Islamisierung Nordafrikas im Vergleich zu der Spaniens

Obscura

Neues Mitglied
Guten Tag,

ich hätte eine Frage bezüglich der Islamisierung Nordafrikas und Spaniens. Sowohl Nordafrika als auch Spanien gehörten zuerst zum Römischen Reich und waren dementsprechend spätestens ab Theodosius christlich. Im Zuge der Ausbreitung des Islams wurden beide von den Arabern unterworfen. Jedoch gab es einen eklatanten Unterschied: Nordafrikas Bevölkerung trat größtenteils zum Islam über(von Minderheiten wie den Kopten in Ägypten abgesehen), Spanien hatte zwar muslimische Herren (die es im Zuge der Reconquista abwarf), blieb aber größtenteils christlich.

Jetzt frage ich mich, worin die Ursache für diese unterschiedliche Entwicklung lag? Lag es daran, dass Spanien zur weströmischen (römisch-katholischen) Kirche gehörte und Nordafrika entsprechend seiner Zugehörigkeit zum oströmischen Reich zur byzanthinisch-orthodoxen (obwohl die tatsächliche Spaltung ja erst Mitte des 11. Jhds. erfolgte)?
Waren die Unterschiede im Glauben dafür ausschlaggebend? (wenn es überhaupt schon nennenswerte gab?)
Oder lag der Unterschied in den unterschiedlichen Herrscherdynastien? Beide Gebiete gehörten zum Umayyadenreich, als sich aber der Großteil des islamischen Reichs den Abbassiden anschloß, blieb Spanien bei den Umayyaden? War dementsprechend die Politik der Herrscherdynastie ausschlaggebend?
Oder wird der Einfluss der Islamisierung Spaniens von mir unterschätzt und es wurde erst durch die christliche Reconquista tatsächlich wieder katholisch? Oder gab es gänzlich andere Ursachen?

Bin selbst nur ein geschichtsinteressierter Oberstufler und ist mir aufgefallen - würde mich freuen, wenn jemand etwas dazu weiß und ggf. von mir oben falsch getätige Annahmen berichtet ;-)

Vielen Dank im Voraus
 
Sowohl in Nordafrika, als auch in Spanien dauerte es ein Weilchen, bis wirklich die Mehrheit der Bevölkerung zum Islam übergetreten war. Auch in al-Andalus, also dem islamischen Teil Spaniens, gab es ab der Mitte des 12. Jhdts. kaum noch Christen (im 10. Jhdt. stellten sie noch die Bevölkerungsmehrheit). Richard Bulliet hat dazu eine Studie vorgelegt: Conversion to Islam in the Medieval Period: An Essay in Quantitative History.
 
Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass der Aufbau der Stammesgesellschaft der Berber ,der der Araber ziemlich ähnlich war. Die gleiche Lebewnsweise könnte die Islamisierung erleichtert haben.
 
Von Nordafrika

Berberfürsten christlichen Bekenntnisses tauchen bereits zu römischen Zeiten in der Spätantike auf und bildeten während der vandalischen Episode ihres karthagischen Reiches eigene Herrschaften aus, die teils niemals wieder von Rom, Vandalen oder Byzanz unter ihre Botmäßigkeit gebracht werden konnten. Einer dieser Berberfürsten nannte sich selbst sogar „König der Mauren und Römer“. Sowohl Byzanz als auch vorher die Vandalen hatten ein zwiespältiges Verhältnis zu den Berbern/Mauren. Beide griffen zeitweilig auf verbündete Berberstämme zurück und bekämpften andere.

Während der unbestritten römischen Epoche waren die Berberfürsten eingebunden gewesen in eine Politik, die mit militärischen Postenketten die Kontrolle über die Übergangszone zwischen den für Ackerbau geeigneten Gebieten nahe den Küsten (mit direkter römischer Herrschaft) und den Landstrichen hinein in von Transhumanz dominierter Lebensweise, aufrecht erhielten. Es sind explizite Verleihungen der römischen Bürgerrechte an Berberfürsten bekannt mit Einschränkungen, die ihre Rolle in ihren Stämmen berücksichtigen (während der hohen Kaiserzeit). Das spricht für eine Politik der Einbindung ihrer Eliten, bei gleichzeitiger Ausgrenzung und Anerkennung der Lebensweise der Nomaden. Als Pool für Rekruten für die Armee wurden sie immer genutzt, ob als legendäre numidische Reiter für Rom oder später Fußtruppen für die Vandalen.

