Historisches Trauma?

Scarlett

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Immer wieder stolpert man über diesen Begriff in den unterschiedlichen Epochen und Nationen, etwa der Amerikanische Bürgerkrieg als Trauma für die Amerikaner oder um im 20 Jahrhundert zu bleiben, die Shoah als multinationales Trauma - für die Deutschen im Hinblick auf die Täterschaft einiger Landsleute, sowie für die Juden im Hinblick auf ihren Opferstatus
während des Holocaust.

Wie können nun solche Traumata überwunden werden? In "simpler" Weise durch Aufarbeitung? Und hin und wieder tauchen Reaktivierungen von solchen Traumata auf - kann mir jemand erläutern, wie mir das als Prozess vorzustellen habe?? Wie können Ereignisse die etwa Jahrzehnte zurück liegen, reaktiviert werden, inklusive Traumata und dies von Generationen, die von diesen Traumata nicht direkt betroffen waren??
 
Herzzerreissende Begriffe, Traumata, Trauma.


Solche Begriffe zu verwenden, haben nur unmittelbar Betroffene das Recht.

Man könnte sagen, für die, die das damals miterlebten, war es ein Trauma.

Wer heute über solche Dinge berichtet, sollte sich doch gefälligst einer anderen Wortschöpfung bedienen.

Das klingt immer so " oh Gott, ich Spätgeborener leide so schrecklich, das meine Vorfahren solche Verbrechen begangen haben".
Ich leide nicht. Es ist passiert und ist Geschichte.
 
Wie können nun solche Traumata überwunden werden? In "simpler" Weise durch Aufarbeitung?
Das kommt ganz darauf an, in welcher Art von Störung sich die Traumatisierung zeigt.

Und hin und wieder tauchen Reaktivierungen von solchen Traumata auf - kann mir jemand erläutern, wie mir das als Prozess vorzustellen habe?
Traumatisierungen werden durch einen so genannten Trigger wieder ausgelöst. Trigger sind i.A. Situationen die ähnlich ablaufen, wie das Ereignis, das zur Traumatisierung geführt hat. Bspw. haben viele Menschen, die die Bombenangriffe im WK II miterlebt haben Angst vor Sylvester, weil die Situation vergleichbar ist zu den Bombennächten: es ist dunkel, es kracht und knallt um sie herum und der Himmel wird durch die Sylvesterraketen immer wieder erhellt. An Sylvester können sie sich drauf einstellen, "rechnen" quasi mit einer Wiederholung und können geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen (meine Oma hat sich bspw. immer im Keller verschanzt). Findet nun aber ein Feuerwerk irgendwann während des Jahres statt und die Betroffenen wissen nichts davon, können sich also auch nicht darauf einstellen, dann kann dies als Trigger wirken, sprich, sie sind der festen Überzeugung, dass es sich um einen Bombenangriff handelt und die Traumatisierung kann aufgrund dessen wieder hervortreten.

Wie können Ereignisse die etwa Jahrzehnte zurück liegen, reaktiviert werden, inklusive Traumata und dies von Generationen, die von diesen Traumata nicht direkt betroffen waren??
Das geht allerdings nicht, um traumatisiert zu sein, muss man das konkrete traumaauslösende Ereignis schon miterlebt haben. Was allerdings geht, ist die Übertragung von bspw. Angststörungen durch Sozialisation von einer Generation auf die andere. Sowas funktioniert z.B. durch ständige und wiederholende Konfrontation mit bestimmten Erlebnissen (ist das jetzt die Schnittstelle zur Geschichtspolitik? ;) ), solange bis man diese als eigentlicher Unbeteiligter so sehr verinnerlicht hat, dass man die suggerierte oder offen weitergegebene Angst selbst verinnerlicht hat und entqweder die Angststörung 1:1 übernimmt oder seine "eigene" Angststörung dazu entwickelt.
 
Solche Begriffe zu verwenden, haben nur unmittelbar Betroffene das Recht.

