Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

Ich erinnere einen sobez. "Wolfsgalgen" in Heidmühle/Schortens. Es wurden sicher nur Wölfe dort aufgehängt.

Ist ein komischer Ort, sicher nicht mehr der historische Ort.

War ehemals eine Art "Denkmal" an der Straße dort, wurde wohl inzwischen abgebaut, Es finden sich immer noch Fotos Online, wenn man Heidmühle und Wolfsgalgen googelt.

Makaber, ich stelle mir nur ungerne vor, wer, oder was dort vor Jahrhunderten "aufgehängt" wurde, diese Menschen sind vergessen, aber es waren Menschen wie du und ich, sie wurden dort langsam und qualvoll zum Tod stranguliert.

Link: Der Wolfsgalgen


Es gab solche "Richtstätten" überall, in jedem Dorf, in jeder Stadt, genau so, wie Orte für die Verbrennung von "Hexen".
Das alles passierte hier, nicht woanders, nicht auf einem anderen Planeten. Wir alle haben diese Menschen verbrannt, dem Feuer übergeben, sie bei lebendigen Leibe verbrannt.

Es waren eine Art Volksfeste, man besoff sich mit Schnaps und Bier. endlich mal wieder eine Hexe brennen sehen, die Menschen liebten das.
Verstehen wir heute nicht mehr, diese Gewalt, diesen Abgrund. Die Menschen hatten ihre Freude daran, sie wollten andere Menschen leiden, sterben sehen.
Was soll man sagen, es wäre heute nicht anders, es hat sich nichts verändert, gar nichts. Der einzige Unterschied, hunderte oder Tausende würde all das mit ihren Smartphones filmen, fotografieren, und über das Internet verbreiten.

Freiheitsstrafen sind ein kulturgeschichtlich junges Phänomen.
Die mittelalterliche Strafjustiz war grausam auch die der frühen Neuzeit. Autoren der Aufklärung nannten sie barbarisch-durchaus zu Recht.

Die Folter als Instrument der Wahrheitsfindung erscheint schrecklich, im 17. und 18. Jahrhundert diskutierten darüber die angesehensten Juristen. Christian Thomasius, Friedrich von Spee waren entschiedene Gegner, aber Größen wie Jean Bodin und Benedikt Carpzow plädierten dafür.

Es gab keine Gefängnisse, die die es gab, waren reine U-Haft-Bunker. Es gab nicht den Anspruch, den Delinquenten zu bessern, ihn zu resozialisieren. Irgendwann Anfang des 19. Jahrhunderts fing man an Gefangene nicht mehr zu martern, Hinrichtungen waren nicht mehr öffentlich, statt sich auf den Körper zu konzentrieren, ging es an die Psyche, ging es an die Sozialdisziplinierung und die Geburt des Gefängnisses.

Der Klassiker ist wirklich lohnend. Michel Foucault, Überwachen und Strafen- Die Geburt des Gefängnisses.

Diesen Anspruch gab es nicht, das war der Justiz fremd. Es ging darum, den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen. Die Strafe spiegelte die Tat. Brandstifter wurden verbrannt, als Exekutionsformen gab es so einiges, meist aber Galgen für Räuber und Diebe und das gemeine Volk, das Rad. Enthauptung für Personen von Stand.

Einige Hinrichtungen waren sehr grausam und konnten lange dauern wie rädern. Eine Exekution war Handarbeit. Bei vielen Exekutionen zeigte die Obrigkeit durchaus "Milde". Statt dem Rad wurde der Delinquent mit dem Schwert hingerichtet. In Nürnberg wurden bis 15xx Kindsmörderinnen ertränkt. Der Scharfrichter Franz Schmidt setzte die Hinrichtung mit dem Schwert durch.

