Inwieweit unterscheidet sich die Schlüsselgewalt der Germanen von der im Mittelalter

Dieses Thema im Forum "Völkerwanderung und Germanen" wurde erstellt von Richildis, 13. August 2009.

  1. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Hallo, Leute -
    Bis zur Gleichberechtigung der Frau gab es die sog. "Schlüsselgewalt", die der Frau in verschiedenen Zeiten auch verschiedene Rechte, die sich auf das "Innere" des Hauses, z. B. die Haushaltsführung beschränkte, einräumte. In germanischer Zeit trug die Ehefrau eines freien Germanen deshalb auch den Schlüssel am Bund um die Taille (im Mittelalter manchmal sogar um den Hals). Meine Frage nun:
    Hatten Frauen in germanischer Zeit mehr "Schlüsselgewalt" als im Mittelalter oder erhielten sie kontinuierlich mehr Rechte?

    In der Hoffnung auf eine angeregte Diskussion und viele Antworten
    Richildis :pfeif:
     
  2. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ich möchte zunächst erstmal bezweifeln, dass die Germanen überhaupt Schlüssel kannten, somit wäre er auch kein Symbol gewesen, welches sich zu tragen gelohnt hätte. Lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.
     
  3. balticbirdy

    balticbirdy Ehemaliges Mitglied

    Gekannt wohl schon. Gebraucht wohl kaum, wer hatte denn schon Wertgegenstände, die man Wegschließen musste.
    http://www.frankensucher.de/42203.html
     
  4. Witege

    Witege Aktives Mitglied

    Naja, das ist ja wohl immer subjektiv.

    Hier hatte eine Frau zum Beispiel ein Holzkästchen mit Schloß und Schlüssel aus Bronze, in dem sich Toilettegeräte wie ein Kamm aus Knochen und bronzene Schere, Messer und Nadel befanden.

    Reallexikon der germanischen ... - Google Bcher

    (leider gibt es von dem Artikel Verschlüsse keine Vorschau)
     
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  5. Sascha

    Sascha Neues Mitglied

    Ich denke Du gehst von der Merowingerzeit aus, in der es viele Schlüsselfunde gibt, die sich Frauen zuordnen lassen.
    Was Kisten und Kästchen um die Zeitenwende angeht so sieht es sehr mau aus… da anscheinend die alten Rechtsrheinischen nur organisches Material zum Bau verwendet haben, wenn diese welche gebaut haben, Metalle die auf Kisten/Truhen verweisen fehlen völlig, erst recht Schlüssel, wie jeglicher Beleg für etwas was abzuschließen wäre.
    Unter römischen Einfluss kam sicherlich erst der Schlüssel auf und wurde dann zum wichtigen Trachbestanteil.
     
  6. Sascha

    Sascha Neues Mitglied

    Hier mal ein Text den ich empfohlen bekommen habe, nicht ohne Ironie, da er selber schon eine historisches Werk aus der ehemaligen DDR ist:

    Grünert, H. : Zur Bedeutung und zum Bild der Frau in den keltischen und germanischen Stammesgesellschaften. In: Frühe Völker in Mitteleuropa. Berlin 1988

    Man versucht halt dort die rote Linie aufzugreifen, gibt dabei aber ein Scheitern zwischen den Zeilen zu. Recht amüsant, aber alles Wesentliche an Quellen wird erwähnt und diskutiert.
    Insgesamt dürfte die der Versuch Rechtsstellungen und Hierarchien an Hand der der heterogenen Quellenlage scheitern, bzw. ein Versuch diese in eine Richtung zu ziehen selten überzeugen.
    Auch in Bezug zu der Schlüsselfrage…
     
  7. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Vielen Dank für die Info :winke:
     
  8. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Hier ein Auszug aus einer Internetseite "Germanen":
    Rechtlich war die Ehe ein sogenanntes Gewaltverhältnis, begründet auf der Munt. Der Mann haftete für die Frau. Das Haus war streng hierarchisch gegliedert, ganz im Gegensatz zur genossenschaftlichen Sippe. Der Munt des Hausherren unterstanden Ehefrau, Kinder und freies Gesinde, während Sklaven dem Sachenrecht, wie alle Unfreien unterworfen waren.
    Über die Frau erwarb der Mann die Munt durch ihren Vater oder das Oberhaupt des Hauses in dem sie lebte und zwar durch einen Sippenvertrag. War die Ehe rechtskräftig, wurde die Frau nach außen durch ihren Mann vertreten. Im Inneren des Hauses besaß sie jedoch die Schlüsselgewalt...und hatte so manches Mitspracherecht ;-)
    Eine besondere Bedeutung hatte der Gürtel, ihm schrieb man Kraft und Magie zu, er sollte auch schützen. Zugleich war er Macht- und Würdezeichen, also Statussymbol. Da die Kleidung keine Taschen hatte, trug man an dem Gürtel einen Beutel. Dieser enthielt allerlei Dinge, wie etwa Messer, Kämme, Schüsseln, .... Gürtelschnallen mit Dorn gab es schon zur Zeitwende.
    Jetzt geht`s nur noch um die Relation zum Mittelalter! :)
     
