Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

Das Kapitel hieß "Chronology and Geography of Witch Hunts", das Unterkapitel "The Mediterranean" oder so ähnlich.

Ja, da habe ich gründlich gesucht. Folgende Zahlen werden geliefert:

- Für die gesamte Mittelmeerregion lassen sich kaum mehr als 500 Hinrichtungen belegen.
- Davon wurden die meisten von weltlichen Gerichten verhängt, nicht von der Inquisition.
- Zwischen 1580 und 1650 verurteilte die Inquisition in Spanien mehr als 3.500 Personen wegen Magie/Hexerei.

Die von Dir genannte Zahl - 2,7% von 150.000 Verfahren - würde bedeuten, dass die Spanische Inquisition 4.500 Todesurteile verhängt hätte.
Auf Hexenprozesse kann sich diese Zahl unmöglich beziehen. Und bei Levack kann ich sie, wie gesagt, nicht finden.
Weder in der deutschsprachigen noch in der englischsprachigen Ausgabe (2. Auflage 1995).
 
3.000 bis 5.000 Todesurteile insgesamt, 4.000 ist der Mittelwert, ergibt 2,‾6%. Also, ich leihe mir das Buch noch einmal aus. Ich kam überhaupt nur darauf, weil es in den Quellen für das Wiki-Lemma 'Spanish Inquisition' genannt wird, gleich an erster Stelle, und die Rezensionen interessant waren. Im Fließtext steht denn da auch: "[…] around 150.000 people were prosecuted for various offences during the three-century duration of the Spanish Inquisition, of whom between 3.000 and 5.000 were executed, approximately 2,7 percent of all cases." Das sind genau die Werte, die ich abgespeichert hatte. Allerdings verweist die Fußnote der Wikipedia auf die zweite Ausgabe, ich hatte die vierte als E-Book ausgeliehen. Die Fußnote sieht zerschossen aus, die kann nicht stimmen, als Jahreszahl steht da ja auch 199.
 
Zitat @Scorpio: Erst seit dem 19. Jahrhundert ging man von öffentlichen Hinrichtungen ab. Hinrichtungen fanden nunmehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Ja, das hatte man der Aufklärung zu verdanken.

Ich habe noch ein sehr passendes Zitat über den Wandel der Strafjustiz im 18. Jahrhundert gefunden, der die Entwicklung gut auf den Punkt bringt:

Ernst Schubert: Im Franken des 18. Jahrhunderts gab es noch keine allgemein gültige Strafrechtsordnung, die Carolina bestimmte noch weitgehend den Strafprozess. Ungeübt war man in der Verhängung von Haftstrafen, da das Gefängniswesen überhaupt erst in den Anfängen stand. Zufall und Willkür bestimmten über Zuchthaus- und Gefängnisstrafen, vielfach ist in den Urteilen nicht einmal die Dauer der Haft angegeben. Hinter all dem Unentschiedenen, Vorläufigen und Ungereimten, was uns zum Thema Strafe und Abschreckung im 18. Jahrhundert begegnen wird, erscheint immer wieder die Frage nach dem Wandel des Rechtspflegestaates. Nicht entschlossen konnte die Zeit (der Aufklärung) sich von mittelalterlichen Traditionen lösen, konnte sie aber auch nicht, angesichts veränderter sozialer Bedingungen und aufklärerischer Forderungen mit der früheren Konsequenz verwirklichen. Noch stand überall auf den Galgenbergen das Rad, noch verfaulten mancherorts die Gehenkten, wurden Reisende vor den Toren Bambergs durch einen "Wald von Galgen" erschreckt. Verstümmelnde Körperstrafen waren weiterhin üblich. Jedoch: Die Unsicherheit bei der Anwendung dieser Strafen wird gegen Ende des Jahrhunderts hin immer deutlicher. Hinrichtungen seltener, die Tortur vielfach verboten. Alte Blockhäuser, Fronfesten, nicht bewohnte Burgen werden zu Gefängnissen, deren es doch viel zu wenige gibt, die meist in schlechtem baulichen Zustand sind, in denen miserabel besoldete Amtsknechte, unlustig oder grausam das Regiment führten. An der Bekämpfung der Vaganten, Gauner und Bettler wird sichtbar, dass zwischen Tradition und Wandel des Rechtspflegestaates eine Epoche der Aushilfen liegt- eben das Zeitalter der Aufklärung. Ernst Schubert: Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts S. 289-290.

Schubert hat auf der Basis von Mandaten und Archivalien auch die Zahl der Hinrichtungen untersucht. Waren in Bamberg zwischen 1759 und 1779 noch 52 Todesurteile vollstreckt, so kann man unter der Regentschaft von Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal von einer de facto Abschaffung der Todesstrafe sprechen. Während seiner Regierungszeit gab es keine einzige Hinrichtung. Dabei war aber nicht der Humanitätsgedanke entscheidend, sondern die Erwägung, dass Exekutionen sehr teuer waren.
 
Schon wieder schiebst du anderen Diskussionsteilnehmern ein Strohmann-Argument unter. Ein Fazit, das so aber gar keiner in der Diskussion getroffen hat.
Gar keiner hat das gesagt? Dieses Zitat
Tatsache ist eher, dass nur ein geringer Teil der Prozesse mit der Todesstrafe endete, in der Regel kamen, wenn es überhaupt zu einer Bestrafung kam Kirchenstrafen dabei heraus, die aber nicht auf Todesurteile hinausliefen.
beweist das Gegenteil.