Und ggf. die Psychologen.
Das meinte ich vorhin:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/lebenszeit/640660/

Es kamen Hörer zu Wort, die über ihre heutigen Probleme berichteten. Bei vielen war das wohl über Jahrzehnte "eingeschlossen" und kommt im Alter wieder hoch: Angstzustände, etc., wie schon von Lili beschrieben.

Ich würde Florian beipflichten, eine Beziehung solcher Begriffe auf ganze Generationen (auch der Nichtbetroffenen) zu unterlassen. Allerdings waren auch Jüngere dabei, die von Auswirkungen auf das Familienleben und ihre Jugend in der Nachkriegszeit betroffen waren.
 
Ich sollte zu meinem letzten Beitrag noch etwas hinzu fügen.

Ich meinte die Menschen, die heute eine Art Trauma haben, wenn sie an die Geschichte denken, ohne sie erlebt haben zu müssen.
 
Solche Begriffe zu verwenden, haben nur unmittelbar Betroffene das Recht.
Ich habe etwas den Eindruck, Du hast Scarlett mißverstanden.
Vielleicht hätte sie das Beispiel Shoah nicht bringen sollen - das führt gerade hierzulande schnell zu Reflexreaktionen.

Das Beispiel amerikanischer Bürgerkrieg ist besser, da geht es nicht um das Schuldig-Fühlen von Nachfahren, sondern darum, daß eine Gesellschaft insgesamt mit einer kollektiven Erinnerung schwer fertig wird.

Und wenn man den Begriff "Trauma" nicht zu klinisch-eng faßt (er wird bei uns Historikern ja auch nur als Analogie benutzt), dann gibt es noch deutlich mehr interessante Beispiele:
- das türkische Trauma aus der Osmanenzeit, weitgehend hilfloses Objekt ausländischer Großmacht-Interventionen zu sein (führt zu heutigen Überreaktionen bei EU-Forderungen oder beim Armenier-Thema).
- das serbische-Amselfeld-Trauma (war sehr präsent beim Bosnien- und beim Kosovo-Konflikt).
- das polnische Trauma, zwischen den großen Nachbarn Deutschland und Rußland eingeklemmt, aufgeteilt oder besetzt zu werden (die Folgen hat man sehr gut in den letzten Tagen gesehen).
- das österreichische Trauma mit dem Verlust des Reichs nach dem Weltkrieg (inzwischen halbwegs vergessen, aber bei Identitätsfragen immer noch spürbar).

Wenn es um Scarletts interessante Frage nach Überwindung/Aufarbeitung geht - das ist schwierig.

Das Shoah-Beispiel zeigt, daß die Aufarbeitung bei uns nicht so wirklich geglückt ist und auch zu ziemlichen Verkrampfungen geführt hat, die oft kontraproduktiv wirken.

Es gibt aber auch ein positives Beispiel - die beiderseitigen Traumata in Deutschland und Frankreich wg. ihrer gegenseitigen Feindschaft sind wirklich spurenlos verschwunden.
 
@R.A.: Keine Sorge; ich verfolge Dich keineswegs - dies ist lediglich die dritte Vorlage heute, die Du gegeben hast... ;)

Und wenn man den Begriff "Trauma" nicht zu klinisch-eng faßt (er wird bei uns Historikern ja auch nur als Analogie benutzt), dann gibt es noch deutlich mehr interessante Beispiele:
- das türkische Trauma aus der Osmanenzeit, weitgehend hilfloses Objekt ausländischer Großmacht-Interventionen zu sein (führt zu heutigen Überreaktionen bei EU-Forderungen oder beim Armenier-Thema).
- das serbische-Amselfeld-Trauma (war sehr präsent beim Bosnien- und beim Kosovo-Konflikt).
- das polnische Trauma, zwischen den großen Nachbarn Deutschland und Rußland eingeklemmt, aufgeteilt oder besetzt zu werden (die Folgen hat man sehr gut in den letzten Tagen gesehen).
- das österreichische Trauma mit dem Verlust des Reichs nach dem Weltkrieg (inzwischen halbwegs vergessen, aber bei Identitätsfragen immer noch spürbar).

