Große Depression 1929/1930, wer kam gut durch?

Dieses Thema im Forum "Wirtschaftsgeschichte" wurde erstellt von postmann, 26. Januar 2010.

  1. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Jetzt habe ich schon eine ganze Weile gesucht, u.a. in zwei Wirtschaftshistorien der USA) finde aber nichts Vernünftiges,außer den Hinweis auf Friedman.

    Geldmengenaggregate sind problematisch aufgrund der damaligen Datenerfassung. Die unten ausgewiesenen Werte sind offenbar mehrfach leicht in den US-Quellen korrigiert worden, oder Erfassungsmethoden haben sich im Zeitablauf verändert. Danach ergibt sich etwa folgendes Bild:

    Nimmt mal mal als Basis die Goldbestände plus Devisenbestände (Quelle: StJBB 1934): 1928-29-30-31-32-33, in Mio. US-$:
    16.209 - 16.807 - 18.106 - 17.580 - 17.778 - 16.980
    Auf die Krise hin gab es seit Mitte 1928 einen Goldzufluss p.M., 1930/31 einen Abfluss.

    Stückgeldumlauf: 1928/33 in Mio. US-$:
    Staatsnoten (Einzüge in der Krise 1929 und 1931/33 werden gut sichtbar):
    7.123 - 6.560 - 7.633 - 6.527 - 5.320 - 3.806

    Banknotenumlauf (erst KontraktionBankenkrise, dann erheblicher Anstieg):
    10.191 - 10.339 - 9.515 - 13.697 - 14.856 - 17.505

    Zusammen Stückgeldumlauf inkl. Scheidemünzen:
    19.697 - 19.243 - 19.348 - 22.525 - 22.643 - 23.192
    Danach kann von einem Rückgang der "Geldmenge" Typ Noten/Münzen keine Rede sein. Es gab eine gewisse Substituion zwischen Staatsnoten und Banknoten, Ausdehnung ab 1931.


    Einlagenseite (Sicht-, Termin-, Spareinlagen) ist mir derzeit im Detail nicht bekannt. Ersatzweise die Notenbankkredite und Notenbankdepositen 1928/33 zur Plausibilisirung eines Geldmengenaggregates:
    1. Wechsel und Vorschüsse (kommt im Krisenverlauf zum Erliegen):
    6.488 - 4.301 - 2.583 - 4.101 - 1.125 - 970

    2. Sonstige Kredite Zentralbanken an Geschäftsbankensektor (die Stützung 1929ff. und die verschärfte Bankenkrise 1931/32 mit Maximum an Insolvenzzahlen wird sichtbar):
    8.654 - 9.816 - 10.752 - 11.287 - 16.199 - 19.048
    Sieht nicht gerade nach einer Unterversorgung des Banlensektors mit Zentralbankgeld bzw. -krediten aus.

    3. Depositen Geschäftsbanken bei Zentralbank (beienflußt auch durch Zusammenbrüche):
    10.421 - 10.110 - 10.563 - 8.920 - 10.750 - 12.025.

    4. Griffweise Überleitung auf "ähnlich-M3": Depositen bei Kreditbanken 1928/33:
    39.075 - 38.014 - 37.117 - 30.746 - 38.743 - 27.181.
    [es fehlen damit noch die Spareinlagen]

    Nimmt man insbesondere letzte Reihe, kombiniert man Notenbankgeld, ist tatsächlich ein Geldmengenrückgang bei den erweiterten Geldmengenaggregaten ablesbar. Wichtig ist dabei die US-Bankenkrise 1931/32, die Insolvenz Tausender Institute mit entsprechenden Kundeneinlagen.
     
  2. Treibsand

    Treibsand Neues Mitglied

    In Bezug auf das Thema war also derjenige nicht oder kaum betroffen , der
    a) rechtzeitig aus den Aktien ausstieg
    b) in Staatsanleihen anlegte oder sein Geld auf einer sicheren Bank hatte

    Heute gibts ja in den VSA auch einen Einlagen-Sicherungs-Fonds FDIC,
    den gab es damals nicht ? oder konnte der nicht alle Insolvenzen abdecken?
     
  3. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Das müßte durch den Banking Act 1933 erfolgt sein:

    "The Banking Act of 1933 President Roosevelt signs this act on June 16, 1933, to raise the confidence of the U.S. public in the banking system by alleviating the disruptions caused by bank failures and bank runs.