Wenn, wie @Shinigami behauptet, nur ein geringer Teil der Hexenprozesse mit der Todesstrafe endete, dann müsste bei europaweit insgesamt 40.000 bis 60.000 hingerichteten Personen die Zahl dieser Prozesse so hoch sein, dass man eine Armee von Richtern/Inquisitoren bräuchte, um sie zu bewältigen.

Aber weil wir uns hier ohnehin auf dem Gebiet der Schätzungen bewegen, sollten wir die Frage der Zahlen vielleicht mal beiseitelassen. Will sagen, es spielt kaum eine Rolle, ob es 40.000 oder 60.000 Hingerichtete gab, es reicht zu wissen: Es waren zigtausende.

Mich beschäftigt vor allem die Frage, warum fanden diese rigorosen Hexenprozesse nur im Bereich der westlichen, d.h. lateinischen Kirche statt - und auch dort vor allem nördlich der Alpen -, nicht aber im Bereich der griechisch- bzw. russisch-, serbisch-, rumänisch-orthodoxe Kirchen* und auch nicht in dem des Islams?

Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war. Man sagt, dass das an den unterschiedlichen Übersetzungen der Bibel liegen könnte: Luther übersetzte „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“, in der katholischen Vulgata dagegen steht an dieser Stelle “Zauberer”.

Diese Argumentation scheint mir stichhaltig zu sein – ich sehe mittlerweile kaum einen anderen Grund.

Und: Wenn die Bibel sagt, Zauberinnen und Zauberer sollte man nicht am Leben lassen, hatten die Richter damals eine Chance gehabt, bei einem Geständnis anders als auf Tod zu entscheiden?

* Auch in den Bibel-Übersetzungen der orthodoxen Kirchen müsste bei 2. Mose 22,17 Zauberinnen oder Zauberer stehen.
 
Auffällig in den Wildunger Prozessakten ist, dass viele Angeklagte in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander standen. Das kann eventuell dadurch erklärt werden, dass unter der Folter nach weiteren Hexen gefragt wurde und die Gefolterten, dann willkürlich Namen und erfundene Geschichten ausspuckten. Als erstes denkt man natürlich an Personen, die einem nahestehen, die man gut kennt. Das lässt sich dann auch an Prozesswellen ablesen.
Genau dieser Vorgang, des sich gegenseitig beschuldigen aufgrund der Schmerzen der Folter, schließt eigentlich aus, dass die Gemarterten länger nachdachten und sich bewusst "Aussenseiter" heraussuchten.

Mitunter war es aber häufig auch so, dass den Gefolterten nicht spontan die Namen ihrer Lieben einfielen, sondern Namen, mit denen man ohnehin noch eine Rechnung offen hatte. In Lemgo sprachen die Zeitgenossen zutreffend vom "Bekläffen", es gab Anzeigen und Aussagen, die auch ein erhebliches Maß von Bosheit offenbaren, wo Zeitgenossen offensichtlich den Hexenwahn nutzten, um persönliche Rachegefühle zu befriedigen.

Als du die ersten Beitrage über die Hexenverfolgung in Bad Wildungen hier gepostet hast, glaubte ich zunächst, die Heimatstadt sei Lemgo.

Aber auch in anderen Verfolgungen tauchen immer wieder Aussagen und Anzeigen auf, die ein erhebliches Maß an Bosheit, Missgunst und Hass offenbaren. @Dion schrieb in einem Beitrag, dass die Denunzianten sich im Dienste der (Volks-)Gemeinschaft gefühlt hätten- sozusagen die These vertreten, dass die Denunzianten sozusagen Überzeugungstäter waren, die dachten, dass sie etwas Gutes, etwas Richtiges taten.

Solche Leute gab es mit Sicherheit auch, in Verhörprotokollen werden sich sicher solche Überzeugungstäter finden. Es finden sich aber eben auch die Boshaften. Die Leute, die genau wissen, dass ihr Verhalten niederträchtig ist, die es aber dennoch tun, um Rachegelüste zu befriedigen.

Solche Leute gab es eben auch und durchaus häufig. Anfang der 1930er Jahre gab es ja sogar Klagen von Gestapo-Beamten, die monieren, dass es so viele böswillige Verleumdungen gab, so viele Leute, die die Gestapo einspannen wollten, um alte Rechnungen zu begleichen.
 
Gar keiner hat das gesagt? Dieses Zitat

beweist das Gegenteil.

Wenn, wie @Shinigami behauptet, nur ein geringer Teil der Hexenprozesse mit der Todesstrafe endete

Nein, damit beweist Du, dass Du systematisch Zitate aus dem Zusammenhang reißt und ihnen einen anderen Sinn unterstellst, um Deine Strohmann-Masche durchzuziehen.

Es ging in diesem Zitat um Inquisitionsprozesse:


Die falsche Vorstellung: Wer einmal in die Fänge der Inquisition geriet, der kam da nicht wieder hinaus. Und das stimmt eben nicht.

Es reicht eben nicht zu sagen, ja, Inquisition und Folter, wirklich schlimm, aber im gleichen Atemzug zu verkünden: Es endeten nicht alle Prozesse mit dem Scheiterhaufen, man konnte auch freikommen.

