Hätte GB Frankreich im 1. Weltkrieg auch ohne den Angriff auf Belgien beigestanden?

Das Thema hat mich auch vor kurzem interessiert, wozu ich Niall Fergusons "Der falsche Krieg" gelesen habe. Sehr interessant, weil es sich abhebt von einseitigen Betrachtungen. Bei seinen Recherchen hat er jedenfalls herausbekommen, dass auch England plante im Kriegsfall die Neutralität Belgiens zu verletzen, um so den Handel mit Deutschland (Antwerpen dafür zu besetzen) massiv zu schädigen. Hatte ich vor diesem Buch nicht gewusst, was aber ein ganz merkwürdiges Licht auf die vorgeworfene Kriegsschuld Deutschlands wirft. Wenn also Deutschland darauf verzichtet hätte und nur über Luxemburg nach Frankreich eingefallen wäre, hätte dass keinesfalls verhindert, dass sich der Krieg auch auf Belgien ausgeweitet hätte. Dieser Ablauf war durchaus möglich, denn der ursprüngliche Schlieffenplan wurde ja auch soweit modifiziert, dass auf eine Verletzung holländischen Gebietes verzichtet wurde. Im Ablauf hätte jedoch bei einer englischen Neutralitätsverletzung das Land Belgien auf Seiten der Mittelmächte gekämpft, was nicht nur in Europa einen anderen Kriegsverlauf verursacht hätte. Was noch eine Rolle spielte war der Zeitfaktor, wie lange etwa England brauchte die Opposition für einen Beitritt zum Krieg zu überzeugen, wenn es keinerlei Grund dafür gab. Ferguson gibt dazu an, dass ohne deutsche Neutralitätsverletzung der Kriegsbeitritt überhaupt nicht zu Stande gekommen wäre, was auf mittlerer Sicht den technisch effektiver kämpfenden deutschen Heer den Sieg gebracht hätte im Westen. Danach wäre wohl der Krieg im Osten noch vor 1917 beendet gewesen, weil den Russen jede weitere Unterstützung fehlte (vor allem finanziell).
 
Wenn also Deutschland darauf verzichtet hätte und nur über Luxemburg nach Frankreich eingefallen wäre, hätte dass keinesfalls verhindert, dass sich der Krieg auch auf Belgien ausgeweitet hätte. Dieser Ablauf war durchaus möglich, denn der ursprüngliche Schlieffenplan wurde ja auch soweit modifiziert, dass auf eine Verletzung holländischen Gebietes verzichtet wurde.

Nur wäre bei einer Operation mit Schwerpunkt West eine Aussparung Belgiens vollkommen unmöglich gewesen, weil dann die Festung Verdun einem Umfassungsangriff auf die französische Armee im Weg gesatanden hätte und vermutlich auch die Eisenbahn-Kapazitäten in diesem Gebiet nicht hinreichend gewesen wären um eine solche Offensive aussichtsreich führen zu können.
Eine Aussparung Belgien oder mindestens Flanderns hätte vorwiegend bei einem Schwerpunkt Ost (für den es ja bis 1913 immerhin noch gültige Pläne gab), Sinn ergeben. Das im Fall einer Westoffensive Deutschland belgisches Gebiet verletzt werden musste (in wie erheblichem Maße das technisch unbedingt notwendig war, ist dann eine andere Frage), ist nicht zu bestreiten, darauf war auch die Heereslogistik und die Aufmarschplanung ausgelegt.



Im Ablauf hätte jedoch bei einer englischen Neutralitätsverletzung das Land Belgien auf Seiten der Mittelmächte gekämpft, was nicht nur in Europa einen anderen Kriegsverlauf verursacht hätte.
Ich denke, dass du hier den Fehler machst Eventualszenarien, die vielleicht irgendwann einmal besprochen worden sind zu determinierten Fahrplänen umzudeuten.
Warum hätten die Briten Teile eines neutralen Belgiens besetzen sollen, wäre dieses von den Deutschen unangetastet geblieben? Den deutschen Handel konnte man damit nicht wirksam schädigen, der konnte genau so gut in Amsterdam und Rotterdam umgeschlagen werden, wie in Antwerpen.
Dafür hätten sich aber die logistischem Möglichkeiten der Entente auf dem Kontinent verschlechtert und die Flankenbedrohung der Franzosen hätte sich verstärkt.

