Hätte man die Sowjetunion mehr Stützen müssen?

Griffel

Mitglied
Ich möchte mal ein Thema ansprechen, das unmittelbar mit der deutschen Wiedervereinigung zusammenhängt. Es wird ja heute kritisiert, dass der Westen bzw. Deutschland die Sowjetunion, damals über den Tisch gezogen habe! Das ist eine Sichtweise, die ich ganz und gar nicht teile.

Man liest ja ab und an, dass man Gorbatschow in seiner Heimat vorwirft, er habe sich die deutsche Wiedervereinigung zu gering "bezahlen" lassen. Es kursiert ja eine Summe von 100 Milliarden DM.
Es gab ja auch offensichtlich eine Art von Angebot, Deutschland könne für diese Summe die Oblast Kaliningrad kaufen.
Darauf ging man aber nicht ein! Mal ganz unabhängig von solchen Sachen! Hätte man Michail Gorbatschow mehr unterstützen müssen? Es ist zwar klar, dass es während des 2. Weltkrieges enorme Schäden und Verluste gab; aber unabhängig davon, war die SU ziemlich im Arsch! Um es mal deutlich zu sagen!

Eine solche Unterstützung hätte aber nicht nur von Deutschland kommen sollen bzw. können. Auch die anderen westlichen Staaten hätten hier ihren Beitrag leisten müssen. :(:cool: Auch dort gab es ja ein Interesse an stabilen Verhältnissen. Wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, die Sache als einen Warenkredit anzuleiern?
Damit wäre den Menschen in der SU sicherlich am meisten geholfen gewesen und es wäre nicht zu den katastrophalen Jahren unter Jelzin gekommen. Mich wundert echt, dass das von niemandem ins Auge gefasst wurde.
 
Damit wäre den Menschen in der SU sicherlich am meisten geholfen gewesen und es wäre nicht zu den katastrophalen Jahren unter Jelzin gekommen. Mich wundert echt, dass das von niemandem ins Auge gefasst wurde.
Ich verstehe nicht so recht, was man stützen sollen hätte und was man damit bewirken sollen hätte.

Gorbatschow war Generalsekretär der KPdSU und zuletzt auch Präsident der Sowjetunion.
Jelzin war Präsident Russlands, nicht der Sowjetunion.

Hätte man Deiner Meinung nach den Untergang der Sowjetunion verhindern sollen? Also die Unabhängigkeit der Teilrepubliken der Union verhindern? Dafür hätte man übrigens wohl auch eine Demokratisierung verhindern müssen, um zu vermeiden, dass separatistisch gesinnte Politiker an die Macht kommen und tatsächlich etwas zu sagen haben. (In Jugoslawien lief es ähnlich: Mit der politischen Liberalisierung kam das Ende des Bundesstaates.)

Oder falls nein: Was genau hätte man in Russland verhindern oder stützen sollen? Russland machte einen schwierigen Transformationsprozess durch, wie übrigens andere ehemalige "Ostblock"-Staaten in ihrer postkommunistischen Phase auch. Hätte man unendlich Geld hineinpumpen sollen, damit das Land (mit seinen über 100 Mio. Einwohnern) weiterwurschteln kann und sich Reformen "erspart"? (Mal ganz abgesehen davon, dass überaus fraglich erscheint, wo Unterstützungsleistungen letztlich wirklich gelandet wären.)

Übrigens gab es durchaus Unterstützungsleistungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Teilrepubliken galten zum Teil als souveräne Staaten mit eigenem Sitz in der UN. Sie irgendwie durch Stützung der UdSSR in ihrer Unabhängigkeit zu behindern wäre damit einem Bruch der UN-Charta gleichgekommen. Denn das Ende der Sowjetunion wurde ja nicht im Westen und auch nicht durch die Wirtschaft beschlossen.

Und ja, insbesondere die Ukraine und das heutige Belarus galten schon als souveräne Staaten, (weshalb ihnen auch später Atomwaffen nicht verboten waren.) Das ist nicht bei allen Teilrepubliken so einfach, besonders bei den Baltischen Staaten, deren Zugehörigkeit und Status von den meisten westlichen Staaten nicht anerkannt waren.
 
Und ja, insbesondere die Ukraine und das heutige Belarus galten schon als souveräne Staaten
Bislang wusste ich nicht, dass die Ukrainische und Weißrussische SSR Gründungsmitglieder der UNO waren und die Sowjetunion somit bis 1991 kurioserweise über 3 Sitze in der Generalversammlung verfügte. Vielen Dank für den Hinweis.
Mit stellt sich allerdings die Frage, warum diese zwei Sowjetrepubliken damit in der UNO eine Sonderbehandlung bekamen. Wie rechtfertigte man das gegenüber anderen Sowjetrepubliken oder gegenüber Kalifornien, Texas, Wales oder Schottland?
 
