Historische Schriften

LinzerASK

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Hallo!

Im Moment beschäftige ich mich gerade mit älteren Schriften... karolingischen Minuskel, humanistische Kursive usw.

ich bin auf ein paar alte Schriften gestoßen, bei denen ich mir nicht ganz im klaren bin, vielleicht könnte ihr mir ja helfen:

http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/handschriften/MIII18(121v).jpg



„INCIPIT DE PSALMO“ = welche Schrift ist denn das?

ebenso bei „Intellectus David“



ich dachte zuerst an eine unziale bzw. halbunziale.


 
Meine Paläographie-Kenntnisse sind zwar eingerostet, aber auf mich wirkt die Zeile "INCIPIT DE PSALMO" wie eine Kapitalis, die von der römischen scriptura monumentalis abstammt und ja im Mittelalter häufig noch als Überschrift verwendet worden ist. "Intellectus David" würde ich auch als Unziale oder Halbunziale bezeichnen. Die restliche Schrift erinnert mich sehr an insulare Schriften aus dem Früh- und Hochmittelalter. Stammt des Schriftstück denn von den britischen Inseln? Wenn ja, dann ist die Verwendung von Kapitalis und Unziale am Kapitelbeginn nicht untypisch.
 
die schrift stammt aus salzburg.
ende 8. jhd.

das mit der scriputra monumentalis klingt logisch, ich grenzte nämlich meine suche nur auf das 7. u 8. jhd ein.
den rest hätte ich, was du als insualre schrift bezeichnest, als karolingische minuskel definiert.
 
Gut, gut, Salzburg liegt nun ja nicht gerade auf den britischen Inseln... Mit der karolingischen Minuskel dürftest du dann wohl sehr recht haben, in dem Zeitraum und in der Region wird kaum eine andere Schrift verwendet worden sein.

Edit(h) sagt: In salzburg wurde vor Einführung der karolingischen die rätische Minsukel verwendet. Wie die genau aussieht bzw. wodurch sie definiert wird weiß ich: nicht mehr. Wenn du dir aber nicht ganz sicher mit der karolingischen Minuskel bei der Schrift sein solltest, könnte auch diese zutreffen, zumal es sich beim Ende des 8. Jahrhunderts ja gerade um die Umbruchzeit zur karolingischen Minuskel hin handelt.
 
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Das Incipit wurde wie gesagt in Capitalis Quadrata geschrieben, das wohl durch die Vermittlung der Angelsachsen vor allem als Auszeichnungsschrift verwendet wurde und darin die erste Position in der turonischen Schrifthierarchie einnahm.

Die nächste Zeile ist in der typischen gekünstelten Unziale der Karolingerzeit geschrieben und hatte wie auch die Capitalis seine feste Position in den Auszeichnungsschriften.


Der Textkörper ist natürlich eine karolingische Minuskel. Die insulare Schriften sind entweder viel runder (Halbunziale) oder spitzer bzw. krallenartiger (Minuskel).

Die rätische Minuskel gehört doch eher nach Chur, oder? Sie hatte betonte Brechungen und das Kennzeichen war das T mit geteiltem Deckbalken.

Die Salzburger Schule gehörte eher zu der stark durch Italien beeinflussten bairischen Minuskel und war nach Bischoff durch mehrere französische Schreiber auch stark durch die westfränkische Schrift beeinflusst, was das auch immer heißen soll.
 
In westfränkischen Klöstern (z. B. Corbie) hat es eigene merowingische Schrifttypen vor der karolingischen Reform gegeben, die offenbar die bairische Minuskel (von der ich übrigens nie gehört habe...) beeinflusst haben. Ob die rätische Minuskel nur nach Chur gehört, weiß ich nicht. Was die ostfränkischen Gebiete vor Einführung der karolingischen Minuskel angeht, sind mir nur die alemannische und die rätische Minuskel bekannt. Wenn (der mittlerweile allerdings partiell überholte) Bischoff aber auch von einer bairischen Minuskel spricht, wird es schon seine Richtigkeit haben...
 
Die karolingische Minuskel ist ja als ganzes aus diesen merowingischen Schriften entstanden und die Maurdramnus-Minuskel war ja quasi fast schon eine voll ausgebildete karolingische Minuskel, wie sie dann in der Hofschule entstand.

Der Bezug auf die westfränkischen Schriften beschränkte sich auch auf die Salzburger Schule und den Begriff der bairischen Minuskel verwendet Bischoff nicht. Das war mein Fehler. Es gab mehrer bairische Schulen (Freising, Regensburg, Salzburg), aber eine bairische Minuskel gab es nie.

Aber du hast wahrscheinlich Recht damit. Bischoff meinte wohl tatsächlich, dass durch die Schreiber, die der Bischof Arn aus Saint-Amand mitgebracht hatte (davor gab es auch schon Schreiber aus Saint-Denis), die frühkarolingische Minuskel bereits früh in Salzburg geschrieben wurde im Gegensatz eben zu den rätischen und alemannischen Gebieten.

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Aber eines würde mich noch interessieren. Inwiefern ist Bischoff überholt? Immerhin kam erst letztes Jahr eine neue, erweiterte Auflage heraus (wobei ich noch die 2004er Auflage habe).
 
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Da die Schrift nicht dass "cc-A" <α > sondern das <a> aufweist, ist es ziemlich deutlich die karolingische Minuskel. Im Übrigen ein sehr schön lesbares Dokument.

Edit: Ich beziehe mich natürlich nicht auf die Teile INCIPIT DE PSALMO bzw. Intellectus David.
 
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Aber eines würde mich noch interessieren. Inwiefern ist Bischoff überholt? Immerhin kam erst letztes Jahr eine neue, erweiterte Auflage heraus (wobei ich noch die 2004er Auflage habe).

Einige seiner Begriffe werden von der heutigen Paläographie nicht mehr verwendet. Ich meine mich erinnern zu können, dass die von Bischoff so bezeichnete Capitalis Rustica heute kanonisierte Capitalis genannt wird usw. In jenem Paläographie-Kurs, den ich mal vor Urzeiten besucht habe, ist häufiger auf Unstimmigkeiten zwischen Bischoff und dem aktuellen Forschungsstand erwähnt worden. Insgesamt sind es aber, glaube ich, nur Kleinigkeiten; bei Bischoffs Buch handelt es sich nach wie vor um das paläographische Standardwerk.
 
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