Helvetiereinöde

Sie verdanken ihre Existenz ausschließlich dem latènezeitlichen Wirtschaftssystem mit überregionalen Handelsbeziehungen, das schon ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dann ab 50 v. Chr. endgültig zusammenbrach. Diese Metallproduktion war für einen Absatzmarkt in ganz Mittel- und Westeuropa, nutzte die Verkehrswege an Lahn, Rhein und Mosel. Das funktionierte nur mit Gewinnen aus überregionalem Handel.

Ich denke immer noch, dass dieses System nicht zusammenbrach.
Sondern dass genau wegen dieser Metalle die Römer in Waldgirmes, Dorlar, vielleicht Wetzlar, jedenfalls nahe der Dillmündung siedelten.
Sie blieben später mit Butzbach etwas weiter auf Distanz, das spricht aber nicht gegen diesen Handel.
 
Trotz der Aufgabe der Oppidae blieb also die Bevölkerung vor Ort.
Nur die Strukturen hatten sich wohl geändert.
Das ist die Essenz.

Und diese Bevölkerung war "plötzlich germanisch".
Was uns wieder zu der Frage bringt, in wie weit das "Keltentum" eine ethnische Definition war, oder eher eine soziale.
War es die Oberschicht, die sich als Kelten definierte, und die "einfachen", ärmeren Leute waren oder wurden Germanen?
War "keltisch" einfach Mode, Lifestyle?
Ich finde, dass sind sehr interessante Fragestellungen, Antworten darauf natürlich schwierig.
 
Und diese Bevölkerung war "plötzlich germanisch".
Was uns wieder zu der Frage bringt, in wie weit das "Keltentum" eine ethnische Definition war, oder eher eine soziale.
War es die Oberschicht, die sich als Kelten definierte, und die "einfachen", ärmeren Leute waren oder wurden Germanen?
War "keltisch" einfach Mode, Lifestyle?
Ich finde, dass sind sehr interessante Fragestellungen, Antworten darauf natürlich schwierig.
Vor allem gibt es doch wohl die keltische Sprachfamilie und im Gegensatz dazu die germanische. Die Sprache wechselt man nicht so leicht wie den Lifestyle.
 
Vor allem gibt es doch wohl die keltische Sprachfamilie und im Gegensatz dazu die germanische. Die Sprache wechselt man nicht so leicht wie den Lifestyle.

Ein Sprachwechsel vollzieht sich nicht heute auf morgen, sondern kann einige Generationen oder sogar Jahrhunderte dauern. Historische Beispiele sind zum Beispiel die Ausbreitung des Lateinischen, die in westlichen Kontinentaleuropa bis auf das Baskische sämtliche Sprachen von vor der römischen Eroberung ersetzt haben. Im spätantiken bzw. frühma. Britannia wurde das Lateinische bzw. die inselkeltische(n) Sprache(n) auch allmählich durch die Sprache der angelsächsischen Neuankömmlinge ersetzt (nur in Wales fand sie ihr Refugium). In Cornwall starb die kornische Sprache erst im späten 18. Jahrhundert aus. Nordafrika ist heute weitestgehend arabischsprachig, das sich mit der arabischen Expansion verbreitete. Beispiele lassen sich da en masse finden. Irgendwo müßten wir auch einen Thread zum Thema Sprachwechsel haben.

Und diese Bevölkerung war "plötzlich germanisch".

Eigentlich geht es doch hier um die sog. Helvetiereinöde. Nach dem Wiki-Artikelhttps://de.wikipedia.org/wiki/Helvetier-Ein%C3%B6de ist damit das Gebiet im Südwesten des heutigen Deutschlands gemeint, in dem es nach einer keltischen Besiedlung in vorchristlicher Zeit kaum oder gar keine Bevölkerung mehr gab. Da gab es (fast) keinen mehr, der vom Keltischen aufs Germanische wechseln konnte.
 
Eigentlich geht es doch hier um die sog. Helvetiereinöde. Nach dem Wiki-Artikelhttps://de.wikipedia.org/wiki/Helvetier-Ein%C3%B6de ist damit das Gebiet im Südwesten des heutigen Deutschlands gemeint, in dem es nach einer keltischen Besiedlung in vorchristlicher Zeit kaum oder gar keine Bevölkerung mehr gab. Da gab es (fast) keinen mehr, der vom Keltischen aufs Germanische wechseln konnte.

