Internierung von Nazis ab 1945

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Gast

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Wenn man in politischen Biographien stöbert fällt einem bei vielen Figuren des Dritten Reichs auf, dass sie nach 1945 würd einen Zeitraum von ca 2-5 Jahren interniert waren. Danach wurden sie entlassen oder kamen mit der Justiz in Berührung.

Wie sah diese Internierung aus? Kamen die Nazis in große Lager?(Das ist ja beispielsweise in Dachau geschehen - war das aber nur eine Übergangslösung)
Kamen sie in Gefängnisse? Waren diese Gefängnisse in D oder im Ausland? Hatten die Internierten Kontakt zu Anwälten(immerhin ist eine Internierung eigentlich nichts juristisches) oder zu ihren Familien? Gab es Entschädigungen für Leute die fälschlicherweise festgehalten wurden? Zu wie vielen Internierungen kam es insgesamt?

So ich glaub, dass das nun genug Fragen auf einmal waren.
 
Zum Teil wurden sie in Gefängnisse verbracht, das galt etwa für die Angeklagten beim Nürnberger Prozess.

Für die "Entnazifizierung" gab es eigene Internierungslager. Die hießen "Zivilinternierungslager".
Hier zum Beispiel das Lager Moosburg, das ähnlich wie Trutzhain/Hessen zuvor als Kriegsgefangenenlager diente:

http://www.moosburg.org/info/stalag/
 
Briten betrieben in Deutschland ein Folter-Lager

Nach dem Zweiten Weltkrieg internierten die Briten ehemalige Mitglieder der NSDAP oder der SS. Unter den Gefangenen sollen auch Geschäftsleute und Industrielle gewesen sein

*London* - Die Briten haben nach dem Zweiten Weltkrieg im niedersächsischen Bad Nenndorf ein Lager betrieben, in dem Gefangene systematisch gefoltert und dem Hungertod preisgegeben worden sind. Das berichtete am Samstag die britische Zeitung „Guardian“ unter Berufung auf Dokumente, die kürzlich auf Grund des Informationsfreiheitsgesetzes freigegeben wurden. In den Dokumenten wird das Schicksal von einigen der dort inhaftierten 372 Männer und 44 Frauen geschildert.

Viele der Lagerinsassen seien ehemalige Mitglieder der NSDAP oder der SS gewesen, schrieb die Zeitung. Sie seien inhaftiert worden, um mögliche Aufstände gegen die Besatzungstruppen zu verhindern. Unter den Gefangenen seien aber auch Geschäftsleute und Industrielle gewesen, die von der NS-Diktatur profitiert hätten.

Die Dokumente enthalten die Ermittlungsergebnisse eines Inspektors von Scotland Yard, Tom Hayward, der für die britische Militärregierung in Deutschland einen Bericht verfaßte. In einem Fall geht es um den Tod eines der Lagerinsassen, Walter Bergmann. Der Mann habe sich den Briten als Informant angeboten, sei ihnen aber verdächtig vorgekommen, weil er Russisch gesprochen habe, und inhaftiert worden. Hayward kommt in dem Bericht zu dem Schluß, daß Bergmann in dem Lager offenkundig an Unterernährung und fehlender medizinischer Betreuung gestorben sei. Der Ermittler betonte, daß gegen Bergmann nichts vorgelegen habe und daß er im Gegenteil den Briten seine Dienste angeboten habe.

Gefangene hätten Hayward berichtet, daß sie bei Verhören ausgepeitscht und geschlagen worden seien, schrieb der „Guardian“ unter Berufung auf die Dokumente. Zunächst habe er die Vorwürfe gar nicht glauben können, hieß es in Haywards Bericht. Bei näherer Untersuchung habe er jedoch feststellen müssen, daß die Häftlinge systematisch geschlagen und extremer Kälte ausgesetzt worden seien. Einige habe man verhungern lassen. Ferner seien Gefangene mit Instrumenten gefoltert worden, die die Briten in einem Gefängnis der Gestapo in Hamburg sichergestellt hätten.

