Holocaustleugnung

Vizzler

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Hallo!

Ich habe mir in letzter Zeit einige Dokus über Holocaust und Neonazis etc. angesehen und da kam folgende Frage auf:
Neonazis leugnen lt. allen mir bekannten Quellen im Internet (persönlich kenne ich keinen) den Holocaust oder mildern ihn zumindest ab. Die Frage ist nun warum tun sie das? Müssten sie nicht "stolz" darauf sein was damals passiert ist?
Ich meine sie leugnen ja etwas was Adolf Hitler seinerzeit offen immer ausgesprochen hat!?
 
Hier scheinen sich sowohl Neo- als auch die längst verstorbenen Altnazis nicht ganz einig zu sein. Die Einen leugne(te)n, die Anderen sind, bzw. waren (zumindest unterschwellig) stolz darauf. Und mittendrin gibt es noch die erbärmlichen Feilscher um mehr oder weniger Millionen ermordeter Menschen.
 
Die Haltung läßt sich in drei Sätzen zusammenfassen:
1. Der Holocaust hat nie stattgefunden.
2. Er sollte umgehend wiederholt werden.
3 Und übrigens war der Führer mit dem Pack noch viel zu gnädig.

Was die Leugner angeht: bei etlichen ist das Leugnen nur nach außenhin, weil sie wissen, daß sie mit Billigung solcher Taten in der Öffentlichkeit noch verschissener hätten als so. Intern reden sie ganz anders
 
Hallo!

Ich habe mir in letzter Zeit einige Dokus über Holocaust und Neonazis etc. angesehen und da kam folgende Frage auf:
Neonazis leugnen lt. allen mir bekannten Quellen im Internet (persönlich kenne ich keinen) den Holocaust oder mildern ihn zumindest ab. Die Frage ist nun warum tun sie das? Müssten sie nicht "stolz" darauf sein was damals passiert ist?
Ich meine sie leugnen ja etwas was Adolf Hitler seinerzeit offen immer ausgesprochen hat!?

Ich denke, dass diese etwas schizophrene Haltung vor allem damit etwas zu tun hat, dass es in Deutschland (glücklicherweise) nicht möglich ist, den Holocaust offen anzupreisen. Nicht nur aus gesellschaftlichen, sondern auch aus rechtlichen Gründen.
Demnach bleiben denjenigen, die dieses Weltbild fernhin vertreten im Grunde genommen zwei Strategien, ihren Standpunkt öffentlich zu behaupten:

1. Das Thema vom Tisch bekommen um nicht in die Falle des Widerspruchs zwischen ihrem Weltbild und der strategischen Notwendigkeit dieses selbst zu verdammen um politisch in Deutschland überleben zu können, zu geraten.
2. Wenn 1. nicht funktioniert, das Thema so weit als möglich zu entschärfen um sich aus der oben benannten Fall irgendwie heraus zu winden.
 
Rein strafrechtlich macht es keinen Unterschied, ob jemand den Holocaust leugnet, billigt oder verharmlost. Das fällt unter Volksverhetzung §130 Abs 3 StGB.
Da sollte man auch nicht mit Strafanzeigen zögern.
 
Rein strafrechtlich macht es keinen Unterschied, ob jemand den Holocaust leugnet, billigt oder verharmlost. Das fällt unter Volksverhetzung §130 Abs 3 StGB.
Da sollte man auch nicht mit Strafanzeigen zögern.
In der Bewertung nicht, wenn es als solches betrachtet wird, aber da sind bei Verharmlosungen sicherlich Grauzonen vorhanden, die so bei direkter Billigung nicht exisitieren.
Wenn da nicht die Tatsache an und für sich in Frage gestellt wird, sondern nur die genannten Zahlen, wird man dem Postulanten schon eine entsprechende Absicht nachweisen müssen, schon deswegen weil im Verlauf der Zeit ja verschiedene Untersuchungen bei verschiedenen definitiven Opferzahlen und Schätzungen landeten.

Folglich besteht für Verharmlosungsabsichten noch immer ein gewisser Spielraum.
Das schire abstreiten einer bestimmten Zahl, ohne eigene in die Welt Setzung jedem Forschungsergebnis widersprechender offensichtlich viel zu niedriger Zahlen unter Beruf auf ältere Publikationen dazu, die nicht aus rechtlichen Gründen, betreffs Volksverhetzung, aus dem Verkehr gezogen wurden, dürfte an und für sich schwerlich zu untersagen sein,
Das wird die Hürden einer strafrechtlichen Würdigung für eine einigermaßen geschickt angestellte Verharmlosung gegenüber der für direkten Anpreisen, jedenfalls einmal deutlich erhöhen.