Tatsache ist eher, dass nur ein geringer Teil der Prozesse mit der Todesstrafe endete, in der Regel kamen, wenn es überhaupt zu einer Bestrafung kam Kirchenstrafen dabei heraus, die aber nicht auf Todesurteile hinausliefen.

Was @Shinigami schreibt, ist Tatsache und wurde von allen Diskussionsteilnehmern bestätigt: Nur ein sehr geringer Teil der Inquisitionsprozesse endete mit der Todesstrafe.

Nachdem Du wiederholt darauf hingewiesen wurdest, dass es Unfug ist, Hexenprozesse mit Inquisitionsprozessen gleichzusetzen sind, kann ich diesen erneuten Versuch nur als plumpe Trollerei betrachten.
 
Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war.
Da hast du deine eigene Quelle wieder nicht richtig gelesen. In dem von dir verlinkten Text steht:
"Hexenverfolgungen in katholischen und protestantischen Gebieten. Wo die Bevölkerung der römischen Konfession anhing, waren 30 bis 40 Prozent der Toten männlich. Dagegen traf es bei den Protestanten zu 85 Prozent Frauen."
Also wurden auch in den katholischen Gebieten deutlich mehr Frauen als Männer verfolgt. Eine mögliche Erklärung ist folgende:
"... mit der grundsätzlichen Überzeugung von der Inferiorität der Frauen stehen alle Konfessionen der frühen Neuzeit in antikere Tradition. Neben der Bibel und manchen Kirchenvätertexten war es besonders die uneingeschränkt übernommene aristotelische Biologie, die die Frau als Misserfolg in die Welt kommen ließ, als `verstümmelter Mann´. So hieß es bei Aristoteles, so hat es die Scholastik tradiert. Die Zuspitzung der Hexenlehre auf Frauen muss innerhalb dieser Tradition gesehen werden. So ist es geradezu selbstverständlich, dass auch die frühen Bekämpfer der Hexenlehre auf dem gleichen Boden der frauenfeindlichen Tradition bleiben, ..."
(Schormann, Gerd: Hexenprozesse in Deutschland, 2. Aufl. Göttingen 1986, S. 117f.)

In der frühen Phase der Hexenprozesse, wie im Schweizer Jura im 15. Jahrhundert, als gleichzeitig Waldenser und Hexen "Bezeichnenderweise betonten die Richter in diesen frühen Hexenprozessen, die meist vor kirchlichen Gerichten geführt wurden, den diabolischen oder häretischen Aspekt weit stärker als das maleficium."
(Levack, Brian P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgung in Europa, 4. Aufl. München 2009, S. 114)

In der Hochzeit der Hexenverfolgung gerieten meist ältere Frauen zuerst unter Hexereiverdacht. Bei den großen örtlichen Verfolgungswellen wie in Bamberg, Würzburg, Lemgo konnte es dann jeden treffen, da spielten Geschlecht und Stand keine Rolle mehr.​

LG Frederuna
 
Zuletzt bearbeitet:
Und: Wenn die Bibel sagt, Zauberinnen und Zauberer sollte man nicht am Leben lassen, hatten die Richter damals eine Chance gehabt, bei einem Geständnis anders als auf Tod zu entscheiden?
Wie kommst du darauf? Die Gerichte der frühen Neuzeit urteilten nicht nach der Bibel, sondern nach den Strafgesetzen des jeweiligen Landes oder Territoriums. Im HRR war das seit 1532 die Constitutio criminalis Carolina, wobei die einzelnen Territorien auch eigene Gesetze erlassen konnten. In der Carolina war nicht Zauberei an sich, sondern Schadenszauber mit der Todesstrafe bedroht. Auch in den meisten anderen Hexengesetzen stand das maleficium im Vordergrund.​
LG Frederuna
 
Mich beschäftigt vor allem die Frage, warum fanden diese rigorosen Hexenprozesse nur im Bereich der westlichen, d.h. lateinischen Kirche statt - und auch dort vor allem nördlich der Alpen -, nicht aber im Bereich der griechisch- bzw. russisch-, serbisch-, rumänisch-orthodoxe Kirchen* und auch nicht in dem des Islams?
Wahrscheinlich weil der Hexenglauben in verschiedenen Regionen unterschiedlich stark ausgeprägt war.
Man muss ja durchaus bedenken, dass die damaligen Gesellschaften wesentlich immobiler und regionaler aufeinander bezogen waren.

Hexen und Hexerei als Erklärung für irgendwelche Unglücksfälle etc. heranzuziehen, war eine Möglichkeit mit Dingen, die man sich nicht erklären konnte umzugehen.

Aber selbst in den Gegenden, in denen es starke Hexenverfolgungen gab, war das ja nicht konkurrenzlos das einzige Erklärungsmuster.
Ein anders Motiv, vor allem um Katastrophen zu erklären, war ja auch immer z.B. die Vorstellung einer göttlichen Bestrafung.
Und je nachdem, wie der Volksglaube regional gestrickt war, konnte so etwas ja sicherlich auch anderen Formen irgendwelcher Dämonen oder auf der Spirituellen Ebene irgendeinem Luzifer oder Teufel selbst zugeschrieben werden.

Wenn man eine Bevölkerung hat, die eher an direkten göttliches oder teuflisches Wirken glaubt, als an die Vermittlung solchen Wirkens durch Hexen und Zauberer, wird diese vermutlich auch nicht auf die Idee kommen nach der Verfolgung von Hexen zu verlangen.