Die Strafen und Exekutionen waren grausam, und sie mussten grausam sein, sonst hätten sie ihren Sinn verloren. Die mittelalterliche Justiz sie brauchte das "Theater des Schreckens" (Richard van Dülmen) das "Fest der Martern"

Exekutionen waren sozusagen Handarbeit, und dafür brauchte es den Scharfrichter, den "Meister Hans", Meister Fix". Es gab Formen bei denen Delinquenten nicht schnell starben und sterben sollten.
Bei vielen Hinrichtungsarten musste aber der Delinquent ein bisschen mitspielen. Der Delinquent wurde daher in der Vorbereitung auf den Tod gut behandelt, er erhielt eine aufwändige Mahlzeit. Oft machte man auch ein Zugeständnis, indem eine "humanere" Art durchgezogen wurde. Also Schwert statt Galgen. Mancher Delinquent erfuhr in den Tagen vor seiner Exekution mehr Aufmerksamkeit als im ganzen Leben.

Besonders bei Enthauptungen musste der Delinquent mitspielen. Ein Delinquent der tobte, der nicht stillhielt machte die Sache umso schwerer für den Henker.

Wir haben alle diese Menschen verbrannt, dem Feuer übergeben.....
Nein, haben wir nicht! Wir sind nicht in Kollektivschuld zu nehmen für Justizmorde der Vergangenheit- Opfer von Hexenprozessen kann man wohl als Justizopfer bezeichnen. In gewisser Weise kann man auch die zahlreichen Kindsmörderinnen, die schwanger wurden und aus Angst vor sozialer Stigmatisierung, Arbeitsplatzverlust etc. sich dazu entschlossen, ihr Baby zu töten als Opfer ihrer Zeit, Opfer einer gnadenlosen Sittengesetzgebung ansehen.

Ich sehe aber keinen Grund, verächtlich auf die Justiz früherer Zeiten zurückzublicken.

In 100-150 Jahren, da bin ich sicher, wird der Menschheit vieles am aktuellen Justizsystem mindestens so barbarisch und grausam vorkommen, wie unsereinem die Strafjustiz der frühen Neuzeit oder s Mittelalters. Jedes Justizsystem ist Ausdruck der jeweiligen Rechtsauffassung, und jede Zeit hat ihre Anachronismen, ihre Grausamkeit.

Als Axiom ausgedrückt: Wenn keine Möglichkeit besteht, Kriminelle einzusperren und in Ketten zu legen, bleibt wohl keine andere Möglichkeit, als sie exekutieren, und Hinrichtungen waren kostspielig, da kamen schnell mal 200 Fl zusammen, und diesen Aufwand pflegte man in der Regel auch nicht, weil jemand Gänseblümchen gepflückt hatte.
 
In 100-150 Jahren, da bin ich sicher, wird der Menschheit vieles am aktuellen Justizsystem mindestens so barbarisch und grausam vorkommen, wie unsereinem die Strafjustiz der frühen Neuzeit oder s Mittelalters. Jedes Justizsystem ist Ausdruck der jeweiligen Rechtsauffassung, und jede Zeit hat ihre Anachronismen, ihre Grausamkeit.

Optimist (bzw fortschrittsgläubiges Kind deiner Zeit), du... ;)

Vielleicht denken die Menschen in 100-150 Jahren auch voll Sehnsucht an eine Zeit mit weniger grausamen Strafen zurück... oder sind entsetzt über die heutige Milde, je nachdem...

Wenn keine Möglichkeit besteht, Kriminelle einzusperren und in Ketten zu legen, bleibt wohl keine andere Möglichkeit, als sie exekutieren

Oh, da gab es viele andere Möglichkeiten, von Geldstrafen über "ehrabschneidende Strafen" wie den Pranger, und körperlichen Strafen wie Züchtigung, Verstümmelung, Brandmarkung bis zur Zwansarbeit oder Versklavung.
 
Optimist (bzw fortschrittsgläubiges Kind deiner Zeit), du... ;)

Vielleicht denken die Menschen in 100-150 Jahren auch voll Sehnsucht an eine Zeit mit weniger grausamen Strafen zurück... oder sind entsetzt über die heutige Milde, je nachdem...



Oh, da gab es viele andere Möglichkeiten, von Geldstrafen über "ehrabschneidende Strafen" wie den Pranger, und körperlichen Strafen wie Züchtigung, Verstümmelung, Brandmarkung bis zur Zwansarbeit oder Versklavung.

Ich bin eigentlich keineswegs sehr optimistisch fürchte auch dass wir barbarischen Zeiten entgegengehen.

