Hitler-Comic an Schulen -- Gut oder Schlecht?

Jagdflieger

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Hallo!

Ich würde gern eure Meinung zu diesem Thema wissen.

Ich selbst bin noch etwas hin und her gerissen. Auf der einen Seite finde ich die Idee gut, da das Thema Nationalsozialismus so vielleicht etwas verständlicher wird (zumindest für die, die Geschichte in der Schule als nowendiges Übel ansehen). Auf der anderen Seite kann es aber passieren, dass die Schüler den Nationalsozialismus nicht mehr so ernst nehmen, da diese Zeit als fröhlich buntes Comic dargestellt wird.
 
Ich habe mir Auszüge aus dem Comic des Anne Frank Zentrums angesehen. Und ich finde es nicht schlecht den Jugendlichen (Zielgruppe 13. bis 15. jährige) die Zeit zwischen 1933 und 1945 so näher zu bringen.

So wie ich aus diesen Auszügen erkennen kann (man müsste den ganzen Comic lesen) wird schon versucht diese Zeit historisch richtig Darzustellen und wird nicht ins lächerliche gezogen.

Es kommt wohl auch darauf an, wie der Comic in den Schulen eingesetzt und wie damit gearbeitet wird.

Hier noch der Link zum Anne Frank Zentrum:
Anne Frank Zentrum, Berlin: Pilotprojekt mit Schulen - Comics zur Vermittlung des Holocaust

Auszüge des Comics, kann man auf Bild online (ich weiss) sehen:

Bild.de
 
Die Idee ist ja nicht neu. Ich erinnere mich an eine britische Comicserie, die Themen wie "Französische Revolution für Anfänger", "Marx oder Machiavelli für Anfänger" Die Comics waren sehr informativ und lustig gezeichnet, wobei sie sich offenbar auf eine erwachene Kliebtel spezialisierten.
 
ich habe mir jetzt die Comic-Auszüge angesehen, Danke Ursi für den Link!

Schlecht finde ich es nicht - sehr detailgetreu gezeichnet. Allerdings weiß ich nicht, ob es ein Comic schafft,
1. Geschichtsmuffel anzusprechen,
2. ewig gestrige von ihrem Irrglauben abzubringen.

Dennoch: eine gute Idee
 
Es gibt noch einen anderen Comic zu Hitler, zu dem ich leider auf die Schnelle nichts finden konnte. Der Stil ist realistischer und von Buntstiften geprägt und mehr als Lebenslauf angelegt. Daher insgesamt etwas trockener/seriöser.
Es gibt auch einen Comic der sich genauer mit dem Holocaust auseinandersetzt und dabei die Gestaltungsmittel des Comics (z.B. Anordnung von Sprechblasen als Hakenkreuz) intensiver ausnutzt: Die Vernichtung der europäischen Juden als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHMs
Maus – Die Geschichte eines Überlebenden - Wikipedia
Maus 1

@Jagdflieger,
fröhlich bunt wirkt der Comic nicht und dies ist auch kein zwingendes Merkmal dieses Genre (siehe 300, der aber eine völlig andere Intention hat)
 
Also, nachdem ich mir die Probebilder angesehen habe, muss ich feststellen, dass dieser Comic für die Schule zwar gut ist... jedoch sicher nicht für 13-15jährige. Sie würden ihn nicht ernst nehmen, da er sehr nach "Schulbuchverlag" aussieht und klingt.

Themistokles war leider schneller als ich... ich finde nämlich, dass der von ihm genannte Comic MAUS (Teil 1: Mein Vater kotzt Geschichte aus und Teil 2: Und hier begann mein Unglück) von Art Spiegelman wesentlich anspruchsvoller und somit interessanter wäre. Ich habe den damals mit dreizehn Lenzen aus der Bibliothek ausgeliehen und mich noch mit der Bibliothekarin streiten müssen, weil ich den aus der Erwachsenenbücherei geholt habe :D.

Der Comic ist mehr als gut zu lesen, vor allem ist die Rahmenhandlung dabei auch nicht zu kurz gekommen... Ich hab erst vor kurzem wieder daran denken müssen und ihn zu Hause... bin auch wieder fleißig dabei, ihn zu verschlingen :D
 
ich habe mir jetzt die Comic-Auszüge angesehen, Danke Ursi für den Link!