Dieses Szenario ist entweder komplett aus seinem eigentlichen Zusammenhang gerissen oder blakner Unfug.


Was noch eine Rolle spielte war der Zeitfaktor, wie lange etwa England brauchte die Opposition für einen Beitritt zum Krieg zu überzeugen, wenn es keinerlei Grund dafür gab. Ferguson gibt dazu an, dass ohne deutsche Neutralitätsverletzung der Kriegsbeitritt überhaupt nicht zu Stande gekommen wäre, was auf mittlerer Sicht den technisch effektiver kämpfenden deutschen Heer den Sieg gebracht hätte im Westen.
Auch das klingt mir ein bisschen sehr phantastisch. Sicherlich wäre es ohne Belgien schwieriger geworden die Öffentlichkeit in Boot zu holen und auf den Krieg einzuschwören.
Aber unmöglich? Warum? War in Deutschland und Frankreich die Opposition, respektive die politische Linke von diesem Krieg besonders angetan? Waren sie offensichtlich nicht, "Burgfrieden" und "Union Sacrée" kamen dennoch zustande.
Auch wenn Teile der britischen Öffentlichkeit das sicher nicht für ihren Krieg hielten und es ohne Belgien noch weniger getan hätten, so wollten sie sicherlich auch nicht Deutschland siegen sehen, mit dem man in den letzten 2 Jahrzehnten so viel Ärger hatte.[/QUOTE]
 
@Shinigami, was soll daran so phantastisch sein, wenn die Abstimmung für den Kriegsbeitritt gescheitert wäre? Nach Ferguson gab es im Parlament eine deutlich Mehrheit gegen den Krieg, wobei bei vielen Belgien nicht einmal eine rote Linie darstellte. Er hat zudem noch dargelegt, das die englischen Vertragsverpflichtung keine zwingende Intervention beinhaltete.
 
@Sepiola, wenn du sein Buch gelesen hast, wirst du es erst verstehen. Der größte Teil handelt von der englischen Vorkriegsstimmung, wer was wollte und wer nicht. Seine „Kontrafaktischen Überlegungen“ basieren zudem auf Statistiken, Zitaten und den damaligen Kriegsvorbreitungen. Insgesamt alles sehr fundiert. Aber das ist nur meine Meinung.
 
@silesia, dann erläutere doch mal diesen „vielen Unsinn“. Als Moderator darf man das von dir erwarten. Ich kann mit Pauschalwertungen nichts anfangen.
 
@silesia, dann erläutere doch mal diesen „vielen Unsinn“. Als Moderator darf man das von dir erwarten. Ich kann mit Pauschalwertungen nichts anfangen.

Wenn Du mit Gesamtbewertungen nichts anfangen kannst, liegt das Problem am Gesamtüberblick.

Ganz allgemein:
Das war ein summarisches Urteil. Es ergibt sich, wenn man sämtliche relevante und aktuelle Fachliteratur zu den politisch-militärischen Fragen des Ersten Weltkrieges gelesen hat.

Ganz speziell habe ich das bereits, statt Wiederholungen einfach mal die Suchfunktion im Forum bemühen, da ergeben sich massenhaft Hinweise von mir. ZB
Gaskrieg im Ersten Weltkrieg

oder die Diskussionsstränge zu Kriegsausbruch, Kriegsplanungen, usw. usf.

Wenn Du Dich sehr breit und angemessen mit der Forschung beschäftigt hättest, wäre das eigentlich nicht notwendig zu erläutern. Aber dafür gibt es schließlich die Literatur und wie Du die Aspekte für den Einstieg findest, dabei hilft schon die Suchfunktion im Forum.
 
@Shinigami, was soll daran so phantastisch sein, wenn die Abstimmung für den Kriegsbeitritt gescheitert wäre? Nach Ferguson gab es im Parlament eine deutlich Mehrheit gegen den Krieg, wobei bei vielen Belgien nicht einmal eine rote Linie darstellte. Er hat zudem noch dargelegt, das die englischen Vertragsverpflichtung keine zwingende Intervention beinhaltete.

Das es keine vertraglichen Verpflichtungen für einen britischen Kriegseintritt gab, wenn man von den von 1830 stammenden Garantieverpflichtungen in Sachen belgische Unabhängigkeit absieht, ist prinzipiell nicht falsch. Nur gab es von britischer Seite Interessen, die eine Beteiligung am Krieg nahelegten.