Dem möchte ich beipflichten und noch ein Beispiel hinzufügen, welches zeigt, wie weit solche Traumata zurückreichen können...
Das Beispiel, welches ich anführen möchte, ist das Trauma der arabisch-islamischen Welt hinsichtlich Reconquista und Orientkreuzzüge - mit starker Wichtung auf letztere.
Die Sichtweise, wonach kultivierte Araber von europäisch-christlichen Barbaren heimgesucht wurden und demnach als alleinige Opfer von grausamem Fanatismus zu sehen sind, ist zwar durch die neuere Forschung bekanntlich längst relativiert worden, wurde und wird aber in islamistischen Kreisen gern bedient bzw. benutzt (zuletzt bspw. von Al Qaida in Auseinandersetzung mit westlichen Staaten und Israel).
Aber ich will das an der Stelle jetzt nicht noch weiter vertiefen, weil wir sonst Gefahr laufen, in politische Diskussionen abzurutschen - und das wollen wir ja nicht...
 
@R.A.: Keine Sorge; ich verfolge Dich keineswegs
Wie heißt es so schön:
"Nur weil Du paranoid bist heißt es noch lange nicht, daß sie NICHT hinter Dir her sind".:grübel:

Das Beispiel, welches ich anführen möchte, ist das Trauma der arabisch-islamischen Welt hinsichtlich Reconquista und Orientkreuzzüge
Das ist insofern ein interessantes Beispiel, weil dieses Traum m. W. erst in sehr neuer Zeit künstlich hergestellt wurde - in den ganzen Jahrhunderten seit Reconquista/Kreuzzügen gab es das gar nicht.
Ist auch irgendwie logisch: Spanien war letztlich ein Randgebiet und die Kreuzzüge endeten mit einem muslimischen Sieg. Und danach kam die osmanische Expansionsphase, es bestand überhaupt kein Grund, sich wegen so einer Episode zu grämen.

Ob dieses "Trauma" heute wirklich in arabischen Ländern weit verbreitet ist oder nur in diverser Propaganda gegenüber dem Westen benutzt wird, ist mir übrigens nicht so klar. Das zu untersuchen dürfte auch nicht so leicht sein.
 
Das ist insofern ein interessantes Beispiel, weil dieses Traum m. W. erst in sehr neuer Zeit künstlich hergestellt wurde...
...
Ob dieses "Trauma" heute wirklich in arabischen Ländern weit verbreitet ist oder nur in diverser Propaganda gegenüber dem Westen benutzt wird, ist mir übrigens nicht so klar. Das zu untersuchen dürfte auch nicht so leicht sein.

Und es ist noch besser: die genannte Sichtweise wurde in früheren Beurteilungen bzw. Bewertungen ja durchaus auch in der westlichen Welt kolportiert. Es ist demnach sogar möglich, daß sie - was dann besonders paradox wäre - aus der westlichen Welt "importiert" wurde bzw. durch Kontakt neu belebt wurde.
 
Meiner Meinung nach kann man bei den Amerikanern doch von Traumata reden, auch bei Ereignissen die für uns Geschichte sind. Dort werden Veteranen doch immer noch hoch gefeiert. Es gibt spezielle Tage an welchen Ereignisse wieder gefeiert werden. In politischen Kampagnen wird erinnert, und zwar immer so, dass das ganze Volk mitfühlen soll.
Auch wir deutschen sind "traumatisiert" durch das dritte Reich. In Deutschland wird Nationalstolz nicht öffentlich gezeigt, man könnte ja ein Nazi sein. Der Nationalfeiertag wird hier längst nicht so gefeiert wir in anderen Staaten. Das ist meiner Meinung nach auch ein "Trauma".
 