Schlecht finde ich es nicht - sehr detailgetreu gezeichnet. Allerdings weiß ich nicht, ob es ein Comic schafft,
1. Geschichtsmuffel anzusprechen,
2. ewig gestrige von ihrem Irrglauben abzubringen.

Dennoch: eine gute Idee

Zu 1: Das kommt auf die Geschichtsmuffel an. Viele Schüler sind Geschichtsmuffel, weil sie einen langweiligen Geschichtsvortrag serviert bekommen: Lehrervortrag, Verfassertext lesen, die Ergebnisse ins Heft diktiert bekommen - Das würde ich auch langweilig finden. Leider gibt es noch viele Lehrer, die so unterrichten.
Mit interessanten Methoden (Stationenarbeit, Projektarbeit, Diskussion, Rollenspiel etc.) kann auch Geschichtsmuffel für Geschichte begeistern, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Warum soll das nicht auch mit einem Comic klappen?

Zu 2: Das ist ein illusorisches Ziel! Ewiggestriges Gedankengut kommt nicht von nichts. Das kommt immer von außerhalb, z.B. von den Eltern, der NPD-Jugendgruppe etc. Wenn ein Schüler erstmal mit diesen Ideen vergiftet worden ist, ist es ganz schwer, solche Ansichten zu ändern.
Der Geschichtsunterricht kann aber verhindern, dass auch andere Schüler von rechtem Gedankengut vergiftet werden. Zum einen müssen die Lügen der Rechten als Lügen enttarnt werden. Wenn die Schüler die Mechanismen der Propaganda verstanden haben, fallen sie nicht mehr so leicht darauf herein. (Das Experiment aus "Die Welle" ist ein solcher Versuch, der jedoch völlig aus dem Ruder gelaufen ist.)
Zum anderen müssen die Schüler zu Toleranz gegenüber anderen erzogen werden. Am besten funktioniert dies, wenn der Kontakt zu anderen Kulturen hergestellt wird. Die Schule kann durch Schüleraustausche hierbei helfen.
 
Aber es kann doch auch folgendes passieren:

Die Klasse hat das Comic im Unterricht gelesen und irgendwann malt ein Schüler dieser Klasse ein Hakenkreuz in sein Heft, Hefter, Tagebuch usw. und der Lehrer sieht das. Nun fragt der Lehrer natürlich was das soll und da Antwortet der Schüler: "was ham sie denn, es is doch nur 'ne Karikatur." Was soll der Lehrer da jetzt machen?

Ich bin selbst Schüler und habe es schon oft genug erlebt, dass andere irgendwelche NS-Zeichen gemalt haben, ob auf Zettel oder an die Tafel (in der Pause) oder sonst wo hin. Es ist nun mal so, dass sich viele in meinem Alter gar keine Gedanken mehr darüber machen was das Zeichen eigentlich bedeutet und da denke ich, wenn diese Typen so ein Comic (welches historisch alles richtig darstellt, keine Frage) lesen, dass die sich dann überlegen: "och, da könn wir ja auch die Hakenkreuze malen und sagen es is nur 'ne historische Zeichnung oder 'ne Karikatur." Das sollte man vielleicht bedenken bevor man ein solches Comic an Schulen einsetzt. Man müsste erst das falsche Gedankengut aus den Köpfen bringen und dann kann man an ein Comic denken.
 
Mir kommen Bedenken beim Ansehen der Beispiele , aber ich bin kein
Pädagoge und weiss nicht , ob man so erfolgreicher Grundwissen ver-
mitteln kann.

Vor allem ist Comic aller Art für die Schüler ein lange bekanntes Medium.
Sie wissen , das es Unterhaltung , Überspitzung und viel Erfindung ist -
etwa Mickey Mouse , Fix und Foxi u.a.
Jetzt sollen sie einen Comic- Inhalt ernst nehmen - wird das gelingen ?

Auf jeden Fall muss man sehr sorgfältig analysieren , ob die
Wissensvermittlung auf diese Art gelingt , ich hoffe , dies ist bereits bei
dem Projekt inbegriffen.
 
Aber es kann doch auch folgendes passieren:

Die Klasse hat das Comic im Unterricht gelesen und irgendwann malt ein Schüler dieser Klasse ein Hakenkreuz in sein Heft, Hefter, Tagebuch usw. und der Lehrer sieht das. Nun fragt der Lehrer natürlich was das soll und da Antwortet der Schüler: "was ham sie denn, es is doch nur 'ne Karikatur." Was soll der Lehrer da jetzt machen?

