Indianerreservate

Hallo Festus621,
spontan fallen mir dazu nur die Zitate aus der (Auto)biografie von Geronimo ein, der aussagte, dass er die Mexikaner am meisten hasste, weil sie noch verschlagener und hinterhältiger gegen die Indianer vorgegangen sind als die USAmerikaner.
Ohne jetzt Quellen angeben zu können, erhielt ich vor allem aus den -im Internet zugänglichen- Lebensläufen berühmter Apachenhäuptlinge den Eindruck, dass die Mexikaner im Grunde die gleiche Politik gegen die Indianer führten wie die USAmerikaner.
 
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Penseo schrieb:
Dazu möchte ich noch anmerken, dass Karl May und Mr. Cooper keine Quellen für ein wie auch immer geartetes Indianerbild darstellen können. Karl May entstammt einer Zeit, die die "natürliche" Lebensweise der "Wilden" ein wenig verklärte und romantisierte. Da drängt sich der Gedanke an Tacitus und seine Germanenbeschreibung auf. Unkas war wohl eher für die Weissen nützlich als tatsächlich edel, eher im Gegenteil.
[schnippel]
Aus Zeitungsartikeln während meiner USA Zeit habe ich über die desolate Wohnungssituation der Indianer gehört, was nicht unbedingt ein Zeichen aktiver Diskriminierung, sondern ein Zeichen für die allgemien desolate Handhabung von Public Housing ist. Dennoch ergab sich aus dem Artikel, der über die Erhebung der Armut in den USA berichtete, dass die Indianerreservate sehr stark betroffen sind. Ebenso zu nennen ist der schlechte Ausbildungsstand vieler Indianer.
[schnippel]
Gekennzeichnet ist die Indianerpolitik bis in die 1930er Jahre durch die komplette Unterdrückung der indianischen Kultur (Verbot der eigenen Sprache, Religion) und den Versuch der Zwangsintegration. Mit der Gründung des AIM verschafften sich die Traditionalisten unter den Indianern ein Sprachrohr. Durch die Entsendung von Vertretern bei den UN und durch spektakuläre Aktionen nicht nur in Nord-, sondern auch in Mittel- und Südamerika erhielten die indigenen Völker das Interesse der Öffentlichkeit.
Zudem befinden sich auf Seiten der Indianer inzwischen auch sehr gut ausgebildete Juristen, die die Interessen der Indianer vertreten können.:grübel: :grübel::autsch:

Hallo Penseo,

danke für den Link - ich habe angelesen, runtergeladen und werde gleich anschließend weiterlesen!

Eine kleine Korrektur: May war für die Zeit der Romantisierung des edlen Wilden schon zu spät, das war eher bei Rousseau, de Lahontan und so. Zu Mays Zeit standen die Indianer hauptsächlich der Ausbreitung, dem "Fortschritt" im Wege und waren bestenfalls die "vanishing race", die zum Verschwinden verurteilte Rasse. May läßt seinen Winnetou ja auch mehrfach Äußerungen in Richtung 'die Indianer werden vergehen' tun; dies scheint mir seinen eigenen Standpunkt wiederzuspiegeln.

Mit dem allgemein schlechten Public Housing hast du völlig recht. Für die Indianer in den Reservationen ist die Lage insofern noch schwieriger, als Public Housing dort die hauptsächliche Möglichkeit ist, an eine Unterkunft zu kommen.

Die komplette Unterdrückung der indigenen Kulturen ging bis in die 1970er Jahre, zum Teil noch darüber hinaus. Das an der Westküste übliche Potlatch war, meine ich, sogar noch danach verboten; es durften bis vor ein paar Jahren auch keine dort traditionelle Langhäuser gebaut werden. Daß auf einigen Reservationsschulen mittlerweile auch Unterricht über die eigene Kultur in der eigenen Sprache angeboten wird, ist sehr neu.

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, daß das AIM eine Gründung von in der Stadt (Minneapolis) lebenden Indianern ist, die zT keine Bindung mehr an die traditionellen Kulturen hatten. Dies änderte sich, als zb die Traditionalisten in Pine Ridge das AIM um Hilfe baten. Das AIM war anfangs auch als Selbsthilfe-/Selbstverteidigungsorganisation angelegt im Hinblick auf die Probleme der in der Stadt lebenden Indianer.

Und ja, es ist schon ein herber Rückschlag, daß Indianer jetzt auch Jura studieren, und dann gleich so viele (Sarkasmus off). Oder wie eine gute Bekannte (Cheyenne), die Archäologie studiert hat, mal auf die Frage, was sie denn nach dem Studium damit anfangen wolle, antwortete: "Desecrate white graves?" [Weiße Gräber entweihen?)
 
Hallo Ingeborg,

hinsichtlich einer Lockerung der Unterdrückung der indianischen Kultur war ich mir auch nicht sicher. Hatte wohl vor allem gehofft, dass eine zumindest teilweise indianische Selbstverwaltung ein wenig Erleichterung gebracht haben könnte.
Von Karl May habe ich nur ein Buch gelesen und das fand ich schon unsäglich. Aber die Geschmäcker sind verschieden. Zur Zeit Mays waren exotische wilde Völker aber sehr wohl noch "in". Die Idee des edlen und unverfälschten Wilden und der natürlichen Lebensweise zieht sich bis heute durch die westliche europäische Kultur.
Sarkasmus hinsichtlich Jura studierender Indianer verstehe ich aber nicht so ganz. Anscheinend ist der "Kampf" durch die Instanzen doch wohl die einzige Möglichkeit, die eigene Situation zu verbessern.
Hinsichtlich des AIM wollte ich auch nur klarmachen, dass endlich auch die traditionell eingestellten Indianer ihre Rechte einforderten. Spätestens mit der Besetzung von Wounded Knee ist die Organisation über die Minneapolis-Grenzen hinausgewachsen.
Da Du eine Expertin auf diesem Gebiet bist, würde mich interessieren, ob Du etwas über Reservationen in Mittel- und Südamerika weisst. So wie ich das sehe, gab es sie dort nicht.
 
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Festus621 schrieb:
Zitat:
"Doch kaum hatten sich die zwangsweise umgesiedelten Stämme in den Gebieten niedergelassen, waren sie wiederum der amerikanischen Expansion nach Westen im Wege. Nachdem sich das Gebiet der USA nach ihrem Krieg mit Mexiko Mitte des letzten Jahrhunderts erneut deutlich vergrößert hatte und darüber hinaus in Kalifornien Gold gefunden worden war, setzten die Amerikaner ihren Weg nach Westen weiter fort."