Von dort kam aber auch Ariovist mit seinen Leuten.

Und das nördliche Anschlussgebiet können wir nicht ignorieren, da hier die Oppida zeitgleich verschwinden, ein Zusammenhang also nahe liegt.
Diese Gegend ist aber durchaus nicht unbewohnt, sondern es begegnen uns u.a. Ubier, Mattiaker u.a..
Die wir meist als "germanisch" einstufen, auch wenn das nicht ganz klar ist.


Ein Sprachwechsel vollzieht sich nicht heute auf morgen, sondern kann einige Generationen oder sogar Jahrhunderte dauern.

Wir wissen eigentlich gar nichts über die Sprache der Bevölkerung rechts des Rheins.
Wir können auch nicht unbedingt von homogenen Gruppen ausgehen, wie man das lange gerne sehen wollte.
Eine Führungsschicht kann eine andere Sprache sprechen als die Unterworfenen.
Über etwaige Mehrsprachigkeit wissen wir auch nichts. Da kann man viel spekulieren.
Und Sprachwechsel heißt nicht unbedingt, dass keiner mehr die "alte" Sprache spricht, sondern dass alle in der "neuen" kommunizieren können.
Und es auch tun. Das kann schnell gehen.
 
Von dort kam aber auch Ariovist mit seinen Leuten.

Das war aber erst später, als schon das sprichwörtliche Gras und auch Birken über den Gutshöfen und Oppida der Kelten gewachsen war.

Bitte schau doch mal in die von @Sepiola verlinkte Arbeit:

Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt soll "Archäologie – das heißt die kritische Neubearbeitung von Fundplätzen und Funden des
1. Jahrhunderts v. Chr. – mit der Auswertung von Pollenprofilen zur Geschichte der Landnutzung" zusammenbringen. Ob dadurch Licht ins Dunkel kommt?



Alle Funde und Befunde sprechen dafür, dass sich das Ende der rechtsrheinischen Oppidakultur nicht als langsamer Niedergang vollzog, sondern rasch und radikal erfolgte. Der Zusammenbruch begann in Südwestdeutschland um 100 v. Chr. und führte dazu, dass in kürzester Zeit das Leben auf dem Lande wie in der Stadt erlosch: Repräsentative Gutshöfe wurden eingeäschert, blühende Dörfer verlassen, großzügig geplante Städte nicht weiter ausgebaut (Kirchzarten und Heidengraben, Baden-Württemberg). Bisher ist es allerdings ein Rätsel, warum und wohin die keltischen „Helvetier“ verschwunden sind, die laut Tacitus ursprünglich zwischen Rhein, Main und oberer Donau gelebt haben sollen. Hatte es eine Revolution gegeben? Brach eine Pandemie aus? Kam es zu Umweltkatastrophen? Sind die Kelten vor den aus dem Norden kommenden Kimbern geflohen, die zwischen 113 und 110 v. Chr. durch Süddeutschland gezogen sein sollen? Oder haben sie sich freiwillig deren Raubzügen angeschlossen und sind auf den germanischen Schlachtfeldern in Südfrankreich und Oberitalien gefallen? Wo auch immer sie geblieben sind, alles spricht dafür, dass sie die „Helvetiereinöde“ zurückließen, die schon in der Antike sprichwörtlich wurde.


Daraus geht hervor, dass die Gegend von den Kelten um ca. 100 v. Chr. aufgegeben wurde. Da war eine Zeitlang "Raum ohne Volk", keine Kelten, aber auch noch keine Germanen und auch noch keine Römer.


Wir wissen eigentlich gar nichts über die Sprache der Bevölkerung rechts des Rheins.
Wir können auch nicht unbedingt von homogenen Gruppen ausgehen, wie man das lange gerne sehen wollte.
Eine Führungsschicht kann eine andere Sprache sprechen als die Unterworfenen.
Über etwaige Mehrsprachigkeit wissen wir auch nichts. Da kann man viel spekulieren.
Und Sprachwechsel heißt nicht unbedingt, dass keiner mehr die "alte" Sprache spricht, sondern dass alle in der "neuen" kommunizieren können.
Und es auch tun. Das kann schnell gehen.

So ein wenig kann man schon aus den von den Römern überlieferten Namen von Personen und Orten ableiten. Wie lange die Kelten noch Kelten (sprachlich) waren und wann sie zu Germanen (sprachlich) wurden, ist aber wohl kaum zu klären.
 