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Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war. Man sagt, dass das an den unterschiedlichen Übersetzungen der Bibel liegen könnte: Luther übersetzte „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“, in der katholischen Vulgata dagegen steht an dieser Stelle “Zauberer”.

Diese Argumentation scheint mir stichhaltig zu sein – ich sehe mittlerweile kaum einen anderen Grund.
Du siehst selten andere Gründe als Rekurse auf Einlassungen irgendwelcher Theologen, übergehst dabei aber regelmäßig die Frage, ob es Indizien für die besondere Wirkmächtigkeit solcher Einlassungen gibt.

Ich wüde mich dem gegenüber mal weit aus dem Fenster lehnen und die folgende Überlegung in den Raum stellen wollen:

Luther hat in seinen Schriften, auch wenn sich das am Ende anders gestaltete und sich lutherische Amtskirchen herauszubilden begannen (so viel übrigens zur Vorstellung, dass Luthers Wort bei den Lutheranern Quasigesetz gewsen wäre) ja durchaus auf das ebenfalls biblisch fundierte "Priestertum aller Gläubigen" abgstellt.
Das Priestertum aller Gläubigen wiederrum schließt allerdings Frauen zumindest theoretisch ein.
Ich habe nun offen gesagt keine Ahnung ob es dazu in größerem Maße Forschung gibt, könnte mir aber durchaus vorstellen, dass dass es gerade im Wirkungsbereich der lutherischen Reformation und anderer Reformationsbewegungen, die ebenfalls auf diesen Grundsatz abstellten, durchaus vermehrt Frauen gab, die das ernstnahmen und versuchten aktiv in diese Richtung zu wirken.

Wenn das der Fall gewesen sein sollte, ist es durchaus möglich, dass solche Aktivitäten fundamental mit einem anderen Rollenbild, was Frauen betrifft, im Besonderen in der männlichen Bevölkerung kollidiert sein könnten.
Wäre auch das der Fall, könnte ein verstärktes Maß an aus der Bevölkerung gegen Frauen angestrengte Hexenprozesse, der konservative Reflex darauf gewesen sein um eine Veränderung der Sozialordnung zu unterbinden.
Der Versuch sich gewissermaßen als Laienpriester oder -priesterinnen zu betätigen, hätte sicherlich auch Anlass zu Ausübung diverser (möglicherweise abgewandelter) christlicher Rituale gegeben, die sich sicherlich prinzipiell als Folie für Anschuldigungen betreffs potentieller Hexerei eigneten.

In katholischen Gebieten, in denen die religiösen Strukturen im wesentlichen unter der Amtskriche bestehen blieben, es keine wesentlichen Umwälzungen und Neuverhandlung der Rolle und Stellung des Priestertums gab, hätte sich diese Problematik demgegenüber nicht ergeben.

Ich kann ad hoc nichts davon belegen.
Halte es aber durchaus für eine brauchbare Erklärung.

Und: Wenn die Bibel sagt, Zauberinnen und Zauberer sollte man nicht am Leben lassen, hatten die Richter damals eine Chance gehabt, bei einem Geständnis anders als auf Tod zu entscheiden?
Natürlich, z.B. konnten die die Zurechnungsfähigkeit der Person, die das Geständnis abgegeben hat in Zweifel ziehen.

Du selbst hast dich vor ein paar Beiträgen darüber empört, dass im Fall von Hexenprozessen eine Regelung getroffen wurde, die es ermöglichte Zeugnisse und Aussagen von Personen zu verwenden, die man nach damaligen Maßstäben als verrückt/geisteskrank etc. betrachtete.

Das aber bedeutet, dass dir klar sein müsste, dass die Zurechnungsfähigkeit, und Verunftfähigkeit schon in der damaligen Justiz eine gewisse Rolle spielte.
Das scheint sich auch in anderen Bereichen zu finden.

Ich habe vor einigen Jahren mal eine Luther-Biographie gelesen, die die Annekdote mit dem Unwetter in dass Luther geraten sein soll und dem Schwur, denn er angeblich geleistet habe Mönch zu werden, wenn er das überlebte thematisiert wurde.
In dem Buch wurde da insofern drauf eingegangen, dass erklärt wurde, dass ein solcher Schwur allerdings nach damaligen kirchlichen Auffassungen nicht als bindend betrachtet wurde, selbst wenn er geleistet worden sein sollte und dass damit Luthers weiterer Weg zu den Augustinern durchaus nicht vorgezeichnet war.
Hintergrund war hierbei wohl, dass solche Ereignisse öfter vor kamen, die katholische Kirchen entsprechend immer wieder damit konfrontiert war und dann irgendwann mal zu dem Schluss gekommen zu sein scheint, entsprechende Eide, die in Panik und seelischen Ausnahmesituationen geleistet wurden, nicht als gültig zu betrachten.


