Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

Der Wikipedia-Artikel zu Johann von Schönenberg ist ja wirklich sehr kurz.
Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, dass du unbedingt jedem an die Karre fahren willst, der auch nur Irgendetwas veröffentlicht, das nicht so ganz zum Narrativ der fanatischen Hexenbischöfe und der von ganz oben angeordneten und forcierten Hexenverfolgung passt, so auch den Wikipedia-Autoren.

Es genügt eben nicht, einfach nur auf die Regierungszeit zu blicken und die Verantwortung des Kurfürsten zu konstatieren.

Es gab unter Johann von Schönenberg in Kurtrier zahlreiche Hexenprozesse. Johann von Schönenberg teilte die Angst vor Hexen, er hielt grundsätzlich die Forderung, gegen Schadenszauber vorzugehen für legitim, was man ihm vorwerfen kann, dass war, dass er nicht energischer gegen Hexenverfolgung sich stark machte, dass seine Bemühungen nur die Eindämmung von Prozessen zum Ziel hatten, dass seine Hexenprozessordnung sich gegen Auswüchse der Hexenverfolgung, gegen Rechtsbrüche und Willkür von Hexen-Kommissaren und Amtmännern richteten, von Schönenberg aber keineswegs grundsätzlich Hexerei und Maßnahmen gegen Schadenzauber ablehnte.

Man kann ihm vielleicht auch vorwerfen, dass seine Bemühungen konterkariert wurden durch untere Behörden, dass die sich einfach über und seine Hexenprozessordnung hinwegsetzten und er letztlich mit seinen Bemühungen Hexenprozesse einzudämmen und höhere Anforderungen durchzusetzen letztlich wenig erfolgreich war, nicht zuletzt auch deshalb, weil Kurtrier längst noch kein straff zentralistisch absolutistischer Staat war, und von Schönenberg schlicht und einfach gar nicht die tatsächliche Macht besaß, Edikte und Mandate durchzusetzen.

Das alles kann man Johann von Schönenberg vorwerfen, durchaus auch mit Recht. Er war aber keineswegs die treibende Kraft bei der Hexenverfolgung in Kurtrier. Es war immer wieder zu Übergriffen, Willkür und Rechtsbrüchen gekommen, und das hatte sich durchaus herumgesprochen. Johann von Schönenberg war nicht grundsätzlich gegen Hexenprozesse, sah aber dass dabei immer wieder gesetzliche Regularien gebrochen wurden. Von Schönenberg erließ deshalb bereits 1591 eine Hexenprozessordnung herausgegeben, um Prozesse einzudämmen, um die Hürden zu erhöhen und die Macht von Ausschüssen und Kommissionen auf unterer Ebene besser zu kontrollieren.

"Der Erlaß Schönenbergs hatte aber nur wenig Wirkung. Die starke gemeindliche Verfassung setzte sich gegen die schwache Landesherrschaft durch und Offizial-Prozesse wie in Schönenbergs Hexenprozessordnung gefordert waren eher die Ausnahme"

Ein Vertrauensmann von Johann von Schönenberg, der Jurist, Stadtschultheiß und Ratsherr Dietrich Flade, dem es lange gelungen war, Hexenprozesse einzudämmen, wurde schließlich selbst denunziert und exekutiert. Danach nahm die Hexenverfolgung Fahrt auf. Bei Flades Verurteilung und auch bei den Prozessen spielte Weihbischof Peter Binsfeld eine bedeutende Rolle.

Binsfeld war ein bekannter Hexentheoretiker, der in Trier große Popularität genoss.


Ich sehe der Link funktioniert nicht! Wenn man eingibt Hexenwahn Ängste der Neuzeit, Hexenverfolgung Kurtrier müsste man auf die Seite des Deutschen Historischen Museums und auf den Artikel stoßen, den ich posten wollte.