Es blicken ja Menschen allgemein oft nostalgisch auf alte Zeiten zurück. Meist hat die "gute alte Zeit", nach der man sich sehnt nie so existiert.
Ich glaube auch, dass sowohl beides in 100-150 Jahren erinnert werden wird: Grausamkeit und Milde. Jede Zeit hat ihre spezifischen Grausamkeiten. Auch die mittelalterliche Justiz kannte ja Milde: der Mörder machte eine Pilgerfahrt. Viele Strafen wurden nie vollstreckt.
Im Mittelalter wäre man wohl entsetzt gewesen, wenn man Delinquenten zehn, 15 Jahre in der Todeszelle schmoren lässt.

Aber wie sagte Josef Schwejk: Jesus Christus war auch unschuldig gewesen.. und was ham s gemacht mit ihm. Da ist das hier ja a Hetz gegen. Mitgefangener: Bei Lichte besehen sind wir ja im Gefängnis!" Schwejk: Früher da haben die Angeklagten über glühende Kohlen laufen müssen und geschmolzenes Blei trinken. Da ist das doch a Hetz dagegen. Tisch ham mer, Bett ham mer, Abort ham mer-- Sie müssen zugeben, die Verhältnisse haben sich gebessert zu unseren Gunsten."

In vielem ist die Gesellschaft unsolidarischer geworden, Diskurse schärfer, und bei manchen Aufreger-Themen könnte man den Eindruck gewinnen, die Menschheit habe den Verstand verloren.

Aber trotzdem, wenn ich überlege, wie sich gesellschaftliche Normen und Werte im Verlauf der letzten 30-40 Jahren verändert haben- da hat sich durchaus einiges gebessert, da ist einiges etwas toleranter geworden.

Bei Manchem, war ich zwar sicher, dass es auf Dauer nicht vermeidbar ist, habe aber ehrlich gesagt nicht gedacht, dass ich es noch erleben werde. 1983 da musste ein General Kiesling gehen, weil er schwul sein sollte. Er war es nachweislich nicht, er wurde ohne Großen Zapfenstreich in den Ruhestand versetzt. Bei Wowereit war es dann gut so, Westerwelle oder Weidel konnten inzwischen heiraten, selbst in der Union gibt es mittlerweile coming outs.

Bei Cannabis war es schon längst so, dass eine Reihe von Leuten es schon toleriert hatten. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass eine deutsche Regierung das je anpackt. Es war eine Marginalie, über die man sich trefflich aufregen konnte, und es stand ja die Existenz des Abendlandes auf dem Spiel, wenn man bei so etwas nachgibt.

Dass sich manche da so drüber aufregen- kann ich nicht nachvollziehen. Bisher jedenfalls hat sich nicht viel geändert, und ich habe auch nicht das Gefühl, dass mehr gekifft wird.
 
Mit Sicherheit habe auch ich Angewohnheiten, die andere Foristen nerven, aber meine Güte …

Wo dieser Forist auftritt, ersäuft jede Diskussion. Tod durch Pathos.
Ich sehe aber keinen Grund, verächtlich auf die Justiz früherer Zeiten zurückzublicken.
Sehr richtig. Genauso wie übrigens auch die Fehde, war die wohlkalkulierte Grausamkeit in der Bestrafung ein nötiges Element zur Wahrung des Rechtsfriedens und zur Schaffung von Sicherheit in einer Gesellschaft ohne starke staatliche Ordnungsorgane und ohne staatliches Gewaltmonopol.
Die Strafen und Exekutionen waren grausam, und sie mussten grausam sein, sonst hätten sie ihren Sinn verloren. Die mittelalterliche Justiz sie brauchte das "Theater des Schreckens" (Richard van Dülmen) das "Fest der Martern"
Ja, für schwere Straftaten. Schaut man sich an, was in den Reichsstädten alles an Ordonnanzen erlasen wurde, ergibt sich ein Bild, das manchen modernen Betrachter überraschen dürfte. Die weitaus häufigste Sanktion dürfte nämlich die Geldstrafe gewesen sein, und zwar auch für Taten, die uns heute schwer genug erscheinen, um mit Gefängnis bestraft zu werden.
 
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