Solchen Überlegungen folgend hätte ein Gericht, natürlich die Möglichkeit gehabt, selbst ein nicht erfoltertes Geständnis noch als nicht verwertbare oder nicht bindende Aussage oder unwirksamen Eid einer unvernünftigen, geisteskranken oder hysterischen Person aufzufassen und damit zu verwerfen.
Ob das entsprechende Gericht auch ein Interesse daran hatte so zu handeln, ist demgegenüber eine andere Frage.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich beschäftigt vor allem die Frage, warum fanden diese rigorosen Hexenprozesse nur im Bereich der westlichen, d.h. lateinischen Kirche statt - und auch dort vor allem nördlich der Alpen -, nicht aber im Bereich der griechisch- bzw. russisch-, serbisch-, rumänisch-orthodoxe Kirchen* und auch nicht in dem des Islams?
Zumindest in Russland gab es Hexenprozesse und Hinrichtungen, wenn auch in geringerer Zahl:

"Wir wissen mit Sicherheit, daß zwischen 1622 und 1700 die Berichte über 47 Prozesse, in die 99 Menschen verwickelt waren, in Moskau zur Bestätigung der Urteile vorgelegt wurden. Von den 99 Angeklagten wurden mindestens zehn zum Tode verurteilt, drei starben während der Verhöre, und 21 wurden freigesprochen. Vereinzelte Belege weisen darauf hin, daß aus unterschiedlichen Gründen einige Verfahren nicht in Moskau zur Überprüfung vorgelegt wurden." (Levack S. 207)

Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war.

Die einzigen Länder, in denen mehr Männer als Frauen angeklagt wurden, waren nach Levack Estland und Russland.
 
Gar keiner hat das gesagt? Dieses Zitat

beweist das Gegenteil.

Wenn, wie @Shinigami behauptet, nur ein geringer Teil der Hexenprozesse mit der Todesstrafe endete, dann müsste bei europaweit insgesamt 40.000 bis 60.000 hingerichteten Personen die Zahl dieser Prozesse so hoch sein, dass man eine Armee von Richtern/Inquisitoren bräuchte, um sie zu bewältigen.

Aber weil wir uns hier ohnehin auf dem Gebiet der Schätzungen bewegen, sollten wir die Frage der Zahlen vielleicht mal beiseitelassen. Will sagen, es spielt kaum eine Rolle, ob es 40.000 oder 60.000 Hingerichtete gab, es reicht zu wissen: Es waren zigtausende.

Mich beschäftigt vor allem die Frage, warum fanden diese rigorosen Hexenprozesse nur im Bereich der westlichen, d.h. lateinischen Kirche statt - und auch dort vor allem nördlich der Alpen -, nicht aber im Bereich der griechisch- bzw. russisch-, serbisch-, rumänisch-orthodoxe Kirchen* und auch nicht in dem des Islams?

Und in protestantischen Gebieten wurden mehr Frauen als Männer wegen Hexerei hingerichtet, während in den katholischen das Verhältnis umgekehrt war. Man sagt, dass das an den unterschiedlichen Übersetzungen der Bibel liegen könnte: Luther übersetzte „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“, in der katholischen Vulgata dagegen steht an dieser Stelle “Zauberer”.

Diese Argumentation scheint mir stichhaltig zu sein – ich sehe mittlerweile kaum einen anderen Grund.

Und: Wenn die Bibel sagt, Zauberinnen und Zauberer sollte man nicht am Leben lassen, hatten die Richter damals eine Chance gehabt, bei einem Geständnis anders als auf Tod zu entscheiden?

* Auch in den Bibel-Übersetzungen der orthodoxen Kirchen müsste bei 2. Mose 22,17 Zauberinnen oder Zauberer stehen.

@Shinigami sprach aber doch ganz offensichtlich von Inquisitionsprozessen, nicht von Hexenprozessen. Und er hat auch nicht behauptet, dass nur ein geringer Teil der Hexen-Prozesse mit der Todesstrafe endeten.

Wenn du nun @Shinigami unterstellst, er habe behauptet, dass nur ein geringer Teil der Hexenprozesse mit der Todesstrafe endete, dann beweist das nur, dass du erneut ein Strohmann-Argument vorschiebst, denn das hat @Shinigami ja nicht getan, was dir auch nicht entgangen sein kann.



Bei Lichte besehen also ein ziemlich unverschämtes Diskussions-Verhalten.
 
@Shinigami sprach aber doch ganz offensichtlich von Inquisitionsprozessen, nicht von Hexenprozessen. Und er hat auch nicht behauptet, dass nur ein geringer Teil der Hexen-Prozesse mit der Todesstrafe endeten.

Wenn du nun @Shinigami unterstellst, er habe behauptet, dass nur ein geringer Teil der Hexenprozesse mit der Todesstrafe endete, dann beweist das nur, dass du erneut ein Strohmann-Argument vorschiebst, denn das hat @Shinigami ja nicht getan, was dir auch nicht entgangen sein kann.



Bei Lichte besehen also ein ziemlich unverschämtes Diskussions-Verhalten.
Sehr wahr. Wie oft soll sich dieser "Irrtum" eigentlich noch wiederholen?
 
Ich sehe dieses Dilemma durchaus. Ich denke auch, dass die genannten Juristen nicht Straflosigkeit das Wort reden. Eine Bewährungsstrafe mag von vielen Kleinkriminellen nicht als Strafe verstanden werden, kann aber durchaus für einen nicht zur Kriminalität neigenden Normalbürger, je nachdem, was man für berufliche Ziele hat, sehr wohl eine Strafe sein. In Dtld. muss man für bestimmte Berufe ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, darin steht jede Bewährungsstrafe über drei Monate.

