Herz Jesu Feuernacht: Südtirol 1961

ursi

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Südtirols Bomben - Österreichs Verantwortung:
Im Juni 1961 wird Südtirol durch eine Serie von Bombenanschlägen erschüttert. Der Befreiungsausschuss Südtirol, kurz BAS, will die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Probleme der deutschsprachigen Minderheit in Italien lenken. Nur vier Wochen später rollt eine Verhaftungswelle durch das Land. In den Carabinieri-Kasernen werden BAS-Aktivisten grausam gefoltert. Der Konflikt eskaliert, italienische Sicherheitskräfte sterben bei Anschlägen. Es gibt Opfer auf beiden Seiten. Der Kampf um Südtirol wird mehr als zwanzig Menschenleben fordern.
Das Buch präsentiert den aktuellen Wissensstand zum Thema und basiert auf Archivmaterial sowie zahlreichen ausführlichen Interviews mit den damaligen Akteuren. Es zeichnet das Bild des brisantesten außenpolitischen Manövers der Zweiten Republik und stellt nicht zuletzt auch die Frage: Welche Verantwortung trägt Österreich für Südtirols Bomben?

Birgit Mosser-Schuöcker und Gerhard Jelinek • Herz Jesu Feuernacht: Südtirol 1961. Die Anschläge - die Folterungen - die Prozesse - die Rolle Österreichs • Tyrolia Verlag • 2011 • 240 Seiten

Buchempfehlung von Barbarossa

Rezension von Barbarossa:

Das Buch "Herz Jesu Feuernacht" behandelt ein tatsächliches Ereignis im italienischen Südtirol, bei dem in der Nacht vom 11. zum 12. Juni 1961 eine lange geplante und vorbereitete Serie von Sprengstoffanschlägen auf gründlich dafür ausgesuchte Ziele verübt wurde. Verantwortlich dafür war der "Befreiungsausschuß für Südtirol" ("BAS"), der sich gegen die restriktive Politik Italiens gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols gegründet hatte.
Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte Tirols, erzählt das Buch sehr eindrucksvoll und anhand von zahlreichen dokumentierten Zitaten in z. T. romanähnlicher Form, wie sich die einheimische Bevölkerung Südtirols auch nach der Diktatur Mussolinis ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenheiten und Traditionen beraubt sah und wie sich auch Österreicher für ihre Südtiroler Landsleute einsetzten. Nach zunächst friedlichem Widerstand der Südtiroler gegen die Politik des italienischen Staates, radikalisierte sich eine kleine Gruppe von Südtirolern und griff zum Mittel der Gewalt, zunächst jedoch, ohne Menschen dabei verletzen zu wollen. Unterstützt wurden sie dabei neben den deutschsprachigen Südtirolern auch von Tirolern Österreichs, einem Wiener Verleger als einer der Geldgeber und selbst bis in höchste Regierungskreise der Republik Österreich fanden sie Unterstützer. Auch bei der UNO wurde Südtirol mehrmals thematisiert.

Auf die Feuernacht folgten nach den Berichten und Briefen - z. B. an die Regierung Österreichs - Verhaftungen und Folterungen vieler "BAS"-Mitglieder und Erschießungen von Südtirolern durch italienische Carabinieri. Südtirol verwandelte sich in eine Besatzungszone Italiens, in der die Südtiroler schwersten Repressalien ausgesetzt waren - die noch freien "BAS"-Mitglieder radikalisierten sich weiter und griffen nun auch Menschen an: Eine Spirale der Gewalt.
Die Folterungen an den "BAS"-Mitgliedern stritt Italien trotz der sichtbaren physischen Verletzungen hingegen immer ab - bis heute. Die darauf folgenden Gerichtsverhandlungen gegen die "BAS"-Leute verliefen dagegen fair - die mutmaßlichen Folterer, die ebenfalls vor Gericht standen, wurden dagegen freigesprochen.
Aber Schritt für Schritt wurde die Autonomie Südtirols verwirklicht.

Für dieses Buch wurde eine Vielzahl von Interviews mit ehemals Beteiligten geführt und die Ansichten von beiden Seiten neutral beleuchtet. Dabei wird klar, daß viele Todesfälle von damals bis heute nicht geklärt sind und die Ereignisse dieser Jahre zum großen Teil noch nicht aufgearbeitet sind. Insbesondere die italienischen Behörden scheinen kein großes Interesse an einer Aufarbeitung zu haben. Das Mißtrauen gegen jeden, der sich für diesen Teil italienischer Geschichte interessiert, scheint noch heute groß zu sein.
Die Frage, ob die Anwendung von Gewalt für das Erreichen der Autonomie tatsächlich notwendig war, wird unterschiedlich beantwortet. Die Mehrheit der damals Beteiligten ist jedoch noch heute der Ansicht, daß die Verhandlungen dadurch beschleunigt wurden bzw. dadurch überhaupt erst in Gang gekommen sind.
Nicht im Buch wird erwähnt, daß der "BAS"-Mitbegründer Norbert Burger im Jahre 1967 Mitbegründer der rechtsradikalen österreichischen NDP war. "Pangermanische" oder neonazistische Tendenzen des "BAS" wird von allen Beteiligten bestritten. Stets wird betont, man habe aus Patriotismus und für die Selbstbestimmung der Südtiroler gehandelt.

Das vorliegende Buch "Herz Jesu Feuernacht" habe ich mit großem Interesse gelesen und kann es jedem empfehlen, der etwas über Südtiroler Zeitgeschichte erfahren möchte.
 

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Danke Ursi. Hast du gut gemacht. :friends:

Ich muß sagen, mich hat das Buch direkt gefesselt. Und es behandelt eine Geschichte, über die wir hier in Deutschland gar nicht so viel wissen bzw. mitbekommen haben. Na ja - es war auch das Jahr des Mauerbaus... :hmpf:

Hier noch einige Zeitungsartikel zum Thema:

Bomben im Kofferraum
Meine private Feuernacht
Der Tag der falschen Helden
Das Thema wird auch heute noch kontrvers diskutiert (siehe Kommentare).

LG Barbarossa
 
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