Bislang wusste ich nicht, dass die Ukrainische und Weißrussische SSR Gründungsmitglieder der UNO waren und die Sowjetunion somit bis 1991 kurioserweise über 3 Sitze in der Generalversammlung verfügte. Vielen Dank für den Hinweis.
Mit stellt sich allerdings die Frage, warum diese zwei Sowjetrepubliken damit in der UNO eine Sonderbehandlung bekamen. Wie rechtfertigte man das gegenüber anderen Sowjetrepubliken oder gegenüber Kalifornien, Texas, Wales oder Schottland?

Ich schätze, weil man das anderswo ähnlich handhabte.
So sind z.B. Indien und die Philippinen Gründungsmitglieder der UNO, obwohl zum Zeitpunkt des Beitritts keine vollständig souveränen Staaten, sondern de jure von Großbritannien, respektive den USA abhängig.

Britisch-Indien hatte auch vorher bereits einen Sitz im damaligen Völkerbund, womit GB dort de facto über 2 Stimmen verfügte.
Mag man als Präzedenzfall ansehen können.
 
Ich nehme an hier geht es um wirtschaftliches.
Ob und in welchen Maße die Bundesrepublik die UdSSR unterstützt hat, vermag ich nicht zu beurteilen.

Und wie die DDR die UdSSR unterstützt hat, dazu fehlen mir die Detailkenntnisse.
Ich weiß nur, der Warenhandel/-austausch wurde über die „RGW Bank“ (Baustil als „offenes Buch“) in Moskau abgewickelt. Und nach der Wende hörte ich von Insidern das dass so ein Ding war.
Kaum hatte die DDR auf ihren Bankkonten Guthaben, veränderten die Russen die Preise der Warenlieferungen in die DDR.
Und ohne Detailkenntnisse wird das hier nur ein Beitrag im spekulativen Bereich.

Aber Gelegenheit für einen bei uns damals recht bekannten Witz.

Da war Leonid Breschnew bei Fidel Castro zu Besuch und
Fidel trug seine Wünsche vor.
Da brauche ich eine Zuckerfabrik.
Mit einen Lächeln sagte Leonid der Lieferung zu.
Und dann brauche ich auch noch eine Zementfabrik.
Leonid sagte auch hier zu, allerdings sein Lächeln veränderte sich in ein Lachen.
Fidel fragte verwundert warum lachst Du?
Er antwortete,
ich stelle mir gerade Erichs Dummes Gesicht vor,
wenn er von mir erfährt dass er der Lieferant ist.​

Andere Projekte wie z.B. Olympiade 1980 in Moskau, dazu fehlen mir ebenfalls die Detailkenntnisse.
Genauso zu den beiden Erdgastrasen (Orenburg und Urengoi), ebenso zum Bau des Hafens Mukran/Rügen u.a.
 
Mit stellt sich allerdings die Frage, warum diese zwei Sowjetrepubliken damit in der UNO eine Sonderbehandlung bekamen. Wie rechtfertigte man das gegenüber anderen Sowjetrepubliken oder gegenüber Kalifornien, Texas, Wales oder Schottland?

Texas und Kalifornien sind keine Völkerrechtssubjekte, weil laut US-Verfassung nur die USA internationale Verträge schließen kann. Damit können sie auch nicht der UNO beitreten. Und das Vereinigte Königreich tritt ebenfalls nur vereint auf.

Belarus und die Ukraine hatten aber diese Qualität. Daher war die Übergabe der Krim an die Ukraine auch kein Verwaltungsakt, als den Putin das gerne sähe. Das geht alles auf die Zeit vom Friedensschluss zwischen Deutschem Reich und Russland bis zur Eingliederung der verschiedenen Gebiete in die UdSSR (gegr. 1922) zurück. Allein zwischen Polen, Russland und der Ukraine gab es da ja schon mehrere Kriege.

Den deutschen Bundesländern, die ja auch Staaten sind, kommt dies übrigens teilweise zu. Es muss also immer genau geschaut werden.

Es gibt auch 3 originäre nichtstaatliche Völkerrechtssubjekt: der Heilige Stuhl in Rom, der Malteserorden und das IK vom Roten Kreuz. Dabei ist es sogar meist so, dass der Heilige Stuhl und nicht der Vatikan die internationalen Verträge schließt.