Ich bin selbst Schüler und habe es schon oft genug erlebt, dass andere irgendwelche NS-Zeichen gemalt haben, ob auf Zettel oder an die Tafel (in der Pause) oder sonst wo hin. Es ist nun mal so, dass sich viele in meinem Alter gar keine Gedanken mehr darüber machen was das Zeichen eigentlich bedeutet und da denke ich, wenn diese Typen so ein Comic (welches historisch alles richtig darstellt, keine Frage) lesen, dass die sich dann überlegen: "och, da könn wir ja auch die Hakenkreuze malen und sagen es is nur 'ne historische Zeichnung oder 'ne Karikatur." Das sollte man vielleicht bedenken bevor man ein solches Comic an Schulen einsetzt. Man müsste erst das falsche Gedankengut aus den Köpfen bringen und dann kann man an ein Comic denken.

Diese Ausrede wäre schon ziemlich blöd, da nicht das Symbol die Karikatur ausmacht, sondern der Kontext, also das Drumherum. Ein Haken- oder Keltenkreuz, eine (Doppel)Rune etc. alleine stehen erstmal nur für das, was der Zeichner damit verbindet. Was er aber damit verbindet ist gesellschaftliche Konvention. Wenn heute jemand ein Hakenkreuz zeichnet, kann er sich nicht damit rausreden: "Och, ich wollte ~nur mal so~ ein Zeichen malen", denn das Zeichen ist besetzt und jeder kennt es. Das ist so ähnlich als würdest Du sagen: "Ab heute ist Wald für mich nicht mehr das Wort für eine Ansammlung von Bäumen und Büschen sondern ein Parkverbotsschild." So wird also aus einem Hakenkreuz keine Karikatur. Eine Karikatur wird daraus, wenn Du das Hakenkreuz in einem ungewöhnlichen Kontext darstellst. Etwa, wenn eine wehende Hakenkreuzfahne die Massen direkt in den Abgrund führt, oder ein abgeschlagener Baum, dessen hakenkreuzförmige Wurzeln neue Triebe bilden.
 
Aber es kann doch auch folgendes passieren:

Die Klasse hat das Comic im Unterricht gelesen und irgendwann malt ein Schüler dieser Klasse ein Hakenkreuz in sein Heft, Hefter, Tagebuch usw. und der Lehrer sieht das. Nun fragt der Lehrer natürlich was das soll und da Antwortet der Schüler: "was ham sie denn, es is doch nur 'ne Karikatur." Was soll der Lehrer da jetzt machen?
Dem Schüler klar machen, dass es in dieser Form schlichtweg ein Verfassungsfeindliches Symbol ist und ihn fragen, was er hiermit karikieren möchte. Außerdem beim behandeln von Methoden (z.B. Interpretation von Karikaturen) verdeutlichen, was eine Karikatur ausmacht.

Vor allem ist Comic aller Art für die Schüler ein lange bekanntes Medium.
Sie wissen , das es Unterhaltung , Überspitzung und viel Erfindung ist -
etwa Mickey Mouse , Fix und Foxi u.a.
Jetzt sollen sie einen Comic- Inhalt ernst nehmen - wird das gelingen ?

Auf jeden Fall muss man sehr sorgfältig analysieren , ob die
Wissensvermittlung auf diese Art gelingt , ich hoffe , dies ist bereits bei
dem Projekt inbegriffen.
Ein Schüler, der bereits so stark reflektiert, dass er die Eigenschaften von Unterhaltungscomics erkannt hat, wird auch einsehen, dass es noch andere Arten von Comics gibt. Diese Fähigkeiten gehen nämlich imho einher mit der Angewohnheit Fragen zu stellen ("War das wirklich so?") und an der Stelle kann der Lehrer bestätigen und ergänzen.

Ähnlich sieht es doch bei Fernsehserien aus. Sie sind zwar hauptsächlich zur Unterhaltung gedacht, aber gleichzeitig gibt es auch Formate wie "Es war einmal der Mensch..." (Die haben den Holocaust nicht thematisiert, oder?), die zwar eher auf die friedlichen Seiten der Geschichte konzentriert sind, aber auch als wesentliches Ziel die Informationsvermittlung haben.
 