Wie ist eigentlich die mexikanische Regierung mit der Urbevölkerung umgegangen? Wurden, die im heutigen Westen der USA (damaligen Gebiet von Mexiko) lebenden Indianer auch schon in der "mexikanischen Zeit" vertrieben oder begann die Tragödie erst, nachdem die westlichen Gebiete zu den Vereinigten Staaten gehörten?

Der Umgang war "eigentlich" völlig anders. Das lag zum einen daran, daß die Spanier nie daran interessiert waren, die Kolonien zu besiedeln, sondern hauptsächlich Profit herausziehen wollten. Viele der Conquistadores waren zudem adliger Abstammung und hielten manuelle Arbeit oder Handeln für weit unter ihrem Niveau.

Die Indianer in den spanischen Kolonien wurden hauptsächlich zur Zwangsarbeit gebraucht, in den Minen im vormaligen Inka-Gebiet zum Beispiel. In Mexiko kam es zur Landverteilung an spanische Conquistadores, die das Land weiterhin von den Indianern bearbeiten ließen, die dazu von Gesetz wegen gezwungen wurden. Das hatte Ähnlichkeit mit der Leibeigenschaft in Europa, da die Indianer, die auf dem Landgut eines Spaniers lebten, dort nicht einfach wegziehen durften. Zudem wurden die Indianer durch weitere Ausbeutungspraktiken zu mehr oder weniger ewig währenden Schuldnern gemacht, die ihre Schulden beim Haciendero nie abbezahlen konnten und dadurch auch bequemerweise im Fall einer Flucht eine Straftat begingen und von den Behörden dafür verfolgt wurden, so daß der Haciendero das Einfangen "seiner" Indianer im Grunde dem Staat überlassen konnte. (Literaturtip: mehr oder weniger alles von B. Traven, gerade, was Mexiko betrifft).

Zum anderen wurden die in Mexiko lebenden Indianer in Missionen gezwungen, wo sie unter der Aufsicht von Mönchen arbeiten mußten. Zu harter körperlicher Arbeit kamen Unterernährung und stundenlanges Beten. In den Missionen wurden die Indianer übrigens in Baracken nach Geschlechtern getrennt untergebracht; in Fällen von "Unkeuschheit" wurden drakonische Strafen verhängt. Die Missionen mußten übrigens immer mal wieder den Staat um Unterstützung bitten, da die Indianer mitunter eine kurze Haltbarkeit hatten (Sarkasmus off) und die Conquistadores neue Indianer beschaffen mußten, damit die Geschäftstätigkeit in den Missionen weitergehen konnte.

Durch die Zwangseinweisung in Missionen wurden auch viele Indianer Opfer der eingeschleppten europäischen Krankheiten, insbesondere in Verbindung mit der von den Mönchen eingeführten Nicht-Hygiene, die zwar dem damalig katholischen Keuschheitsideal entsprach (das übrigens in Spanien entscheidend mitgeprägt war durch die Reconquista, wo man es auch mit einer Kultur zu tun gehabt hatte, die großen Wert auf Reinlichkeit und Baden legte).

Zum anderen fand eine relativ frühe De-Kulturation statt, da in den Missionen, aber auch auf den Haciendas Angehörige verschiedener Völker vermischt wurden und außerdem streng auf ein formales Christentum geachtet wurde und indigene Religionen strikt verboten waren. Dies bedeutete, daß Traditionen nicht weitergegeben werden konnten und Spanisch vielfach untereinander die einzige Verständigungsmöglichkeit darstellte.

Aufgrund dieser Lebensumstände sind in Mexiko zwar ca 90% der Einwohner indigener Abstammung (in Volkszählungen bekennen sich deutlich weniger als Indianer), viele haben aber keine Verbindung zur traditionellen Kultur und Sprache.

Die geringe Bereitschaft, sich als Indianer zu erkennen zu geben, wurde außerdem unterstützt durch ein ziemlich rigides und detailliert ausgearbeitetes System der Klassifizierung, wobei es u.a. Bezeichnungen für Personen indianischer Abstammung zu 75%, zu 50%, bis in die feinsten, noch ahnbaren Prozentanteile gab, weiter spezialisiert je nachdem ob die anderen Anteile "weiß" oder "schwarz" waren, oder beides.

Auch der spanische Staat und als Nachfolger der mexikanische Staat erkannten und erkennen kollektives tribales Landeigentum nicht an; es gibt in Mexiko keine Reservationen. Die Indianer wurden nach Gründung des mexikanischen Staates noch nicht einmal offiziell als Indianer wahrgenommen und bezeichnet, sondern als 'campesinos', also Bauern, da Indianer als etwas Minderwertiges begriffen wurden und man doch bestrebt war, diese Bevölkerungsschicht zu zivilisieren und auf einen höheren Stand zu bringen.

In Kalifornien gab es meines Wissens keine "Besiedelung" durch Landverteilung in Form von Haciendas, sondern nur die Missionsstädte. Wer da trotz der eingeschleppten Krankheiten, der Zwangsarbeit, der Unterernährung entkam, wurde später von den US-amerikanischen Goldsuchern teils als Wochenendsport abgeknallt. Und darüber hinaus der Lächerlichkeit preisgegeben und als erbärmliche, zerlumpte, bettelnde Gestalten dargestellt.

Einige der letzten Überlebenden gingen sozus. in den Untergrund und führten ein Leben im Verborgenen - siehe Ishi, der Anfang des 20. Jhdts. "gefangen" wurde, ein paar Jahre im Museum leben mußte und schließlich an Tuberkulose starb.
 
Penseo schrieb:
hinsichtlich einer Lockerung der Unterdrückung der indianischen Kultur war ich mir auch nicht sicher. Hatte wohl vor allem gehofft, dass eine zumindest teilweise indianische
[schnippel - uups, das war etwas zuviel....]