(Für alle, die es wundert: Der Heilige Stuhl ist weder dasselbe wie der Vatikan noch dasselbe wie der Papst. Wie in England die Krone ist es eine eigene Sache. Im Mittelalter musste man sich langsam wieder an die Vorstellung eines abstrakten Staats herantasten. Während ein Bischof vergeht, bleibt sein Stuhl (cathedra) bestehen. Bleibende Rechte wurden daher damit verbunden. Die Bischofsstühle von Rom und Mainz gelten aus verschiedenen Gründen als heilig, weshalb sie so benannt sind. Da die Päpste nie aufhörten, ihren Amtssitz zu bemühen, konnte darauf zurückgegriffen werden, als der Kirchenstaat aufgelöst wurde. Darum ist Rom auch dann dreifache Hauptstadt, wenn wir den Vatikan nicht zählen, da sich der Heilige Stuhl im Lateran befindet und auch der souveräne Malteserorden seinen Hauptsitz in Rom hat.)
 
Es gab ja im August 1991 einen Putschversuch von konservativen Militärs, die das Rad zurückdrehen wollten. Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika seit 1985 stieß bei Hardlinern im Politbüro und im Militär auf äußerste Kritik. Diese Unzufriedenheit wuchs, als sich abzeichnete, dass sich die wirtschaftliche und soziale Lage in der SU verschärfte. Die SU war von Anfang an ein multinationales Gebilde und in den Sowjetrepubliken wuchs der Wunsch nach Unabhängigkeit. Gleichzeitig wuchs bei Zentralisten die Sorge, dass Sowjetrepubliken aus der Union austreten wollen und die SU zusammenbricht. Ende August 1991 sollte ein neuer Unionsvertrag geschlossen werden, da brach am 19. August 1991 der Putsch aus. Gorbatschow wurde unter Hausarrest genommen.

Dieser Putsch dauerte nur drei Tage, und Gorbatschow erhielt danach sein Amt zurück. "Gorbi" war, als der Putsch losging, nicht in Moskau, sondern im Urlaub auf der Krim.

In Moskau, Leningrad und anderen Städten fanden sofort Massendemonstrationen gegen die Putschisten statt. Es zeigte sich, dass die Putschisten nicht die Mehrheit der Armee hinter sich hatten und das Volk den Putsch ablehnte. Boris Jelzin hat sich damals ein großes Verdienst erworben, der Widerstand gegen den Putsch wurde vor allem vom Präsidenten der Russischen Sowjetrepublik, also von Jelzin, und von seinem Amtssitz dem Weißen Haus getragen. Während des Putsches war Jelzin auf einen Panzer geklettert und forderte vor Zehntausenden von Demonstranten die Freilassung Gorbatschows und rief die Soldaten dazu auf, "werdet nicht zur blinden Waffe von Abenteurern". Dieser Auftritt war ein starkes Signal und verschaffte Jelzin großes Prestige. Er, nicht aber Gorbatschow, wurde zum Volkshelden.

Der Putsch brach nach nur drei Tagen zusammen. Gorbatschow trat als Generalsekretär zurück, blieb aber Präsident der SU. Der erstarkte Jelzin übernahm nach und nach Schlüsselpositionen in der Presse, Justiz und Militär und demontierte Gorbatschow. Die KPDSU wurde in Russland verboten, der KGB aufgelöst. Gorbatschow kehrte relativ machtlos nach Moskau zurück.

Der Putsch war nur eine kurze Episode, danach aber war klar, dass Gorbatschows Politik der Glasnost und Perestrika gescheitert war, dass Gorbatschow nicht mehr die Macht hatte, seine Politik durchzusetzen, und dass die SU nicht mehr zu halten war. Die Sowjetrepubliken wollten ihre Unabhängigkeit, wollten nicht an ein Auslaufmodell gekettet sein.

Wer oder was hätte im Westen unter diesen Umständen ein Interesse daran haben können, die SU zu erhalten? Aus welchen Gründen hätte man das auch tun sollen? Der Kalte Krieg ging zu Ende, der Westen hatte gesiegt, war am Ziel- die SU war hinüber- und niemand weinte ihr in den Sowjetrepubliken eine Träne nach-im Gegenteil! Gorbatschow war politisch eine "lame duck" geworden. Die USA und die Nato hatten keinen Anlass, der SU hinterher zu trauern. Endlich war sie weg! Die USA die letzte Supermacht.

Mit wem hätte der Westen auch zusammenarbeiten wollen, um die SU zu reanimieren? Etwa mit den Putschisten? Mit den erstarrten Fossilen des Kalten Krieges, die allmählich überall in den Ostblockstaaten hinausgekehrt wurden?

