jau...nur...drittgrößte Kolonialmacht? Naja, da hülfe ein Vergleich der Größe der Kolonialgebiete ein wenig, die Relationen deutlicher zu machen...
Ja, aber wenn man darüber zankt, wer nun die wievieltgrößte Kolonialmacht war, sollte man da vielleicht auch die Größe der Bevölkerung der Gebiete und den Reichtum an Schlüsselrohstoffen mit einbeziehen?
Drittgrößte Kolonialmacht ohnehin nicht. Da sollte man Russlands Koloniale Peripherie in Zentralasien und Sibirien nicht vergessen, auch wenn die nicht überseeisch war.
Nimmt man das zusammen haben Großbritannin Frankreich und Russland schon in einer deutlisch anderen Liga gespielt, als das Kaiserreich unter Bissmark, wenn man Wert auf Bevölkerungsgröße und Rohstoffe der Kolonien liegt, wahrscheinlich auch die Niederlande mit ihren ausgedehnten Besitzungen im heutigen Indonesien.
Zu Bismarcks Zeit, spielte, wenn man diese Faktoren zusammen nimmt, dass Deutsche Kolonialreich in etwa in einer Liga mit dem, was Belgien, Portugal, Spanien und mit gutem Willen die Niederlande vorzuweisen hatten.
Bismarck waren die Kosten des Kolonialismus immer gegenwärtig, die ganz realen im Vergleich zu den Erlösen oder gar Erträgen, wenn ich mich recht erinnere. Defacto spielten die Kolonien wirtschaftlich für das Dt. Kaiserreich eine geringe Rolle, rentabel waren sie schon gar nicht
Dann muss man, wenn man das mit der Wilhelminischen Zeit und im Besonderen der späteren Periode vergleichen will, aber auch die steigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, den technischen Fortschritt, die effektiver werdende Rohstoffverarbeitung und das Aufkommen der chemischen Industrie im größeren Sinne berücksichtigen, würde ich meinen.
Auch wenn das Kolonialreich auch zu Wilhelm II. Zeiten sich für Deutschland finanziell nicht lohnte, konnte man sicherlich angesichts des industriellen Fortschritts noch Hoffnungen darauf machen, dass sich das mit der Zeit, noch ändern würde, wenn andere Rohstoffe an Bedeutung gewännen und die Erschließung effektiver werden würde.
Bismarck stammte aus altem Adel mit seinem landwirtschaftlichen Hintergrund und wird solche Perspektiven eher nicht gesehen haben.
Von daher würde ich die rein finanzielle Dimension des Kolonialreiches da nicht so kritisch sehen, weil man es als Investition in die Zukunft betrachten konnte.
Natürlich kostete das erstmal eher Geld, aber das hing ja auch, mindestens in Teilen mit dem Ausbau der Infrastruktur zusammen.
Ob dieses Kolonialreich, im Besonderen, wenn man es noch geschafft hätte die Portugiesen in Nordangola und Nordmozsambique zu beerben und den eigenen Einfluss in China weiter auszuhaben, dass Potential gehabt hätte, sich auf Dauer wenigstens selbst zu tragen oder langfristig profitabel zu werden, wissen wir nicht, da ist einmal der Weltkrieg dazu gekommen. Aber der und der Verlust der Kolonien, war ja bis in den August 1914 hinen ja nicht die einzige aller möglichen Zukünfte.
Insofern würde ich meinen, war Bismarck, zumal ja auch langsam absahbar am Ende seines Lebens angekommen, wenn er den ökonomischen Nutzen betrachtete auf den Status Quo zu seiner Zeit fokussiert, Wilhelm II und Leute wie Bülow schauten da vielleicht vor den sich abspielenden technischen Entwicklungen auch etwas mehr in die Zukunft, würde ich mal mutmaßen
Der Industriekapitalismus bildete die alles entscheidende ökonomische, technologische und politische Grundlage des Aufstiegs, des Bedeutungszuwachses des Dt. Reiches vor 1914. Die wichtigen Import- und Exportmärkte des industriellen Sektors waren nicht die Kolonien.
Nein, die wichtigsten Märkte waren nicht die Kolonien, aber ich denke man sollte sich da auch die Potentiale im Auge behalten. Es ist ja nicht so, dass Namibia und Tanzsania über keine interessanten Rohstoffe verfügten, die der Deutschen Industrie als strategisch sichere Bezugsquelle nicht irgendwann zum Nutzen hätten gereichen können.
Nur mussten die erstmal erschlossen werden und die für den Abbau zur Verfügung stehenden Technologien so weit ausreifen und so kostengünstig werden, dass die Vorkommen dann auch abbauwürdig geworden wären.
Das war zur Zeit von KWII noch nicht der Fall, aber dass hätte 20-30 Jahre in die Zukunft durchaus der Fall sein können.
Und was Absatzmärkte angeht, so hatte Mindestens Kiauchou/Tsingtau, wenn man bedenkt, dass da noch die Bahn-Konzession für die gesamte Provinz Shandong mit drann hing, durchaus auch ein Bisschen was an Potential.
Vor allem war das ein Ansatzpunkt um seinen Fuß auf die Märkte in Ostasien zu bekommen.