Sarkasmus hinsichtlich Jura studierender Indianer verstehe ich aber nicht so ganz. Anscheinend ist der "Kampf" durch die Instanzen doch wohl die einzige Möglichkeit, die eigene Situation zu verbessern.
Hinsichtlich des AIM wollte ich auch nur klarmachen, dass endlich auch die traditionell eingestellten Indianer ihre Rechte einforderten. Spätestens mit der Besetzung von Wounded Knee ist die Organisation über die Minneapolis-Grenzen hinausgewachsen.
Da Du eine Expertin auf diesem Gebiet bist, würde mich interessieren, ob Du etwas über Reservationen in Mittel- und Südamerika weisst. So wie ich das sehe, gab es sie dort nicht.

Die teilweise Selbstverwaltung hatte zunächst gar keine Auswirkungen positiver Art auf die Bewahrung der Kultur. Tatsächlich wird sie bis heute von einem Teil der Indianer abgelehnt, da sie den traditionellen Strukturen nicht entspricht (zB gab es keine geheimen Wahlen, sondern den Konsens). Es konnte auch vielfach von Selbstverwaltung keine Rede sein, da die jeweiligen indianischen Ratsmitglieder jeweils noch einen weißen Vertreter in der Agentur über sich hatten (und haben), der alle von indianischer Seite gefaßten Beschlüsse nochmal abnicken mußte oder sie eben kippen konnte. Daher ist diese Struktur von vielen Indianern - zu Recht - als scheindemokratisch und Veräppelung angesehen worden.

Zudem war der Zugang zu Posten in der Selbstverwaltung umso besser, je mehr sich die Bewerber von ihren Traditionen entfernt hatten.

Der Sarkasmus wg Jurastudium war so gemeint, daß die Abhängigkeit von weißen Anwälten natürlich abnimmt, wenn ausreichend indianische Anwälte ausgebildet sind. Ob dies immer so im "Interesse" des Großen Weißen Vaters ist, ist auch fraglich...

Reservationen in Mittel/Südamerika: hab ich in der Antwort wg Mexiko schon was erwähnt. Direkt bekannt sind mir Reservationen nur aus Brasilien, wo einige der letzten Amazonasvölker in Reservationen leben - mit den bekannten Begleiterscheinungen: wird das Land interessant, gelten indianische Anrechte nicht mehr.

Es gibt andererseits Gebiete, in denen Indianer mehr oder weniger nach ihren Traditionen leben; sie müssen sich aber häufig genug gegen Landnahme etc wehren - siehe die Mapuche in Chile, deren Land sowohl durch einen Staudamm wie auch durch Abholzung bedroht ist. Nach einigen positiven Anfängen in der Allende-Ära wurden unter Pinochet flugs alle Bemühungen, indianisches Land als Kollektiveigentum anzuerkennen und zu schützen, rückgängig gemacht. Da die einzelnen Mapuche-Familien genausowenig wie die Mapuche insgesamt Besitztitel haben, wurde ihr Land wieder als 'Staatsland' angesehen, das von der Regierung nach Belieben verkauft, verpachtet oder sonstwie zur Nutzung freigegeben werden konnte. Die Mapuche haben sich übrigens jahrhundertelang der Eroberung erfolgreich widersetzt: zuerst gegen das expandierende Inka-Reich, dann gegen die Spanier, dann gegen die Chilenen. Sie sind nie besiegt oder erobert worden.....

In Argentinien zb leben nur noch wenige Indianer; Argentinien hat auch eine relativ große Einwanderung erlebt. In Paraguay gilt auch, das die Mehrheit indianischer Abstammung ist, dies offiziell negiert und Indianer dort auch unter schlechten Bedingungen leben - daß eine indianische Sprache, das Guarani, offiziell neben Spanisch Staatssprache ist, hat da nicht viel gebracht.

Danke übrigens für die 'Blumen' von wg Expertin - ich lerne eigentlich immer noch, und für Mittel-/Südamerika trifft das ganz besonders zu, da ich kein Spanisch kann.
 
@ Ingeborg
"Zudem war der Zugang zu Posten in der Selbstverwaltung umso besser, je mehr sich die Bewerber von ihren Traditionen entfernt hatten. "

Das war eigentlich der Konflikt, den ich mit den Traditionalisten und den Angepassten (Apples) meinte. Um das BIA scharten sich durchaus auch Indianer, die allerdings mit den Weissen gemeinsame Sache machten. Wurde nicht Sitting Bull von Indianern (Indianerpolizei) umgebracht?
War Anlass der Besetzng von Wounded Knee nicht auch, dass die traditionell eingestellten Indianer von den -nennen wir es mal- fortschrittlich eingestellten Indianern unterdrückt wurden?
Übrigens vielen Dank für den Beitrag über Süd- und Mittelamerika.
 
Zuletzt bearbeitet:
Penseo schrieb:
Das war eigentlich der Konflikt, den ich mit den Traditionalisten und den Angepassten (Apples) meinte. Um das BIA scharten sich durchaus auch Indianer, die allerdings mit den Weissen gemeinsame Sache machten. Wurde nicht Sitting Bull von Indianern (Indianerpolizei) umgebracht?
War Anlass der Besetzng von Wounded Knee nicht auch, dass die traditionell eingestellten Indianer von den -nennen wir es mal- fortschrittlich eingestellten Indianern unterdrückt wurden?
Übrigens vielen Dank für den Beitrag über Süd- und Mittelamerika.

Hallo Penseo,

ich bin immer ganz erleichtert, wenn ich nicht die einzige bin, die das technische Wildferkel raushängen lassen muß :) (und auch bei der Auswahl des treffenden Smileys ins Schleudern komme...)

Ja, Sitting Bull wurde von einem indianischen Polizisten ermordet, aber der Anlaß für den Besuch der Polizisten war, daß die Agentur/die US-Regierung Angst hatte, Tatanka Iyotanke könnte sich der Geistertanzbewegung anschließen und einen neuen Aufstand auslösen. Dazu sollte Tatanka Iyotanke schlichtweg verhaftet werden, weil er im Knast weniger Unheil anrichten konnte. Das war zwar auch damals so gar nicht nach Recht und Gesetz, aber daran hat man sich nicht gestört. Dh. Tatanka Iyotanke schon, der sich weigerte, sich ohne Grund verhaften zu lassen. Den ausgeschickten Polizisten muß da ganz schön was mit Grundeis gegangen sein: ohwei, wenn wir ohne den zurückkommen, gibt es Dunst.

