Grund für die arabischen Aufstände?

Osman61

Mitglied
Warum war die Osmanische Oberherrschaft ab Anfang des 19.Jahrhunderts bei den Arabern so unbeliebt, wodurch entstanden die Aufstände der Araber?
Hoffe auf schnelle Antworten,
LG Osman61
 
Warum war die Osmanische Oberherrschaft ab Anfang des 19.Jahrhunderts bei den Arabern so unbeliebt, wodurch entstanden die Aufstände der Araber?

Man könnte kurz sagen: Weil die Araber keine Türken waren!

Das 19. Jh. ist ein Zeitalter des ausgeprägten Nationalismus, den im Osmanischen Reich an vorderster Front die Gruppe der Jungtürken propagierte. Der offene Nationalismus der Jungtürken führte dazu, dass auch unter anderen Völkern des Osmanischen Reichs nationale Bewegungen an Boden gewannen, die zuvor nicht zum Nationalismus tendiert hatten. Das trifft auch auf die arabische Bevölkerung Vorderasiens zu. Unmut wurde zudem dadurch geschürt, dass z.B. für Beamtenpositionen türkische Kandidaten bevorzugt wurden, während einheimischen Eliten kaum zum Züge kamen.

Das sah dann so aus, dass türkische Beamte mit türkischer Sprache die Verwaltungspositionen besetzten, was im Rahmen eines erwachenden arabischen Nationalismus zunehmend wie eine Fremdherrschaft wirkte - trotz des gemeinsamen muslimischen Glaubens. Somit wurde die türkische Administration immer verhasster, sodass die Araber über die Abspaltung ihrer Länder vom Osmanischen Reich nach 1918 keine Träne vergossen.
 
Das sah dann so aus, dass türkische Beamte mit türkischer Sprache die Verwaltungspositionen besetzten, was im Rahmen eines erwachenden arabischen Nationalismus zunehmend wie eine Fremdherrschaft wirkte - trotz des gemeinsamen muslimischen Glaubens. Somit wurde die türkische Administration immer verhasster, sodass die Araber über die Abspaltung ihrer Länder vom Osmanischen Reich nach 1918 keine Träne vergossen.

Und doch muss man sagen, dass sie auch nach ihrer Ablösung vom Osmanischen Reich im 19. Jhdt. (nordafrikanische Staaten) und nach dem WK I (Syrien, Palästina, Trans-und Cisjordanien) nicht ganz glücklich waren. Schließlich waren sie dadurch nicht zu unabhängigen arabischen Staaten geworden, sondern fanden sich als italienische, britische und französische Kolonien wieder. Gerade im WK I hatten man von britischer und französischer Seite den Arabern einiges versprochen, was man nicht halten konnte oder wollte. Die Deutschen haben im Übrigen versucht antikolonialistische Ǧihād-Bewegungen in Nordafrika gegen Briten und Franzosen zu aktivieren, das hatte aber damals weniger Erfolg.
 
Und doch muss man sagen, dass sie auch nach ihrer Ablösung vom Osmanischen Reich im 19. Jhdt. (nordafrikanische Staaten) und nach dem WK I (Syrien, Palästina, Trans-und Cisjordanien) nicht ganz glücklich waren. Schließlich waren sie dadurch nicht zu unabhängigen arabischen Staaten geworden, sondern fanden sich als italienische, britische und französische Kolonien wieder.

Die britischen und französischen Mandatsgebiete in Vorderasien waren für die betroffenen Länder lediglich kurze Durchgangsstationen von rund 30 Jahren, während der Irak bereits 1932 souverän wurde, Saudi-Arabien 1921/32. Derartige halbsouveräne Staatlichkeit haben viele britische Kolonien durchlaufen und ich denke, dass auch ein Mandatsstaat Syrien nicht unter eine osmanische Herrschaft hätte zurückkehren wollen.
 
Und doch gab es gewaltsame Aufstände, die militärisch unterdrückt werden mussten.* So wurde Damaskus z.B. 1925 von den Franzosen bombardiert.