Eine Bewährungsstrafe kann äußerst belastend für den Verurteilten sein, und zwar durchaus nicht nur für "Normalbürger". Eine Bewährung kann ja auch widerrufen werden, und es werden Bewährungen widerrufen.

Es gibt zwar das sogenannte "Übermaß-Verbot", dass Verurteilten keine unzumutbaren Auflagen und Weisungen erteilt werden dürfen, aber das ist so schwammig und nebulös formuliert, dass damit Willkür keineswegs ausgeschlossen wird.

-Bewährungsfrist kann bis zu 5 Jahre ausgedehnt werden
-Ein Richter oder Gutachter kann einem Verurteilten Weisungen und Auflagen erteilen, die mit einem enormen Eingriff in Freiheits- und Persönlichkeitsrechte verbunden sind.
-Kann z. B. einem Verurteilten für mehrere Jahre das Führen von KFZ verbieten, kann ihm den Besuch bestimmter Lokale, den Kontakt mit bestimmten Personen untersagen, kann ihm bestimmte Medikamente verbieten und den Konsum von bestimmten Lebensmitteln untersagen.
-Wegen Verstößen gegen Auflagen und Weisungen kann jederzeit die Bewährung widerrufen werden.
-Der Verstoß gegen Auflagen und Weisungen (nicht einmal gegen Strafgesetze) ist an sich bereits eine Straftat und kann mit bis zu 3 Jahren Haft geahndet werden.
-Mit repressiven Weisungen und Auflagen, auch mit einem blöden Bewährungshelfer kann man einen Verurteilten im schlimmsten Fall so eindecken, dass er praktisch ständig mit einem Bein im Gefängnis oder in der Psychiatrie steht.

Unter einem Damokles-Schwert von Bewährungsauflagen und Weisungen 2, 3 oder gar 5 Jahre leben zu müssen, immer im Bewusstsein, dass dieses Damoklesschwert nicht nur über einem schwebt, sondern permanent auf einen einschlägt, im Bewusstsein zu leben, dass der kleinste Fehltritt bedeutet, eine Bewährungsstrafe von bis zu 2 Jahren absitzen zu müssen, ist eine enorme Belastung.

Erfahrungsgemäß sucht die Justiz sich besonders "weiche Ziele" aus und schlägt da auch am härtesten zu.

Dass eine Bewährung auch widerrufen werden kann, dass Bewährungen auch tatsächlich mitunter knallhart widerrufen werden können, haben viele Verurteilte gar nicht auf dem Schirm.
 
Ich weiß, man soll unterscheiden zwischen den (kirchlichen) Inquisitionsprozessen gegen Ketzer und den Hexenprozessen, die vor weltlichen Gerichten stattfanden. Aber so einfach ist die Sache nicht, denn indem der Papst Innozenz VIII. Hexen quasi zu Ketzerinnen erklärte, wurden die für die letztgenannten geltenden Bestimmungen auch auf sie anwendbar.

Eine Unterscheidung zwischen Hexen und Ketzerinnen war somit nicht mehr gegeben. Daher nimmt es nicht wunder, dass der Fürstbischof von Würzburg, Julius Echter von Mespelbrunn, ein großer Ketzerverfolger und Rekatholisierer, erklärte, er wolle an jedem Dienstag Hexen brennen sehen. Und seine Gerichte lieferten ihm auftagsgemäß, was blieb ihnen auch übrig.

Echter von Mespelbrunn war Fürstbischof und damit auch ein Mann der Kirche genauso wie Johann Gottfried von Aschhausen, Philipp Adolf von Ehrenberg, Franz von Hatzfeld, Franz von Ingelheim, Philipp von Greiffenklau, Johann von Schönenberg*, Wolfgang von Hausen**, Johann Christoph von Westerstetten (Zitat: Während seiner Amtszeit sind von 1613 bis 1630 im Hochstift Eichstätt mindestens 199 Hexenprozesse und 176 Hinrichtungen von 150 Frauen und 26 Männern wegen Hexerei nachweisbar.), Martin von Schaumberg, Johann Konrad von Gemmingen, Johann Adam von Bicken***, Johann Schweikhard von Cronberg, Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg, Friedrich Förner, etc.

Sie waren in der Mehrzahl Fürstbischöfe oder -äbte, manche “nur” Bischöfe. Deren Treiben konnte erst durch höhere Stellen wie z.B. vom Reichskammergericht oder Reichshofrat beendet werden. Quelle: historicum.net


* Obwohl unter Verantwortung des Johann von Schönenberg die schlimmsten Hexenverfolgungen in Kurfürstentum Trier stattfanden, erwähnt die deutsche Wikipedia nur seine Verdienste um die Eindämmung der Hexenprozesse. Und zu Hexenprozessen selbst wird nur gesagt – Zitat:

In diesem Kontext kam es im Trierer Land auch zu schrecklichen Hexenverfolgungen, die jedoch ein konfessionsübergreifendes und zeitbedingtes Phänomen darstellten.

Das ist nicht falsch, aber eben entschuldigend, schließlich war von Schönenberg derjenige, der die Verfolgung der Hexen (und der Protestanten und der Juden) angeordnet hatte.


** Ebenfalls quasi entschuldigend steht in Wikipedia auch zu Wolfgang von Hausen Zitat:

Während seiner Amtszeit fanden im Jahre 1588 die ersten Hexenprozesse in Ellwangen statt. Aus seiner Amtszeit stammen aber auch mehrere Baudenkmäler.