"Gemeinsame Sache" ist so eine Sache... es triffts natürlich nicht richtig - Kollaboration, weil sich daraus Vorteile ergeben. Seinerzeit zb hinsichtlich der Versorgung der eigenen Familie mit Lebensmitteln... Die Familien der indianischen Polizisten mußten damals nicht ganz so viel hungern wie die anderen. Daß Familien von Aufmüpfigen schon mal die Rationen gestrichen werden konnte, versteht sich. Allzumenschlich wohl, wenn da einer durch eine Tätigkeit als indianischer Polizist die eigene Familie überleben lassen wollte. Allzumenschlich aber auch dann, wenn da einer deswegen Polizist wurde, um den anderen zur Abwechslung auch mal was sagen zu können.

Wounded Knee ist etwas anders gelagert. Ein großer Teil des Konfliktes bestand darin, daß ein weiterer Teil der Reservation zur besseren Ausbeutung der Uranvorkommen enteignet werden sollte; es bestand Opposition gegen den Uranabbau. Dagegen waren nicht nur unbedingt die Traditionalisten, aber alle die dagegen waren, wurden vom offiziell gewählten (stell dir das aber bitte so ähnlich vor wie vor ein paar Jahren in Florida - es gewann der, der gewinnen sollte) Stammeshäuptling Richard Wilson brutal verfolgt. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Wahlfälschung sogar irgendwann nachgewiesen worden. Richard Wilson gehörte zwar zur Schicht der assimilierten Indianer, was damals für einen solchen Posten eher Vorbedingung war.

Andererseits war es auch durchaus im Interesse des BIA und anderer staatlicher Stellen, die ich hier lieber (Gruß an Mitleser) nicht ganz so deutlich nennen möchte, die Opposition klein zu machen, zu terrorisieren und auszuschalten, damit die Enteignung nicht ganz so große Wellen schlägt und vielleicht in aller Stille bewerkstelligt werden konnte (wir befinden uns ja gerade in der Zeit der Bürgerrechtsbewegungen, Black Power und so). Es gab zb staatliche Finanzhilfen für die Aufstellung der Schlägertruppe GOONs in der Reservation, die vom FBI 'geschult' wurden. Das war eine Privatarmee, die keinerlei polizeiliche Befugnisse hatte.

Im Zusammenhang mit dem damals ausgeübten Terror sind etliche Morde vorgekommen, die bis heute nicht geklärt sind. Von indianischer Seite sind es über 200 ungeklärte Todesfälle und Morde. Das FBI kommt auf weniger, aber der Tod von Anna Mae Aquash Pictou wird ja offiziell auch heute noch als "Tod durch Erfrieren" bezeichnet.... Es wurden damals Häuser abgebrannt, Autos von Oppositionellen manipuliert, Leute bei Nacht und Nebel aus dem Haus geholt und vertrieben.

Daß alles hätte sich Wilson mit seinen GOONs nicht ohne entsprechende Rückendeckung leisten können. Da wurden mal wieder Indianer vorgeschickt, um die Schmutzarbeit zu erledigen. Die Taktik, Indianer gegen Indianer kämpfen zu lassen, hatte seit den frühesten Zeiten der Kolonisierung Tradition. Die Unterdrückung ging nicht ursächlich von den "Fortschrittlichen" aus, dahinter standen ganz andere Interessen....
 
Der Tod von Anna Mae Aquash Pictou wird immer noch offiziell als Tod durch Erfrieren geführt?

Also waren die Gegner der Angepassten (manchmal liest man auch Fortschrittlichen) regelrechten Terrorübergriffen ausgeliefert. Wie sah die Situation denn in anderen Indianerreservaten aus? Vor allem in solchen, in denen sich keine wirtschaftlich lukrativen Bodenschätze fanden?
Zu Terror und Einschüchterungstaktiken zur Anpassung der Indianer an die weisse Welt fällt mir noch ein Internetartikel ein über die Situation in den Reservaten vor dem Massaker am Wounded Knee (1890).
Kurz gesagt:
Die Indianer (vor allem die letzten freien, meine ich) waren hoffnungslos unterernährt, weil die Regierung ihrer selbstauferlegten Verpflichtung zur Nahrungslieferung nicht nachkam.
Die Schulen (Internate) glichen KZs mit Stacheldrahtzäunen und bewaffneten Wachen. Da drängen sich Gedanken an Geiselhaft auf.
Die Stimmung der Weissen war gegen die Indianer als Hemmschuh des Fortschritts. Einer, der laut gegen die freien Indianer hetzte war- was ich persönlich sehr enttäuschend fand- Lewis Caroll.
Sitting Bull wollte doch meines Wissens vor allem nicht der Privatisierung von Indianerland zustimmen, um das Land für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Er fürchtete, dass das Land sonst verkauft werden könne. Handelt es sich da um eine Fehlinformation?
Wie mir scheint, spielten wirtschaftliche Interessen in beiden Fällen (Ermordung Sitting Bulls und das moderne Wounded Knee) eine bedeutende Rolle.
Und dann habe ich da noch eine Frage:
Aus dem Lebenslauf von Eric Schweiger ergab sich, dass er als Kind bei Pflegeeltern aufwachsen musste. War das ein Versuch der kanadischen Regierung, die Indianer zu assimilieren? Gab es so etwas? Oder überinterpretiere ich da?
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Ingeborg
Dass die Kollaboration einiger Indianer menschlich verständlich ist, zweifle ich nicht an. Die Situation in den Reservaten muss furchtbar beängstigend gewesen sein. Wie oben erwähnt durch schlechte Nahrungsmittel- versorgung, "inhaftierte" Kinder, Krankheiten.
Stimmt es eigentlich, dass die Indianer gezielt Krankheiten wie Pocken und Malaria ausgeliefert wurden?
Hinsichtlich der traditionellen Häuser habe ich da noch die Frage, ob es ich bei diesen um die aus - war es Hanf- gebauten Häuser handelt?
 
@ Ingeborg und Peseo

Ich habe eine Bitte:
Fügt doch ab und zu in euren sehr interessanten und spannenden Beiträgen einen erklärenden Nebensatz ein.
Ihr arbeitet teilweise mit Namen von Personen und Ortschaften oder auch mit Schlagwörtern, die ihr vielleicht als bekannt voraussetzt, aber dem gemeinen Forums-Mitglied nicht geläufig sind. Ich musste mir jetzt schon mehrfach einige Stichpunkte mühselig ergoogeln.
Momentan scheint der Thread auf einen Fachdialog zwischen euch beiden hinauszulaufen.