1. Um seine Abkommen hinsichtlich der Verteilung kolonialer Einflusspähren mit Frankreich und Russland nicht zu gefährden, denn die hätten sich, wenn Britannien nicht eingetreten wäre, sehr wahrscheinlich damit revanchiert aus diesen auszutreten.
2. Um dafür zu sorgen, dass auf dem kontinent kein deutliches Übergewicht entsteht, dass dann auf die kolonialen verhältnisse zurückwirken könnte.
3. Um in Sachen Friedensschluss mit am Tisch sitzen zu können, immerhin wurde von allen Parteien ein kurzer Krieg, bei dem eine Intervebntionsdrohung nach geschlagener Entscheidungsschlacht wirkungslos gewesen wäre.

Im hinblick auf Volkes Stimmung, wie gesagt, Opposition gegen den Krieg gab es auch in Deutschland und Frankreich, in Teilen artikuliert in Massendemonstrationen bis kurz vor Kriegsbeginn. Das hat den Krieg nicht verhindert.
Auch im Deutschen Reich war die Unterstützung des parlaments im Besonderen der Sozialdemokratie keine sichere Sache. Also wurde das Parlament durch die Regierung eben vor vollendete Tatsachen gestellt.
Entsprechende politische Mannöver wären auch in Britannien nicht unmöglich gewesen, welchen Einfluss Premierminister und Monarchie in GB im Hinblick auf das parlamentarische System noch heute entwickeln können, sollte die im vergangenen Jahr von Premier Johnson betriebene Suspension des Unterhauses eigentlich bewiesen haben (falls so viel Tagespolitik erlaubt ist). Ein solches Mannöver um das Land zur Not auch gegen den Willen der Mehrheit des Unterhauses in den Krieg zu treiben, wäre durchaus denkbar gewesen.
 
@Sepiola, wenn du sein Buch gelesen hast, wirst du es erst verstehen. Der größte Teil handelt von der englischen Vorkriegsstimmung, wer was wollte und wer nicht. Seine „Kontrafaktischen Überlegungen“ basieren zudem auf Statistiken, Zitaten und den damaligen Kriegsvorbreitungen. Insgesamt alles sehr fundiert. Aber das ist nur meine Meinung.


Hierzu eben noch: @Sepiola hat durchaus recht damit, dass Ferguson sich selbst torpediert, wenn da einerseits behauptet wird, dass ein Krieg an mangelnder Zustimmung des parlaments gescheitert wäre und andererseits, dass aber für einen Großteil des Parlaments nichtmal Belgien eine rote linie gewesen wäre.

Wat denn nu?

Wenn Beligen für veritable Teile des Parlaemts keine rote Linie gewesen ist, war das Parlament offenbar kein entscheidender Faktor für die Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Krieg, denn sonst hätte der ja nicht zustande kommen können, ist er aber.

Daraus ergeben sich zwei mögliche Szenarien:

a) Das Parlament befand sich entweder entgegen Fergusons Meinung nicht nicht in einer überwiegenden Anti-Kriegs-Stimmung oder aber war entgegen seiner Behauptung kein entscheidender Veto-Player für den Krieg.
b) Das parlament war entscheidend, aber Belgien war eben doch ein maßgeblicher Faktor, mindestens was die ausschließlich innereuropäischen Faktoren angeht..

Beides zusammen ist mit der Realität nicht überein zu bringen.
 
@silesia, meine Frage war ganz simpel: welchen Unsinn hat Ferguson geschrieben? Wenn du es gelesen hast dann kannst du doch den Unsinn benennen, den du behauptet hast.

@Shinigami, das wohl größte Interesse britischer Militärs war die Nichtakzeptanz, die Kontrolle über die Küste Flanderns zu verlieren. Keine deutschen Soldaten in Flandern, hätten auch keine Interessensgegensätze erzeugt. Trotzdem wurde mehrgleisig geplant, wozu auch eine Besetzung Antwerpens zählte.

Mit Johnson kann man doch die damalige Situation überhaupt nicht vergleichen. Mich hat jedenfalls überrascht, wie dort laviert wurde, um einerseits die Kriegsgegner zu beruhigen und sich andererseits hinter den Kulissen nur halbherzig mit Franzosen und Russen absprach.
 