    From 1929 to 1933, bank failures resulted in losses to depositors of about $1.3 billion. Before the FDIC was in operation, large-scale cash demands of fearful depositors often struck the fatal blow to banks that might otherwise have survived."
    FDIC: Learning Bank

    Historical insurance limits:
    1934 - $2,500
    Federal Deposit Insurance Corporation - Wikipedia, the free encyclopedia
     
  4. Lili

    Lili Neues Mitglied

    Diesbezüglich widerlegst du dich selbst:
    (Hervorhebungen durch mich)

    Interessant ja, aber was hat das mit dem Thema zu tun?

    Wie erklärst du dir Spekulationsblasen dann, wenn nicht durch "die Schwäche" der handelnden Personen? Die Erläuterung, die du im weiteren lieferst ist auch nichts anderes, als dass diese Irrationalität bei den Akteueren beschreibt.

    Dankeschön! :friends: Friedman in der Monetary History? Dann mach ich mich mal ein bisschen ans Zahlen spielen :D
     
  5. Klaus

    Klaus Neues Mitglied

    Wenn die Börse ab & zu mal crasht, dies aber nicht erwünscht ist, gibt es mehrere Möglichkeiten :
    1. Man lässt alles so wie es ist und muss dann eben mit den Crashs leben.
    2. Man schafft ein Phantasiegebilde, den Homo Oeconomicus oder den edlen, rational handelnden Menschen und lamentiert dann darüber, wie unedel die echten Menschen doch sind und wie schade es doch ist, dass diese einem die schönsten Wirtschaftstheorien verderben (die aber eiiiigentlich richtig sind).
    3. Man nimmt zur Kenntnis, dass der Mensch gierig usw. ist und setzt ihm Grenzen. Diebstahl, Raub und Betrug sind ja eigentlich schon verboten, letzteres war aber reichlich im Zusammenhang mit den Finanzkolläpsen der letzen hundert Jahre im Spiel.

    Möglicherweise besteht das Problem darin, dass die Politik zu starke Kumpanei mit den Finanzleuten betreibt und daher nicht in der Lage ist, hier einen Gegenpol zu bilden. In diesem Fall muss man eben zur Kenntnis nehmen, dass der Mensch zwar in der Lage ist, gewaltige Systeme zu schaffen, die er dann aber nicht in der Lage ist zu beherrschen. Also beherrschen die eben uns.
     
  6. Lili

    Lili Neues Mitglied

    Sofern Börsencrashes nicht erwünscht sind, macht das aber am wenigsten Sinn. Zudem erklärt es Spekulationsblasen weder grundsätzlich noch erklärt das das Entstehen der Spekulationsblasen die zur Weltwirtschaftskrise geführt haben.

    Liefert ebenfalls keine andere Erklärung. Wobei ich nicht abwertend vom irrational handelnden Menschen gesprochen habe, sondern dies lediglich als nicht weiter kommentierten Sachverhalt in den Raum gestellt habe. Außerdem meine ich dass uns 130 Jahre alte und längst widerlegte Theorien über den Homo oeconomicus in der Sache kaum weiterbringen.

    Immer noch keine andere Erklärung. Ganz ehrlich: wieso sagst du mir, dass meine Erklärung der irrational handelnden Wirtschaftsakteure zu simpel und noch dazu fatal wäre, wenn du selbst immer wieder mit der gleichen Erklärung ankommst? Also nochmal: wie kommt es denn deiner Meinung nach zu Spekulationsblasen? Und damit frage ich jetzt nicht nach Gegensteuerungsmaßnahmen (mehr Kontrolle, staatliche Eingriffe - siehe oben) und auch nicht nach Ablauferklärungen, also wie läuft ein Crash ab, sondern schlicht und ergreifend: wie entstehen Spekulationsblasen? Oder, um endlich wieder den Dreh zurück zum Thema zu finden: Wie entstanden - konkret - die Spekulationsblasen in den 20er Jahren?
     
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  7. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Wenn es hier um Spekulationen und Blasenbildung geht, möchte ich nochmal das Problem unvollständiger Informationen, von asymetrischen Informationslagen und von individuellen Risikoneigungen anführen. :winke:
     
  8. R.A.

    R.A. Neues Mitglied

    Das habe ich nicht gesagt!
    Ich habe eigentlich überhaupt nichts über Kurse gesagt sondern nur darauf hingewiesen, daß die Börse KEIN Nullsummenspiel ist (wegen der Dividenden).

    Nein - ein wesentlicher Faktor ist auch die Veränderung der Gesamtbewertung des Unternehmenssektors in Relation zu anderen Bereichen, z. B. den Immobilien.
     
