Die Forschung geht unbestritten davon aus, dass sich die bulgarische Nation im 7.–10. Jh. aus der Verschmelzung dreier ethnischer Elemente bildete, nämlich der Thraker, Slawen und Protobulgaren. Die indogermanischen Thraker waren im 2. Jahrtausend v. Chr. eingewandert und es kam 450 v. Chr. sogar zur Bildung eines eigenen Reichs der Thraker, die nach Herodot zu den "zweitgrößten Völkern" der damaligen Zeit zählten. Auch wenn man diese Angabe nicht wörtlich nehmen kann, so waren die antiken Thraker gewiss ein großes Volk.
Nach makedonischer und keltischer Herrschaft gerieten die Thraker unter römische Herrschaft, während der sie ihre Identität ungeschmälert bewahren konnten, und als eigene sprachliche, ethnische und kulturelle Einheit angesehen wurden. Die Thraker, die stets als gute Soldaten galten, wurden noch von Kaiser Justinian (527–565) zu Tausenden für seine großen Feldzüge rekrutiert. Erst ab dem 6./7. jh. begann die thrakische Identität infolge der beginnenden Slawisierung der Balkanhalbinsel rasch zu schwinden.
Nach all diesen Vorgängen muss man annehmen, dass der Anteil der Thraker an der Ethnogenese beträchtlich gewesen sein muss, auch wenn sich schließlich die slawische Sprache durchsetzte. Den Anteil der Protobulgaren würde ich hingegen geringer einschätzen; sie bildeten vermutlich nur eine dünne Oberschicht, die im 8./9. Jh. ebenfalls im Schmelztiegel des neuen Volks verschwand. Immerhin liehen sie der neuen Nation ihren Namen!
Germanische Reiche der Völkerwanderung hat es im Raum des heutigen Bulgarien nicht gegeben. Das Reich der Gepiden entstand in Ungarn und Rumänien, während die Westgoten den Balkan lediglich plündernd durchzogen und dann nach Westen Richtung Italien/Südfrankreich abwanderten. Die Ostgoten verlagerten nach dem Hunneneinfall ihre Sitze nach Pannonien (Westungarn), von wo aus sie dann Italien unterwarfen.