Haywards Untersuchungsbericht führte dem „Guardian“ zufolge zur Anklage von drei Männern vor einem Kriegsgericht. Zwei von ihnen seien freigesprochen worden, der dritte sei wegen Vernachlässigung von Gefangenen aus den Diensten der Streitkräfte entlassen worden.

Quelle: Berliner Morgenpost, Samstag, 17. Dezember 2005
http://morgenpost.berlin1.de/desk/819824.html
 
Zum rechtlichen Aspekt : Die Reichsregierung war von den Allierten aufgelöst, sämtliche Gesetze des Landes außer Kraft gesetzt worden. Das führte in der Folge dazu, daß selbst die deutschen Kriegsgefangenen ihren Status als Gefangene nicht erhalten konnten (Schutzmacht weggefallen). Die Schweiz sollte das Schutzmachtmandat übernehmen, wurde jedoch von den Allierten abgelehnt. Kriegsgefangene wurden fortan als Verbrecher behandelt, weshalb auch die Genver Konvention keine Anwendung mehr auf diese Gruppe fand.

Es war nach dem 8.Mai weder das Privatvermögen garantiert, noch die selbstverständlichsten Menschenrechte. Der Mensch damals war wenig mehr als Vogelfrei :vgl.Ortschroniken aus dem Süddeutschen Raum wie z.B. Bruchsal, Bretten u.v.a. (Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde)

Die Allierten hatten sich ein hohes Ziel gesetzt, die rechtliche Beurteilung und Verurteilung eines ganzen Volkes. Dazu brauchte es Zeit, und belastende Aussagen. Das erklärt die lange Verweildauer dieser "Untersuchungshaft". Bei der Informationsgewinnung war man nicht zimperlich. Der Reichsatgsabgeordnete Fritz Plattner z.B., büßte im Lager Ludwigsburg
seine Gehfähigkeit ein. Die Haftbedingungen für Nazis unterschieden sich nicht wesentlich von KL-Haft.
Anwälte hatten oft nur die hohen Nazi-Funktionäre, die in Nürnberg oder Dachau angeklagt waren, die Allierten wollten so wenigstens den Anschein von Rechtsstaatlichkeit wahren. Mit der Zeit kam dann der "Fragebogen" vgl v.Salomon, bzw.das Spruchkammerverfahren vgl Google.
Die Zahl der Internierten muß anfangs enorm gewesen sein. Der Schuldienst in Deutschland viel lange aus, da über 70% der Lehrer der NSDAP angehörten, dieses nur ein willfähriges Beispiel, das auf andere Berufsgruppen wie Richter und Anwälte genauso galt. Genaues weiß hier niemand zu sagen, da gibt es nur Näherungszahlen.

Wenn Sie meine Ausführungen lesen, erübrigt sich Ihre Frage nach Entschädigung oder Familienkontakt.
 
Es gab auch "wilde" Internierungslager, Zwangsarbeiter die sich an ehemaligen Bewachern rächten, ich glaube mir ist auch ein Fall bekannt, in dem ehemalige KZ-Insassen den Spieß herumdrehten und die Bewacher gleich in dem vorhandenen KZ einsperrten.

Zwei heute siebzigjährige kenne ich, deren Väter die französische Internierung in Balingen nicht überlebten.

Grüße Repo
 
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Es gibt ein Buch über das Thema von Karl Hüser:
"Unschuldig in britischer Haft - Das Internierungslager No. 5 Staumühle", 1999 beim SH-Verkag, Köln, ISBN 3-89498-076-1

Ich kenne das Buch nicht. Das Lager allerdings hat es von 1945 bis 1948 in Hövelhof-Staumühle bei Paderborn gegeben. Heute steht dort eine Justizvollzugsanstalt für Jugendliche im offenen Vollzug.

Durch meinen Vater weiß ich, dass ein Lehrer von ihm, der ein linientreuer Nazi war, dort eine Weile "gesessen hat, was von den meisten Menschen des Dorfes (Friedrichsdorf bei Bielefeld) begrüßt wurde.
Die Briten verfolgten mit diesem Lager eine politische "Umerziehung" der Internierten.

Auch ein interessanter Link:

http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/normal/txt233.pdf
 
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