Ikonoklasmus 2020

Dieses Thema im Forum "Die großen Kolonialreiche" wurde erstellt von El Quijote, 12. Juni 2020.

  1. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Der große Steuermann war Mao.
     
  2. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Der "große Vorsitzende" war´s-danke wieder was gelernt!
     
  3. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    In Anbetracht der ganzen Adolf-Hitler-Alleen und Horst-Wessels-Plätze die tatsächlich zwangsweise ab 1933 diese Namen erhielten, finde ich es sehr unangemessen, wenn du heute einer politischen Richtung, die dir offenbar nicht liegt, einen "Zwang zu Umbenennungen" unterstellst, wenn defacto nur diskutiert wird.
     
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  4. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Die erhielten ihren Namen nicht zwangsweise, sondern wurden beschlossen von Gemeide- und Stadträten als Ehrung von Persönlichkeiten ihrer Zeit wie heute auch.
     
  5. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    die zwangsweise "gesäubert" wurden von Kritikern des NS-Regimes.
     
  6. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Die Begeisterung für das Nazi-Regime war im Volk groß - bis zum Kriegsbeginn und darüber hinaus.
     
  7. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Deutschlandweit maximal 43,8% groß.
    Die Gleichschaltung wurde auch auf kommunalpolitischer Ebene durchgesetzt. Konrad Adenauer und seine Familie bspw. wurden im März 1933 von der SA stark bedroht. Am 13. März erklärte der NSDAP-Mann Grohé, dass Adenauer des Oberbürgermeisteramtes enthoben sei, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gab. Adenauer verliess daraufhin Köln, nahm aber den Rathausschlüssel mit.
    Es lassen sich aber noch genügend weitere Kommunalpolitiker vor allem aus der SPD, der KPD und auch vom Zentrum finden, die durch Gewalt oder Drohungen im Frühjahr 1933 ihre Positionen in der Kommunalpolitik verloren - und daher ist der Begriff "zwangsweise" da durchaus zutreffend.
     
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  8. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Bei maximal unfreien Wahlen in März 1933 und November 1933. In November 1933 befanden sich die SPD und KPD sich schon in der Illegalität befanden. Das Ergebnis kann nicht eigentlich nicht mehr mitgerechnet werden. Die letzte halbwegs freie Reichstagswahl war im November 1932 und da erreichte die Nazis 33,1%.
    Im Juli 1933 wurde ein neues Gesetz für Neubildung von Parteien erlasen und artig von Hindenburg unterzeichnet. Nach diesem Kerl sind in Deutschland noch genügen Straßen benannt; auch der sogenannte Hindenburg zwischen Festland und der Insel Sylt.
     
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  9. muck

    muck Aktives Mitglied

    Völlig richtig. Ich denke nur, dass man berechtigte Zweifel daran anmelden darf, ob wirklich stets ein demokratischen Prinzipien genügendes "Aushandeln" in dieser unserer Mediengesellschaft stattfindet, wo kleine Gruppen sich weit über ihre Zahl hinaus Gehör und Einfluss verschaffen können.

    Gestern erst wurde von einer Studie berichtet, wonach bereits die winzige Minderheit von 3,5% der Bevölkerung Veränderungen erzwingen kann, wenn sie nur medial präsent genug ist, um die Exekutive unter Druck zu setzen. Meinem Verständnis von Demokratie entspricht das nicht.

    Maßnahmen wie die Demontage von Denkmälern oder die Umbenennung von Straßen verlangen meiner Ansicht nach eine Abstimmung zumindest auf kommunaler Ebene. Alles andere wäre wirklich Ikonoklasmus.

    Ein Ansinnen kann noch so hehr sein; wer meint, seine Pläne für die Gesellschaft nicht zur Abstimmung stellen zu müssen, weil sie per se moralisch seien, schadet der Demokratie, denn was sagt er damit aus? Dass seine Ansichten mehr Gehör und Berücksichtigung verdienten als die seiner Mitbürger.

    Das entspricht weder dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, noch wird es dem Gedanken der Volkssouveränität gerecht, die sich aus jedem einzelnen Bürger speist.
     
    Zuletzt bearbeitet: 15. Dezember 2022
  10. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Im November 1933 stand nur eine Einheitsliste zur "Wahl". Es wurden 639 NDSAP-Mitglieder und 22 "Gäste" (Parteilose) gewählt. Gleichzeitig wurde über den Austritt aus dem Völkerbund abgestimmt. Es gab nur eine einzige Wahlmöglichkeit für den neuen "Reichstag" und die Abstimmung: Ja.
    Wer dem nicht zustimmte, konnte händisch "Nein" auf den Wahlzettel schreiben oder ihn ungültig machen oder aber versuchen nicht wählen zu gehen, in dem man SA-Kommandos umging, die einen daran "erinnerten" doch gefälligst wählen zu gehen. Das kann man schwerlich eine Wahl nennen.
    Aber ich gebe dir recht: Auch die Wahl vom März 1933 war schon nicht mehr frei. Die "Reichstagsbrandverordnung" war bereits erlassen, Grundrechte außer Kraft gesetzt.
     