Eine weitere Frage:
Gabe es "weiße" US-Bürger, die sich aktiv für die Rechte der Indianer eingesetzt haben, speziell im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts? Wer waren diese Personen und wie sahen ihre Aktivitäten aus?
Sklavereigegner wie John Brown, die schon lange vor dem Bürgerkrieg aktiv waren, sind hinlänglich bekannt. Dagegen weiß man (zumindest ich) kaum etwas über Gegner der US-Indianerpolitik.
 
Hallo Festus621,
von meiner Seite kann keine Rede von Fachdialog sein. Werde mich aber bessern.
 
Zu der Frage, mir fällt spontan der Name Thomas A. Bland ein. Den habe ich aus einer Biografie von Chief Red Cloud.
Den Link würde ich gerne einstellen, aber irgendwie klappt das nicht mehr?
Ich bin mir aber sicher, dass Ingeborg da mehr weiss als ich. :S
 
So, nach ein wenig Internetrecherche wage ich mal folgendes:
Zu Zeiten von Präsident Jachson gingen die Cherokee, die sich nebenher auch sehr bemühten sich den neuen Lebensbedingungen anzupassen und nicht als "Wilde" dazustehen, vor den obersten Gerichtshof und bekamen Recht. Ihr Land, auf dem Gold gefunden war, falle nicht unter die Handhabe des Staates Georgia. Leider half ihnen dann niemand mehr bei der Durchsetzung des Richterspruches. In Fakt drangen immer mehr Siedler auf das Gebiet der Cherokee vor. Schliesslich empfanden es sogar die Indianerbefürworter als besser, die Indianer im Westen in Sicherheit zu bringen. (War natürlich auch nicht richtig.)
Quelle: http://www.pbs.org/wgbh/aia/part4/4p2959.html
Und dann habe ich ganz und gar Helen Hunt Jackson vergessen. Sie schrieb unter anderem das Buch : A Century of Dishonour, schrieb Artikel in der New York Times.
Nachzulesen ist dies in dem (englischprachigen) Wikipedia-Artikel über sie.
Indirekt lässt sich aus dem Wikipedia-Artikel über Colonel Chivington entnehmen, dass er nach dem Sand-Creek- Massaker (1863, mindestens 150 Indianer auf grausamste Weise niedergemetzelt) politisch erledigt war.
Es sollte sogar ein Verfahren gegen ihn geben, aber der Hauptbelastungs- zeuge, ein Offizier, der sich weigerte an dem Massaker teilzunehmen, wurde ermordet.
General Crook ist dann einer der Generäle, die zumindest die weisse Regierung zur Einhaltung der Verträge aufforderte.
Einzelne Häuptlinge reisten auch immer mal wieder nach Washington DC und durften dort ihre Anliegen vorbringen. (Red Cloud, Chief Joseph zb.)Ohne wohlmeinende Fürsprecher wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Aber wirklich geholfen hat es den Indianern nicht.
 
Penseo schrieb:
Der Tod von Anna Mae Aquash Pictou wird immer noch offiziell als Tod durch Erfrieren geführt?
[schnipp]
Die Indianer (vor allem die letzten freien, meine ich) waren hoffnungslos unterernährt, weil die Regierung ihrer selbstauferlegten Verpflichtung zur Nahrungslieferung nicht nachkam.
[schnipp]
Sitting Bull wollte doch meines Wissens vor allem nicht der Privatisierung von Indianerland zustimmen, um das Land für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Er fürchtete, dass das Land sonst verkauft werden könne. Handelt es sich da um eine Fehlinformation?
[schnipp]
Und dann habe ich da noch eine Frage:
Aus dem Lebenslauf von Eric Schweiger ergab sich, dass er als Kind bei Pflegeeltern aufwachsen musste. War das ein Versuch der kanadischen Regierung, die Indianer zu assimilieren? Gab es so etwas? Oder überinterpretiere ich da?

Hallo Penseo,

das FBI hat zum Tod von Anna Mae Aquash Pictou eben seine eigenen Vorstellungen.
Festus - sorry, es sollte gar kein Fachdialog werden. Damit diese Antwort nicht zu lang wird, kommt da gleich separat was.

Unterernährung: die letzten freien Indianer waren unterernährt, weil ihre Gebiete immer kleiner wurden bzw in den Plains, weil die weißen Jäger die Büffel so dezimiert hatten, daß kaum mehr welche zu finden waren.
In den Reservationen wurde es eher schlimmer: zum einen waren es natürlich ungewohnte Nahrungsmittel - Mehl, andere Fette, wenig Fleisch. Außerdem wude die von der US-Regierung nun auch nicht so großzügig bemessene Menge der Lebensmittelzuteilungen in vielen Fällen weiter eingeschränkt, weil die Agenten ihr eigenes Portemonnaie füllen wollten: ein Teil der Rationen wurde illegal verkauft. Es gab aber auch Zulieferer (vertraglich durch die Regierung beauftragt), die der Meinung waren, verdorbene Lebensmittel seien auf den Reservationen gerade recht. Oder die Rinder lieferten, die so abgemagert waren, daß von Fleisch kaum mehr die Rede sein konnte.

Privatisierung des Landes: das müßte meiner Meinung nach eindeutig nach Sitting Bulls Lebzeiten gewesen sein. Er war aber gegen den (weiteren) Verkauf von Land und auch gegen die Übernahme der weißen Lebensweise.

Pflegekinder: nein, du überinterpretierst da leider nicht! Es ist in Kanada, aber auch in den USA recht weit verbreitet gewesen und wird bis heute praktiziert, daß indianische Kinder in weiße Pflegefamilien verbracht werden, um sie zu assimilieren. Kennst du die kanadische Sängerin Buffy Ste. Marie? Sie ist eine Cree, die ebenfalls in einer weißen Pflegefamilie aufgewuchs. Angesichts der schwierigen finanziellen Situation vieler Familien, der weiten Schulwege und teils auch wg der mangelnden Englischkenntnisse der Eltern oder auch wg deren Alkoholismusproblemen waren und sind leicht Gründe zu finden, um ein Kind aus einer Familie zu nehmen. Es ist aber weiterhin auch immer eine Methode gewesen, um die Zahl der Indianer mit Reservationsrechten (in Kanada heißt das 'status Indian') zu verkleinern.
 
