Haben Sie noch alle Schädel im Schrank?

silesia

Moderator
Teammitglied
... oder so ähnlich lautet eine Intiative von Forschern, die aDNA untersuchen und dringend neues Probenmaterial benötigen.

"ancientDNA" ist ua. in Schädelknochen idR gut erhalten, weshalb ein Aufruf an diejenigen ergehen soll, die prähistorisches Knochenmaterial "horten" bzw. sammeln und in der Vergangenheit zusammengekauft oder Sammlungen "geerbt" haben.

Ensure equal access to ancient DNA | Nature


HEY YOU! You, with all the fossilized bones of ancient humans and animals in your closet. You know who you are. It's time to cough them up.

So say some frustrated scientists, anyway. Three researchers wrote in to the journal Nature suggesting that anyone with a secret stash of ancient human bones — especially the petrous bone of the inner ear — should make them available to the scientific community at large for study.

DNA Researchers Call on Bone Hoarders to Share Bone Access
 
Da bin ich mal gespannt, wer alles Leichen im Keller hat. ;)

Es gibt ja sicher so manches kleine Museum, dass bisher nicht im Traum daran gedacht hat, seine prähistorischen Knochen untersuchen zu lassen. Und ähnlich wird es mit Sammlungen von Schulen sein. Bis 1945 hatte hier so manche Volksschulen eigene Fundstücke. Dannn wurden die Sammlungen in der Regel von heimkehrenden Alliierten Kriegsgefangenen, die in den Schulen übernachteten, -sagen wir mal- als Entschädigung requiriert. Wollen wir hoffen, dass im Zuge dieses Aufrufs, möglichst viele kleine Sammlungen bekannt werden.
 
Kostet ja auch Geld, das kleine Museen i.d.R. nicht übrig haben, da ist so ein Angebot geradezu verlockend. Und je älter ein Knochen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die DNA noch zu ermitteln ist. Wenn er kalziniert ist, sowieso nicht mehr. Auch beim Kalkrieser Knochenmaterial sind, aufgrund der schlechten Erhaltung, keine DNA-Analysen mehr möglich, soviel ich weiß.
 
Meinem Verständnis nach geht es um den gleichen Zugang für alle Forscher zu wertvollen Proben von aDNA, den zur Zeit nur einige wenige Forschungszentren haben, die die raren Proben horten. Vorgeschlagen wird eine Zentralstelle, in der die Proben aufbewahrt werden und Forschern Zugang gewährt wird, wie gerade in Israel eingerichtet.

Stop hoarding ancient bones, plead archaeologists
 
Ja natürlich, aber die Erfassung kleiner Sammlungen könnte ein sehr willkommener Nebeneffekt sein.

Die archäologischen Funde vom Bau des Mittellandkanal z.B. sind wohl in lokale Sammlungen geraten. Im Hinblick auf Kalkriese könnte da interessantes irgendwo schlummern. Aber manche Sammlungen sind eben nicht erfasst. Oftmals ist zu lesen, dass über den Verbleib alter Funde nichts bekannt ist. Mitunter wurden die durchaus als Anschauungsobjekte an Schulen gegeben. Natürlich nichts spektakuläres. Aber man Stelle sich vor es kämen unspektakuläre Scherben und Sandalennägel aus Kneblinghausen zum Vorschein. Oder Funde, die wegen ihres Fehlens heute nicht mehr kartiert werden.

Da braucht es nicht viel Phantasie, um Chancen zu erkennen. (Der Riothamus wird doch noch träumen dürfen.)
 
Ja, aber was nützt der Schädel aus dem Biologie-Kabinett oder der Privatsammlung, wenn die genauen Fundumstände nicht bekannt sind oder nachvollzogen werden können.
 
Wir wollten doch beiseite lassen, was nicht peppig ist.

Kleine Sammlung heißt aber nicht automatisch unbekannte Provenienz.
 
Ja, aber was nützt der Schädel aus dem Biologie-Kabinett oder der Privatsammlung, wenn die genauen Fundumstände nicht bekannt sind oder nachvollzogen werden können.
Da könnte trotzdem noch was gehen. Vorstellbar: Man findet Sequenzen die mit kartierten Funden Übereinstimmungen haben und außerdem in derselben Probe andere Merkmale, die wiederum mit anderen Funden Übereinstimmungen aufweisen und helfen können, diese zuzuordnen. Je mehr man sammelt desto besser.
Puzzle eben. Zumal man ja vermutlich keine perfekten DNA-Stränge hat sondern mehr oder weniger Bruchstücke.
 
Da könnte trotzdem noch was gehen. Vorstellbar: Man findet Sequenzen die mit kartierten Funden Übereinstimmungen haben und außerdem in derselben Probe andere Merkmale, die wiederum mit anderen Funden Übereinstimmungen aufweisen und helfen können, diese zuzuordnen. Je mehr man sammelt desto besser.
Angenommen, ein Schädel aus einer hessischen Privatsammlung zeigt Merkmale, die sonst eher gehäuft in Norditalien auftreten - welche Schlüsse können wir daraus ziehen, solange wir nicht wissen, ob der Schädel in Hessen gefunden wurde oder als Souvenir von sonstwoher in die Sammlung gelangt ist?
 