Ladenburg liegt in der Agri Decumates.

Was sagt Tacitus dazu?

wiki schrieb:
Tacitus schrieb in seinem frühestens im Jahr 98 entstandenen Werk:
„Nicht unter die Völker Germaniens möchte ich die Leute rechnen, die die agri decumates bearbeiten, obwohl sie sich jenseits von Rhein und Donau niedergelassen haben. Die abenteuerlustigsten Gallier, die die Not kühn gemacht hat, haben den Boden, dessen Besitz umstritten war, besetzt; seitdem dann der Limes angelegt und die Grenzwachen weiter nach vorn verlegt worden sind, bilden sie einen Vorposten unseres Imperiums und einen Teil der Provinz.

wiki schrieb:
Das Gebiet am Unterlauf und im Schwemmkegel des Neckar wies schon vor dem Vordringen der Römer an den Rhein eine weitgehende Besiedlung auf. Namensgebend für die römische Gründung ist das keltische Toponym Lokudunum (zu deutsch „Seeburg“). Das lateinische Lopo- stellt eine lautliche Assimilierung, beziehungsweise eine Vermischung aus lateinisch lupus (Wolf) mit dem thematischen keltischen loku dar.
Ob das Lopodunum nun ein alter Name der ausgewanderten Kelten oder einer der neu eingewanderten Galliern ist, dürfte schwer festzustellen sein.
 
Dort, wo Ortsnamen keltischen Ursprungs sind, dürfte eine Bevölkerungskontinuität oder Bevölkerungskontakt bestanden haben.

In Baden-Württemberg: Breisach, Grenzach-Wyhlen, Kandern, Küßnach, Ladenburg, Oberkochen, Zarten.


Davon sind allerdings nicht alle keltischen Ursprungs.

Zu Grenzach lese ich: "Erklärung des Ortsname unsicher: von lateinisch Carantiacum, von germanischem Personenname Granzo etc."

Das ist einer der unzähligen Namen, die zwar mit dem gallischen Namensbestandteil -(i)acum gebildet wurden, aber in vielen Fällen erst in römischer Zeit. Das zeigen die mit lateinischen Personnennamen gebildeten Beispiele, etwa Jülich (Iuliacum, von Iulius) oder Wittlich (Vitellicacum, von Vitellius). Und möglicherweise haben wir hier tatsächlich ein Beispiel, das aus einem germanischen Personennamen gebildet wurde.

Kandern und Oberkochen sind keine antiken Siedlungsnamen, die Namen sind jeweils von den Flussnamen Kander und Kocher abgeleitet. Küßnach scheint auf einen Gewässernamen zurückzugehen, der Namensbestandteil -ach wäre dann germanisch zu deuten. Der erste Namenbestandteil könnte gleichwohl vorgermanisch sein. Denkbar wäre auch, dass es sich hier um einen -(i)acum-Namen handelt.

Der Name (Bad) Wimpfen (nicht auf der Wiki-Liste) könnte auf den gallischen Personennamen Vimpus zurückgehen.

Ob die zweifellos keltischen Siedlungsnamen tatsächlich vorrömisch sind, ist nicht gesagt:

Ob das Lopodunum nun ein alter Name der ausgewanderten Kelten oder einer der neu eingewanderten Galliern ist, dürfte schwer festzustellen sein.
 
Ladenburg liegt in der Agri Decumates.

Was sagt Tacitus dazu?




Ob das Lopodunum nun ein alter Name der ausgewanderten Kelten oder einer der neu eingewanderten Galliern ist, dürfte schwer festzustellen sein.

Es gibt ja nun einmal die archäologisch, archäobotanisch und historiographisch bestätigte Helvetier-Einöde. Ob nun Ladenburg nun in dieser Einöde liegt, ist mir nicht bekannt. Da müßte man in der Literatur suchen, wo genau diese Einöde gelegen hat und ob Ladenburg ein Teil dieser war. Da weiß ich nicht, wie der aktuelle Forschungsstand ist.