Schwere Geschütze die hier gepflegt werden.
Insbesondere Literaten und Journalisten bedienen sich der endlos-schwangeren Traumata für ganze Völker.
Diese Traumata werden von Zeit zu Zeit gepflegt. Sie tragen nicht zur Verständigung nach vorn in die Zukunft bei.
Besonders krass wird diese volksübergreifende "Trauma-Philosophie" bei den in 4.Generation geborenen deutschen Vertriebenen deutlich. Man kann ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen, das Alte Testament spricht von weitaus längeren "Generationentraumatas".
Übrigens: dem DDR-Deutschen wird kein Trauma zugestanden!!
 
Guten Morgen!

Das Shoah-Beispiel zeigt, daß die Aufarbeitung bei uns nicht so wirklich geglückt ist und auch zu ziemlichen Verkrampfungen geführt hat, die oft kontraproduktiv wirken.
Die Aufarbeitung ist ja auch noch nicht zu Ende. Manchmal habe ich das Gefühl, sie beginnt gerade erst.

Es gibt aber auch ein positives Beispiel - die beiderseitigen Traumata in Deutschland und Frankreich wg. ihrer gegenseitigen Feindschaft sind wirklich spurenlos verschwunden.
Spurenlos? Das möchte ich bezweifeln. Bekannte von mir haben ein Dachauer Autokennzeichen und haben mir berichtet, dass "leider ganz plötzlich" kein Hotelzimmer für sie frei war, als man ihr Auto da geparkt sah. Anderen Frankreichurlaubern - ebenfalls mit Dachauer Kennzeichen - sei es ebenso ergangen.

Gut, ich war nicht dabei und kenne die Geschichte nur aus der Erzählung. Trotzdem, "spurenlos verschwunden" ist da gar nichts.

Schöne Grüße

Petra
 
Spurenlos? Das möchte ich bezweifeln. Bekannte von mir haben ein Dachauer Autokennzeichen und haben mir berichtet, dass "leider ganz plötzlich" kein Hotelzimmer für sie frei war, als man ihr Auto da geparkt sah. Anderen Frankreichurlaubern - ebenfalls mit Dachauer Kennzeichen - sei es ebenso ergangen.

Gut, ich war nicht dabei und kenne die Geschichte nur aus der Erzählung. Trotzdem, "spurenlos verschwunden" ist da gar nichts.

Schöne Grüße

Petra

Na, liebe Petra.
Das würde ich wohl eher in das Fach Phantasie ablegen.
Ich würde bei DAH nicht spontan auf Dachau kommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hurvinek schrieb:
Besonders krass wird diese volksübergreifende "Trauma-Philosophie" bei den in 4.Generation geborenen deutschen Vertriebenen deutlich. Man kann ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen, das Alte Testament spricht von weitaus längeren "Generationentraumatas".
Also ich habe diesbezüglich kein Trauma (soweit ich das einschätzen kann), obwohl meine Großeltern allesamt Heimatvertriebene waren.

Hurvinek schrieb:
Übrigens: dem DDR-Deutschen wird kein Trauma zugestanden!!
Den politischen Häftlingen ganz sicher doch. Bei den "normalen" Menschen ist das etwas komplizierter. Da werden wohl vor allem die jenigen traumatisiert gewesen sein, die an den Staat geglaubt haben und für die im Zuge der Wende eine Welt zusammenbrach - denke ich. Ich habe dagegen die Wende als das beste empfunden, was ich bis dahin erlebt hatte und war statt dessen euphorisiert.

Petra 44 schrieb:
Die Aufarbeitung ist ja auch noch nicht zu Ende. Manchmal habe ich das Gefühl, sie beginnt gerade erst.
Was die Massengräber der Sowjets angeht, die nach dem 2. Wk in der SBZ angelegt wurden, stimmt das sogar. In der DDR durfte man nicht einmal andeuten, daß die Sowjets die KZs der Nazis jahrelang weiter betrieben, da wurde gleich mit Bauzen gedroht - habe ich selbst miterlebt bei einem Klassenkameraden, der so eine Andeutung machte. Und nach 1990 wurde in der Politik auch nicht sehr laut darüber geredet - aus Rücksicht gegenüber Russland, da man die Beziehungen nicht belasten wollte.
Die Naziverbrechen dagegen sind mMn aufgearbeitet und es gibt hier auch keinen Nachholebedarf, es ist jetzt nur wichtig, der Jugend diese Zeit anschaulich darzustellen, damit nichts in Vergessenheit gerät.
 
