Juli-Krise: Irrationalitäten, Informationslage und Emotionen als Faktoren?

silesia

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Teammitglied
turgot schrieb:
Auf Alpha läuft übrigens eine Interview-Sendung mit Münkler, wird morgen wiederholt.
Auch in der Mediathek wohl verfügbar.
Danke für den Hinweis.
Gern. Wen es interessiert: das Interview kann man auch downloaden
alpha-Forum: Herfried Münkler im Gespräch mit Jochen Kölsch | alpha-Forum | ARD-alpha | Fernsehen | BR.de

Interessant fand ich

- die Warnungen vor der "Beurteilung aus der Vogelperspektive" bei den komplexen Abläufen

- den Hinweis auf Irrationalitäten, begrenzte Information, Entscheidungsdruck, spontane Emotionen, speziell angedeutet Fatalismus und Melancholie bei Bethmann (im Hinblick auf die permanente Suggestion der militärischen Führungszirkel bzgl. des kommenden Krieges, vielleicht sogar bzgl. seiner psychischen Konstitution das Versterben seiner Ehefrau)

- die Betonung von "Verantwortlichkeiten" der Juli-Krise und der Verweis auf diese 5 Jahrzehnte lange Tendenz in der internationalen Forschung (in die Richtung auch Mombauers Aufsatz: The Fischer Controversy, Documents and the 'Truth' About the Origins of the First World War, Journal of Contemporary History Vol. 48, No. 2, Special Issue: The Fischer Controversy after 50 Years (April 2013), Seiten 290-314, Zusammenfassung:

"This article focuses on the 'document-driven' nature of the Fischer controversy and the conviction of both the Fischer school and its critics that utilizing ever more archival documents would inevitably unearth 'the truth' about the origins of the First World War. It argues that the controversy left a lasting legacy precisely because of its positivist focus on documents as artefacts capable of revealing an indisputable 'truth' about the causes of the war, which shaped all subsequent debates. It further contends that the topic has sidestepped postmodern attempts to relativize history, because in an emotive debate that has for decades been defined by war-guilt allegations and apologia, the concept of historical truth is still held valid by historians participating in the debate. The article concludes by arguing that, as the First World War no longer affects contemporary politics, war-guilt no longer needs to concern those seeking to explain its causes. The shift from contemporary history to a history divorced from our own experience might lead historians finally be able to identify document-based probabilities, if not an undisputable truth, about how the war started."
 
@silesia danke für das Interview.

Die sozialistische Internationale hat sich also mehrfach auf einen Generalstreik verständigt? Man lernt ja nie aus...

Was er über Bethmann sagt finde ich spannend, sehe ich ganz ähnlich so. Nach meiner Überzeugung war bethmanns Brinkmanship regelrecht "pazifistisch" gemeint, er wollte das Problem per diplomatischem Sieg "lösen" - Motto: "Guck mal, Moltke, geht auch ohne Krieg" Ist natürlich pure Spekulation.

Den Mombauer-Aufsatz benötige ich dringend ;-) Zur gesamten Debatte um die Postmoderne vergl grundlegend Hannah Arendt und ihre vielfache Warnung davor (gerade auch in Bezug auf Geschichtsschreibung), mit Tatsachen so umzugehen als seien das bloße Meinungen.
 
- den Hinweis auf Irrationalitäten, begrenzte Information, Entscheidungsdruck, spontane Emotionen, speziell angedeutet Fatalismus und Melancholie bei Bethmann (im Hinblick auf die permanente Suggestion der militärischen Führungszirkel bzgl. des kommenden Krieges, vielleicht sogar bzgl. seiner psychischen Konstitution das Versterben seiner Ehefrau)

Im Prinzip die richige Richtung, allerdings nicht unbedingt, "irrational".

Sozialpsycholgisch kann man Werte, definiert durch den kulturellen Hintergrund der Zeit (vgl. z. B. Tuchman: Der stolze Turm oder Piper: Nacht über Europa), auch die Frage der militaristischen Wertvorstellungen (Hull: Absolute Destruction), imperialistische Großmachtvorstellungen und einen massiven Sozialdarwinismus heranziehen. Alles dieses erklärt den damaligen Wertehorizont unter dem die damaligen Entscheider agierten.

Dennoch ist es auch richtig, soweit wir die Ergebnisse aus der "analytischen Soziologie", primär der "rational choice theory, heranziehen, dass "Emotionen" einen nicht unerheblichen Faktor bilden für die Erklärung der Präferenz bei Handlungsalternativen (vgl. Elster: Strong Feelings; J. Elster: Emotions. in The Oxford Handbook of analytical Sociology, 2011, S. 51ff).