Die andere Frage ist, auf welchen Zeitraum sich Tacitus bezieht. Seine Germania ist Ende des 1. Jh. n. Chr. entstanden, das Dekumatland war seit den frühen 70er Jahren unter römischer Kontrolle, also knapp 30 Jahre vor Abfassung. Wann die Kelten sich dort niedergelassen, läßt sich aus dem Text nicht ableiten. Auf jeden Fall sind wir 200 Jahre nach Beginn der Einöde, da kann sich in der Zwischenzeit einiges getan haben, sprich aus dem Inneren Galliens sind Gallier (mehr oder weniger romanisiert) dort eingewandert.

Dort, wo Ortsnamen keltischen Ursprungs sind, dürfte eine Bevölkerungskontinuität oder Bevölkerungskontakt bestanden haben.

In Baden-Württemberg: Breisach, Grenzach-Wyhlen, Kandern, Küßnach, Ladenburg, Oberkochen, Zarten.

Keltische Ortsnamen müssen nicht unbedingt auf eine keltische Urbevölkerung hindeuten. Viele der römischen Kolonisten dürften aus dem Inneren Galliens gekommen sein und ihre Ortsnamen mitgebracht haben.

Im Norden der germanischen Provinz haben wir auch einige keltische Ortsnamen, obwohl es nie keltisches Gebiet war:
Nach Honnnen sind die keltischen Ortsnamen im Rheinland (als geographischer Begriff - gemeint ist der Norden der germanischen Provinzen) auf Übertragungen in der Römerzeit wohl durch gallorömische Legionäre zurückzuführen, nicht aber durch ein vorher existierendes keltisches Siedlungsgebiet.

Gleichermaßen gibt es in den ehemaligen spanischen Kolonien einige Orte namens Cartagena, die nach dem spanischen Cartagena benannt sind, das als Kolonie von Karthago den Namen seiner Mutterstadt trug. Trotzdem gibt es keine Bevölkerungskontinuität der Punier in Kolumbien, Philippinen, Mexiko etc.: Cartagena - Wikipedia, la enciclopedia libre

Andererseits ist die kolumbianische Popsängerin Shakira durch ihren Vater libanesischer Abstammung - also ein wenig punisches Blut mag da also auch vorhanden sein ;) .
 
Heine schrieb:

Dort, wo Ortsnamen keltischen Ursprungs sind, dürfte eine Bevölkerungskontinuität oder Bevölkerungskontakt bestanden haben.
In Baden-Württemberg: Breisach, Grenzach-Wyhlen, Kandern, Küßnach, Ladenburg, Oberkochen, Zarten.

Keltische Ortsnamen müssen nicht unbedingt auf eine keltische Urbevölkerung hindeuten. Viele der römischen Kolonisten dürften aus dem Inneren Galliens gekommen sein und ihre Ortsnamen mitgebracht haben.
Allerdings liegt ein Teil dieser Orte in jenem Gebiet, welches zur Zeit der "Helvetischen Einöde" resp. zum Zeitpunkt, als Cäsar an den Rhein kam, von keltischen Raurikern / Rauchrachern besiedelt gewesen sein soll. Die Römerstadt "Augusta raurica" bei Basel heisst nicht umsonst so.
Die Rauracher sollen in Basel, im Elsass und in Südbaden gesiedelt haben somit wäre zum Mindesten wohl der südwestliche Zipfel von Baden-Württemberg auch nach dem Abzug der Helvetier "keltisch" geblieben. Wie stark gesichert das Ganze ist, weiss ich allerdings nicht.
In diesem Zusammenhange vielleicht noch erwähnenswert: Es gibt eine "Heimatforscher-These" wonach im raurachischen Siedlungsgebiet zwischen Schwarzwald, Vogesen und Jura ein "geopraphischer keltischer Sonnenkalender" existiert habe.
Wie jetzt das zur "Helvetischen Einöde" passt, ist mir nicht klar - gab es keltisch gebliebene Randgebiete ?
 
Die Römerstadt "Augusta raurica" bei Basel heisst nicht umsonst so.
Die Rauracher sollen in Basel, im Elsass und in Südbaden gesiedelt haben somit wäre zum Mindesten wohl der südwestliche Zipfel von Baden-Württemberg auch nach dem Abzug der Helvetier "keltisch" geblieben.

Ich weiß nicht, wie genau das Gebiet dieser Einöde geographisch abgegrenzt wird. Die antiken Autoren sind dazu zu ungenau. Hier wird man auf Erkenntnisse der Archäologie und Archäobotanik zurückgreifen müssen.