Ähnlich wie es durchaus auch bei anderen Verfolgungswellen beobachten ließ, waren es vor allem untere Behörden, Amtleute und Hexenausschüsse, die- durchaus auch auf Druck und unter Zustimmung der Bevölkerung- einen sehr starken Verfolgungseifer zeigten und versuchten, die Initiative für Prozesse an sich zu ziehen. Anonyme Denunziationen und deren Zulassung, Die Veröffentlichung von Listen von Verdächtigten, die anonym denunziert worden waren- das alles trug dazu bei, dass gesetzliche Hürden immer mehr aufgeweicht wurden, dass Verbündnisse- Hexenkommissionen und Hexenkommissare immer mehr Kompetenzen an sich zogen und massiv zur Eskalation beitrugen.

Das hatte von Schönenberg durchaus realisiert, und mit einer Hexenprozessordnung wollte er am 18. Dezember 1591 diese Missstände beseitigen und Willkür und Rechtsbrüchen vorbeugen. Von Schönenberg ging es nicht darum, Hexenprozesse zu beenden, sondern die Missbräuche und Rechtsbrüche abzustellen, die Prozesse einzudämmen und gesetzliche Regularien nicht aufzuweichen.
 
Das ist wahr und eigentlich könnte man diese Diskussion jetzt beenden. Aber es wäre zu einfach, die Hexenverfolgungen einfach auf Klimaverschlechterung zurückzuführen, denn es waren Menschen, die das Ganze veranstalteten.

Die Frage ist doch, warum sich in früheren Zeiten diese Volksfrömmigkeit nicht in solchem Fanatismus äußerte - wenn man einmal von den sich wiederholenden Judenpogromen absieht.

Meine Antwort darauf ist: Wenn, wie die Kirche es lehrte, alles auf Erden gottgewollt war, dann waren auch die schlechten Ernten und Pest gottgewollt. Anfangs haben Menschen das Geschehen auf sich bezogen, sprich die Schuld dafür bei sich selbst gesucht. Also haben sie Bittprozessionen veranstaltet und Buße gemacht, deren absurdeste Ausformung wohl in Geißlerprozessionen stattfand.

Im Grunde haben die Menschen auf Klimakatastrophen, Missernten, Erntevernichtung, Krieg und Pestilenz trotz unterschiedlichem Weltbild und unterschiedlichen Deutungs- und Erklärungsmodellen im Grunde eigentlich recht ähnlich reagiert wie Menschen des 20. oder 21. Jahrhunderts auf Aids, Corona oder Klimawandel reagierten.

Da gab/gibt es einmal die Stimmen, die kritisch die eigene Lebensweise reflektieren, die sagen wir selbst sind schuld daran, wir müssen uns ändern, unsere Lebensweise ist sündhaft oder dekadent- solche Stimmen gibt es zu allen Zeiten, sie haben oft gar nicht mal so unrecht, aber solche Stimmen sind nie sehr beliebt.

Dann wieder gibt es Leute, die einer bestimmten Gruppe die Schuld an Katastrophen geben.

In Predigten zum Hexenthema taucht immer wieder das Bild auf des "Unkrauts unter dem Weizen".

Worum geht es aber? Im Mathäus-Evangelium (Math, 13, 24-30) erzählt Jesus mit dem Himmelreich verhalte es sich wie mit einem Mann, dessen Feind Unkraut unter seinem Weizen gesät hat.

Im Gleichnis entdeckt ein Bauer, dass sein Feind bei Nacht Unkraut in seinem Weizen gesät hat. Seine Knechte fragen, was sie tun sollen, sie schlagen vor, sofort das Unkraut auszureißen, doch der Mann sagt, sie sollen es stehen lassen, wenn sie es vernichten, vernichten sie auch den Weizen. Beides, Unkraut wie Weizen soll man wachsen lassen bis zur Zeit der Ernte, dann erst soll das Unkraut ausgerissen werden und verbrannt, der Weizen aber in die Scheune getragen werden.