@Shinigami, es zählen doch nur die tatsächlichen Machtverhältnisse im Parlament. Und zum Kriegsausbruch waren definitiv die Gegner in Überzahl. Die Grundaussage des Buches orientiert sich zudem nicht an Belgien, sondern am Titel "Der falsche Krieg", wo Ferguson nachweisen wollte, ob es Chancen gab ihn von vornherein zu verhindern. Er benennt aber auch in jedem Lager die Kriegstreiber und ihre Gründe dafür.
 
Das wohl größte Interesse britischer Militärs war die Nichtakzeptanz, die Kontrolle über die Küste Flanderns zu verlieren. Keine deutschen Soldaten in Flandern, hätten auch keine Interessensgegensätze erzeugt. Trotzdem wurde mehrgleisig geplant, wozu auch eine Besetzung Antwerpens zählte.

Wenn wir das jetzt mal auf Europa beschränkeun und die Sicherung Indiens außen vor lassen, ist Flandern für die Briten sicherlich das militärisch Wichtigste.
Das militärisch wichtigstes bedeutet aber keineswegs, dass das der allesentscheidende Punkt gewesen wäre. es geht ja nicht nur darum, was innerhalb des Krieges passiert sondern auch wozu der Krieg führen kann und hätte er territoriale Veränderungen herbei geführt, die eine weitere Verteidigung Frankreichs gegen Deutschland in Zukunft deutlich erschwehrt und damit deutschlands kontinentale Hegemonie festgeschrieben hätte, wäre auch das nicht im Interesse der Briten gewesen, genau so wenig wie die Verschiebung einer größeren Masse französischen Kolonialbesitzes an Deutschland.
Einen Interessengegensatz hätte es also durchaus gegeben.
Die Besetzung Antwerpens wiederspricht ihrem Sinn nach ja auch nicht einem Szenario, in dem deutsches Militär belgisches Territorium betritt. Ohne das dieser Favll vorliegt, wie du das angeführt hattest, Antwerpen zu besetzen und damit Belgien in einen Gegensatz zur Entente zu bringen, ohne das dahingehend irgendeine Notwendigkeit bestand, ist sicherlich kein sinnvolles militärisches Szenario gewesen. Das wirst du falsch verstanden oder aus seinem Kontext gerissen haben.


Mit Johnson kann man doch die damalige Situation überhaupt nicht vergleichen. Mich hat jedenfalls überrascht, wie dort laviert wurde, um einerseits die Kriegsgegner zu beruhigen und sich andererseits hinter den Kulissen nur halbherzig mit Franzosen und Russen absprach.
Ich habe das auch gar nicht mit Johnson verglichen, sondern darauf hingewiesen, dass es selbst in der heutigen Zeit für die britische Regierung kein Problem war das Parlament mal ein paar Wochen in den Zwangsurlaub zu schicken. Was heute möglich ist, war damals dreimal möglich.

Nimm an, das Parlament wird suspendiert, währenddessen erklärt die Regierung Krieg und das Parlament wird dann nach Wiederzusammentritt gebeten das finanziell abzusegnen.
Damit wäre das Unterhaus dann in der selben Situation gewesen wie in Deutschland der Reichstag, nämlich in derjenigen, dass der Krieg bereits Tatsache ist, die militärische Maschinerie, wie auch die des Gegners anläuft. Unter der Vorraussetzung, dass der Krieg bereits eine reale Tatsache ist, welcher Parlamentarier wird sich trauen diese Tatsache nicht anzuerkennen?
In Deutschland keiner, nicht mal Karl Liebknecht konnte sich dem bei der ersren Runde der Kriegskredite entziehen.
Wenn wir also bei Eventualszenarien sind, das Parlament hätte man in GB genau wie in Deutschland auch ausmanövrieren können.

Kommt in Großbritannien noch der Umstand hinzu, dass eine derart breite Unterstützung des Krieges durch das Volk, wie auf dem Kontinent zunächst mal überhaupt nicht nötig war, da das Volk keine Soldaten stellen musste. Im Gegensatz zu den kontinentalmächten hatte GB zu Kriegsbeginn ja einer Berufs- und keine Wehrpflichtarmee.
 