Nach dem Putsch war klar: Der "Patient SU" war tot, nichts und niemand konnte sie wieder reanimieren, und Gorbatschow der sie erhalten wollte mit seiner Politik der Glasnost und Perestroika verfügte nicht mehr über die Macht, sie erhalten zu können. Der neue Mann war Jelzin. Er und nicht mehr Gorbatschow war Hoffnungsträger in Russland und den Nachfolgestaaten.

Gegen Jelzin lässt sich eine Menge sagen. Immerhin gab es aber während seiner Amtszeit keine politischen Gefangenen, und es ist keiner seiner politischen Gegner ums Leben gekommen (worden), während sein Nachfolger es nach unterschiedlichen Schätzungen schon auf über 400 gebracht hat. Tendenz steigend.
 
Ich denke, ich muss hier ein Missverständnis ausräumen! Wenn, ich bei meinem Eingangskommentar davon sprach, dass man die Sowjetunion mehr hätte stützen müssen, meine ich das folgendermaßen:
Natürlich ist klar, dass die Sowjetunion, Ende der 80er Jahre Bankrott war! Ökonomisch, politisch und moralisch sowieso!:p:mad: Da besteht zwischen mir und euch kein Dissens! Aber. Die Sowjetunion war nun einmal ein riesiger Staat mit einer Menge von Problemen. Und wenn, man aus Arroganz oder Hochmut, seinem Nachbarn nicht hilft, diese Probleme halbwegs zu lösen, dann kann es sehr leicht sein, dass man selbst von diesen Problemen betroffen ist.:rolleyes:

Mit Stützung oder Unterstützung, meinte ich eigentlich, dass man von westlicher Seite hätte versuchen müssen, Gorbatschow den Rücken zu stärken! Und das nicht nur aus "Dank" für die Wiedervereinigung! Er war trotz allem, ein vernünftiger Mann! Und von dieser Sorte, gab es in der SU, nicht allzu viele!

Mein Gedanke ging dahin, dass man Herrn Gorbatschow, aktiv bei der sicheren und geordneten Abwicklung der SU hätte unterstützen müssen! Gerade der Putsch zeigt ja, dass die Sache auch hätte ganz anders ausgehen können, wenn, nicht so viele mutige Menschen sich den Putschisten entgegengestellt hätten!

So etwas darf man aber keinesfalls einfach voraussetzen. Es wäre am besten gewesen, wenn, man vonseiten Europas für die ehemaligen Sowjetstaaten so eine Art von langfristigem "Marschall-Plan" entwickelt hätte. Damit hätte man die Lage langfristig stabilisieren können. Und mal ehrlich! Ich bin kein Russe. Aber wenn, ich mir heute die Bilder von Jelzin anschaue, könnte ich schreien! Das, was dieser Mann am Ende abgeliefert hat, war nicht mehr zum mitansehen. Auch das hat viele Menschen in Russland und anderswo sehr verstört und gedemütigt. :oops: Ich schreibe das nicht gern und auch nicht als irgendeine Art von schlechtem Scherz:

Aber es ist eine traurige Tatsache, dass mit Herrn Putin, zumindest eine Art von Ordnung in Russland eingekehrt ist! Zumindest am Anfang.

Es hätte Beratergruppen des Europarates und oder der OECD gebraucht, um in Russland und den anderen Republiken geordnete Verhältnisse zu schaffen. Dann hätten die Menschen dort, heute nicht die Probleme, welche sie nun einmal haben.:( Man muss sich doch nur einmal die ganzen sogenannten Oligarchen anschauen. Solche Entwicklungen, wären in jedem westlichen Staat, schon im Keim erstickt worden! Ich meine damit nicht, dass unbegrenzt Geld in den Ostblock hätte pumpen sollen. Nein! Aber ein mittel und langfristiger Plan, Osteuropa inklusive Russland an europäische und atlantische Strukturen heranzuführen, wäre hier dringend notwendig gewesen.:rolleyes: Was natürlich auf der anderen Seite auch voraussetzt, dass man weiß, was man will! Und das war bei Westeuropa nicht der Fall. Was die Sache nicht einfacher gemacht hat.

Inzwischen haben wir die Situation, wie sie ist. Und das ist keine gute! Man schaue sich nur die Ukraine an! Die sogenannten Sicherheitsgarantien, die man der Ukraine als Gegenleistung für den Verzicht ihrer Atomwaffen, gab, sind keinen Pfifferling wert! Die Ukraine, ist seit 1994 ein Atomwaffenfreies Land!
 
