Hitler hatte ja schon öffentlich im Zuge des Ulmer Reichswehrprozesses von 1930 angekündigt, das er gedenkt die Macht legal zu ergreifen, um dann anschließend den Staat in einer Form zu gießen, die seinen Vorstellungen entspräche. Das hat ganz offenkundig niemand besonders aufgehorchen lassen.
"Niemand" ist jetzt etwas übertrieben - es hat im Gegenteil viele Leute gegeben, die Hitlers Reden kritisch analysiert haben, seine Absichten erkannt und abgelehnt haben.
Und wie Du schon selber sagtest: Eine Mehrheit hat ihn eben nicht (direkt) gewählt.
Andererseits ist es ja nicht unüblich, daß Politiker (gerade so populistisch auftretende) auf Versammlungen groß das Maul aufreißen, riesige Veränderungen versprechen - um dann im Amt eben nur die kleinen Brötchen zu backen, die realistisch möglich sind.
Es gibt auch heute Wähler, die wählen Politiker, deren Forderungen sie für übertrieben und unrealistisch halten - mit Begründungen à la "so komplett wird es eh nicht umgesetzt, geht aber in die richtige Richtung" oder "Hauptsache der Laden wird mal aufgemischt".
Und es ist auch eine übliche und oft erfolgreiche Strategie des "Establishments", solche Maulhelden-Politiker ganz bewußt ins Amt zu lassen in der Erwartung, daß die dann angesichts der Beschränkungen ihrer Möglichkeiten gar nicht liefern können, was ihre Anhänger erwarten.
Das Amt des Reichskanzlers war ja nun eigentlich gar nicht so mächtig. Von seinen juristischen Kompetenzen her bot es keine Möglichkeit der Diktatur.
Da nun Hitler von den Wählerstimmen her eigentlich der legitime Kandidat war - da war es schon naheliegend, ihn dann auch machen zu lassen.
Das Problem war nur, daß "das Estasblishment" viel zu schwach, uneinig, führerlos und ziellos war, um Hitler anschließend wirklich auf die Grenzen seines Amtes festzunageln.
Hitler zu ernennen, um ihn dann als Verfassungsbrecher rauszuschmeißen, sobald er die Kompetenzen seines Amtes überschreitet - das wäre gut möglich gewesen.
Aber dazu fehlten bei Hindenburg und seinem Umfeld die Substanz und der Durchsetzungswille.