Inwiefern verlieren die Indianer ihre Reservationsrechte, wenn sie einmal aus der Reservation weggezogen sind? Ich habe das schon einmal in dem Zusammenhang gehört, dass die Reservationen komplett aufgelöst werden sollten, die Indianer in die Städte ziehen sollten. Gilt das auch heute noch?
 
Penseo schrieb:
@
Stimmt es eigentlich, dass die Indianer gezielt Krankheiten wie Pocken und Malaria ausgeliefert wurden?
Hinsichtlich der traditionellen Häuser habe ich da noch die Frage, ob es ich bei diesen um die aus - war es Hanf- gebauten Häuser handelt?

Hallo Penseo,

die gezielte Infizierung ist wohl relativ selten passiert. Da das Alter unbarmherzig ist (und ich hier am Computer nicht zu Hause bin und nicht mal eben ins Bücherregal greifen kann), weiß ich im Moment nicht mehr genau, ob die Lieferung von Decken, die vorher in einem Pockenlazarett Einsatz hatten, an die Pequot oder die Narragansett gingen. Dies war noch zu Zeiten der britischen Kolonialverwaltung und der Befehl dazu kam von einem britischen General.

In der Regel genügte nicht nur der Kontakt mit Weißen, um Epidemien auszulösen - die Epidemien gingen dem Erstkontakt schon voraus, so daß die Berichte von 'entdeckten' Indianervölkern bezüglich der Zahlen meist einen bereits dezimierten Bevölkerungsstand darstellen als die tatsächliche ursprüngliche Stärke der Völker. Die Bakterien reisten schneller als die 'Entdecker' und Eroberer, da die indianischen Völker miteinander Handel trieben und Kontakte hatten. Es reichte ja bereits eine infizierte Person, um die Krankheit weiter zu verbreiten.

Daß Häuser aus Hanf gebaut wurden, wüßte ich für Nordamerika nicht. Es gab verschiedene Behausungstypen - Langhäuser bei den Irokesen und anderen Ostküstenvölkern, deren Außenseite mit Birkenrinde abgedeckt wurde; im Süden Chikis, offene Häuser mit Grasdächern, die auf Pfählen standen (Muskogee, Seminole); es gab geschlossene, ganz aus Gras errichtete Häuser (zb. bei den Wichita); es gab in den Plains tipis aus Büffelhäuten; im Großen Becken wurden meist nur aus Zweigen ein Unterschlupf gebaut (Shoshoni, Paiute); die Navaho bauten Erdhäuser; andererseits wurden Erdhäuser auch in den Prärien errichtet (Mandan, Pawnee).

An der Nordwestküste gab es aus Zedernholz gebaute Langhäuser. Die Häuser wurden aus Zedernbohlen errichtet, hatten abgeteilte Räume für einzelne Kleinfamilien, wobei die Kochstellen im Mittelgang lagen und gemeinsam genutzt wurden. In einem solchen Haus wohnten meist mehrere miteinander verwandte Familien, so daß man das als erweiterte Großfamilie ansehen kann. Die Bewohner eines Langhauses bildeten auch die Besatzung der seegängigen Boote, mit denen Fischfang betrieben wurde; die Bootsbesatzungen waren also Verwandte. Die Fischereirechte wurden traditionell auch familienweise vergeben.

Daß diese Nordwestküstenlanghäuser verboten waren, hängt damit zusammen, daß indianische Kulturen und Religionen sich in der Regel nicht trennen lassen. Das Verbot der Häuser richtete sich gegen Religion und Kultur und war zum weiteren ebenso dazu geeignet, durch die Auflösung der Familieneinheiten die Völker besser unter Kontrolle zu bringen, indem traditionelle Strukturen zerstört wurden.
 
Festus621 schrieb:
@
Ich habe eine Bitte:
Fügt doch ab und zu in euren sehr interessanten und spannenden Beiträgen einen erklärenden Nebensatz ein.
Ihr arbeitet teilweise mit Namen von Personen und Ortschaften oder auch mit Schlagwörtern, die ihr vielleicht als bekannt voraussetzt, aber dem gemeinen Forums-Mitglied nicht geläufig sind. Ich musste mir jetzt schon mehrfach einige Stichpunkte mühselig ergoogeln.
Momentan scheint der Thread auf einen Fachdialog zwischen euch beiden hinauszulaufen.

Eine weitere Frage:
Gabe es "weiße" US-Bürger, die sich aktiv für die Rechte der Indianer eingesetzt haben, speziell im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts? Wer waren diese Personen und wie sahen ihre Aktivitäten aus?
Sklavereigegner wie John Brown, die schon lange vor dem Bürgerkrieg aktiv waren, sind hinlänglich bekannt. Dagegen weiß man (zumindest ich) kaum etwas über Gegner der US-Indianerpolitik.

Wie gesagt, tut mir leid, der Eindruck sollte gar nicht aufkommen.

Ich habe ein paar mal den Lakota-Namen Tatanka Iyotanke verwendet; so hieß Sitting Bull in seiner Sprache. Hoppsa: Lakota ist die Eigenbezeichnung eines Teils des Stammes, der unter Weißen als "Sioux" bekannt ist. Die Sioux bezeichnen sich selbst als Oceti Sakowin, Sieben Ratsfeuer, oder als "Verbündete", in ihrer eigenen Sprache Nakoda (die östlichste Gruppe), Dakota (die mittlere Gruppe) und Lakota (der Teil, der in die Plains abwanderte). Sprachlich verstanden sich die verschiedenen Abteilungen, obwohl sich Dialekte bildeten, so daß "danke" bei den Dakota "pida maya" heißt, bei den Lakota "pila maya". Das Wort Sioux leitet sich übrigens von einem Wort aus der Ojibway/Chippewa-Sprache her; in der französisch geprägten Form: Nadouessioux, und hat irgendwas mit Schlangen zu tun, woraus zu erkennen ist, daß beide Völker nicht befreundet waren.

Anna Mae Pictou Aquash war in den 70er Jahren eine AIM (American Indian Movement) Aktivistin, die u.a. bei der Besetzung von Wounded Knee aktiv war. Das AIM wurde vom FBI sehr 'bearbeitet'; im Rahmen des Counter-Intelligence-Program (COINTELPRO) wurden V-Leute eingeschleust, Aktivisten bespitzelt, andere ermordet. Über Anna Mae (sie war aber nur eine von vielen) wurde vermutlich auch vom FBI das Gerücht gestreut, sie wäre eingeschleuste V-Frau. Daß das in der damaligen Situation nicht gerade eine lebensverlängernde Maßnahme war, war auch klar. Es gab aber auch verschiedentlich Morddrohungen gegen Anna Mae von der Schlägertruppe der GOONs (Abkürzung von Guardians of the Oglala Nation - siehe Orwellsches Neusprech).