Die Überschrift des Faden lautet Interdependenzen Kolonialismus und Flottenrüstung. Also praktisch nicht zu widerlegen, denn irgendwelche wichtigen Korrelationen gibt es ganz sicher. Dass mit den Dreadnoughts von Tirpitz nicht die Kaiserreich-Kolonien erobert, bewacht oder verteidigt werden sollten, wollten und konnten, dürfte, bilde ich mir ein, ebenfalls recht sicher sein.
Die Dreadnaughts an und für sich sind ja im Grunde genommen ohnehin insofern eine skurrile Entwicklung, die auf eine an und für sich überholte Technik und Seekriegsdoktrin setzte.
Man könnte sich, speziell aus deutscher Sicht sicher mit einer Berechtigung fragen, ob diese Dinger de facto für irgendwas gut sein konnten, außer um gegen eine hypothetische Nahblockade in der Nordsee vorzugehen und als Protzobjekte um Eindurch zu schinden.
Aber die dreadnaugths waren ja durchaus keine notwendige Entwicklung und am Ende ja auch nicht der Beginn der Flottenbegeisterung.
Das 1. Flottengesetz wurde ja bereits 8 Jahre bevor die Drednaught vom Stapel ging verabschiedet. Auch beim zweiten Flottengesetz von 1900 spielte das Theme "Drednaugth" noch keine Rolle und auch noch kein Wettrüsten mit den Briten, schon gar keine Einkreisungsobsessionen gegenüber einer hypothetischen Tripple-Entente, denn die war ja nun zu diesem Zeitpunkt, noch überhaupt nicht absehbar, hier hatten die Briten ja noch keinen Ausgleich mit Frankreich und dem Zarenreich zustande gebracht.
Was bei dem zweiten Flottengesetz heraus kam, war sicherlich noch nicht die Hochseeflotte in ihrer Kampfstärke nach dem Dreadnaugth-Sprung, aber, würde jedenfalls ich meinen, für ein Land mit einer doch realtiv bescheidenen Küstenlinie wie Deutschland, schon sehr beachtlich.
Wiki folgend, sah das Flottengesetz von 1900 vor Die Schlachtflotte aufzurüsten auf eine Sollstärke von:
4 Geschwadern zu je 8 Linienschiffe und 4 Reserveschiffe, 14 große und 38 kleine Kreuzer
Flottengesetze – Wikipedia
Das wäre dann immerhin eine Sollstärke von nicht wengier als 36 Linienschiffen und 52 Kreuzern gewesen.
Ich denke, dass man, wenn man da nicht die manifeste direkte Herrschaft über die großen Gebiete in Afrika gehabt hätte, dass in dieser Form nicht durchbekommen hätte.
Um sich mit den Briten anzulegen, hatte man zu diesem Zeitpunkt ja noch überhaupt keinen Anlass und im Hinblick auf eine potentille Auseinandersetzung mit Russland und Frankreich, bei einem neutalen oder befreundeten Großbritannien, wäre eine solche Aufrüstung unnötig gewesen, weil diese Auseinandersetzung ohnehin an Land entschieden worden wäre.
Was also war der Grund, dass Flottenrüstung bereits zu diesem Zeitpunkt in diesem Maße mitgegangen wurde? Nicht nur aus Sicht eines KWII und eines Tirpitz, sondern auch aus Sicht der Reichstagsabgeordneten und Reichstagsparteien, die der ganzen Angelegenheit ja ihr Plazet geben mussten?
Mindestens bis hier hin, so lange noch kein ernsthaftes Bestreben und auch gar keine sinnvolle Notwendigkeit ruchbar waren, sich mit die Briten anlegen zu müssen oder zu wollen, würde ich einmal unterstellen wollen, dass der Schutz der eigenen kolonialen Besitzungen, zumal gerade 2 Jahre zuvor noch Tsingtao/Kiauchou dazu gekommen war, hier eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben dürfte und nicht nur der Schutz wager immaterialler Handelsinteressen und Verträge.
Wenn man das aber unterstellt und darüber hinaus auch, dass die Flottennovellen ab 1906 ja nicht irgendwo im luftleeren Raum herumwaberten und bereits auf einer vorhandenen, zwar nicht übegroßen, aber doch ansehnlichen Flotte aufbauten, würde ich meinen, muss man sich die Frage stellen, ob die Legung des Fundaments für die deutsch-britische Flottenrivalität, ohne die bismarck'schen Erwerbungen überhaupt denkbar gewesen wäre, wenn man bedenkt, wie man in Preußen, mit dem Thema Flotte vor den 1880er Jahren umgegangen war.
Und dass KWII. das tradierte Seemacht-Konzept der britischen Wirtschaft und Administration mit seinen vielen Hafen-Stützpunkten weltweit als tragendes Netzwerk nicht so ganz verstanden hat, scheint mir ebenfalls deutlich zu sein.
Das nun zweifellos, der gute Herr verstand ja diverse Konzeptionen, was den militärischen Bereich angeht, bei aller vorhandenen Begeisterung nur oberflächlich oder unvollständig.
Aber ich denke, was die Flotte angeht, wäre es sinnvoll etwas davon weg zu kommen, was KWII. oder Tirpitz dachten und sich der Frage anzunähern, was sich eigentlich die Mitglieder des Reichstags und der Bevölkerung dachten, die dem Ausbau der Flotte Zustimmung signalisierten, als das Gespenst der Einkreisung, nun auch durch Großbritannien so noch nicht im Raum stand.
Und ich denke, da müsste man sich wirklich einmal die Umstände des 2. Flottengesetzes von 1900 einmal näher anschauen.