Nicht nur, dass Emotionen das Handeln beeinflussen, sie wirken sich gravierend auf die Art der Informationssammlung aus und bilden einen subjektiven Informationsfilter. Das verringert für den Entscheider das Problem der kognitiven Dissonanz, die ihn bei der Formulierung siner Entscheidung beeinträchtigen könnte.

Zudem, die "Dringlichkeit" von Lösungen verstärkt die Tendenz, suboptimale Informationsbeschaffung vorzunehmen und dementsprechend suboptimal zu entscheiden, da realistische Alternativen nicht ausreichend neutral beurteilt werden (Tunnelblick) (vgl. ebd. S. 69).

Diese Phänomen wird in anderen Hauptstädten sehr ähnlich wirksam gewesen sein.

Interpretiert man beispielsweise die Aussagen von Bethmann aus dem Juli (Riezler-Tagebuch), dann ergibt sich eine zusätzliche Dimension der Erklärung der Juli-Krise, neben der "reinen" sachlichen Diplomatiegeschichte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bin mit allem Einverstanden, thanepower, aber ein bißchen bewusster Willensakt möchte auch sein. Speziell die SPD-Presse hat Ende Juli 14 die Krise klar durchdacht und auch klar gesagt, wo der Hebel zur Deeskalation ua anzusetzen ist: In Berlin. Die (missglückte? zu späte? nicht Ernst gemeinte? Wir wissen es nicht) Vermittlung 30. Juli zeigt das ja auch. Zumindest der Ansatz - Eskalation der Krise bei klarem Wissen um die Weltkriegsgefahr, bewusstes Belügen der Entente (nein, wir wissen nicht, was ÖU plant) mithilfe des, wie Krumeich schön herausarbeitet,-"Lokalisierungstricks" (wir waren doch für Lokalisierung...) waren schon bewusste und geplante Aktivitäten.
 
Entscheider affektgesteuert?

zum Gruße

[FONT=Times New Roman, serif]Wohl weniger Emotionen als eher Charakterveranlagungen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Emotionen ereignen sich aus persönlichen Anlässen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Tagesgeschäfte und 'Privatgefühle'dürften seitens der Entscheider[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]wohl auseinander gehalten werden. Das war ja lange eingeübt.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wirksamer waren da Charakterstrukturen, also Nicht-Emotionen[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]bzw Phobien in jenen Köpfen. Der Geltungsdrang resp Größenwahn, [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]welcher nicht nur maßgebend im Kaiser hauste, steckte auch[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]in den Mentalitäten der Militärs und bewog Jene [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]tendenziell zu aggressiven Lösungsversuchen. , . [/FONT]


[FONT=Times New Roman, serif]D [/FONT]​
 
.. Nach meiner Überzeugung war bethmanns Brinkmanship regelrecht "pazifistisch" gemeint, er wollte das Problem per diplomatischem Sieg "lösen" - Motto: "Guck mal, Moltke, geht auch ohne Krieg" Ist natürlich pure Spekulation.
..
;)
Sei mir jetzt nicht bös Juli, aber ein 'pazifistisches Brinkmanship' scheint mir doch ein soziologischer Wolpertinger zu sein.

@Silesia
dass Bethmanns Frau kurz vorher verstorben war, wusste ich nicht. Danke für den Hinweis. Falls sie eine zentrale Stellung in seinem Leben hatte, müsste das ihn zweifellos beinflusst haben und wäre möglicherweise eine Ursache für seinen Fatalismus.
 
Zuletzt bearbeitet:
;)
Sei mir jetzt nicht bös Juli, aber ein 'pazifistisches Brinkmanship' scheint mir doch ein soziologischer Wolpertinger zu sein.

@Silesia
dass Bethmanns Frau kurz vorher verstorben war, wusste ich nicht. Danke für den Hinweis. Falls sie eine zentrale Stellung in seinem Leben hatte, müsste das ihn zweifellos beinflusst haben und wäre möglicherweise eine Ursache für seinen Fatalismus.


zum Gruße

BHs anfängliches Zaudern, seine plötzliche Entschlossenheit und folgende Schicksalsergebenheit,
lässt auf seinen labilen Charakter schließen.
nicht von Ungefähr wurde er von Willi (gegen seinen Willen) bestallt.
Ein (berufener) Kommentator jener Zeit befand,
Bei der HaPag hättes der BH höxtens zum 'leitenden Biblothekar' geschafft.