Wie stellst Du Dir das vor? Glaubst Du, die Nachfolgestaaten der UdSSR hätten auf "Beratergruppen des Europarates oder der OECD" gewartet oder sie willkommen geheißen? In einem Gutteil der Nachfolgestaaten kamen Personen ans Ruder, die mit Demokratie nicht viel am Hut hatten und unter marktwirtschaftlichen Reformen, so sie überhaupt durchgeführt wurden, verstanden, staatliche Großbetriebe ihren Angehörigen und Freunden zuzuschanzen.

Was die Verklärung Gorbatschows betrifft: Wäre es nach ihm gegangen, wäre die UdSSR gar nicht abgewickelt worden. Er hoffte bis zuletzt, sie in der einen oder anderen Weise erhalten zu können (natürlich mit ihm als starkem Mann). Erst nach dem Augustputsch musste er akzeptieren, dass die Geschichte über ihn hinweggerollt war. Für die Zeit davor sollte man nicht die blutige Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung in Litauen vergessen.
 
In einem Gutteil der Nachfolgestaaten kamen Personen ans Ruder, die mit Demokratie nicht viel am Hut hatten und unter marktwirtschaftlichen Reformen, so sie überhaupt durchgeführt wurden, verstanden, staatliche Großbetriebe ihren Angehörigen und Freunden zuzuschanzen.
Man hat es mit der sogenannten Coupon-Privatisierung bei Staatsbetrieben versucht. Meist wurden diese Coupons an Arbeiter und Angestellte des zu privatisierenden Betriebes ausgegeben. Freunde und Verwandte von Politikern und/oder Oligarchen haben es mit oft sehr dubiosen Methoden geschafft, sich die Mehrheit dieser Coupons für einzelne Großbetriebe zu sichern.
Ein ehemaliger Arbeitskollege aus Russland erzählte mir, dass seine Familie zu Hause "Besuch" von Leuten bekam, die sehr überzeugende Argumente hatten, ihre Coupons an einen Oligarchen, den ehemaligen Betriebsleiter, abzugeben und diese Coupons nach dem Besuch auch gleich mitnahmen. Diese Leute "besuchten" reihum alle Couponeigner. Der Betriebsleiter wusste, wer in dem Betrieb arbeitete und wer Coupons erhalten hat. Nach ein paar Wochen hatte er die Mehrheit an dem Unternehmen.
 
Ich denke, ich muss hier ein Missverständnis ausräumen! Wenn, ich bei meinem Eingangskommentar davon sprach, dass man die Sowjetunion mehr hätte stützen müssen, meine ich das folgendermaßen:
Natürlich ist klar, dass die Sowjetunion, Ende der 80er Jahre Bankrott war! Ökonomisch, politisch und moralisch sowieso!:p:mad: Da besteht zwischen mir und euch kein Dissens! Aber. Die Sowjetunion war nun einmal ein riesiger Staat mit einer Menge von Problemen. Und wenn, man aus Arroganz oder Hochmut, seinem Nachbarn nicht hilft, diese Probleme halbwegs zu lösen, dann kann es sehr leicht sein, dass man selbst von diesen Problemen betroffen ist.:rolleyes:

Mit Stützung oder Unterstützung, meinte ich eigentlich, dass man von westlicher Seite hätte versuchen müssen, Gorbatschow den Rücken zu stärken! Und das nicht nur aus "Dank" für die Wiedervereinigung! Er war trotz allem, ein vernünftiger Mann! Und von dieser Sorte, gab es in der SU, nicht allzu viele!

Mein Gedanke ging dahin, dass man Herrn Gorbatschow, aktiv bei der sicheren und geordneten Abwicklung der SU hätte unterstützen müssen! Gerade der Putsch zeigt ja, dass die Sache auch hätte ganz anders ausgehen können, wenn, nicht so viele mutige Menschen sich den Putschisten entgegengestellt hätten!

So etwas darf man aber keinesfalls einfach voraussetzen. Es wäre am besten gewesen, wenn, man vonseiten Europas für die ehemaligen Sowjetstaaten so eine Art von langfristigem "Marschall-Plan" entwickelt hätte. Damit hätte man die Lage langfristig stabilisieren können. Und mal ehrlich! Ich bin kein Russe. Aber wenn, ich mir heute die Bilder von Jelzin anschaue, könnte ich schreien! Das, was dieser Mann am Ende abgeliefert hat, war nicht mehr zum mitansehen. Auch das hat viele Menschen in Russland und anderswo sehr verstört und gedemütigt. :oops: Ich schreibe das nicht gern und auch nicht als irgendeine Art von schlechtem Scherz:

Aber es ist eine traurige Tatsache, dass mit Herrn Putin, zumindest eine Art von Ordnung in Russland eingekehrt ist! Zumindest am Anfang.

