Juden als Sündenböcke im dritten Reich

Ascareth

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Guten Tag,

mich würde interessieren, ob und welche belastbaren Informationen es darüber gibt, inwieweit die Nazis damals bewusst Juden als Sündenböcke für den verlorenen WWI, die schlechte wirtschaftliche Situation und alles weitere verantwortliche gemacht haben, um dem deutschen Volk damit das Trauma der Nachwirkungen des WWI erträglich zu machen und damit Juden als Volksschädlinge zu stigmatisieren. Das dies passiert ist, ist klar. Aber ab wann verfolgen die Nazis diesen Plan. War das von Anfang an so? Erkannte man möglicherweise im Wege der Propaganda, dass diese Art der Volksverführung den eigenen Plänen vorteile brachte? Oder wie kann man sich das vorstellen?

Gruß, Asca
 
Der Rassenantisemitismus konnte an entsprechende religiös motivierte antijudaistische Erklärungsmuster seit dem Mittelalter zurückgreifen. Im 19. Jahrhundert kam der mehr rassitisch als religiös motivierte Antisemitismus auf, Protagonisten des Antisemitismus des 19. Jahrhunderts sind sicherlich Adolf Stoecker, Houston Stewart Chamberlain (nicht zu verwechseln mit anderen bekannten Trägern dieses Nachnamens) oder auch Karl Lueger und Georg von Schönerer. Hitler selbst hat in Mein Kampf sich eine recht wirre Theorie zusammengesponnen, wonach der Marxismus ein Instrument des jüdischen Finanzkapital sei, um die nationalen Wirtschaften zu schwächen.

Die Dolchstoßlegende war allerdings nur bedingt antsemitisch motiviert. Was jetzt nicht bedeutet, dass nicht Sündenböcke der Dolchstoßlegende als "jüdisch" apostrophiert wurden, um sie so zu diffamieren.
 
Ja ok. Die Dolchstoßlegende war ja ursprünglich von Hindenburg erfunden worden, um die Schmach der Niederlage des WWI auf das Parlament zu lenken, was dann wahrscheinlich einfach auf die Junden erweitert wurde.

Die Sache mit dem Antijudaismus ist mir auch einigermaßen bekannt.

Die Frage für mich ist aber: Inwieweit kann man sagen, dass die Nazis von Anfang an vorgehabt hatten, dem Deutschen Volk einen Sündenbock zu liefern, damit man es des Traumas der Niederlage des WWI sozusagen entheben konnte. War das schon immer ein Plan der NS-Propaganda gewesen, oder hat sich das einfach so ergeben? Kann man darüber überhaupt eine gesicherte Aussagen machen? Gibt es drüber belastbare Quellen?
 
Guten Tag,

mich würde interessieren, ob und welche belastbaren Informationen es darüber gibt, inwieweit die Nazis damals bewusst Juden als Sündenböcke für den verlorenen WWI, die schlechte wirtschaftliche Situation und alles weitere verantwortliche gemacht haben, um dem deutschen Volk damit das Trauma der Nachwirkungen des WWI erträglich zu machen und damit Juden als Volksschädlinge zu stigmatisieren. Das dies passiert ist, ist klar. Aber ab wann verfolgen die Nazis diesen Plan. War das von Anfang an so? Erkannte man möglicherweise im Wege der Propaganda, dass diese Art der Volksverführung den eigenen Plänen vorteile brachte? Oder wie kann man sich das vorstellen?

Gruß, Asca

Im Kaiserreich gab es bereits antisemitische und ultranationalistische Parteien und Gruppierungen. Eine der wichtigsten war der "Alldeutsche Verband". Viele Parteigänger dieses Lagers begründeten die völkische Bewegung (die NSDAP war am Anfang nur ein Teil davon) mit, auch wenn so gut wie keiner später im Dritten Reich noch von Bedeutung war. Der Antisemitismus war also von dort "überliefert" von Anfang an Bestandteil der DAP/NSDAP und gehörte auch schon zum so genannten 25-Punkte-Programm, dem einzigen Parteiprogramm, dass die NSDAP hatte, von 1920 dazu.

Allerdings bekam er bereits zu Ende des 1. Weltkriegs neue Nahrung, indem die Juden gerne als unpatriotisch und als Kriegsgewinnler charakterisiert wurden.