Und um da nicht falsch verstanden zu werden, selbstredend sollte da, wo immer es geht, strafrechtlich gewürdigt und zur Anzeige gebracht werden.
Technisch wird es dennoch Unterschiede machen.
 
Die Frage ist nun warum tun sie das?

Die Argumentation ist ein wenig komplexer und hat sich auch verändert, seit dem Ende des NS-Systems.

Lieske beschreibt die Strategie am Beispiel des Umgangs der extremen Rechten mit der Gedenkstätte Sachsenhausen. Die Haltung zum Genozid im Rahmen des Holocaust ist dabei eingebettet in einen "Masternarrativ". Dieser orientiert sich an dem Leitbild der "Siegergeschichtsschreibung" und der damit verbundenen Vorstellung, dass im Zuge der "Reeducation" den Deutschen durch die Sieger ein "falsches", weil auf "Lügen" aufgebautes Geschichtsbild vermittelt worden ist. Das Ziel der Reeducation war, den Deutschen einen "Schuldkult" zu vermitteln, der politische gegen Deutschland instrumentalisiert werden kann.

Man erkennt, dass auch diese Sicht auf die Geschichte eng eingebunden ist, in die Ablehnung der Medienlandschaft und gezielt sich deren Sichten widersetzt. Auch durch die Setzung eigener Themenschwerpunkte (Framing) und durch ein "Wording", dass sich der "normalen Sprache" in den Medien entzieht.

In diesem Sinne wird - aus den oben richtig beschriebenen juristisch Gründen (vgl. #5, StGB §130) - der Holocaust nicht explizit geleugnet und auch die Gedenkstätten nicht abgelehnt. Vielmehr eignet sich die extreme Rechte die Gedenkstätten an, um an diesen Orten "Aufklärung" zu betreiben. Also im Kern einen "Gegen-Narrativ" durch ihre Öffentlichkeitsarbeit im Web und vor Ort durch "informative Besuche" zu leisten.

Diese Besuche vor Ort, die explizit als "objektiv" im Selbstverständnis kommuniziert werden und sich nicht in der Tradition des "Schuldkultes" fühlen und somit unbeeinflußt sind durch "Reeducation". Um nicht juristisch angreifbar zu werden, wird auf "Ungereimtheiten" hingewiesen, die Zweifel streuen sollen und in die - nicht explizit formulierte - Frage einmünden, ob denn die Gesamtdarstellung korrekt sein könne.

Diese Fahrten zu Gedenkstätten und die damit verbundene "Aufklärungsarbeit" ist ein Bestandteil der ideologischen Schulung und der Selbstversicherung, dass der eigene Gegen-Narrativ korrekt ist.

Also im Kern weiterhin eine Leugnung.

Allerdings, wie man an den "Identitären" erkennen kann, wie Ebner sie beschreibt, wird auch teilweise ein - scheinbar - klarer Strich zwischen der heutigen rassistischen Politik und der Vergangenheit gezogen. Wie am Beispiel vom österreichischen Aktivisten Martin Sellner erkennbar, der sich von seinem Mentor Gottfried Küssel, einem "notorischen Holocaustleugner" distanzierte.

Hinter Formulierungen wie "Ethnopluralismus" stehen dabei Vorstellungen, die auf eine komplette und vollständige "Repatriierung von allen "Ausländern" - auch der 2ten oder 3ten Generation - abzielen. Und man mag sich nicht die Eigendynamik derartigen Phantasien vorstellen, sollten diese Leute jemals politische Macht erhalten.

Ebner, Julia (2019): Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren. 1. Aufl. Frankfurt a.M: Suhrkamp
Lieske, Dagmar (2015): Konzentrationslager. Die Gedenkstätte Sachsenhausen - Ein Erinnerungsort der extremen Rechte. In: Martin Langebach und Michael Sturm (Hg.): Erinnerungsorte der extremen Rechten. Wiesbaden: Springer VS (Edition Rechtsextremismus), S. 287–303.
 
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