Eigentlich lässt sich das Gleichnis kaum als Plädoyer für Hexenverfolgung lesen. Im Gleichnis ruft Jesus dazu auf, dass das "Unkraut" verschont werden soll, dass der Mensch nicht Gott vorgreifen soll und Gott die Entscheidung überlassen soll, der beim Jüngsten Gericht die Entscheidung trifft, was mit dem Weizen und mit dem Unkraut geschehen soll.

Das Gleichnis und das Bild vom "Unkraut unter dem Weizen" war eine Metapher, ein Bild, das immer wieder bemüht wurde von Befürwortern der Hexenverfolgung, es taucht in Predigten und Flugschriften immer wieder auf.

Angesichts von Missernten, Ernteausfällen, Hungerkatastrophen setzte sich eine weit radikalere Interpretation des Gleichnisses durch. Da war nicht mehr die Rede davon, Gott die Entscheidung zu überlassen wie mit dem "Unkraut unter dem Weizen" zu verfahren ist, sondern es wurde nun so interpretiert, dass diejenigen, die gegen das Unkraut vorgehen, damit Gottes Willen vollstreckten.

Die Ernte und Wetter-Katastrophen Anfang der 1620er Jahre in Franken trafen große Teile der Bevölkerung. Da ging es um komplette Ernteausfälle, da erfror das Korn, erfroren die Obstkulturen, da fielen komplette Wein-, Obst- und Kornernten aus. Bis in den Juni hinein gab es Frost, Zeitgenossen schrieben, dass Blätter an den Bäumen sich im Frühjahr schwarz verfärbten. Diese Katastrophe war so unnatürlich, so völlig jenseits aller bisherigen Erfahrungswerte, dass diese Katastrophe, diese Bedrohung der Existenz kaum noch mit üblichen Deutungen erklärbar waren.

Angesichts solcher Katastrophen konnte man kaum der Bevölkerung weismachen, dass sie eben sündhaft war und damit Gottes Zorn heraufbeschworen habe. Was musste auch die Bevölkerung verbrochen haben, um eine so beispiellose Katastrophe heraufzubeschwören?

Die Klimakatastrophen und Wetterkapriolen waren mit Verweisen auf eigene Verfehlungen als Erklärungsmodell untauglich und kaum der Bevölkerung zu vermitteln. Anspielungen auf Ernteausfälle, Klimakatastrophen spielten noch Jahre später in Gerichtsakten eine bedeutende Rolle. Immer wieder ist vom "Verderben der Frucht" von Hagel und Wetterzauber die Rede.

Das waren Schicksalsschläge, die unmittelbare Folgen für einen Großteil der Bevölkerung bedeutete, und angesichts einer solchen Bedrohung der Existenz verbreiteten sich Verschwörungstheorien, die einer bestimmten Gruppe die Schuld gab, und radikale Lösungen wurden von der Bevölkerung begrüßt.

Die ersten Prozesswellen in Bamberg und Würzburg, in Kurtrier und Kurköln stießen anfangs auf große Zustimmung der Bevölkerung, und es wurden die Obrigkeiten als viel zu lasch im Kampf gegen Hexen kritisiert.

Das Bild von Hexenbischöfen, die Verfolgungen initiierten- das lässt sich aus historischen Quellen in dieser Zuspitzung kaum aufrecht erhalten- Hexenverfolgungen wurden meist nicht von oben koordiniert, sondern es gab aus der Mitte der Gesellschaft heraus eine große Zustimmung zu Hexenverfolgung, die Obrigkeiten wurden vielfach als viel zu lasch kritisiert, und die ersten Prozesswellen stießen auf große Zustimmung der Bevölkerung. Bei Hexenverfolgungen in Franken, in Kurtrier und Kurköln waren es immer wieder subalterne Behörden, Amtleute und Zentgrafen, die ganz erheblich zur Eskalation beitrugen, die beweisen wollten, dass auch sie Hexenverfolgung organisieren konnten auch ohne Mithilfe von Juristen und Behörden.