@silesia, meine Frage war ganz simpel: welchen Unsinn hat Ferguson geschrieben? Wenn du es gelesen hast dann kannst du doch den Unsinn benennen, den du behauptet hast.

@Shinigami, das wohl größte Interesse britischer Militärs war die Nichtakzeptanz, die Kontrolle über die Küste Flanderns zu verlieren. Keine deutschen Soldaten in Flandern, hätten auch keine Interessensgegensätze erzeugt. Trotzdem wurde mehrgleisig geplant, wozu auch eine Besetzung Antwerpens zählte.

Mit Johnson kann man doch die damalige Situation überhaupt nicht vergleichen. Mich hat jedenfalls überrascht, wie dort laviert wurde, um einerseits die Kriegsgegner zu beruhigen und sich andererseits hinter den Kulissen nur halbherzig mit Franzosen und Russen absprach.

Beispiel ist bereits oben verlinkt.
Einfach mal lesen.

Das andere hatte ich auch schon erklärt: über die Suchfunktion Ferguson+silesia findest Du im Forum weitere Beispiele. Mit den Beiträgen kommst Du auch auf weitergehende Literatur, die darauf eingehen, wo Ferguson Mumpitz erzählt. Natürlich ist die Qualifikation Geschwafel+Fehler nicht von mir, sondern ergibt sich aus der Fachliteratur.

Klar soweit?
 
@silesia
ich werd mal - wenn ich längere Zeit habe - hier nach dir suchen, mir hätten aber schon ein paar treffende kernaussagen gereicht.

@Shinigami, ich habe mit Antwerpen und Belgien nichts aus dem Zusammenhang gerissen. Falls du das Buch noch liest, wirst das bestätigen. Es war also kein Reaktionsplan auf eine deutsche Besetzung, sondern ein eigener Interventionsplan, völlig unabhängig vom deutschen Verhalten. Er hat damit auch verdeutlicht, dass die Neutralität Belgiens für England nur soweit wichtig war, wie sie in die eigenen Pläne und Interessen passt.
 
, ich habe mit Antwerpen und Belgien nichts aus dem Zusammenhang gerissen. Falls du das Buch noch liest, wirst das bestätigen. Es war also kein Reaktionsplan auf eine deutsche Besetzung, sondern ein eigener Interventionsplan, völlig unabhängig vom deutschen Verhalten. Er hat damit auch verdeutlicht, dass die Neutralität Belgiens für England nur soweit wichtig war, wie sie in die eigenen Pläne und Interessen passt.

Ich habe das Buch gelesen und kann mich an ein solches Szenario nicht erinnern. Freilich ist es einige Zeit her, dass ich es gelesen habe, so dass ich meinem Gedächtnis jetzt nicht hundertprozentig vertraue, was die Sache angeht.
Wärst du denn dann so freundlich mir eine konkrete Angabe zu machen wo in dem Buch es zu finden sein sollte?
Angabe des Kapitels wäre nett.
 
In diesem Sinne und auch als Ergänzung auch zur Erinnerung, dass GB und das DR beide Garantiemächte für die Neutralität von Belgien waren. Bethmann Hollweg hatte diese Verpflichtung ursprünglich aufgrund des Durchmarsches als einen Rechtsbruch (vgl. Afflerbach S45 ff) und relativierte den Bruch des Völkerrechts mit dem Hinweis, dass es lediglich ein Stück Papier gewesen sei (vgl. Hull)

Ansonsten zur Erinnerung und ich fange an alte Beiträge zu revitalisieren, wenn manche zu faul sind, die bisherigen Ausführungen zum Thema zur Kenntnis zu nehmen. Und der offensichtlich inkompetent ist, eine halbwegs brauchbare seiten- oder kapitelorientierte Zitation zur Verfügung zu stellen. Im Kap. 3 von Ferguson kann man lange nach Antwerpen suchen. Das ist Kindergarten.

"Vorweg möchte ich auf eine Darstellung bei Mombauer verweisen, bei der sie beschreibt, wie Moltke auf diplomatischem Wege versucht hat, die Durchmarscherlaubnis durch Belgien zu erhalten. Moltke hatte den belgischen König Albert während eines Besuchs in Potsdam im November 1913 zu beeinflussen, dass er den Durchmarsch deutscher Truppen, entsprechend dem - verwässerten - Schlieffen-Plan durch Belgien gestatten würde. Dieses Ansinnen wurde durch den König Albert abgelehnt. (S. 60)

In der Darstellung bei Stevenson, in der er die substantial violation of Belgium anspricht, verweist er via FN 86 auf die Darstellung bei Brock, (S. 150 - 160).