Mir kommen Bedenken beim Ansehen der Beispiele , aber ich bin kein
Pädagoge und weiss nicht , ob man so erfolgreicher Grundwissen ver-
mitteln kann.

Vor allem ist Comic aller Art für die Schüler ein lange bekanntes Medium.
Sie wissen , das es Unterhaltung , Überspitzung und viel Erfindung ist -
etwa Mickey Mouse , Fix und Foxi u.a.
Jetzt sollen sie einen Comic- Inhalt ernst nehmen - wird das gelingen ?

Auf jeden Fall muss man sehr sorgfältig analysieren , ob die
Wissensvermittlung auf diese Art gelingt , ich hoffe , dies ist bereits bei
dem Projekt inbegriffen.

Der Comic ist eben nicht nur harmlose Kinderliteratur, sondern seit seiner Erfindung ein vielfältiges Medium dessen Charakter darin besteht, dass er konsequent Bild und Text fortlaufend vermengt, was es vorher nur in Ansätzen gab (Spruchbänder in gotischen Gemälden, Gebäudeinschriften in klassizistischen Gemälden etc.). Es gibt da ein tolles Buch eines amerikanischen Comicbuchautoren, der den Comic literaturwissenschaftlich beschreibt: in der Form des Comics.
 
Es gab schon immer verschiedene Arten von Comics. Das weiß heute jeder Fünftklässler der sich Mangas kauft. Gerade die japanische Version der Comics ist bekannt dafür, oft Weltuntergangsszenarien zu thematisieren (Bsp: Neon Genesis Evangelion, X, usw). Der Hype um diese Comics begann m.E. nicht deshalb, weil der Zeichenstil allgemein anders ist, sondern dass diese Comics wesentlich ernster sind, als z.B. eine Mickey Maus, ein Donald Duck, Lucky Luke und Asterix und Obelix, die dem Empfinden nach auch eher für Kinder geeignet sind... sie sind witzig, zeigen aber Gewalt nicht in ihrer ganzen Grausamkeit (im Gegensatz zu einigen anderen Comics, wie z.B. die aus dem Hause Marvel). Sie fühlen sich da wohl etwas eingeschränkt, darum lesen sie Mangas: die meisten Eltern interessieren diese "japanischen Dinger" nicht (Das war übrigens O-Ton meine Eltern *Anm.*), heißt: auch der Inhalt interessiert sie nicht...

Wie ich bereits gesagt habe, gefällt mir an dem Comic, den man hier einführen will nicht, dass er wirlkich aussieht, wie von einem Schulbuchverlag entworfen und gedruckt. Es mag ja eine Abwechslung sein, aber es wird von den Schülern mit Sicherheit als "Schulbuch" abgestempelt... jeder der mal Schüler war, weiß, was das bedeutet: Schulbuch = langweilig. Da haben sich Leute hingesetzt und etwas pädagogisch Wertvolles produziert, das jetzt gelesen werden muss.

Darum auch meine Aussage, MAUS von Art Spiegelman wäre besser: Es ist ein ganz anderes Gefühl, etwas im Unterricht zu lesen, was nicht extra für den Unterricht geschrieben wurde. Vermittelt man den Schülern noch den Hintergrund des Werkes ( Spiegelman versucht mit der Vergangenheit seines Vaters und auch seiner Mutter in Auschwitz zurechtzukommen, mit dem, was diese Vergangenheit aus ihnen gemacht hat), denke ich kommt man viel weiter in die Köpfe als durch "die Suche".

Allgemein halte ich die Idee, einen Comic im Unterricht zu lesen, sehr gut. Es frischt den gemeinhin eher trockenen Unterricht ein wenig auf. :yes:
 
Habe den Comic in Amsterdam mal in der Hand gehabt. Als Herge-Verehrer schätzte ich, dass sein "Ligne-claire"-Stil hier 100%ig umgesetzt wurde. Sieht wirklich so aus, als habe sein Geist hier die Feder geführt. Um wirklich in die Geschichte reinzukommen, fehlte mir die Zeit. Klar ist, dass der Comic nicht das Genie und die Komplexität von "Maus" erreicht, aber das ist vielleicht auch etwas zu viel verlangt.
 
Übrigens hat auch Charlie Chaplin seiner Zeit in "Der Diktator" Hitler parodiert und ich finde, es war ein sehr gelungener Film. Es kommt dabei sehr darauf an, wie man es macht, dann kann es durchaus gut sein.
 
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