  11. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Meinem Verständnis von Demokratie entspricht das schon – es nennt sich ziviler Ungehorsam.

    Hätten mehr Menschen 1933 den zivilen Ungehorsam praktiziert, hätten auch die Nazis nichts machen können, denn man kann nicht ein ganzes Volk einsperren. In Iran geht derzeit auch nur eine Minderheit auf die Straße und ich hoffe für sie, dass auch dort diese 3,5 % Regel wirkt.
     
  12. muck

    muck Aktives Mitglied

    Du vermischt hier Äpfel mit Birnen, würde ich meinen. Ziviler Ungehorsam gegen eine Unrechtsherrschaft ist nicht dasselbe wie ziviler Ungehorsam gegen eine konstitutionelle freiheitliche Ordnung, die demokratische Beteiligungsmöglichkeiten, das Petitionsrecht und den Rechtsweg garantiert.

    Wer auf demokratischem Wege seine Mitbürger von seinen Anliegen nicht überzeugen und seine Rechtsauffassung auch anderweitig, etwa vor Gericht, nicht durchsetzen kann, ist vielleicht ganz einfach nur im Unrecht. In der Demokratie entscheidet die Mehrheit, und der Gesellschaftsvertrag gebietet, eine verfassungsgemäß zustande gekommene Mehrheitsentscheidung zu respektieren.
     
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  13. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Schon vor der Wahl im November 1932 war ja das Verbot der SA durch die Regierung Papen aufgehoben worden. Die konnte wieder mordend und plündernd durch die Straßen ziehen. Im Juni 1932 wurde auch der Reichstag aufgelöst, etwas später, am 20.Juli 1932, wurde dann der sogenannte "Preußenschlag" inszeniert. Das war eigentlich glatter Verfassungsbruch und der erhoffte Macht- und Prestigegewinn blieb in den Reichstagswahlen im Juli 32 aus.
     
  14. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Bei der Umbenennung eines Teiles der Kochstraße in Berlin-Kreuzberg in Rudi-Dutschke-Straße ist genau das geschehen.
    Zuerst gab es eine Intiative der taz, die Straße nach Dutschke zu benennen. Der Axel-Springer-Verlag, dessen Zentrale an der Ecke Axel-Springer-Straße/Koch- bzw. nun Rudi-Dutschke-Straße liegt, war erwartungsgemäß dagegen. Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg beschloss 2006 die Umbenennung, worauf die CDU ein Bürgerbegehren dagegen startete. In einem Bürgerentscheid im Bezirk Fhain-Xberg im Jahr 2007 wurde die Umbenennung bestätigt.
    Das ganze hat sich über mehrere Jahre hingezogen, wurde aber mMn im Endeffekt demokratisch sauber gelöst.
     
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  15. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Das würde ich ausdifferenzieren wollen, je nachdem an wen da erinnert wird.

    Wenn da an dezidierte (nach unserem Verständnis) Verbrecher erinnert in glorifizierender Weise erinnert wird, da würde ich jetzt als Beispiel einfach mal bei der Colston-Statue in Bristol bleiben, die nachweisbar durch barbarisches Betragen unsägliches Leid verursacht haben, bin ich der Meinung, dass der Staat auch ohne Zustimmung der lokalen Bevölkerung das Recht hat das abzuräumen.
    Ganz einfach deswegen weil der Staat und seine Glieder die Rechtsordnung zu schützen haben und wenn es bestandteil dieser Rechtsordnung ist, dass das öffentliche Goutieren oder das Belohnen von Straftaten selbst eine Straftat darstellt, kann man dort keine Statue stehen lassen, die einen Menschenhändler glorifiziert, das geht nicht.

    Sofern wir nicht von dezidierten Schwerverbrechern reden, sondern einfach nur von Geschmacksfragen und politischen Partikularinteressen, würde ich dir Recht geben und noch ein Bisschen weitergehen wollen:

    1. Im Fall von Straßennahmen, müsste neben einer kommunalen Abstimmung auch ein kollektives Veto-Recht für die Anwohner her, weil sie in gesondertem Maße betroffen sind.