  9. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ich ziehe meine Zweifel zurück, aber nicht wegen der Internetseite Germanen (welche Seite, Reputation? Gegenüber Infos über Germanen im Internet bin ich per se misstrauisch.), sondern wegen Witeges Link zum Artikel des Reallexikons der germanischen Altertumskunde zu den germanischen Gräbern im dänischen Juellige, die der älteren RKZ zudatiert werden.
     
  10. Sascha

    Sascha Neues Mitglied

  11. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Meine Internetseite: www.etel.net/~lothar.ammermann/germanen.htm

    Dass es dieses Recht gab, ist nicht anzuzweifeln (war 1953 Stoff des Geschichtsunterrichts) und auch nicht meine Frage (und dabei ist es auch gleich, aus welcher Zeit es stammt - wobei der evtl. spätere römische Einfluss eine Rolle spielen mag). Mir geht es darum, den Unterschied vom Frauenrecht (= Schlüsselgewalt) der Germanen zum mittelalterlichen Recht festzustellen. Gibt es ein kontinuierliches Zugeständnis an Rechten, blieben die Rechte gleich oder hatten sie sich sogar verschlechtert? Zu diesem Wissen fehlt mir der Schlüssel!:grübel:
     
  12. Witege

    Witege Aktives Mitglied

    Naja, dass es Stoff des Geschichtsunterrichts vor einem halben Jahrhundert war, sagt für mich noch nicht besonders viel aus, außer vielleicht etwas über die Forschungsgeschichte. Die Frage ist eher, ob dieses Recht wirklich schriftlich belegt ist oder man nur aus den in den Gräbern gelegentlich an den Riemengarnituren angebrachten Schlüssel auf ein solches Recht schloss.

    Hast du schon in die Stammesrechte geschaut? Wenn dann kannst du dort etwas darüber erfahren.

    Germanische Stammesrechte ? Wikipedia
    Über die Weblinks gelangst du auch bei einigen zu den Texten.

    Wie z. B. zu dem:
    Deutsche Übersetzung der Leges Alamannorum (*.doc)
     
  13. jschmidt

    jschmidt Aktives Mitglied

    Dass die Germanenfrau den Schlüssel am Gürtel führt, wird von Felix Dahn berichtet (Das Weib im altgermanischen Recht ... - Google Bcher - dort S. 9). Ergänzend kann man noch die alte RGA (Bd. 4, S. 135: "Die Schlüssel zum Vorratshause und zur Truhe wurden von der nordischen Hausfrau als Zeichen ihrer Würde an der Seite getragen") heranziehen, deren Quellenangaben ich aber nicht einschätzen kann. Die neue RGA (Bd. 9, S. 509) ergänzt dazu Wichtiges: Voraussetzung war (a), dass die Frau selbst Geld mit in die Ehe gebracht hatte und (b) dass die Frau diese Verantwortung selbst tragen wollte.

    Also: "Die Frau" muss man, wie immer, differenziert betrachten...:winke:
     
  14. Witege

    Witege Aktives Mitglied

    Ich hatte mich extra auf die Fundlage im Grab bezogen. Natürlich geht man normalerweise davon aus, dass man aus den Gräbern die Kleidung der Germanen rekonstruieren könne und schreibt deswegen von der Tracht/Kleidung der Germanen. Aber da die Grabfunde nun einmal so gut wie die einzigen Zeugnisse der Kleidung sind, könnte man es auch falsch interpretieren. Denn wie können wir heute noch nachvollziehen, dass die Toten wirklich in ihrer normalen Kleidung bestattet wurden und nicht in einer speziellen Totentracht?

    Hast du das neue RGA zur Hand? Steht da auch wie man auf diese Schlüsse kam? Also durch welches Stammesgesetz?