D
 
zum Gruße

BHs anfängliches Zaudern, seine plötzliche Entschlossenheit und folgende Schicksalsergebenheit,
lässt auf seinen labilen Charakter schließen.
nicht von Ungefähr wurde er von Willi (gegen seinen Willen) bestallt.
Ein (berufener) Kommentator jener Zeit befand,
Bei der HaPag hättes der BH höxtens zum 'leitenden Biblothekar' geschafft.

D

Betätigst du dich jetzt Tiefenpsychologe?
 
@ hatl (ich habe Nachtschicht, wie man sieht): Nun, meine ausdrücklich als solche gekeionnzeichnete Spekulation erklärt sich insbesondere von zwei Gesprächen mit Theodor Wolff - Frühjahr 15 und dann nach seiner Entlassung. Ob sie für Bethmann selber zutrifft - fraglich. Denn wenn er den krieg wirklich nicht wollte, hätte er Ende Juli zurücktreten müssen. Fritz Fischer hat auch völlig Recht, wenn er anmerkt, dass das berühmte Riezler-Zitat (mit der Sprengung der Entente) philologisch nur so gedeutet werden kann, dass für Bethmann der Kieg das primäre Ziel, die diplomatische Sprengung eher ein Beifang gewesen wäre. Völlig aus der Welt ist es m.E, aber nicht, wenn ein Politiker inmitten einer Löwengrube aus lauter kriegslüsternen Militärs, die ihn wortwörtlich bedrängen, jetzt aber bitte endlich mal den Krieg auszulösen, so agiert. Wie gesagt: Spekulation, ohne näheren Beleg. Wolff gegenüber sagte er bekanntlich, ab Januar 14 habe er den Krieg für unvermeidlich gehalten. Zwei Einschränkungen der Wolff-Quelle: Obwohl Wolff nachweisbar sehr gut beobachtet hat und subjektiv zweifellos authentisch notierte - Erinnerungs/Wahrnehmungsfehler sind nie auszuschließen. Zweitens: Was ein Politiker einem Journalisten so alles steckt, ist natürlich immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Die deutschebn Militärs wollten diesen krieg zweifellos, sie haben es immer wieder gesagt, diesen Krieg immer wieder gefordert und waren glücklich, als sie im August 14 endlich "übern Graben" waren (Wenninger). Auch die zivilen Entscheider (das berühmte Gespräch Naumanns mit v. Stumm am 26. Juni - zwei Tage v o r Sarajewo!) scheinen sich auf den Krieg zubewegt zu haben. (Auch hier natürlich ein Problem: Naumann spricht in Wien mit Hoyos ebenso bekanntlich n a c h Sarajewo...Hat er selber dazugedichtert unter dem frischen Eindruck des Attentats?) Was Bethmann zuinnerst wollte, das könnte ubns wohl nur sein Nachlaß erzählen, und der ist futsch. Aber dass sich ein Schaf unter Wölfen einen Wolfspelz zulegen muss ist jetzt so ungewöhnlich nicht.
 
@ hatl (ich habe Nachtschicht, wie man sieht): Nun, meine ausdrücklich als solche gekeionnzeichnete Spekulation erklärt sich insbesondere von zwei Gesprächen mit Theodor Wolff - Frühjahr 15 und dann nach seiner Entlassung. Ob sie für Bethmann selber zutrifft - fraglich. Denn wenn er den krieg wirklich nicht wollte, hätte er Ende Juli zurücktreten müssen. Fritz Fischer hat auch völlig Recht, wenn er anmerkt, dass das berühmte Riezler-Zitat (mit der Sprengung der Entente) philologisch nur so gedeutet werden kann, dass für Bethmann der Kieg das primäre Ziel, die diplomatische Sprengung eher ein Beifang gewesen wäre. Völlig aus der Welt ist es m.E, aber nicht, wenn ein Politiker inmitten einer Löwengrube aus lauter kriegslüsternen Militärs, die ihn wortwörtlich bedrängen, jetzt aber bitte endlich mal den Krieg auszulösen, so agiert. Wie gesagt: Spekulation, ohne näheren Beleg. Wolff gegenüber sagte er bekanntlich, ab Januar 14 habe er den Krieg für unvermeidlich gehalten. Zwei Einschränkungen der Wolff-Quelle: Obwohl Wolff nachweisbar sehr gut beobachtet hat und subjektiv zweifellos authentisch notierte - Erinnerungs/Wahrnehmungsfehler sind nie auszuschließen. Zweitens: Was ein Politiker einem Journalisten so alles steckt, ist natürlich immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Die deutschebn Militärs wollten diesen krieg zweifellos, sie haben es immer wieder gesagt, diesen Krieg immer wieder gefordert und waren glücklich, als sie im August 14 endlich "übern Graben" waren (Wenninger). Auch die zivilen Entscheider (das berühmte Gespräch Naumanns mit v. Stumm am 26. Juni - zwei Tage v o r Sarajewo!) scheinen sich auf den Krieg zubewegt zu haben. (Auch hier natürlich ein Problem: Naumann spricht in Wien mit Hoyos ebenso bekanntlich n a c h Sarajewo...Hat er selber dazugedichtert unter dem frischen Eindruck des Attentats?) Was Bethmann zuinnerst wollte, das könnte ubns wohl nur sein Nachlaß erzählen, und der ist futsch. Aber dass sich ein Schaf unter Wölfen einen Wolfspelz zulegen muss ist jetzt so ungewöhnlich nicht.