Juristen und auch Geistliche beider Konfession haben bei vielen Verfolgungen ganz erheblich zur Eskalation beigetragen. Prediger wie Juristen gehörten in der Regel eben nicht zu den Stimmen, die zur Mäßigung aufgerufen haben. Luther wie Calvin haben an Hexen geglaubt, haben sich vor Hexen gefürchtet, sie haben Hexenverfolgung bejaht und ein scharfes Vorgehen befürwortet.
 
Das Bild von Hexenbischöfen, die Verfolgungen initiierten- das lässt sich aus historischen Quellen in dieser Zuspitzung kaum aufrecht erhalten- Hexenverfolgungen wurden meist nicht von oben koordiniert, sondern es gab aus der Mitte der Gesellschaft heraus eine große Zustimmung zu Hexenverfolgung, die Obrigkeiten wurden vielfach als viel zu lasch kritisiert, und die ersten Prozesswellen stießen auf große Zustimmung der Bevölkerung.
Es gab allerdings auch Bischöfe, die an der Eskalationsschraube mitdrehten. In Würzburg war es Echters Nach-Nachfolger Ehrenberg, der 1627 ein Mandat veröffentlichte, "in dem er die Verfolgung und Bestrafung von Hexen ankündigte. [...] Es ging nicht darum, die in den Mandaten formulierten Normen eins zu eins in die Realität umzusetzen. Trotzdem zeigt dieses Mandat Ehrenbergs seinen Willen, die Hexerei konsequent zu bekämpfen. Soweit wir wissen, haben seine Vorgänger dergleichen Mandate nicht erlassen. Einerseits reagierte das 'von oben' ergangene Mandat auf den Verfolgungsdruck 'von unten', indem es demonstrierte, dass die Obrigkeit etwas gegen die Hexen unternahm, andererseits dürfte es die Verfolgungsstimmung in der Bevölkerung weiter stimuliert haben. Das Mandat war ein verfolgungstreibender Faktor." (Robert Meier, Hexenprozesse im Hochstift Würzburg, Würzburt 2019, S. 176f)
 
Es gab allerdings auch Bischöfe, die an der Eskalationsschraube mitdrehten. In Würzburg war es Echters Nach-Nachfolger Ehrenberg, der 1627 ein Mandat veröffentlichte, "in dem er die Verfolgung und Bestrafung von Hexen ankündigte. [...] Es ging nicht darum, die in den Mandaten formulierten Normen eins zu eins in die Realität umzusetzen. Trotzdem zeigt dieses Mandat Ehrenbergs seinen Willen, die Hexerei konsequent zu bekämpfen. Soweit wir wissen, haben seine Vorgänger dergleichen Mandate nicht erlassen. Einerseits reagierte das 'von oben' ergangene Mandat auf den Verfolgungsdruck 'von unten', indem es demonstrierte, dass die Obrigkeit etwas gegen die Hexen unternahm, andererseits dürfte es die Verfolgungsstimmung in der Bevölkerung weiter stimuliert haben. Das Mandat war ein verfolgungstreibender Faktor." (Robert Meier, Hexenprozesse im Hochstift Würzburg, Würzburt 2019, S. 176f)

Oh ja! Weihbischof Peter Binsfeld war zweifellose einer der Hauptverantwortlichen an der Eskalation in Kurtrier, und er hatte maßgeblich zu Dietrich Flades Sturz und Verurteilung beigetragen. Nachdem der beseitigt war, war buchstäblich der Damm gebrochen.

Fuchs von Dornheim war im Grunde eine schwache Persönlichkeit, treibende Kraft in Bamberg war vor allem Weihbischof Förner. Fuchs von Dornheim und Förner hatten schon seit Jahren Schwierigkeiten mit dem Stadtrat und lagen mit etlichen Ratsherren im Clinch.

In Bamberg drängt sich der Verdacht auf, dass Fuchs von Dornheim und Förner die Hexenverfolgung als einmalige Chance sahen, den Rat zu entmachten und sich unbequemer Leute zu entledigen. Fast der gesamte Stadtrat samt dem 2. Bürgermeister Johann Julius ist am Ende dem Hexenwahn zum Opfergefallen.
 
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