Im Prinzip herrschte nach dem 31.07. eine allgemeine Unklarheit, wie die belgische Regierung und die britische auf eine Verletzung der belgischen Neutralität reagieren würde. (Brock, S. 158)

Dabei war man in London der Meinung, dass man nicht "belgischer" reagieren sollte wie die Belgier. Und in diesem Sinne orientierte sich der Handlungsspielraum von London an der Reaktion der Belgier. Zusätzlich ging man in London - PM Asquith - davon aus, "that the German government would wage war along lines which would not force Britain to join Germany`s enemies. The invasion of Belgium could have been mounted along such lines. If the German advance had been confined to the Ardennes, the Belgians would probably have submitted to it after no more than formal resitance, and would not have called for military help from any of their guarantors" (S. 161) Nebenbei stellt Ferguson das ähnlich dar (vgl. S. 207)

Deren Optionen war beeinflusst worden durch das "Auffinden einer Kopie" des Schlieffen-Plans Anfang 1914. Im belgischen Außenministerium formulierte der politische Direktor Baron Gaiffer sinngemäß daraufhin: "if the German forces took the Ardennes route, the best course for the Belgieans would be to enter a formal protest, to withdraw their forces north of the Meuse, and to stay quiet."(S. 162)

In diesem Sinne wäre eine "technical violation", wie von Silesia beschrieben, weder für die Belgier noch für GB ein zwingender Grund für die Eskalation in der Juli Krise gewesen. Erst die "große Lösung" des kompletten Durchmarsches der deutschen Armeen war eine "substantial violation", die eindeutig völkerrechtswidrig war.

Und in diesem Sinne war sie notwendig, die Veränderung in der eher ablehnenden Haltung der britischen Regierung von dem 2.8. bis zum Eintritt in den Krieg zu erklären. Am ehesten kann sie als Ereignis in der mobilisierenden Wirkung auf die britische Öffentlichkeit mit dem Angriff auf Pearl Harbor erklärt werden. Unabhängig von den "eigentlichen" Gründen des Eintretens von GB in den Krieg (vgl. dazu beispielsweise Mombauer)

Die partielle Verletzung der belgischen Neutralität hätte die Chance eröffnet, dass GB neutral geblieben wäre und sich als Moderator für Friedensverhandlungen angeboten hätte.

Afflerbach, Holger (2018): Auf Messers Schneide. Wie das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verlor. 1. Auflage. München: C.H.Beck.
Brock, Michael (1990): Bitain enters the War. In: Hartmut Pogge von Strandmann und Robert John Weston Evans (Hg.): The Coming of the First World War. Oxford, New York: Oxford University Press , S. 145–178.
Hull, Isabel (2014): Scrap of Paper. Breaking and making international law during the great war. Ithaca: Cornell University Press.
Mombauer, Annika (2010): German War Plans. In: Richard F. Hamilton und Holger H. Herwig (Hg.): War planning 1914. 1st ed. Cambridge, New York: Cambridge University Press, S. 49–79.
Stevenson, David (2012): 1914-1918. The history of the First World War. London: Penguin Books
 
Zuletzt bearbeitet:
@Shinigami, falls du das Buch hast: Seite 105, er zitiert den Generalstabschef des Empire, Sir John French. Wenn sich Belgien und Niederlande nicht "freundlich" zu England verhalten hätten, sondern "feindlich", "in dem Fall sollten wir die Blockade auf ihre Häfen ausdehnen". Für Ferguson definitiv eine Neutralitätsverletzung, er hat dann das danach kommentiert. Eine größere Rolle spielten auch holländische Pläne über einen Festungsbau in Flushing, um damit die Scheldemündung zu kontrollieren, wodurch den Engländern der Zugang auf Antwerpen verwehrt werden konnte. Was Ferguson etwas unter dem Tisch fallen ließ: Wenn auch holländische Häfen mit einbezogen wären, hätte das auch die Neutralität Hollands verletzt.

@Ugh Valencia, zu kontrafaktische Szenarien klärt dich Wikipedia auf, einfach Schlagwortsuche bemühen.
 
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