Neu war sicher die Absolutheit, mit der die Nationalsozialisten die Juden für alle Weltprobleme verantwortlich machten (für die NS standen sie ebenso hinter dem amerikanischen Kapitalismus wie dem russischen Bolschewismus), und auch eine biologisch-medizinische Terminologie, mit welcher der Rassismus verbrämt wurde, mit dem Judentum als "Bazillus", "Pest", "Giftpilz", "Ungeziefer" usw.
 
Naja so gesehen ist es klar. Ich dachte auch nicht, dass der Antisemitismus eine Erfindung der Nazis gewesen sei. Schließlich geht dieser schon auf Luther und noch viel weiter zurück, in diesem Fall noch als Antijudaismus, also sehr religiös motiviert.Martin Luther und die Juden ? Wikipedia

Ich dachte es eher so, dass die Nazis aus einem psychlogischen Kalkül heraus die Juden den Deutschen als Sündenböcke präsentiert haben, um sozusagen die Schuld am Untergang nach WWI von den Deutschen zu nehmen, damit diese frei von Schuldgefühlen und wieder "stolz" sein konnten. Sicherlich hatte das Vorgehen der Nazis diese Wirkung. Mich würde halt interessieren, ob man dieses Kalkül nachweisen kann und falls ja, ab wann.
 
Mich würde halt interessieren, ob man dieses Kalkül nachweisen kann und falls ja, ab wann.

Wie Ashigaru schon aufgezeigt hat, war das kein Kalkül und es gab keinen Masterplan in dem Sinne, Sündenbock-Motive für Propaganda (gegen besseres Wissen) bewusst auszunutzen.

Fanatismus und Haß sorgen für Überzeugungen. Tagebüchern wie denen von Goebbels, Äußerungen von Rosenberg, etc. kann man entnehmen, dass man von der "Schuld" völlig überzeugt war.
 
Wie Ashigaru schon aufgezeigt hat, war das kein Kalkül und es gab keinen Masterplan in dem Sinne, Sündenbock-Motive für Propaganda (gegen besseres Wissen) bewusst auszunutzen.

Fanatismus und Haß sorgen für Überzeugungen. Tagebüchern wie denen von Goebbels, Äußerungen von Rosenberg, etc. kann man entnehmen, dass man von der "Schuld" völlig überzeugt war.

Ergänzend dazu. Die antisemitische Wochenzeitung "Der Stürmer" kann man ebenfalls noch dazu zählen. Dieses Hetzblatt erschien ab 1923 und zeigt doch ganz deutlich und offen den Hass und Fanatismus der NS-Ideologie.

Historisches Lexikon Bayerns - Der Strmer. Deutsches Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit

GELSENZENTRUM Gelsenkirchen - Zeitgeist 1933-1945: Leserbrief an den "Stürmer"

Der Stürmer ? Wikipedia
 
Dann liegt die Sache ja eigentlich noch schlimmer, als man zunächst denken würde. Ich meine: Wenn ein Kalkül bestanden hätte, würde das ja bedeuten, dass man die bestehenden Vorurteile gezielt bediente und es eigentlich besser gewusst haben könnte. So aber war man davon überzeugt, dass Juden Volksschädlinge oder was auch immer sein mussten.

Nun hat ja die Geschichte des Antijudaismus und des darauf aufbauenden Antisemitismus eine lange Tradition, die in Nazi-Deutschland ihren Höhepunkt fand. Jetzt müsste ich eigentlich einen neuen Thread aufmachen, um nach dem Ursprung zu fragen. Trotzdem hier die Frage: Gibt es einen Ursprung, über den man sagen kann, ab dort existiert Antijudaismus?

Ganz einfach gesprochen vermute ich es so: Die Juden wurden von gegnerischen Religionsvertretern dafür verantwortlich gemacht Jesus umgebracht zu haben. Da die Juden fortan und bedingt durch Ihren Glauben und ihr Selbstverständnis in der Minderheit blieben und sich die gegnerischen Religionsvertreter vervielfachten, wehrten sie sich möglicherweise gegen die Verurteilung seitens der gegnerischen Religionsvertreter, konnten diese aber nicht mehr entkräften. So konnte sich also der Antijudaismus weiterhin praktisch ungehindert ausbreiten und mehr und mehr wurden Juden praktisch für alle Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht.
 
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