Mit dem Auftauchen der Vandalen in Nordafrika wurde die erfolgreiche Einbindung dieser Stämme in ein System gegenseitiger Anerkennung (bei zumindest theoretisch anerkannter, römischer Dominanz) für immer zerschlagen. Nordafrika kam niemals wieder völlig zur Ruhe. Da war der Einfall der islamischen Heere kein prinzipiell neues Ereignis. Meines Wissens blieben die Christen des westlichen Nordafrikas weiterhin katholisch, als das Große Schisma zwischen Orthodoxie und Katholizismus eskalierte. Im Übrigen waren auch die meisten Berberstämme christianisiert und leisteten den islamischen Eroberern zumindest in Tunesien zunächst einigen Widerstand. Die islamischen Heere trafen einen Raum in dem das Christentum zwar dominierte, bei dem die Verhältnisse zwischen sesshaften Ackerbauern „(„Römern“) und seminomadischen Stämmen des Wüstenrandes („Berber/Mauren“) aber sehr labil geworden waren und die Bevölkerung keine einheitliche Haltung gegen die Neuankömmlinge aus dem Osten einnahm. Dies erleichterte den Sieg des Islam, zumal die Berber von den „Römern“ niemals voll als gleichwertig akzeptiert worden waren.

Im Übrigen blieb Karthago eine zutiefst christliche Stadt. Noch als der Kreuzzug Ludwig des Heiligen (von Frankreich) in Tunesien einfiel, war die Stadt noch nicht völlig verloschen. Die Eroberer hatten ihre neue Residenz Tunis nahe der alten Metropole gegründet und allmählich saugte die neue Stadt ihren Vorgänger auf. Eine Erscheinung, die zumindest oberflächlich an den Erfolg der arabischen Stadtgründung Bagdad erinnert, welche die alten Metropolen Babylon/Seleuceia/Ktesiphon letztlich absorbierte. Auch hier war die alte Stadt (Seleuceia/Ktesiphon) noch lange christlich geprägt gewesen und sogar Zentrum der assyrischen Kirche.
Just my 2 cents, da dies nicht gerade mein Thema ist.
 
Könnte es sein das es auch daran liegt das Spanien nach ein paar Jahrzehnten mehr oder weniger unabhängig wurden nach der Machtergreifung der Abbasiden?
 
Könnte es sein das es auch daran liegt das Spanien nach ein paar Jahrzehnten mehr oder weniger unabhängig wurden nach der Machtergreifung der Abbasiden?
Wieso? Schließlich waren auch die regionalen Herrscher Moslems. Man kann auch nicht sagen, dass die islamischen Dynastien in Spanien generell liberaler gewesen wären als anderswo. Vor allem die Almoraviden waren strenggläubig bis zum Fanatismus und versuchten in Spanien ihre Vorstellung vom Islam durchzusetzen.
 
In Teilen Nordafrikas, zum Beispiel in der Kyrenaika, brach die städtische Kultur nach der islamischen Eroberung ziemlich schnell zusammen. Deswegen hat man in Nordafrika noch einige sehr schön erhaltene römische Städte, die verlasen wurden und nciht überbaut oder abgetragen. Das machte aber auch die Konzentration auf Bischöfssitze schwierig. Wie war denn die städtische Situation im mittelalterlichen Spanien?
 
Es gab ja eine allgemeine Dekadenz der Städte in der Spätantike. Im Falle Nordafrikas kommt erschwerend hinzu, dass sich hier die islamische Eroberung nicht so einfach gestaltete, wie in Spanien. Von Tunesien westwärts leisteten die Berber den islamischen Heeren erheblichen Widerstand, wohingegen die Eroberung Spaniens sich ja in relativ kurzer Zeit vollzog, es teilweise nach der frühen Entscheidungsschlacht überhaupt keinen Widerstand mehr gab, man stattdessen Verträge (Theodemir/Tudmir) und Ehebündnisse ('Abd al-'Azīz ibn Mūsā Egilona, Witwe Roderichs) schloss.
 
Zurück
Oben