Auch das ist nicht falsch, aber eben nicht die ganze Wahrheit. Wie es in Ellwangen unter seiner Führung – und der seiner Nachfolger – zuging, erfährt man erst unter Hexenprozesse in Ellwangen – Zitat:

Während der Regierungszeit der Fürstpröpste Wolfgang von Hausen (1584–1603), Johann Christoph I. von Westerstetten (1603–1613) und Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg (1613–1620) wurden 1588 und 1611 bis 1618 ungefähr 450 Personen hingerichtet, viele auf dem Scheiterhaufen. Das waren etwa die Hälfte der Ellwanger Frauen und jeder sechste Mann.


*** Zitat aus Wikipedia zu Johann Adam von Bicken: Das Bild des jungen, auf Sicherung und Ausbau des katholischen Bekenntnisses bedachten Kurfürsten ist dadurch stark getrübt, dass er Bestrebungen zur Hexenverfolgung nachgab. Der Erzbischof ließ nämlich, wie sein Nachfolger Johann Schweikhard von Cronberg, Hunderte Hexenprozesse in Kurmainz durchführen. Von 1601 bis 1604 fanden unter Kurfürst Johann Adam von Bicken im ganzen Hochstift 650 Hinrichtungen vermeintlicher Hexen statt.

Das mit dem Nachgeben ist wohl ein Witz, denn wäre er zu den Hexenprozessen quasi gezwungen gewesen, hätten in Mainz nicht so viele Menschen auf dem Scheiterhaufen brennen dürfen – es gibt ja Beispiele von Fürsten, die Hexen eben nicht oder nicht solchem Umfang verfolgen ließen.

Im Hochstift Fulda war einiges los - in den Jahren 1603-1606 wurden dort ca. 260 Personen verbrannt, in der Mehrzahl Frauen, (in anderen Dokumenten steht die Zahl 250 oder 270), aber zu lesen ist dort nur ein lapidarer Satz - Zitat: Den Hexenverfolgungen im Hochstift Fulda fielen ca. 250 Menschen zum Opfer.

250 Menschen sind dort innerhalb von 3 Jahren verbrannt worden, und da steht nur ein Satz darüber. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es bei der Wikipedia Autoren gibt, die die Rolle der Fürstbischöfe - und -äbte bei den Hexenverfolgungen kleinreden wollen, obwohl sich die katholische Kirche selbst – und da vor allem die Dominikaner! – inzwischen zu ihren diesbezüglichen Sünden bekannt hat.
 
Eine Unterscheidung zwischen Hexen und Ketzerinnen war somit nicht mehr gegeben.
Doch war sie, nämlich im Rahmen der konkreten Anklage im Einzelfall. Und an Hand dessen, wer die Prozesse führte.

Im Fall von Ketzerei in Form des Verbreitens von "Irrlehren" etwa besaßen weltliche Gerichte überhaupt nicht die Kompetenz solche überhaupt festzustellen, weil die Juristen und theologischen Laien ohne solche Fälle an die Kirche abzugeben entscheidungen über theologische Lehrmeinungen hätten präjudizieren müssen.
Womit sie allerdings immer sebst an der Grenze gewandelt werden sich ihrerseits durch Urteile in solchen Fällen in Konflikt mit den Kirchlichen Lehrmeinungen zu bringen, wenn die Theologen zu anderen Ergebnissen kamen.

Bei vermeindlichen Schadenszaubern etc. sah das anders aus, solche Sachen konnten die weltlichen Gerichte problemlos an sich ziehen, im Besonderen, wenn ein Schaden greifbar war, für den man einen Schuldigen suchte.
 
Ich weiß, man soll unterscheiden zwischen den (kirchlichen) Inquisitionsprozessen gegen Ketzer und den Hexenprozessen, die vor weltlichen Gerichten stattfanden. Aber so einfach ist die Sache nicht, denn indem der Papst Innozenz VIII. Hexen quasi zu Ketzerinnen erklärte, wurden die für die letztgenannten geltenden Bestimmungen auch auf sie anwendbar.

Eine Unterscheidung zwischen Hexen und Ketzerinnen war somit nicht mehr gegeben.

Das ist Unsinn!. Ketzer durften bei einer ersten Verfehlung gar nicht hingerichtet werden. Nur rückfällige unbußfertige Ketzer durften überhaupt verurteilt werden. Das Vorgehen von Inquisitoren war ekelhaft genug, es ging um die Unterdrückung von Meinung. Bei vielen Inquisitionsprozessen waren die schärfsten Strafen Pilgerfahrten und Hausarreste.

Die Vorgehensweise der weltlichen Gerichte gegen Hexen war wesentlich schärfer, als gegen Ketzer.

Ketzerei, Glaubensabfall- das war nicht Gegenstand der Anklage, sondern es ging um Schadenszauber.
Hexerei und Schadenszauber wurde zu einem Crimen Exceptum, zu einem Ausnahmeverbrechen, das auf einer Ebene mit Hochverrat, Eidbruch, Raubmord oder Falschmünzerei stand und für das die bisherigen Regularien nicht mehr gelten sollten.

Hexen wurde nicht Abfall vom Glauben, sondern Schadenszauber und Teufelspakt vorgeworfen. Da ging es nicht darum, das sie theologisch im "Irrtum" waren sondern dass ihnen Schadenszauber, Wetterkatastrophen vorgeworfen wurden.