Anna Maes Leichnam wurde in einem Graben außerhalb jeglicher Ortschaft gefunden. Die offizielle Autopsie ergab, daß sie erfroren sein sollte - eine Schußwunde läßt sich ja übersehen (Sarkasmus off). Tod durch Erfrieren ist aber unter den dort herrschenden klimatischen Bedingungen zumal in der kalten Jahreszeit bei Alkoholikern eine relativ häufige Erscheinung, so daß wohl davon ausgegangen werden muß, daß es offiziell als weiterer Todesfall einer besoffenen Indianerin vertuscht werden sollte. Entgegen allgemein üblichen Gepflogenheiten, die Identität eines unbekannten Toten durch Abnahme der Fingerabgdrücke festzustellen, wurden Anna Mae beide Hände abgeschnitten, die dann nach Washington geschickt wurden.

Das FBI versucht nach wie vor, Anna Maes Tod so darzustellen, daß alle anderen Schuld sind. Besoffen erfroren ist eine. Die andere, daß Anna Mae vom AIM beseitigt wurde wg des Verdachts der Zusammenarbeit mit dem FBI. Dagegen sprechen aber sämtliche Versuche, ihren Tod als Erfrieren darzustellen und die Verschleierungsversuche sind auch nicht plausibel, denn einen durch AIM-Mitglieder begangenen, womöglich durch die AIM-Führung in Auftrag gegebenen Mord hätte das FBI sehr groß ausschlachten können. Man war ja ohnehin gerade dabei, das AIM wie auch andere Organisationen als Terroristen hinzustellen.

Personen, die sich für indianische Rechte eingesetzt haben, gab es natürlich immer wieder; einen dauerhaften Erfolg hatten sie vielfach nicht.
Ein Beispiel ist - ich mein, er hieß Jefferson und war als Dolmetscher in die Verhandlungen mit Cochise eingebunden und übernahm später als erster Agent das Reservat der Apachen. Das ist sogar verfilmt worden, ein Hollywoodprodukt mit dem deutschen Titel "Der zerbrochene Pfeil" und deswegen erwähnenswert, weil es eines der wenigen frühen Hollywoodprodukte ist, in denen Indianer als Menschen dargestellt werden. Jefferson versuchte als Agent, die Rechte der Apachen vor Übergriffen durch Anglo-Siedler zu schützen. Auf Intervention seitens interessierter weißer Mitbürger wurde er allerdings abgesetzt.

Carl Schurz, seinerzeit Innenminister und aus Deutschland emigrierter Radikaler, hat sich als Dienstherr des Bureau of Indian Affairs auch für indianische Rechte eingesetzt.

Penseo erwähnte General Crook, der indianische Rechte angemahnt hat. Im großen und ganzen waren es nur wenige Militärs, die eine solche Haltung einnahmen.

Es hat auch frühe Versuche gegeben, das Bureau of Indian Affairs (BIA) unter indianische Leitung zu stellen - mit dem Irokesen Ely Parker als Direktor. Parker hatte ein Universitätsstudium absolviert und war Ingenieur.
 
Penseo schrieb:
Zu Zeiten von Präsident Jachson gingen die Cherokee, die sich nebenher auch sehr bemühten sich den neuen Lebensbedingungen anzupassen und nicht als "Wilde" dazustehen, vor den obersten Gerichtshof und bekamen Recht. Ihr Land, auf dem Gold gefunden war, falle nicht unter die Handhabe des Staates Georgia. Leider half ihnen dann niemand mehr bei der Durchsetzung des Richterspruches. In Fakt drangen immer mehr Siedler auf das Gebiet der Cherokee vor. Schliesslich empfanden es sogar die Indianerbefürworter als besser, die Indianer im Westen in Sicherheit zu bringen. (War natürlich auch nicht richtig.)
Quelle: http://www.pbs.org/wgbh/aia/part4/4p2959.html

Indirekt lässt sich aus dem Wikipedia-Artikel über Colonel Chivington entnehmen, dass er nach dem Sand-Creek- Massaker (1863, mindestens 150 Indianer auf grausamste Weise niedergemetzelt) politisch erledigt war.

Einzelne Häuptlinge reisten auch immer mal wieder nach Washington DC und durften dort ihre Anliegen vorbringen. (Red Cloud, Chief Joseph zb.)Ohne wohlmeinende Fürsprecher wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Aber wirklich geholfen hat es den Indianern nicht.

Bei den Gebieten der Cherokee ging es nicht um Gold, sondern um die Nutzung von bereits 'verbessertem' Boden, da dort bereits Ackerbau und teilweise auch Plantagenwirtschaft betrieben wurde. Es handelt sich bei den sogen 5 Ziviliserten Stämmen um Völker, die auch vor Ankunft der Weißen Ackerbau betrieben hatten; sie lebten seßhaft. Ihre politische Verfassung, um das mal modern auszudrücken, war eher eine Konföderation von miteinander verwandten Völkern als eine Stammesorganisation. In diese Konföderationen konnten auch weitere Völker aufgenommen werden, falls man sich entsprechend einigen konnte.

In der von dir, Penseo, angegeben URL steht auch, daß in Georgia und Alabama die Plantagenbesitzer neues Land brauchten und deswegen die indianischen Gebiete an sich bringen wollten. Auch dies trifft zu, da die Plantagenwirtschaft die Böden recht schnell auslaugte (je nach angebautem Produkt unterschiedlich schnell), so daß nach Jahren oder zwei, drei Jahrzehnten neue Gebiete erschlossen werden mußten. Im Fall des Cherokee-Landes mußte natürlich nicht erst erschlossen werden, so daß es besonders interessant war.

Präsident Jackson selbst hat das Gerichtsurteil für die Cherokee übrigens mit der Bemerkung kommentiert, das Gericht habe geurteilt und solle nun auch sehen, wie es das Urteil durchsetze.

