Horkheimer, Hararis Humanismusdefinition und die Hufeisentheorie

Der Startpunkt ist bereits gefährlich: Das Verhalten der Menschen ist auch aus marxistischer Sicht durch ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, nämlich Klassen determiniert.
Das würde ich auch so sehen.
Aber Klassenschranken sind überwindbar,
eingebildete Rassenschranken in keinem Fall. Die sind absolut und definieren den "Untermenschen", den Nichtmenschen.
 
Shinigami macht es sich unnötig schwer, wenn er die ganzen Unterschiede zwischen totalitärer Herrschaft in Stalins Reich und der im Nationalsozialismus aufzählt.
Er sagt doch selbst: "Stalins antisemitische Kampagnen ... sind einfach nur der Nachweis, dafür, dass der Mann nie im konsequenten Sinne links gewesen ist."
Warum? Es ist ja durchaus richtig, dass sowohl für den Stalinismus, als auch für den NS charakteristisch sind. Nur dann ist es mMn schon auch nicht unbedeutend sich da auch die Überschneidungen anzusehen.
Das auch vor dem Hintergrund, dass vor Stalin noch Lenin war, für den Terror ja durchaus auch ein Mittel der Wahl war.
Lenin wiederrum, hat (jedenfalls wäre mir das nicht bekannt) wiederrum keine antisemitischen Kampagnen betrieben und auch nicht in der Form, wie das Stalin dann etwa mit den Polen tat, gezielt einzelne Nationalitäten repressieren lassen.
Insofern müsste man, wenn man hier links und rechts in ihren Methoden miteinander vergleichen will, vielleicht Anstand von der Persona Stalin nehmen, aber nicht unbedingt von der Sowjetunion als solcher, dann ist auch der NS außen vor.
Wenn man demgegenüber aber die Repressionsmethodiken unter Mussolini, jedenfalls vor dem Abessinien-Krieg und die Repressionsmethoden Lenin in der frühen vorstalinistischen Sowjetunion miteinander vergleichen wollte, kann man denke ich, was die methoden in den Repressionspraktiken angeht (gegen wen sie sich richteten, ist dann nochmal eine andere Frage) durchaus ein paar Gemeinsamkeiten ausmachen.

An der Stelle müsste man sich dann fragen, ob NS-Deutschlands Repressionsmethoden, einschließlich der Vernichtungspolitik charakteristisch für die extreme Rechte stehen können.
In meinen Augen nicht, weil diese Exzesse -außer im Bezug auf japan vielleicht - bei den anderen extrem rechten Regimes, sei es in Portugal, Spanien oder auch Italien und Ungarn (jedenfalls, wenn man die Exzesse des Abessinienkrieges mal unter "Kriegsführung" verbucht und von der Phase der Besetzung beider Länder durch die deutschen Kräfte im späteren Verlauf des Weltkrieges absieht) so nicht anzutreffen sind.

Auf der anderen Seite, wenn wir Stalin mal unter den Tisch fallen lassen, müsste man sich fragen, wie sieht Repression von links in archetypischer Weise aus? Da bietet sich mMn der Blick auf Lenin an.


Wenn alles, was an konkreter Politik von Kommunisten der von Nationalsozialisten gleicht, per definitionem nicht links sein kann, ist die Hufeisentheorie doch elegant widerlegt.

So weit möchte ich gar nicht gehen, derlei zu behaupten.
Ob ein konkreter politischer Schritt, der nun dem NS-System oder einem anderen stark autoritären, bis totalitären rechten Regime scheinbar oder tatsächlich ähnelt, kann doch überhaupt kein Kriterium dafür sein, dass diese Maßnahme nicht links sein kann.

Nehmen wir als Beispiel mal den "Vierjahres-Plan" des NS-Regimes, der ja, ganz ähnlich dem sowjetischen Regime unter Lenin, wenn auch unter Umgehung der Verstaatlichungs-/Vergesellschaftungs- Thematik, ja durchaus den Anspruch erhob nach strategischen Maßnahmen die wirtschaftliche Grundlagen der Gesellschaft von oben herunter zu verändern, wenn auch zu einem anderen Zweck.
Da könnte man durchaus eine, wenigstens wage Übereinstimmung sehen und einen Kontrast zu den bürgerlich-liberalen Systemen ziehen, die das in dieser Form nicht oder in erheblich geringerem Ausmaß taten, respektive diesen Anspruch erhoben.