Es hätte Beratergruppen des Europarates und oder der OECD gebraucht, um in Russland und den anderen Republiken geordnete Verhältnisse zu schaffen. Dann hätten die Menschen dort, heute nicht die Probleme, welche sie nun einmal haben.:( Man muss sich doch nur einmal die ganzen sogenannten Oligarchen anschauen. Solche Entwicklungen, wären in jedem westlichen Staat, schon im Keim erstickt worden! Ich meine damit nicht, dass unbegrenzt Geld in den Ostblock hätte pumpen sollen. Nein! Aber ein mittel und langfristiger Plan, Osteuropa inklusive Russland an europäische und atlantische Strukturen heranzuführen, wäre hier dringend notwendig gewesen.:rolleyes: Was natürlich auf der anderen Seite auch voraussetzt, dass man weiß, was man will! Und das war bei Westeuropa nicht der Fall. Was die Sache nicht einfacher gemacht hat.

Inzwischen haben wir die Situation, wie sie ist. Und das ist keine gute! Man schaue sich nur die Ukraine an! Die sogenannten Sicherheitsgarantien, die man der Ukraine als Gegenleistung für den Verzicht ihrer Atomwaffen, gab, sind keinen Pfifferling wert! Die Ukraine, ist seit 1994 ein Atomwaffenfreies Land!

Ich muss sagen, es kommt dein Eintreten für die Sowjetunion doch etwas überraschend. In Beiträgen in früheren Threads hast du Churchill und Roosevelt dafür kritisiert, dass sie ein Bündnis mit Stalin schlossen, hast die KSZE Verträge kritisiert, als Politik der Schwäche "von dem Westen". Hast kritisiert, überhaupt mit der SU zu verhandeln. Da war die SU eine Macht, die nur im Sinn hatte, als Europa zu
Da war die SU so etwas wie der Gottseibeiuns. Jetzt auf einmal kritisierst du "den Westen" weil er keinen Marschallplan gehabt hat, um die SU zu konservieren.

Jetzt auf einmal hätte der Westen Gorbatschow mehr unterstützen sollen, sozusagen als Freundschaftsdienst, weil der die Deutsche Einheit zugelassen hat. Die Sowjetunion hatte Ronald Reagan noch vor ein paar Jahren als Evil Empire bezeichnet. Der Kalte Krieg war in den Köpfen, kein Mensch im Westen, das habe ich schon einmal in einem anderen Thread geschrieben, hätte 1987, 1988 geahnt, dass der 40 Jährige Geburtstag der DDR ihr letzter werden würde, dass der antifaschistische Schutzwall mal an den Klassenfeind verkauft wird, dass Menschen auf der Mauer herumturnen. Der Kollaps der SU war nicht vorherzusehen, die Dynamik der Ereignisse hat alle überrascht. Nach dem Putsch war klar, dass Gorbatschow seinen Laden nicht mehr im Griff hatte. Gorbatschow wollte die SU erneuern. Er war nicht an ihrer Abwicklung interessiert. Er wollte sie erhalten, als atomare Supermacht. Die SU erhalten als Supermacht, hieß ihre Hegemonie akzeptieren, hieß den Kalten Krieg zementieren. Die Sowjetunion war das Feindbild, ihre Raketen hatten 40 Jahre Europa bedroht, jetzt erwartest du von "dem" Westen, der weiß Gott eigene Probleme hatte, hätte die SU erhalten müssen, hätte nach 40 Jahren Kalten Krieg Gorbatschow mehr unterstützen müssen, um was genau zu verhindern?
 
Helfen bei der Umgestaltung des Sowjetsystems.
Gut gemeint!

Ein paar Gedanken dazu...

Aus der Historie wissen wir, es war nicht gerade einfach das noch relativ in den „Kinderschuhen steckenden“ junge kapitalistische Russland – damals war’s wohl mehr ein bäuerliches Land – von Privateigentum in Volkseigentum umzukrempeln.
Das war schmerzlich und ging auch nicht ohne Menschenopfer.

Nun um die 70ig Jahre später das Ganze in Privateigentum umzukrempeln ist auch wieder ein recht schmerzlicher Prozess.
Ich kenne das aus den Erlebnissen der DDR. Ich war damals 49 Jahre als dieser Prozess begann.
Und dabei hatten wir es im Verhältnis zur Sowjetunion wesentlich besser und auch leichter.
Wir lebten ja „nur“ in einem geteiltes Land. Es gab keine Sprachprobleme und das war schon mal wie man so sagt „die halbe Miete“. Wir gehörten auch zu einen hochindustrialisierten Land was bis Anfang der 60iger in beiden Teilen fast gleiche Lebensverhältnisse hatte. Einen Beitritt – auch wenn dieser recht holprig war - stand da nichts im Wege.
Da konnte man ohne Bedenken von der BRD aus in den Osten ziehen um mitzuhelfen das alte bewährte Gesellschaftssystem wieder aufzubauen.