Colonel Chivington ließ sich zwar gerne als Colonel ansprechen, war aber nur selbst ernannt. Er befehligte auch keine Armee-Einheit, sondern eine Miliz, die eigens für Überfälle auf Indianer aufgestellt war und damit auch mobilisierte.

Chivington war eigentlich Geistlicher, wenn ich mich recht erinnere. Eine Darstellung über das Massaker von Sand Creek ist übrigens in "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" nachzulesen, aber dafür braucht man starke Nerven.

Chivingtons Miliz zeichnete sich übrigens durch eine weitgehende Disziplinlosigkeit aus. Außer Grausamkeit hatten alle so wenig 'drauf', daß die Verluste auf Seiten der Miliz durch eigenes Feuer entstanden.

Um Besserung zu zeigen: Sand Creek war ein Dorf, in dem Cheyenne und Arapaho zusammengekommen waren. Die Männer des Dorfes befanden sich zum Zeitpunkt des Massakers auf Jagd, so daß nur alte Menschen, Frauen und Kinder im Dorf waren. Der Cheyenne-Häuptling Black Kettle, der mit im Dorf war, hatte einen Friedensvertrag unterzeichnet und fühlte sich von daher sicher. Die Armee hatte ihm eine US-Fahne dagelassen und ihm erklärt, wenn er diese hisse, brauche er keinen Angriff durch US-Truppen zu befürchten. Im gegebenen Fall half diese Fahne natürlich gar nicht.

Die Besuche von Indianern in Washington waren weniger dazu gedacht, ihnen die Möglichkeit zu geben, Rechte einzufordern oder Ansprüche anzumelden, sondern häufig genug sollten sie einfach durch die Zahl der Weißen beeindruckt werden, die sie auf der Reise erkennen sollten (die Zahl, mein ich). Die zahlenmäßige Übermacht und die Überlegenheit der weißen Kultur sollte vorgeführt werden, damit die reisenden Häuptlinge zu Hause nicht mehr Zentrum des Widerstands waren, sondern vom Krieg abrieten.
 
@Ingeborg
Die Bemerkungen über Colonel Chivington stimmen, Geistlicher, der eine undisziplinierte Milizarmee befehligte. Gilt noch immer als Sinnbild des Indianerhassers, so dass seine Person auch heute noch in Serien über den mittleren Westen seiner Zeit auftaucht. Die Truppe soll sich vor dem Massaker ordentlich Mut zugetrunken haben.
Interessant war aber, und deshalb melde ich mich noch einmal, dass ihm ein Verfahren wegen des Massakers drohte. Als Meilenstein in der besseren Behandlung von Indianern würde ich das nicht werten.
Dennoch hatte er im Empfinden auch seiner Zeitgenossen die Grenze des Erträglichen überschritten. Er soll ja mit den erbeuteten Skalps von Frauen und Kindern in Denver einen Triumphmarsch veranstaltet haben. Worauf Präsident Lincoln den zuständigen Gouverneur absetzte.
Dazu angemerkt, kannte er nicht auch General Custer und riet ihm zu einem ähnlichen Überfall auf ein Sioux Dorf?
 
Penseo schrieb:
Inwiefern verlieren die Indianer ihre Reservationsrechte, wenn sie einmal aus der Reservation weggezogen sind? Ich habe das schon einmal in dem Zusammenhang gehört, dass die Reservationen komplett aufgelöst werden sollten, die Indianer in die Städte ziehen sollten. Gilt das auch heute noch?

Indianer verlieren nicht generell die Reservationsrechte, wenn sie wegziehen. In den 50er, 60er Jahren war es aber gang und gäbe, Familien eine Verzichtserklärung zur angeblich freiwilligen Unterschrift vorzulegen, wenn dem Familienvorstand ein Job außerhalb der Reservation vermittelt worden war. Dadurch wurde eine Rückkehr bei Arbeitslosigkeit natürlich wirkungsvoll verhindert; die Indianer sollten sich ja auch assimilieren und den besonderen Status als Reservationsindianer von daher nicht mehr brauchen. Daß die Assimilierung bestenfalls ein mit dem Wegzug einsetzender Prozeß sein könnte, der auch nicht in jedem Fall erfolgreich laufen mußte, wurde unter den Teppich gekehrt und das Ergebnis vorausgesetzt.

Bei der Termination, der Auflösung von Reservationen, handelt es sich um eine mittlerweile aufgegebene Taktik der US-Regierung, sich des Indianerproblems dadurch zu entledigen, daß die betroffenen Völker oberflächlich betrachtet in die Selbständigkeit entlassen werden sollten. Allerdings nicht als Stamm, sondern als Einzelpersonen. In allen Fällen, in denen Reservationen terminiert wurden, ist das gründlich daneben gegangen, so daß die Situation der einzelnen Familien sich danach drastisch verschlechtert hat. Die einzelnen Familien erhielten Landzuteilungen bzw bereits in Familienhand befindliches Land wurde mit ordentlichem Besitztitel eingetragen (konnte danach also frei verkauft werden, oder bei Verschuldung durch Gläubiger/Banken zwangsvollstreckt werden). Der Rest muß mal wieder verdunstet sein....

Da mit der Einrichtung der Reservationen die US-Regierung die Ernährung, Ausbildung, Gesundheitsfürsorge als Zahlung für das abgetretene Land zugesagt hatte, wurden hierfür (bescheidene) Ausgleichszahlungen an die Familien gezahlt. Hier standen natürlich schon geschäftstüchtige Firmen und Individuen bereit, um nach Kräften dabei mitzuhelfen, diese Gelder in den weiteren Umlauf zu bringen.... auch durch betrügerische Praktiken.

In den Fällen der Reservationsterminierung sollten die Indianer nicht unbedingt in Städte ziehen, sondern durften schon an Ort und Stelle bleiben - jedenfalls, bis sie aus wirtschaftlicher Not etc ihr Land verkaufen mußten. Die Termination bedeutete gleichzeitig mit der Auflösung der Reservation auch die Beendigung der Anerkennung des Volkes durch die USA; die anerkannten Völker haben den Status einer internen, abhängigen Nation.

Im Fall der Menominee-Reservation (leicht westlich der Großen Seen) wurde eine Gemeinschaft aufgelöst, die sich vorher einigermaßen selbst tragen konnte; innerhalb weniger Jahre nach der Termination waren alle Angehörigen in einer ökonomisch bedeutend schlechteren Lage und überwiegend auf Sozialhilfe angewiesen.
 
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