Dafür das eine Maßnahme nichts links oder rechts sein kann und dementsprechend derjenige, der sie ausübt nicht im paradigmatisch linken oder rechten Sinne handelt, gibt es eigentlich nur ein Kriterium.
Dieses Kriterium ist nicht die Ähnlichkeit zu Maßnahmen, die auch von anderer seite her intendiert werden können, sondern dieses Kriterium ist der Wiederspruch zum Set der eigenen politischen Grundannahmen.

Und aus dem Grund, bin ich der Meinung, dass wenn man über das Hufeisen spricht, man sich zuforderst eigentlich nicht mit punktuell sich überschneidenen Schritten, sondern mit der Vereinbarkeit der politischen Grundannahmen auseinandersezuen müsste.
Und die sehe ich persönlich absolut nicht gegeben.
 
Der Startpunkt ist bereits gefährlich: Das Verhalten der Menschen ist auch aus marxistischer Sicht durch ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, nämlich Klassen determiniert (vielleicht nicht in jedem einzelnen Fall, aber doch typischerweise).

Wie @hatl bereits schrieb, im Gegensatz zu Schranken im Modell eines rassistischen Kastensystems, istn Klassenschrenken überwindbar.

Auch hier könnte man im Übrigen wieder eine Gemeinsamkeit festmachen, nämlich dass es sich sowohl beim Klassenkampfparadigma, als auch beim Paradigma der sich einander bekämpfenden "Rassen" um, pointiert ausgedrückt, dezidierte Vernichtungsideologien handelt.

Der Unterschied besteht nur darin, dass sich dieser Vernichtungswille auf der linken Seite gegen eine abstrakte Kategorie oder ein gesellschaftliches Merkmal richtet, während er sich auf der rechten Seite, dadurch, das Merkmale als unüberwindbar betrachtet werden, damit eo ipso auch um den Wunsch zur Vernichtung/Vertreibung des Trägers dieses Merkmals handelt.

Das schlägt sich konkret darin nieder, dass eine repressive Haltung von linker Seite her, die physische Schädigung eines Angehörigen der zu vernichtenden Gruppe möglicherweise billigend in Kauf nimmt, aber niemals grundsätzlich vorraussetzt.
Von rechter Seite her, ist das Grundvorraussetzung.

Ob sich die Verhaltensweisen der Menschen, die zunächst den herrschenden Klassen zugehören, noch ändern können, wenn sich die gesellschafltichen Verhältnisse geändert haben? Da liegt nahe, es lieber nicht darauf ankommen zu lassen, und ihnen die Möglichkeit, sich gesellschsftlich überhaupt zu verhalten, gleich ganz zu nehmen.

Stellen wir uns hier mal die Frage, welche Verhaltensweisen der jeweiligen "herrschenden" Klasse der politischen Linken denn extrem sauer aufstoßen?
Eigentlich nur eine, nämlich der Versuch sich über andere zu erheben und diese persönlich beherrschen zu wollen.
Das erfordert in der Regel eine gewisse materiellere Grundlage.

Jemanden in kapitalistischer Weise auszubeuten, jedenfalls wenn man den Vorstellungen des Marxismus einigermaßen definitionsetreu folgt, setzt erstmal vorraus über genügend Produktions- und Kapitalmittel zu verfügen, sich überhaupt als Kapitalist gerrieren zu können.
Nimmt man einem Kapitalisten diese Mittel ab, ändert sich sein Verhalten automatisch soweit gehend in die Gewünschte Richtung, dass es ihm dadurch faktisch unmöglich wird Ausbeutung in kapitalistischer Weise zu betreiben.
Ob eine solche Person dem Gesellschaftsmodell gegenüber dann in irgendeiner Weise loyal eingestellt ist, ist eine andere Frage.
Jedenfalls hat sie erstmal die grundsätzliche Möglichkeit sich damit zu arrangieren.

Die Gesellschaft, oder die Regierung wiederrum hat auf der anderen Seite demgegenüber auch wenigstens die Möglichkeit eine Person, die sich dem dann wenigstens so weit fügt, nicht offen zu opponieren, anschließend unbehelligt zu lassen.
Ich würde demgegenüber, wenn man es an historischen Beispielen festmachen will, meinen, dass die Möglichkeit systembedingte soziale Absteiger zu integrieren in der frühen Sowjetunion durchaus auch genutzt wurde. Was die Phase des Bürgerkriegs betrifft, sofern diese Personen bereit waren sich in bolchewistische Dienste zu stellen und auf etwas breiterer Basis innerhalb der NEP-Phase von 1921-1928.
 