Hallo,

das mit den KZs, die von den Sowjets "weiter betrieben" wurden, höre ich zum ersten Mal. Welche waren das denn?

Die Naziverbrechen dagegen sind mMn aufgearbeitet und es gibt hier auch keinen Nachholebedarf, es ist jetzt nur wichtig, der Jugend diese Zeit anschaulich darzustellen, damit nichts in Vergessenheit gerät.
Na ja. Es erscheinen immer noch ständig neue Bücher bzw. Videos. Man könnte das gar nicht alles lesen, selbst wenn man wollte. ... Und nur, weil ein Buch erst sehr spät erschienen ist, heißt das ja nicht, dass es deswegen weniger interessant ist.

Ich denke, die Aufarbeitung der Vergangenheit geschieht phasenweise. In den 80er Jahren gab es noch einmal einen riesigen "Schwung" neuer Bücher, Gedenkstätten, etc. Spontan fällt mir jetzt beispielsweise das EL-DE-Haus in Köln oder das CANDLES-Museum in den USA ein. Das finde ich deshalb bemerkenswert, weil der 2. WK zu dieser Zeit ja auch bereits 40 Jahre zurücklag.

Inzwischen gibt es wieder eine neue "Welle" an Vergangenheitsbewältigung.Auf einer Website nannte man das "testimony of the 11th hour" oder so. Leider habe ich den Link jetzt wieder verblättert, aber da braucht man auch keinen Link, um zu wissen, dass die Zeit knapp wird.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass sich einige erst jetzt - bevor es zu spät ist - dazu entschließen können, ihre Geschichte zu erzählen. Und jede Geschichte bringt etwas Neues.

Ich erwarte mir zwar keine grundlegend neuen Erkenntnisse mehr - aber das heißt ja nicht, dass zusätzliche Aussagen bzw. Dokumente von Zeitzeugen uninteressant wären.

Der Jugend diese Zeit "anschaulich darzustellen" ist die eine Sache. Das ist sicher sehr wichtig. Man kann sich im Zeitalter der Billigflieger gar nicht mehr vorstellen, dass man damals teilweise ein Visum oder einen Passierschein für eine Reise von wenigen Kilometern brauchte - und diesen Schein nicht immer bekam!

Die andere Sache ist es, das Geschehene wirklich zu verarbeiten. Das ist es schon? Da möchte ich widersprechen. Wenn alles verarbeitet ist, warum gibt es dann in Israel einen Holocaust-Gedenktag? Das ist ja nicht einfach nur irgend so ein Feiertag, wo man sich freut, dass man nicht arbeiten muss!

Schöne Grüße

Petra
 
Hallo,

das mit den KZs, die von den Sowjets "weiter betrieben" wurden, höre ich zum ersten Mal. Welche waren das denn?

Buchenwald ist sehr bekannt:

http://www.buchenwald.de/ schrieb:
Das sogenannte Speziallager 2 Buchenwald, errichtet im August 1945, war eines der insgesamt 10 Lager und drei Gefängnisse in der sowjetischen Besatzungszone, die von der Besatzungsmacht zur Internierung von Deutschen benutzt wurden.