Angenommen, ein Schädel aus einer hessischen Privatsammlung zeigt Merkmale, die sonst eher gehäuft in Norditalien auftreten - welche Schlüsse können wir daraus ziehen, solange wir nicht wissen, ob der Schädel in Hessen gefunden wurde oder als Souvenir von sonstwoher in die Sammlung gelangt ist?
Er vervollständigt einfach einfach die genetischen Datenbanken.
Hat man einen undatierten und unkartierten Schädel der sich anhand einiger Sequenzen Italien zuordnen lässt (evtl zusätzlich durch Isotope gestützt), mögen irgend welche anderen Sequenzen mit einem westfälischen Fund (mit schlechtem Erhaltungszustand, also nur wenig brauchbarer DNA) übereinstimmen, so dass man diesen dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ebenfalls Italien zuordnen kann. Alles unter der Maßgabe dasss man auch aus den sicheren italienischen Proben keine perfekten und vollständigen DNA-Sammlungen hat.

Nachtrag zur Veranschaulichung, die Sequenzen als Alphabet übersetzt:

Sichere italienische Funde:
SPQR Rom############################## und dort gibt es viel zu sehen.
Unbekannter Schädel aus hessischem Heimatmuseum:
SPQR#R#m#steht##uf##einen#sieben#H##el#und ###############
Westfälischer Schädel:
############ht##uf##ein#n#si#####Hügeln###############
Perfekter italienischer Schädel, den wir leider nicht haben:
SPQR Rom steht auf seinen sieben Hügeln und dort gibt es viel zu sehen.
So könnten wir davon ausgehen, dass unser westfälischer Schädel italienische Wurzeln hat.

Dass dokumentierte Proben natürlich unendlich viel wertvoller sind steht außer Frage. Aber man muss mit dem arbeiten was man kriegen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag zur Veranschaulichung, die Sequenzen als Alphabet übersetzt:

Sichere italienische Funde:
SPQR Rom############################## und dort gibt es viel zu sehen.
Unbekannter Schädel aus hessischem Heimatmuseum:
SPQR#R#m#steht##uf##einen#sieben#H##el#und ###############
Westfälischer Schädel:
############ht##uf##ein#n#si#####Hügeln###############
Perfekter italienischer Schädel, den wir leider nicht haben:
SPQR Rom steht auf seinen sieben Hügeln und dort gibt es viel zu sehen.
So könnten wir davon ausgehen, dass unser westfälischer Schädel italienische Wurzeln hat.

Ich verstehe nicht, was Du damit "veranschaulichen" willst.
Außer vielleicht naive Vorstellungen über die Aussagekraft von DNA-Sequenzen?

Was wir beim Sequenzieren finden, ist z. B. eine Variante, die 5% der Bevölkerung im Mittelmeerraum (einschließlich Balkan und Iberien) tragen, jedoch nur 1% der hessischen Bevölkerung. Dann eine Variante, die 40% der Bevölkerung in Hessen wie in Norditalien tragen, jedoch nur 20% der Bevölkerung im Balkan und in Iberien. Und so weiter.
Am Ende können wir möglicherweise Wahrscheinlichkeiten für die Herkunft ausrechnen, die bei 9% für Norditalien liegen, 8% sonstige Alpenregion, 7% sonstiges Italien, 6% Dalmatien, 4,5% Süddeutschland einschließlich Hessen etc...

Nun können wir zwar als Ergebnis festhalten: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Schädel aus Norditalien stammt, ist doppelt so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass er aus Hessen stammt.

Aber egal, wie wir ihn nun einsortieren: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn falsch einsortieren, liegt bei über 90%.
 
So langsam kommst Du der Sache näher. Man kann nur Wahrscheinlichkeiten errechnen und je mehr Material man hat, desto besser geht das. Naivität, welche Du so freimütig unterstellst, zeigt nur wer Material ausschließen will weil es seinen möglichen Nutzen erst im Zusammenhang und evtl sehr viel später zeigen könnte.
 
Die Frage, wer was damit anfängt, sollten auch eigentlich besser die Genetiker beantworten, die damit arbeiten.

Ich gehe mal davon aus, dass dies dann entsprechend begründet wird, forschungsseitig oder/und budgetseitig. Oder junge Talente bekommen Gelegenheit zum Üben, Datieren, FST-Abgleiche zu bekannten Genpools, oder schreiben sich daran in ihren Dissertationen oder Masterarbeiten ab.
 
Niemand hat bekundet, dass er Material ausschließen will.
Was Du "verdeutlichen" wolltest, bleibt unklar.
Wenn es keinen Erkenntnisgewinn bringen kann, sollte man es ausschließen. Ich habe versucht zu erklären, inwiefern so eine alte undokumentierte Probe doch mal zu was nütze sein mag. Aber vielleicht hat es ja in den letzten 20 Jahren dramatische Fortschritte in der Genetik gegeben, mein Kenntnisstand ist etwas veraltet :D
 
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