Die Augusta Raurica ist ohne unmittelbare vorhergehende Siedlung entstanden:

Funde aus der spätkeltischen Zeit (Latène D1) zeigen, dass bis etwa 70 v. Chr. eine kleine keltische Siedlung bestand, aus den Jahrzehnten vor der Gründung der Colonia fehlen jedoch Hinweise auf eine Besiedlung.[4]

aus: Augusta Raurica – Wikipedia

Aber auch ohne Vorgängersiedlung kann natürlich die Gegend schon vorher bewohnt gewesen sein.

Aus dem obigen Link von @Armer Konrad zu den Raurikern (https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008022/2010-08-20/):

Sie nahmen am Auszug des Jahres 58 v.Chr. teil und wurden nach der Niederlage in der Schlacht bei Bibracte wie die Helvetier von Caesar als foederati (Verbündete) in ihr angestammtes (?) Siedlungsgebiet zurückgeschickt.​

Danach ist es unklar, ob die Rauriker in dieser Region schon vorher ansässig waren, oder ob sie dort erst von Caesar angesiedelt wurden.
 
Danach ist es unklar, ob die Rauriker in dieser Region schon vorher ansässig waren, oder ob sie dort erst von Caesar angesiedelt wurden.

Zum Mindesten in Basel schon:
"In Basel werden die unbefestigte, ca. 15 ha grosse Siedlung "Gasfabrik" (ca. 150-80 v.Chr.) und das mit einem murus Gallicus befestigte, ca. 5 ha grosse oppidum auf dem Münsterhügel den R.n zugerechnet. Die Besiedlung setzte in Letzterem schon vor der Mitte des 1. Jh. v.Chr. ein und dauerte in der röm. Epoche fort.
 
Zum Mindesten in Basel schon:
"In Basel werden die unbefestigte, ca. 15 ha grosse Siedlung "Gasfabrik" (ca. 150-80 v.Chr.) und das mit einem murus Gallicus befestigte, ca. 5 ha grosse oppidum auf dem Münsterhügel den R.n zugerechnet. Die Besiedlung setzte in Letzterem schon vor der Mitte des 1. Jh. v.Chr. ein und dauerte in der röm. Epoche fort.

Ich habe gerade einen Blick auf die Karte geworfen: sowohl Basel als auch Augusta Raurica liegen linksrheinisch, die Einöde war aber auf der anderen Rheinseite laut den antiken Schriftstellern s. Helvetier-Einöde – Wikipedia . (Bin zwar selber Rheinländer, aber da "unten" kenne ich mich nicht so aus) Ich gehe davon aus, dass der Rheinverlauf sich seit der Antike dort nicht geändert hat (es gibt aber einige Beispiele, in denen durch Hochwasser Orte die Rheinseite "gewechselt" haben).
 
Wenn wir mal einige der häufigeren Beschreibungen heranziehen:

Die Germanen
  • hatten überwiegend Subsistenzwirtschaft,
  • Viehzucht und Milchwirtschaft, dies aber wenig spezialisiert
  • Metallverarbeitung überwiegend für den Eigenbedarf, kein Export von Fertigprodukten
  • Ein hoher Bevölkerungsüberschuss, Wirtschaftskrisen und viele junge Männer ohne eigene Existenzgrundlage
  • verdingten sich später als Söldner und in Auxiliardiensten
Die Kelten resp. die Gallier:
  • Handel, v.a. Fernhandel mit gut organisiertem Warenumschlag
  • Gut ausgebaute Fernhandelswege
  • Hochspezialisiertes Handwerk
  • Buntmetallverarbeitung mit Serienproduktion (Fibeln, Broschen, Pferdegeschirr, Zaumzeug, Küchenbedarf)
  • Metallproduktion mit der Herstellung von hochwertigem standardisiertem, transport- und handelsfähigem Halbzeug (Spitzbarren)
  • Transportgewerbe
  • Leistungsfähige Flusschiffahrt
  • Gut organisierte Produktionsketten
  • Weberei und gefärbte Tücher, hochbegehrt auf fremden Märkten
  • Pferdezucht, Wagenbau, und dies wiederum auch für fremde Märkte
  • Hochspezialisierte Landwirtschaft mit modernen Geräten (Pflüge, Erntemaschinen)
  • Export landwirtschaftlicher Produkte
  • Städtische und zentralisierte Produktion in Oppida
Anders ausgedrückt: Diese sehr arbeitsteilige Gesellschaft war von gut funktionierenden Binnen- und Absatzmärkten abhängig.