In Würzburg wurden auch nicht "Ketzer", sondern eben "Hexen" und "Hexenmeister" verfolgt. In den Prozessakten war nicht von Ketzerei, sondern von Schadenszauber die Rede.

Immer wieder werden da in Verhörprotokollen die Ernteausfälle in den 1620er Jahren genannt
 
Ketzer durften bei einer ersten Verfehlung gar nicht hingerichtet werden.
Nur wenn sich "Ketzer" selbst gemeldet haben, gab es als Buße Pilgerfahrten oder Hausarrest. Denn wenn ein Inquisitor in eine Stadt kam, gab er zuerst bekannt, dass sich Ketzer innerhalb einer bestimmten Frist selbst melden sollen. Wer erst später – z.B. durch Denunziation – ergriffen wurde, dem wurde Prozess gemacht mit allem Drum und Dran.

Hexen wurde nicht Abfall vom Glauben, sondern Schadenszauber und Teufelspakt vorgeworfen.
Teufelspakt war ein Glaubensabfall: Man kann nicht Christus anbeten und gleichzeitig den Teufel. Und es war der Teufel, der den Schadenszauber befahl – der Mensch war nur das ausführende Organ. Oder anders gesagt: Hätte er oder sie sich nicht den Teufel ergeben und ihn angebetet, hätten sie auch keinen Schadenszauber bewirkt.

Bei Leugnung der Teufelsbuhlschaft untersuchte man sie z.B. nach (unempfindlichen) Muttermalen. War da nichts zu finden, war auch das ein Werk des Teufels, also musste gefoltert werden. Überstand jemand die Folter, dann wurde auch das als Hilfe des Teufels angenommen: So begründete man Folterungen über mehrere Tage und Wochen und Monate, was eigentlich verboten war. Darin sieht man, dass der Bund mit dem Teufel das eigentliche Verbrechen darstellte.

Wer gestand, mit dem Teufel im Bunde zu sein, der wurde auf dem Scheiterhaufen zuerst erdrosselt und dann verbrannt, wer aber nicht gestand, wurde lebendig verbrannt. Das vertrug sich nicht mit der Bestimmung, dass für eine Verurteilung zwingend ein Geständnis gehörte. Aber was sind schon Bestimmungen wert, wenn jemand wie der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn an jedem Dienstag Hexen brennen sehen will.

Gewiss, es gab auch korrekt handelnde Gerichte, die nur einmal foltern ließen und nach überstandener Folter Freilassung verfügten. Aber das waren Ausnahmen, sonst hätte es nicht 60.000 Todesurtele gegeben.
 
Und es war der Teufel, der den Schadenszauber befahl
...oh...jetzt sinkt der Beelzebub aber in meiner Achtung. Mit so einem Kleingeist, der nichts besseres zu tun hat, als irgendwelchen Leuten zu befehlen, Schadenszauber Hokuspokus zu veranstalten, sollen Dr. Faust, Stavrogin, Iwan Karamazow, Adrian Leverkühn einen Pakt geschlossen haben??? So ein Zwerg wäre doch gar nicht fähig gewesen, Hauff seine Memoiren zu diktieren...
;) :D:D:D
 
Teufelspakt war ein Glaubensabfall: Man kann nicht Christus anbeten und gleichzeitig den Teufel.

Da, wo die Inquisition waltete, scheint dies nur selten ein Thema gewesen zu sein:

"Aber in der großen Mehrheit der Fälle, die vor spanischen und aus Rom kommenden Inquisitoren verhandelt wurden, und besonders in den südlichen Teilen der beiden Halbinseln fehlen derartige Anklagen vollständig. Bauern und Stadtbewohner wurden beschuldigt, verschiedene Arten von Magie ausgeübt zu haben, einschließlich der Liebesmagie und der Heilkunst, und ihre Magie wurde als Häresie verurteilt. Aber das bedeutete nicht, daß sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen oder ihn gemeinsam verehrt hätten. Auch wurden die magischen Praktiken dieser Menschen nicht grundsätzlich als schadenstifend angesehen. Natürlich mußten sie verfolgt werden, um Irrtümer zu korrigieren und den Glauben zu läutern, nicht aber, um die Gesellschaft vor einer bedrohlichen Verschwörung zu schützen. Insgesamt gab es viele Verurteilungen und Strafen, aber die Inquisition verhängte in der Traditian kirchlicher Gerichtsbarkeit meist keine Todesstrafen." (Levack, S. 209, Hervorhebungen von mir)​
 
"Aber in der großen Mehrheit der Fälle, die vor spanischen und aus Rom kommenden Inquisitoren verhandelt wurden, und besonders in den südlichen Teilen der beiden Halbinseln fehlen derartige Anklagen vollständig. …
Du schreibst von der spanischen Inquisition, über die wir einer Meinung sind. Ich habe aber von der Hexenverfolgung in Mitteleuropa geschrieben. Das konntest du aus meinem vorletzten Beitrag, in dem ich nur deutsche Fürstbischöfe und Bischöfe/Äbte nannte*, ersehen, auf welchen sich @Scorpio bezog, auf den ich wiederum reagierte.

* Die habe ich erwähnt, weil sie es besonders arg trieben - zumindest was es den katholischen Teil des HRR betrifft.
 
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