*Mit dieser Formulierung bin ich selbst nicht ganz glücklich. Schlicht wurden ist aber auch blöd.
 
So wie ich oben verlinkte Dissertation diagonal gelesen habe, waren es auch die arabisch-christlichen Minoritäten (z.b. die Maroniten), die das europäische Saatgut des Nationalismusgedankens als erste durch ihre internationalen Kontakte und Exilanten aufsogen, und dann propagierten, mithilfe des neuen Massenmediums Zeitung. Im 19. Jh. schon. Die Türken waren wohl eine der letzten, die "auf diesen Zug" aufsprangen. Ansonsten hat Dieter Recht mit der Postenvergabe, etc.

Dieser türkische Nationalismus setze aber eben als letztes ein, nachdem der vorher probierte Osmanismus nicht fruchtete und die zentripedalen Kräfte nicht versiegten.

Quasi war die osmanische Reaktion flapsig formuliert:
Wenn ihr euch alle im Reich selbst zu "Fremden" unter einer selbst empfundenen "Fremdherrschaft" durch Übernahme europäischer Ideologien macht, und wir nicht mehr "Wir" sind, was sind dann "Wir", die übrig bleiben?
Diese Frage beantworteten dann auch erstes genau diejenigen "Türken", wie es bei anderen Völkern ebenfalls oft der Fall war: Exilanten (also in christl. Reichen lebende und studierende Osmanen) und Russland"türken", sprich Tataren, waren mit die ersten, die den Nationalismus verinnerlichten, und diesen ins Osmanische Reich trugen, inkl. des Turkismus bzw. Panturkismus

Dann "entdeckten" sie plötzlich den Begriff "Türke", den sie selber vorher nie für sich verwendet hatten, weil die Idee davon (also Nationalismus) fern der eigenen Vorstellungswelt lag. "Türke" war nämlich vorher eher pejorativ verwendet worden für einen anatolischen ggf. ungebildeten ungehobelten Bauern. Selbstethnisierung fand also bei den Türken sehr spät statt.
Erster Absatz:
Nation und Symbol: Der Prozess der ... - Google Bücher

Davon unabhängig war der Wahhabismus Zentralarabiens, der nie unter osmanischer Kontrolle stand, und schon vorher sich ausbreitete, aber eben nicht mit der Ideologie des Nationalstaates, der besonders von Syrien und Libanon ausstrahlte. Die eher tribal orientierten Beduinenstämme und Kurdenstämme waren wohl die allerletzten, die nationale Ideen übernahmen, aber erstmal nur von den städtischen Eliten jener Regionen (diese Nationbuilding bei Teilen dieser Gruppen ist übrigens teilweise noch im Gange, Jahrzehnte "verspätet". Stammesbande oder religiöse Bande sind immer noch oft viel stärker, als nationale Bande...) Die frühen Haschemiten hatten wohl keinen "Nationalstaat" im Sinne, sondern einfach ein islamisches Reich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte noch eine Literaturstelle anfügen, die einige Aspekte des wachsenden Nationalismus im Osmanischen Reich analysiert:

Phebe Marr: Die Entwicklung einer nationalistischen Idee im Irak 1920-1941, in: Schilcher/Scharf: Der Nahe Osten in der Zwischenkriegszeit 1919-1939, S. 390-419.

Marr geht auch kurz auf die Entwicklungen im 19. Jahrhundert zum arabischen Nationalismus ein, gewissermaßen eine Basis für den Durchbruch des Nationalismus im 20. JH:

- Renaissance der Arabischen Literatur
- Geheimgesellschaften
- Einfluss von Mitgliedern der Militärakademien, Verwaltungsakademien und höhere Schulen
- Einflüsse französischer Lehrer/revolutionäre Ideen in Arabien (sehr kritisch zu dieser älteren Auffassung)

Sowohl in diesem Beitrag als auch in dem zu Syrien wird dann auf die Jungtürkische Bewegung und den Etatismus abgestellt.
 
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