Hinter Phänomenen wie der sog. "Helvetiereinöde" können tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen gestanden haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hinter Phänomenen wie der sog. "Helvetiereinöde" können tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen gestanden haben.

Zumindest wird das Ende des Oppidum Manching mit den indirekten Folgen des gallischen Krieges in Verbindung gebracht:

Das Ende von Manching ist jedoch durch den Zusammenbruch der Wirtschaftssysteme ausgelöst worden, der mit den caesarischen Eroberungen in Gallien einherging.​


Wie genau das Ende des Oppidum Manching datiert werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis (das kann ein schleichender Prozeß gewesen sein oder innerhalb von kurzer Zeit). Also die Frage, wann hat der letzte Kelte die Stadttore hinter sich zugemacht. Aber Manching ist nicht in der Helvetier-Einöde.

Allerding ist die Helvetiereinöde ist doch +/- 100 v. Chr. entstanden, also vor dem Gallischen Krieg, der dafür nicht ursächlich gewesen sein kann. Ich bin mir beim Zeitpunkt bzw. -raum der Aufgabe der Oppida unsicher. Ich habe in einem der verlinkten Texte irgendwas mit 100 oder 80 v. Chr. im Kopf, finde aber auf die Schnelle die Stelle nicht, sofern ich mich nicht vollkommen irre.


Gerade sehe ich, dass ich da Blödsinn geschrieben habe: Die Herleitungen aus Carantiacum und Granzo schließen sich gegenseitig aus.

Nicht Du hast Blödsinn geschrieben, sondern die zitierte Seite Leo-BW. Du hast nur den Fehler vorsichtig bestätigt:

Und möglicherweise haben wir hier tatsächlich ein Beispiel, das aus einem germanischen Personennamen gebildet wurde.
 
Nicht Du hast Blödsinn geschrieben, sondern die zitierte Seite Leo-BW.
Nein, das steht schon richtig da, ist nur missverständlich fomuliert. Die Deutung ist unklar, es gibt mehrere Möglichkeiten. (Und die schließen sich aus lautlichen Gründen gegenseitig aus, das hätte mir eigentlich gleich auffallen müssen.) Ich halte Carantiacum für die wahrscheinlichere Möglichkeit; der Personenname Carantus ist in der Region öfter bezeugt.
 
Nein, das steht schon richtig da, ist nur missverständlich fomuliert. Die Deutung ist unklar, es gibt mehrere Möglichkeiten. (Und die schließen sich aus lautlichen Gründen gegenseitig aus, das hätte mir eigentlich gleich auffallen müssen.) Ich halte Carantiacum für die wahrscheinlichere Möglichkeit; der Personenname Carantus ist in der Region öfter bezeugt.

Da steht (Grenzach - Altgemeinde~Teilort - Detailseite - LEO-BW ):

Geschichte: 1275 Crenzach. Erklärung des Ortsname unsicher: von lateinisch Carantiacum, von germanischem Personenname Granzo etc.​

Soll der Ortsname möglicherweise vom lateinischen Namen Carantus abgeleitet sein, der wiederum von einem germanischen Granzo kommen mag? Wurde ein germanischer Name latinisiert?

Wiki schreibt:

Die römische Niederlassung hieß Carantiacum (Gut des Carantius). Aus diesem keltischen Namen ging der heutige Teilortname Grenzach hervor. Im Jahr 1982 fanden sich Reste einer römischen Villa und im Jahr darauf fanden sich erste Mauerreste eines Nebengebäudes. Diese wurden über zwei Jahre archäologisch untersucht. 1991 wurden weitere Mauern gefunden, die restauriert wurden und noch in den Becken sichtbar sind.


Allerdings schreibt Wiki nicht, woher man weiß, dass die römische Niederlassung Carantiacum hieß. Hat man da vielleicht einen römischen Ortsnamen aus dem ersten überlieferten Ortsnamen rekonstruiert? Gab es in der Gegend überhaupt eine Bevölkerungskontinuität? Oder sind die Römer aus dem zwar am liegenden Ort (oder eher Örtchen), aber auf der rechten Seite, abgezogen und die Germanen irgendwann später "eingezogen" und haben den Ortsnamen einer wohl in Ruinen liegenden Siedlung oder vielleicht nur Gutshof übernommen? Und wie kommt man auf Granzo?
 
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