Anders, ganz anders stellte sich dies damals in der Sowjetunion dar.

Also hätte man mich gefragt, ich wäre dort nicht für Geld und gute Worte hingegangen. Ich dachte da u.a. auch an das Schicksal von Detlev Rohwedder – Präsident der Treuhandanstalt in der DDR - am 01.4.1991. Fast genau 31 Jahre ist dies her.

Jedenfalls mitzuhelfen ein Land umzugestalten welches über Generationen hinweg nur Volkseigentum kannte, wäre selbst mir, der ich bis zu zum 49. Lebensjahr unter sozialistischen PV gelebt habe, zu den damaligen Zeitpunkt etwas zu riskant gewesen.
Bekannt ist ja auch das Schicksal von Michail Borissowitsch Chodorkowski den die Putin Administration u.a. auch Vorwarf er wolle amerikanische Unternehmer ins Land holen.
Und ich glaube wenn da auch ein paar Manager der EU incl. USA mitgeholfen hätten, ein Anschluss an westliche Standards wäre auch bis heute nicht entstanden. Ich meine hier die Produktion.

Die „Wessis“ sagten damals, es geht in den „Busch“. Was hätten diejenigen wohl gesagt wenn es in die UdSSR gegangen wäre?
 
Die Sowjet-Union hatte zwar verschiedene Verfassungen, die auf dem Papier eine föderale Ordnung abbildeten, aber de facto war sie einer der zentralistischen Staaten der Geschichte. Die Macht im größten Land der Welt konzentrierte sich im kleinen Politbüro der KPdSU.
Die Verfassung der Sowjet-Union war in der Praxis so unbedeutend, dass man gar so genau wissen konnte, was z.B. der Unterschied zwischen den verschiedenen Autonomiestufen der Gebietskörperschaften war. Ihre eigentlliche Bedeutung erhielten sie erst mit der Unabhängigkeit.
Fast alle postsowjetische Grenzkonflikte beruhen auf einer unterschiedlichen Auslegung der Verfassung der Sowjet-Union. Gehören die Autonomen Sozialistischen Sowjet-Repubik zu einzelnen Sowjet-Republiken oder handelt es sich um eigenständige Gliedstaaten innerhalb der Sowjet-Union? Es ist bis heute nicht geklärt.

Was die Verklärung Gorbatschows betrifft: Wäre es nach ihm gegangen, wäre die UdSSR gar nicht abgewickelt worden. Er hoffte bis zuletzt, sie in der einen oder anderen Weise erhalten zu können (natürlich mit ihm als starkem Mann). Erst nach dem Augustputsch musste er akzeptieren, dass die Geschichte über ihn hinweggerollt war. Für die Zeit davor sollte man nicht die blutige Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung in Litauen vergessen.
Gorbatschow hat erst aufgeben, als Jelzin hinter seinem Rücken die Sowjet-Union auflöste!

Gorbatschow hat nicht nur versucht die Sowjet-Union zu reformieren und zu retten, sondern auch die Kommunistische Partei der Sowjet-Union.
Nach dem August-Putsch verbot Jelzin die KPdSU in der russischen Sowjet-Republik. Die frühere Machtbasis des Systems bestand damit nicht mehr, aber trotzdem versuchte Gorbatschow Weiterung als Präsident der Sowjet-Union dieses Staat zu retten.
Das Parteiverbot hat offenbar nicht ausgereicht um Gorbatschow zu entmachten und daher hat er auch die Auflösung der Sowjet-Union in die Wege geleitet. Gleichzeitig legte man mit der GUS einen Plan für einen neuen Staatenbund vor.

Die Entscheidung zur Auflösung der Union wurde in Europa getroffen. Die Präsidenten von Russland, Weißrussland und der Ukraine trafen sich zur Wildschweinjagd in Belowesch und lösten nebenbei die Sowjet-Union auf. Die asiatischen Republiken hat man gar nicht erst gefragt, denn Präsidenten der Sowjet-Union erst recht nicht.
https://www.mdr.de/geschichte/zeitg...ik-gesellschaft/ende-der-sowjetunion-100.html

Eines der größten Probleme der Sowjet-Union war die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Konsumgütern. Mit Russland, Weißrussland und der Ukraine haben sich die landwirtschaftlich und industriell am produtivsten Sowjet-Republiken von der Idee der Sowjet-Union abgewandt.
Die Republiken im Kaukaus und Zentralasien hingen nicht nur wirtschaftlich am Tropf Moskaus - auch in Sachen Sicherheit waren sie von Moskau eigentlich abhängig. Verschiedene Nationalitäten- und Grenzkonflikte waren bereits 1990 ausgebrochen und wurden durch die Auflösung keineswegs gelöst. Hinzu kam noch die desatröse Lage im Irak, Iran und Afghanistan. Es bestand immer wieder die Gefahr, dass die Krisen im Mittleren Osten auch die Nachbarländer überschnappen.

