für viele Historiker das eigentlich Wichtige.

Er war Soldat, diese bedeutete für die Familie, er war sehr selten zu Hause und sie mussten viel umziehen.

"Militärische Ehrbegriffe wie Loyalität und Disziplin galten viel" erläuterte sie die Haltung, die auch für das Familienleben galt.

"Den Rest des Jahres sass ich alleine da und musste mich mit Lebensmittelfragen und was sonst alles an einem Kriegshaushalt mit vier Kindern dranhängt, herumschlagen."

Ihre Terrain war das Zuhause, seine die Welt des Militärs, so war die Abmachung.

Für welche Historiker ist das denn das wichtigste? Militärhistoriker? Oder vielleicht Biographen, Historiker die sich mit der Widerstandsbewegung auseinandersetzen usw.

Es kommt immer auf die Fragestellung an, die sich ein Historiker gibt.

Danke noch für den Hinweis auf das Buch von Malinowski, habe es mir gerade bestellt, scheint sehr interssant zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du siehts also in Stauffenberg einer, der die NS-Regierung gestärkt hat?
Dir ist ein kleiner Lesefehler unterlaufen: "NS-Bewegung" habe ich geschrieben und darauf abgehoben, dass Stauffenberg sich - nach Darstellung Hoffmanns, die noch der Widerlegung harrt - bereits einige zuvor Jahre bei der Ausbildung der SA, also der Schlägertruppe der NSDAP, nützlich gemacht hat.

Nach 1933 war diese Art von Engagement nicht mehr notwendig. Als Offizier mit Generalstabsausbildung bestand der Kern seiner beruflichen Aufgabe später darin, bei Vorbereitung und Durchführung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges mitzuwirken, und alles spricht dafür, dass er dies gemäß der erwähnten "militärischen Ehrbegriffe wie Loyalität [wem gegenüber eigentlich?] und Disziplin" getan. Tragisch, dass dies alles einem durch und durch verbrecherischen Regime zugute kam. [1]

Schliesslich hat er sich ja zu Hause auch geäussert über das Regime, diese Äusserungen gehören ebenso zu ihm, wie seine Handlungen.
Ich möchte die These wagen, dass 99 % aller Deutschen irgendwann in irgendeiner Weise über das Regime, den "österreichischen Gefreiten" usw. räsonniert haben. Ja und? In solchen Dingen halte ich es gern mit Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. (Und das hat Stauffenberg später getan und mit seinem Leben bezahlt.) [2]

Was willst du mir eigentlich unterstellen?
Ich verstehe diese diese Frage überhaupt nicht und erkenne auch nicht, wo ich auf Dich Bezug genommen hätte. Vielleicht per PN, wenn's wichtig ist?

Es ist ja auch bekannt, dass die Familie Stauffenberg der Weimarer Republik sehr sekptisch gegenüber stand. Ich sehe es auch so wie El, für eine militärische Karriere war das NS-Regime sicher interessanter, als die Weimarer Republik.
Trifft "sehr skeptisch" den Kern der Dinge? Mein Eindruck ist, dass Stauffenberg antirepublikanisch und antidemokratisch war und bereit - siehe seine jetzt schon mehrmals erwähnte Tätigkeit vor 1933 -, aktiv gegen die Republik vorzugehen.
Was seine Motivation betrifft, so spielt El Quijotes Opportunitäts- und Karriere-Argument sicher eine Rolle; in einer 100000-Mann-Armee waren die Möglichkeiten, zu reüssieren, sehr beschränkt.
Umstritten ist - ich verweise der Einfachheit halber auf Claus Schenk Graf von Stauffenberg ? Wikipedia -, inwieweit er darüber hinaus auch antisemitisch eingestellt war.


[1] "Tragisch" ist vielleicht nicht das richtige Wort - die Begriffwahl fällt bei solchen Gelegenheiten besonders schwer.
[2] Dies im Gegensatz zu einigen zehntausend Offizieren seines Ranges, die noch bis zum 8.5.1945 weitergemacht haben und noch Jahrzehnte danach damit beschäftigt waren, Stauffenberg und seine Verschworenen als Landesverräter, Eidbrüchige usw. zu denunzieren.
 
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