Der sowjetische Sicherheitsdienst führte die vorhandenen Baulichkeiten des Konzentrationslagers weiter und lieferte zunächst Menschen aus der Region ein. Bis zum Jahresende 1945 wuchs die Anzahl der internierten Personen auf fast 6000 an. Nach bisherigen Recherchen befanden sich unter den Internierten: eine kleine Gruppe von Hauptschuldigen an den NS-Verbrechen, eine größere Anzahl kleiner und mittlerer ehemaliger Funktionäre der NSDAP, des nationalsozialistischen Staates und der Wirtschaft, eine Gruppe von Mitgliedern der Hitlerjugend oder Hitlerjugendführer, Angehörige der Waffen-SS, Polizeiangehörige und Offiziere der Wehrmacht sowie eine Vielzahl von Personen, die infolge von Denunziationen, Verwechslungen und willkürlichen Festnahmen in das Lager gekommen waren. Unter den zwischen August 1945 und Februar 1950 im Speziallager 2 gefangengehaltenen 28455 Menschen (offizielle sowjetische Angabe) gab es auch etwa 1000 Frauen. Bisherigen Forschungsergebnissen zufolge blieb der Anteil neuer politischer Gegner der Besatzungsmacht und der in der östlichen Besatzungszone entstehenden politischen Ordnung gering. Mehrfach wurde das Lager mit Transporten aus anderen, aufgelösten Internierungslagern aufgefüllt. Die höchste Belegung hatte das Speziallager 2 im Frühjahr 1947 mit 16371 Inhaftierten. Etwa 1500 Personen wurden, vornehmlich zum Arbeitseinsatz, in die UdSSR gebracht.

Die sowjetische Lagerleitung bestand aus dem Natschalnik, seinem Stellvertreter, einem Kommandanten, aus der für Überwachung und Vernehmungen verantwortlichen sogenannten operativen Gruppe und einer relativ kleinen Wachttruppe. Für die inneren Abläufe des Lageralltags, zum beträchtlichen Teil auch für die dringende medizinische Versorgung, mußten Internierte selbst sorgen. Es gab eine Lagerordnung. Minimale Haftzugeständnisse, zu denen der Kontakt mit Angehörigen auf Brief- oder Besuchsbasis zählt, wurden nicht gewährleistet. Es fand auch keine Feststellung des Schuldumfangs der einzelnen Internierten statt.

Körperliche Mißhandlungen durch sowjetische Sicherheitskräfte begleiteten oft die Verhaftung und Vernehmung, selten aber den Alltag im Lager. Die Internierten litten unter Enge, Ungeziefer und Kälte. Neben Tuberkulose und Dystrophie gab es durch schlechte hygienische Bedingungen eine Vielzahl von Hautkrankheiten und Ödemen. Wegen der vollständigen Isolierung von der Außenwelt, der Nichtbeschäftigung und Perspektivlosigkeit gehörten Depressionen zu den häufigen psychischen Krankheiten, die den körperlichen Zusammenbruch beschleunigten. Am gravierendsten prägten Hunger und Isolierung den Alltag. Durch die vorübergehende Kürzung der schmalen Rationen im Winter 1946/47, als die Ernährungslage im Speziallager 2 den Tiefstand erreichte, setzte ein Massensterben ein.

Die zeitweise katastrophalen Zustände in den sowjetischen Speziallagern führten zu einer hohen Sterblichkeit. Im Speziallager 2 Buchenwald starben offiziellen sowjetischen Dokumenten zufolge 7113 Menschen. Sie wurden in Massengräbern beerdigt. Die Angehörigen erhielten keine offizielle Benachrichtigung.

Die größte Entlassungswelle gab es im Juli/August 1948. Ab 16. Januar 1950 begann die Auflösung des Lagers, die einen Monat später ihren Abschluß fand. 2415 Personen wurden der DDR-Justiz übergeben, die sie in den berüchtigten "Waldheim-Prozessen" aburteilte, die übrigen entlassen.