Juli,
ich würd mal sagen, dass allgemein in Europa ein Krieg erwartet wurde.
Bertha von Suttner:
Diese ganze Kriegspartei Europas treibt jetzt ordentlich zu einer Katastrophe, und vielleicht kann diese niedrige Zivilisation nicht anders einer höheren Platz machen, als indem sie hinweggefegt wird. Soviel Zündstoff läßt sich doch nicht ansammeln, ohne daß es schließlich losgeht. Narrenturm, elendiger.
Zitiert von Brigitte Hamann - Bertha von Suttner; Kämpferin für den Frieden, Seite 288.

Aus dem Bethmann werd ich auch nicht schlau. Erst hintertreibt er alle Bemühungen für eine Verhandlungslösung, dann, nach der russischen Teilmobilmachung gegen Österreich, scheint er fast panisch den Versuch zu unternehmen das Steuer herumzureissen und schließlich lässt er dem Verhängnis seinen Weg nehmen und steht einfach nur beiseite. Und auch da bin ich mir nicht sicher ob ich das richtig verstanden habe.
Das ist ungewöhnlich verwirrend. Denn üblicherweise findet man sich sicherer in seiner Einschätzung, wenn man sich nur müht ein Thema zu erschließen. Bei diesem Thema aber scheint es mir umgekehrt zu sein.
Noch vor kurzem hätte ich Deinem Bild "dass sich ein Schaf unter Wölfen einen Wolfspelz zulegen muss" zugestimmt. Doch mit jedem neuen Puzzlesteinchen das ich finde, und versuche auf der Bildfläche zu platzieren, erscheint stets ein etwas anderes Gesicht.
Wenn man sich vorstellt, dass es den Spielern auf der damaligen Bühne möglicherweise nicht anders erging, dann ist das ein bedrückender Gedanke.
Denn dieser lässt sich ja auf die Gegenwart übertragen, und es stellt sich dabei die bange Frage ob wir lernfähig sein können.

Grüße hatl
 
Bei diesem Mann bleibt manches rätselhaft. Immerhin hat er eiskalt auf die russische Mob-Machung gewartet...Das würde wiederum eher auf vorsätzliches Handeln hindeuten. Bei der "Vermittlung" muss man den 28. vom 30. trennen. Am 28. lag unzweideutig eine Scheinvermittlung vor, mit der klaren Vorgabe, man müsse jetzt so ein bißchen auf Vermittlung machen, weil sonst der Ruf hin wäre. Am 30., aber wird der Ton dringend...um dann nach 11 Uhr abends die vermittlung endgültig abzubrechen. Resignation? Ziel erreicht (Russland hatte zuerst generalmobilisiert)? Wir haben mE zu wenig fakten.

Fritz Sterns Sicht dürftest Du kennen.

Das Rätsel Bethmann Hollweg:: Die Kunst, das Böse zu tun | DIE ZEIT Archiv | Ausgabe 52/1967
 
@Juli-Kri

Du läßt m.E. nach ein paar relevante Hintergründe unausgesprochen.
Ab wann begann denn Falkenhayn und Moltke denn Bethmann genau zu bedrängen?