Man hat es mit der sogenannten Coupon-Privatisierung bei Staatsbetrieben versucht.
Zu dem Zeitpunkt gab die Sowjet-Union doch schon gar nicht mehr. Die Coupon-Privatisierung geht auf Jelzins Privatisierungpolitik zurück. Da war die Sowjet-Union abgewickelt.
 
Die Entscheidung zur Auflösung der Union wurde in Europa getroffen. Die Präsidenten von Russland, Weißrussland und der Ukraine trafen sich zur Wildschweinjagd in Belowesch und lösten nebenbei die Sowjet-Union auf. Die asiatischen Republiken hat man gar nicht erst gefragt, denn Präsidenten der Sowjet-Union erst recht nicht.
https://www.mdr.de/geschichte/zeitg...ik-gesellschaft/ende-der-sowjetunion-100.html
Allerdings hatten schon davor die meisten Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit erklärt:
Litauen 11.3.1990
Lettland 4.5.1990
Georgien 9.4.1991
Estland 21.8.1991
Ukraine 24.8.1991
Weißrussland 25.8.1991
Moldawien 27.8.1991
Kirgisistan 31.8.1991
Usbekistan 31.8.1991
Tadschikistan 9.9.1991
Armenien 21.9.1991
Aserbaidschan 18.10.1991
Turkmenistan 27.10.1991
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Kasachstan 16.12.1991
 
. Auch das hat viele Menschen in Russland und anderswo sehr verstört und gedemütigt. :oops: Ich schreibe das nicht gern und auch nicht als irgendeine Art von schlechtem Scherz:

Aber es ist eine traurige Tatsache, dass mit Herrn Putin, zumindest eine Art von Ordnung in Russland eingekehrt ist! Zumindest am Anfang.

Es hätte Beratergruppen des Europarates und oder der OECD gebraucht, um in Russland und den anderen Republiken geordnete Verhältnisse zu schaffen.

"Geordnete Verhältnisse" ist ein sehr dehnbarer Begriff. Wie man "Ruhe und Ordnung " schafft, das hatte Putin beim KGB gelernt, dazu brauchte der ganz bestimmt keine Beratergruppen aus der EU.

Demokratie und wirtschaftliche Stabilität fallen auch nicht vom Himmel, sie müssen wachsen, sich entwickeln können.
Es funktioniert so etwas erfahrungsgemäß aber nicht durch Export von ein paar Beratern, "Experten" oder Entwicklungshelfern. Selbst wenn die noch so engagiert sind, können sie keine "blühenden Landschaften" schaffen, höchstens versuchen sie herbei zu beten.

Wie hätte überhaupt eine Einflussnahme aussehen sollen und können? Es war ja nun nicht gerade so, als ob man in den Nachfolgestaaten der SU auf "Experten" aus Europa nur gewartet hätte.


Schließlich wie hätte "der Westen" auch kontrollieren, geschweige denn durchsetzen wollen, ob "Herr Putin" oder irgendein anderer post-sowjetischer auch "seine Hausaufgaben macht"?



Putin 1999 zum Premierminister ernannt wurde, kannte den kaum ein Mensch. Wie Putins Ordnung aussah, zeigte er recht bald. In mehreren Städten Russlands gab es damals Sprengstoffanschläge, für die Putin tschetschenische Separatisten verantwortlich machte. In einer Presseerklärung kündigte Putin an, die Terroristen überall zu jagen , im Flughafen und auf der Toilette. Wir werden sie im Plumpsklo entsorgen." war seine Ansage.
In Tschetschenien ging Putin mit unglaublicher Brutalität vor.

Er hatte kapiert wie wichtig Medien sind. Jelzin wirkte gesundheitlich angeschlagen, oft auch offensichtlich angeheitert. Putin inszenierte sich von Anfang an als charismatischer Macher, Krisenmanager und Retter. Er bemühte sich Einfluss auf die Medien zu gewinnen Wer ihm in die Quere kam, lebte gefährlich. Etliche Putin-Kritiker sind unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen.
 
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