  9. R.A.

    R.A. Neues Mitglied

    Ich habe jetzt nicht alle Finanzkolläpse der letzten 100 Jahre im Kopf - aber m. W. spielten Diebstahl etc. dabei so gut wie keine Rolle.

    Ich sehe das Problem eher darin, daß die Politik a) zu wenig von der Materie versteht und deswegen untaugliche Regeln schafft und b) viele Maßnahmen nur deswegen beschließt, weil sie bei den Stammtischen einen guten Eindruck machen (d.h. Populismus statt Problemlösung).

    Ich sehe nicht, daß ein solches System "beherrscht" werden müßte.
     
  10. Klaus

    Klaus Neues Mitglied

    Man könnte es durchaus als Betrug definieren, wenn aus uneinbringbaren Krediten "Wert"papiere gemacht und den Leuten angedreht werden.

    Stimmt. Aber was wäre die Problemlösung ?

    Davon reden wir doch die ganze Zeit. Wenn man keine Blasen mit anschl. Crash will, muss man irgend etwas beherrschen.
     
  11. R.A.

    R.A. Neues Mitglied

    Das war aber in den meisten Fällen nicht so - zum Zeitpunkt der Ausgabe der Papiere waren die Kredite noch flüssig (wenn auch die Schuldner zweifelhaft), und vor allem waren sie im Prinzip staatlich garantiert (über Fannie und Freddie).

    Und "Betrug" kann es ja auch nur sein, wenn über den Inhalt der Papiere falsche Angaben gemacht wurden. Auch das war in den meisten Fällen nicht der Fall. Im Gegenteil hießen die Dinger ja "subprime", weil klar war, daß da nicht erste Qualität drin war - dafür gab es dann als Risikoprämie höhere Zinsen.
    Wenn dann offizielle Finanzprofis - insbesondere bei deutschen Landesbanken - nur auf die hohen Zinsen gucken und nicht aufs Risiko, und sich mehr ins Depot packen, als sie vertragen können - dann ist das Selbstverschulden.

    M. E. sollte der Staat keine Sicherheit vorgaukeln, wenn er sie gar nicht gewährleisten kann. Wenn er Regulierung und Aufsicht nicht auf die Reihe kriegt (und daß das der Fall ist, ist ja nun weltweit in vielen Fällen ausreichend belegt worden), dann sollte er die Finger davon lassen.

    Es reichen im Prinzip die normalen Gesetze (z. B. gegen Betrug) und ein geschützter Bereich für Sparer und Kleinanleger - der kann dann staatlich garantiert werden (und bringt dann auch nur Sparbuchzinsen).
    Wer mehr machen will, tut dies auf eigenes Risiko und muß sich entsprechend informieren.

    Von der Logik her richtig.
    Es ist aber m. E. unmöglich, Blasen und Crashs völlig zu vermeiden. Dazu beraubt man die Finanzmärkte weitgehend ihrer Funktion - man kann strukturell eine Blase im Vorhinein nicht sicher von einer normalen Kursschwankung unterscheiden.
    Es reicht eigentlich dafür zu sorgen, daß Crashs glimpflich verlaufen. D.h. es trifft nur die, die sich verspekuliert haben - ohne Ketteneffekte à la "systemwichtige Banken".
     
  12. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Schwierig. Du stehst ja nicht so auf Galbraith :devil:
    [Nebenbei: Friedmans Geldmengenbetrachtungen (Reduktion 1929 - 1932, wenn man heutige Geldmengenaggregate verwenden würde) wäre entgegen zu halten, dass mindestens mal die beachtlichen Insolvenzverluste eingewirkt haben]

    Die Spekulationsblasen könnte man auf die Grundstückspreise und den Aktienmarkt konzentrieren. Im Vorlauf der Krise gab es einen gewaltigen Anstieg der Neuemissionen; meistens Holdinggesellschaften, Kaskadensysteme, die fremdfinanziert über Anleihen Beteiligungen erwarben und dadurch ihrerseits die Kurse hochtrieben. Die steigenden Kurse speisten dann den Kreislauf, indem sie wieder Neuemissionen provozierten: das System funktionierte bei immer steigenden Preisen/Kursen.

    Die Kreditvergabe könnte man bei diesen Verläufen fast als risiko-ignorant bezeichnen. Hier ist übrigens auch die Zinspolitik auch ein Faktor: die Hochzinspolitik/Zinssignale bzw. die steigenden Zinssätze im zweistelligen Bereich zogen in der letzten Phase (etwa 12 Monate vor dem crash) sogar noch zusätzliches Geld aus Europa in Größenordnungen an, also ein absolut kontraproduktiver Vorgang in bezug auf die angeheizten Preis- und Kursphantasien. Das hatte man schlicht nicht im Griff, Mengenpolitik in Bezug auf die Geldversorgung war abgeschnitten.
     