    2. Bei einer Veränderung der öffentlichen Erinnerung müsste nicht nur das Verschwinden des alten Denkmals öffentlich zur Abstimmung gestellt werden, sondern auch die Frage durch was es ersetzt werden soll.

    Im Fall von Denkmälern auf öffentlichen Plätzen, Gebäudenamen etc. müsste das die Kommune als ganze entscheiden, im Fall von Straßennamen müsste die Entscheidung zunächst den Anwohnern überlassen werden, es sei denn, dass diese freiwillig darauf verzichten und es der gesamten Kommune überlassen.

    3. Die Kommunen müssten denn auch tatsächlich verpflichtet sein auf entsprechende Ansinnen einzugehen, wenn erkennbar ist, dass größere Teile der Einwohnerschaft dahinterstehen.

    Ich gebe dir insofern recht, dass könnte man alles wesentlich demokratischer gestalten und ich würde es sehr beführworten,wenn das irgendwann auch mal passierte.
    Das würde nämlich diejenigen, die auf eigene Faust Vandalismus betreiben und dafür in Teilen nocht Zustimmung ernten die Möglichkeit nehmen zu behaupten, sie handelten im Sinne einer schweigenden Mehrheit der keine anderen Mittel zu Gebote stünden, oder im Namen unterdrückter Gruppen denen einfach kein Gehör geschenkt wird.


    Da bin ich mit dir ganz einer Meinung.
     
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  16. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Ich verstehe den Sinn dieses Beitrags nicht so ganz, ehrlich gesagt.

    Es ist doch wohl das gute Recht jeder wie auch immer gearteten politischen Gruppierung eine politische Agenda zu haben so lange diese keine Methoden oder Ziele beeinhaltet, die mit den Gesetzen nicht zu vereinbaren sind.

    Genau so ist es das recht jeder politischen Gruppierung für ihre eigenen Zielen auf allen dafür zur Verfügung stehenden Wegen zu lobbyieren, sofern hierbei keine gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich unzulässiger Einflussnahme (Korruption/ungesetzliche Vorteilsnahme etc.) überschritten werden.

    Auch wenn einem die einzelne Agenda nicht zusagt (und auch mir gehen diverse Umbenennungs-Bestrebungen zu weit, im Besonderen bin ich häufig mit dem nicht einverstanden, was dann an die Stelle des Alten treten soll), halte ich es für unangemessen in denunziatorisch-abwertenden Tonfall zu skandalisieren, dass einzelne politische Gruppen ihre Möglichkeiten innerhalb des öffentlichen Diskurses und des politischen Systems wahrnehmen, denn das ist völlig legitiim.
     
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  17. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Das ist doch erfreulich; aber meine Wahrnehmung nach geschieht das entweder gar nicht oder einfach zu selten. Leider.
     
  18. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Dann lieber einen gepflegten Fuerst-von-Bismarck-Wein. :D
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 16. Dezember 2022
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  19. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Nein, auch unter der Unrechtherrschaft der Nazis gab es erfolgreiche Proteste wie später in der Bundesrepublik – Zitat:

    Ziviler Ungehorsam kann überall da ausgeübt werden, wo der Staat das Zusammenleben seiner Bürger beeinflusst und wo es moralisch begründete Zweifel entweder an den Intentionen oder an den erwarteten oder auch realen Konsequenzen dieses Einflusses gibt. Dies schließt ein diffuses Spektrum ein, das von Protesten gegen Rassentrennung über Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-Bewegung bis zu Protesten wegen Datenschutzbedenken reicht.

    Auch demokratisch legitimierte Regierungen können irren und müssen durch zivilen Ungehorsam daran erinnert und ggf. sogar gehindert werden, moralisch Zweifelhaftes durchzusetzen.

    Wir haben eine Verfassung und ein Verfassungsgericht und demnach keine Gesetze, die gegen die Verfassung verstoßen würden. Aber sowohl die Artikel der Verfassung als auch normale Gesetze können unterschiedlich interpretiert werden, schließlich sind auch Verfassungsrichter nur Menschen, die dem Zeitgeist unterliegen – anders wären manche Urteile des Verfassungsgerichts aus den 1950er Jahren, über die man heute Kopf schüttelt, nicht zu verstehen.

    Will sagen: Nicht alles lässt sich mittels Wahlen, die alle 4 oder 5 Jahre stattfinden, regeln. Deswegen sind Demonstrationen und Proteste ein legaler Weg, die Regierungsarbeit des Bundes, der Länder oder der Städte und Gemeinden zu beeinflussen.
     
  20. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    @Turgot man kann sich auch aus der Politik zurückziehen (also von Bord gehen wie weiland der Lotse) und stattdessen völlig unpolitisch einen elsässischen Chopin-Sekt trinken :D
     
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