    Das alte RGA bezog sich ja auf die nordische Frau. Wahrscheinlich gibt es auch historische, wikingerzeitliche Quellen dazu.
     
  15. jschmidt

    jschmidt Aktives Mitglied

    Da kann ich nicht mitreden.:weinen: Es soll auch Abbildungen geben --> Reallexikon der germanischen ... - Google Bcher.

    Man müsste in der neuen RGA unter "Verschlüsse" gucken (= Bd. 35), wozu ich aber keinen Zugang habe. Eine schriftliche "gesetzliche" Überlieferung aus der frühen Zeit zu finden, dürfte schwierig sein.
     
  16. Witege

    Witege Aktives Mitglied

    Wobei sich der Artikel allerdings auf die alpine und nordalpine Eisenzeit bezieht und die Abbildungen von den Venetern stammen. Aber die symbolische Bedeutung des Schlüssel dürfte natürlich die selbe gewesen sein.

    Ja, ich komme in nächster Zeit auch nicht in die Bib in Freiburg.
     
  17. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Was sich da so alles getan hat, seit mein PC abgestürzt war?

    Die germanische Munt ist auch in der Merowinger- resp. Karolingerzeit schriftlich beweisbar (was allerdings schon frühes Mittelalter wäre), es ist daher anzunehmen, dass dieses Recht sich aus älterer Zeit fortgesetzt hat. Es gab die Muntfrau und Friedelfrauen. Es gab sogar Fälle, dass Friedelfrauen nach dem Tod der Muntfrau nicht deren Platz einnehmen wollten (sicher war ihnen die Munt des Vaters da lieber als die des Ehemannes - so wie später Frauen freiwillig ins Kloster gingen, weil sie da mehr Freiheit hatten als in der Ehe).

    Noch eine Bemerkung: Nicht alles, was vor einem halben Jahrhundert gelehrt wurde, ist falsch und das, was nicht mehr gelehrt wird, war unrichtig. Außerdem habe ich (als Gnade meiner frühen Geburt) noch den Wechsel von der Schlüsselgewalt der Frau zur Gleichberechtigung erlebt; GELL.;)
     
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  18. jschmidt

    jschmidt Aktives Mitglied

    Ja, es liegt ein kleines Dilemma darin; im Grunde kann man nur verschiedene mittelalterliche Quellen miteinander vergleichen.

    Über die Entwicklung des ehelichen Güterrechts - darum geht es bei unserem Thema - ist natürlich schon vieles geschrieben worden. Grobe Skizze: Zuerst gab es hierzulande die Überlieferung aus dem germanischen Recht, dann kam die theoretisch viel stärker ausgebaute römischrechtliche dazu, und irgendwann - Hochmittelalter - wurde unter dem Einfluss der Scholastik beides miteinander verschmolzen. Ich unke mal, ohne es jetzt belegen zu können, dass wir im fraglichen Zeitraum keine großen Sprünge in der Entwicklung finden werden. (Entsprechende Lehrbücher der Privatrechtsgeschichte kann ich gern mal raussuchen.)

    Da bin ich grundsätzlich ganz bei Dir, Gnädigste!
     
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  19. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Obwohl sich das wegen der mangelhaften Quellenlage nicht mehr genau entscheiden lässt, war das persönliche Verhältnis der Ehegatten im Mittelalter fester kodifiziert und umrissen als zur Zeit der Germanen, über die wir noch immer nicht sonderlich viel wissen - sieht man einmal von Berichten der Römer ab.

    Im Sachsenspiegel heißt es, dass nach der Eheschließung die Frau zur Genossin des Mannes wird, was sich auch im Güterrecht niederschlug. Der Mann blieb allerding stets der so genannte "Muntwalt" der Frau, d.h. im oblag Schirm, Schutz und auch Gewalt über die Frau, wobei die Muntgewalt ein Züchtigungsrecht über die Frau enthielt. Wenn die Frau Verfügungen über ihr Gut treffen wollte, brauchte sie die Zustimmung des Mannes als "Muntwalt".

    Lediglich im Bereich des Haushalts hatte die Frau eine "Schlüsselgewalt", d.h. sie durfte selbstständige Rechtsgeschäfte abschließen. Das Handbuch "Deutsche Rechtsgeschichte" sagt zum persönlichen Verhältnis der Ehegatten im Mittelalter:

     
  20. Richildis

    Richildis Neues Mitglied

    Danke für die Infos :cool:
     

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