  13. NichtdieMama

    NichtdieMama Neues Mitglied

    Dazu sollte man erwähnen, dass die Hyperinflation maßgeblich durch die Besetzung des Rheinlandes durch Frankreich hervorgerufen wurde. Um die streikende Bevölkerung zu unterstützen, druckte das Reich jede Menge Banknoten - das Geld entwertet sich schließlich ohne passende Deckung durch Wirtschaft oder Gold und der Wert des Geldes sinkt rapide.

    Zur Frage: Da es damals ja nun nicht soweit her war mit dem Versicherungssektor waren vor allem Gutsbesitzer Gewinner dieser Krise, da der Wert ihres Besitzes nicht abfiel, sondern konstant blieb. Der Wert passt sich der Inflation regelrecht an. Daher waren Immobilienbesitzer gut dran, während Anleger an Hungertuch nagen mussten.
     
  14. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Lies Dir doch noch einmal die Beiträge hier durch.

    Die Große Depression 1929 ff. - Auswirkungen auf das Deutsche Reich - hatte nichts mit der Hyperinflation 1923 zu tun.

    Die Rheinland-Besetzung 1919 ist von der Ruhrbesetzung 1923 zu trennen - diese steht immerhin im zeitlichen, nicht im kausal entscheidenden Zusammenhang zur Hyperinflation 1923.
    Alliierte Rheinlandbesetzung – Wikipedia
    Ruhrbesetzung – Wikipedia

    Die Hyperinflation 1923 ergab sich weniger durch Reparationslasten, als vielmehr durch die Überschuldung in Folge der ungedeckten Kriegsfinanzierung bis 1918.
    Deutsche Inflation 1914 bis 1923 – Wikipedia
    Die Ruhrkampf-Finanzierung brachte hier nur das Faß zum Überlaufen resp. den bereits von Schulden erdrückten Staat zur maximal laufenden Gelddruckmaschine.
     
  15. NichtdieMama

    NichtdieMama Neues Mitglied

    Stimmt, da habe ich wohl etwas durcheinander gebracht.

    Dass die Unterstützung der Streiks im Ruhrgebiet den Staat aber trotzdem stark belastete dürfte aber wohl stimmen. Dazu auch noch ein Zitat aus dem entsprechenden Link zur Hyperinflation:

    Um die Streikenden bei Laune zu halten, wurden ihnen entsprechende finanzielle Hilfen ausgezahlt – in einer Mark, die sich durch die von der Regierung betriebene Geldvermehrung immer rascher entwertete.

    Nicht nur die Kriegsfinanzierung, sondern auch der verzweifelte Versuch durch Geldvermehrung die Reperationsleistungen zu bezahlen (denn auch durch die durch den Krieg ausgelöste Schwächung der Wirtschaft war die Mark nicht einmal annähernd gedeckt) waren also an der Inflation mitschuld.

    Aber das Thema war ja die Depression 29/30 und aus der gingen auch die Gutsbesitzer als "Sieger" hervor.
     
    Zuletzt bearbeitet: 22. Februar 2010
  16. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

  17. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Um etwas genauer zu sein: Von Dez. 1921 bis Dez 1922

    - verzehnfachte sich der Geldumlauf
    - stiegen die Großhandelspreise um den Faktor 50
    - stiegen die Lebenshaltungskosten und die Löhne um den Faktor 35
     
  18. Rheinländer

    Rheinländer Aktives Mitglied

    Die Intention lag doch darin, so leichter die Reparationen und Kriegsschulden zahlen zu können, von einer Eigendynamik mal abgesehn.
     
  19. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Der Deflationspolitik Brüning wird dieses nachgesagt.


    Bei der Inflation 1921/23 waren die Wirkungen kontraproduktiv: der Außenwert der Reichsmark fiel nämlich ins Bodenlose, was die Begleichung von Reparationen (in harter Währung) erschwert.
     
  20. Rheinländer

    Rheinländer Aktives Mitglied

    Ach so,

    ich war davon ausgegangen, dass Reparationen zumindest teilweise auch in Reichsmark gezahlt wurden. Wenn ich´s mir recht überlege, ist aber immer von Goldmark die Rede, also eine durch Gold gedeckte Währung des Reiches?
     

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