2. Mao:
Mao ist vor der Realität des semikoloinilen Zustands Chinas im frühen 20. Jahrhundert zu sehen.
Mao ist, wie Stalin,
ein Kind des Bürgerkriegs.
Doch während sich in Russland die Auseinandersetzung zwischen zwei Polen abspielt,
entsteht in China das weit komplexere Geflecht einer Warlord-Gesellschaft.
Das ist schon eine Besonderheit, und kann auch als halb kolonial verstanden werden.
Ich würde das aber eher nicht in das Zentrum stellen wollen.
 
Mao ist, wie Stalin,
ein Kind des Bürgerkriegs.
Doch während sich in Russland die Auseinandersetzung zwischen zwei Polen abspielt,
entsteht in China das weit komplexere Geflecht einer Warlord-Gesellschaft.
Das ist schon eine Besonderheit, und kann auch als halb kolonial verstanden werden.
Ich würde das aber eher nicht in das Zentrum stellen wollen.
Das sehe ich etwas anders.

Mao stand bereits während des Bürgerkriegs, wenigstens während des zweiten Teils in China in der ersen Reihe seiner Bewegung und hatte auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen.
Was das anbandeln mit der Guomindang angeht, wie gesagt, China war ein halbkolonialer Staat, der sich der entsprechenden Kolonialmächte zu erwehren hatte und das blieb er im Grunde genommen bis 1949. Auf die Sowjetunion trifft das so in keiner Weise zu.
dann kommt im Hinblick auf China noch hinzu, dass man ja seitens Moskau, sich zeitweilig die Guomindang, nicht etwa die KP als Protégé ausgesucht hatte, weil deren Erfolgsaussichten dahingehend die Position der Kolonialmächte zu unterminieren als höher eingeschätzt wurden.

Insofern war im Hinblick auf China immer neben der Etablierung der relativ jungen KP, auch die Möglichkeit sich der größeren Mittel der Guomindang als etablierter Kraft zu bediehnen Anlass für die Einheitsfront.

Auch das ergibt sich in der Sowjetunion in dieser Form im Grunde nur für die Zeit der Doppelherrschaft und in der Anfangsphase des Bürgerkriegs, als man von bolschewistischer Seite noch darauf setzte die Sozialrevolutionäre unter der eigenen Fahne zu halten

Stalin bekam zwar das Volkskommisasariat für Nationalitätenfragen zugeschanzt, hatte während des Bürgerkrieges allerdings keine Entscheidungskompetenz in Grundsatzfragen. Diese Politik diktierten ja im Wesentlichen noch Lenin, Trotzki, Sverdlov und Konsorten.
Mehr oder minder unumstrittene Entscheidungskompetenz, ist bei Stalin erst ab 1925/1926 herum manifest, nachdem Lenin, Sverdlov, Trotzki und dann 1926 auch Dsierzinski als Faktoren aus dem Spiel waren und es, nachdem die Kompetenz im Hinblick auf Personalfragen innerhalb des Apparates über Jahre hinweg stark von Stalin usurpiert worden war, Sinowjew, Kamenew, Bucharin und Konsorten schlicht an einer Basis mangelte um dagegen anzukommen.

Mao dagegen bezog seine Legitimation im Gegensatz zu Stalin nicht dazu, die eigentlichen Anführer der Revolution überlebt, umgebracht oder ausgebootet zu haben, sondern daraus von Anfang an dabei gewesen zu sein und aus einem mythisch verklärten Feldherrencharisma.
Das unterscheidet sich völlig von Stalin.

Für letzteren und die Konstituierung seiner Herrschaft, waren die innerparteilichen Machtkämpfe, nach Lenins vorzeitigem Ableben, wesentlich prägender als der Bürgerkrieg.

Auch die Bündnispolitik beider unterscheidet sich voneinander.
Klar, beide haben mit Strömungen paktiert, die eigentlich nicht ihrer persönlichen Richtung entsprachen oder hätten entsprechen sollen.
Nur ging Mao seine Allianz mit Chiang ein um dem äußeren Druck standhalten zu können.

Allerdings, einen äußeren Druck, der die Sowjetunion gezwungen hätte, unheilige Absprachen mit Hitler zu treffen um sich selbst zu schützen, gab es in dieser Form nicht, denn auch wenn die Säuberungen sicherlich eine große Hypothek waren, dass die NS-Führung sich auf einen potentiellen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich, Polen und die Sowjetunion eingelassen hätte, hätte man sich auf diesen Standpunkt gestellt, ist am Ende unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher, dass der erfolgreich geführt hätte werden können.
 
Zurück
Oben