Dann Sachsenhausen, ist auch nicht unbekannt:

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
 
Auch die Stalags (Kriegsgefangenenlager für alliierte und osteuropäische Soldaten) im Osten wurden zu NKWD-Lagern (damals Geheimdienst der Sowjetunion) umfunktioniert.
In meiner Heimatstadt im NKWD-Lager starben in drei Jahren von 1945 bis 1948 über 5000 Männer, Frauen und Jugendliche. Im Zeitraum zwischen 1939 bis 1945 unter deutscher Aufsicht starben ca. 2000 Soldaten.
UOKG - Union Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft

Zu DDR-Zeiten gab es das Thema nicht öffentlich oder offiziell, weil die Sowjetunion als eines der "friedliebendsten" Länder im Osten verehrt werden musste und "Befreier" (vom Faschismus) faktisch nicht als Verbrecher galten konnten.
 
Danke Ursi und Hurvinek, genau das meinte ich. In meiner näheren Umgebung ist auch so eine Gedenkstätte - Sachsenhausen.
Übrigens habe ich mal vor Jahren in einer Doku im Fernsehen ein Interviev mit einem ehemaligen Häftling gesehen, der bei den Nazis bereits im KZ saß und bei den Russen gleich danach auch wieder - aber das war wohl eher ein Einzelfall.
 
Petra 44 schrieb:
Die andere Sache ist es, das Geschehene wirklich zu verarbeiten. Das ist es schon? Da möchte ich widersprechen. Wenn alles verarbeitet ist, warum gibt es dann in Israel einen Holocaust-Gedenktag? Das ist ja nicht einfach nur irgend so ein Feiertag, wo man sich freut, dass man nicht arbeiten muss!
Ja, mit dem Holocaust-Gedenktag ist das schon so eine Sache. Einerseits hat dieser Tag aus der Sicht Israels durchaus seine Berechtigung, da die Gründer dieses Staates zu einem großen Teil aus Menschen bestand, die aus Deutschland kamen und vor den Nazis geflüchtet waren. Und da dieser Tag als nationaler Gedenktag eingerichtet wurde, ist auch kaum anzunehmen, daß er irgendwann wieder abgeschafft wird - auch in 100 Jahren nicht, obwohl diese Zeit dann niemand mehr miterlebt hat. Somit wird er dort wohl einen ähnlichen Status bekommen, wie bei uns z. B. Karfreitag.
 
Danke für die Infos über die "Weiterverwendung" der bereits bestehenden KZs durch die Kommunisten. :nono: Man lernt nie aus. Bis jetzt habe ich mich - um mich nicht allzusehr zu verzetteln - hauptsächlich auf Berichte aus Auschwitz konzentriert, daher ist mir so etwas auch noch nicht begegnet.

Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, wurde Dachau doch auch als KG-Lager genutzt, oder?

Übrigens, um noch einmal darauf zurückzukommen, wie die Shoa noch nachwirkt. Ich weiß nicht, ob ich euch einmal erzählt habe, dass ich begonnen habe, Hebräisch zu lernen - in der irrigen Annahme, das sei nicht so schwer. :scheinheilig:

Nun ja, ich musste einmal im Unterricht folgenden Satz vorlesen (wir befinden uns im Jahr 1942): "Meine Großmutter und mein Großvater blieben in Warschau. Ich weiß nichts über ihr Leben zur Zeit des Krieges, und ich weiß auch nichts über Warschau." Da ich an den vielen neuen Vokabeln genug zu "knabbern" hatte, verstand ich diesen Satz erst, nachdem ich ihn vorgelesen hatte. Meine Mitschüler verstanden ihn offenbar gleich. Und ihre (nonverbalen) Reaktionen gaben mir nicht das Gefühl, hier etwas angesprochen zu haben, das "vor sehr langer Zeit" passiert ist.

Vielleicht kann ich es nicht so gut in Worte fassen. Aber ich kann mich noch sehr gut an die Atmosphäre im Raum erinnern. Die Shoa ist nicht irgend etwas, das irgendwann vor langer Zeit einmal passiert ist. Die Gefühle sind immer noch lebendig. Man kann natürlich die Augen davor verschließen und so tun, als sei das nicht so. Oder man kann genauer hinsehen.

Schöne Grüße

Petra
 
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