Genau ab dem Zeitpunkt, 28./29.Juli 1914, wo bekannt war, das Belgien sich kriegsbereit machte.Lüttich wurde schon seit einigen Tagen kriegsbereit gemacht und die Festung Lüttich war für den Kriegsfall für Deutschland von entscheidener, ja zentraler Bedeutung.
Weiter war bekannt das die Russen ebenfall in den Militärbezirken Odessa, Kasan, Kiew und Moskau die Mobilmachung lief. Das betraf immerhin 32 Armeekorps.
In Frankreich gab es auch die ersten Anzeichen militärischer Vorbereitungen und in Großbritannien gab es Hinweise zur Mobilmachung der Flotte.

Am 29.Juli verlangten Moltke und Falkenhayn vom Kaiser den Ausspruch der drohenden Kriegsgefahr. Dies unterblieb aber auf Intervention von Bethmann. Wilhelm wollte den Krieg nicht. Er hatte aber sicher in seiner fast reinen militärischen Umgebung keinen leichten Stand und die Argumente der Militärs waren ja nicht so ohne weiteres von der hand zu weisen. Der Schlieffenplan und dessen Implikationen waren schon jetzt eine wahre Katastrophe!
Darüber hinaus übte Bethmann nunmehr endlich Druck auf Wien aus, wo man aber so gar kein Verständnis mehr dafür hatte. Schließlich wurde in vorher ja auf zügiges handeln gedrängt. Man war dort eher verwundert, da von Moltke, der sich meinte in die Außenpolitik einmischen zu können, ebenfall nach Wien, an seinen Amtskollegen Conrad, gedrahtet hatte; bloß mit umgekehrter Intention als Bethmann.

Am 30.Juli war klar, das es mit den bemühen um eine regionale Lokalisierung des Kriegs endgültig vorbei war. Die deutschen Zeitungen berichteten bereits von der russischen Mobilmachung. In Deutschland warzu diesen Zeitpunkt noch nicht einmal die drohende Kriegsgefahr ausgesprochen worden.

In Frankreich wurde nunmehr der Grenzschutz aufgestellt. In Belgien wurden die Festung Lüttich aufmunitioniert. Der deutsche Generalstab berechnete, das die Russen in 16 Tagen operationsbereit sein können. Die Russen waren bekanntermaßen schneller.

Das ist der Hintergrund vor dem Bedrängen Bethmanns durch die militärische Elite.

Jansen, Der Weg in den Ersten Weltkrieg
 
@Juli-Kri

.. Der Schlieffenplan und dessen Implikationen waren schon jetzt eine wahre Katastrophe!
..

Oder auch so gesagt:
Dieser Plan wurde, weil es keine alternative Planung des DR, als größte militärische Landmacht, mehr gab, zum Dreh-und-Angelpunkt einer Mühle, die eine ganze gute junge Generation zermalmte und nichts mehr sein ließ wie es vorher war.
 
Es gibt hier Neues von Terence Zuber:

Die belgische Meinung, ein Krieg zwischen ÖU und Serbien (abgesehen von Grenzgeplänkel) sei unvermeidlich, wurde am 29.7. gebildet. Um 13 Uhr wurde die partielle Mobilisierung angeordnet, nachdem bereits am 27.7. der niederländische Verteidigungsmininster den belgischen Botschafter auf das drohende Szenario angesprochen hat.

Die partielle Mob. umfasste die Einberufung der Res.-Jahrgänge 1912/11/10 (1913 war in den Kasernen), den Ankauf von Pferden und der Bereitstellung von Munition. Die Aktionen wurden öffentlich bekanntgegeben. Die volle Mobilisierung wurde am 31.7. um 19.00 Uhr verkündet, als Reaktion auf die deutschen Aktivitäten der "Kriegsvorbereitungsphase".

Diese Verteidigungsmaßnahmen wurden angeordnet, weil Niederlande und Belgien aus Aufklärungsinformationen schlossen, dass eine deutsche Angriffsplanung gegen Frankreich ihr Territorium verletzen würde. Neben der vorne liegenden 3. Division um Lüttich (und hiervon am 29.7. lediglich zwei Brigaden ohne Artillerie anwesend, die 12. und 14., zwei weitere rückwärtig) wurden die übrigen Verbände lediglich rückwärtig angeordnet (4. um Namur, 6. um Wavre, 2. um Louvan, 1. um Tirlemont, KavDiv um Gembloux).

Moltke und Falkenhayn trieb das "Problem Lüttich", erste kritische Phase des Schlieffen-Moltke-Plans, seit dem 25.7. an. Moltkes Handlungen in dieser letzten Friedenswoche, der von den Militärs erzeugte Zeitdruck auf die Eröffnung von Feindseligkeiten, waren von den Befürchtungen getrieben, die belgischen Forts um Lüttich würden den Kriegsplan scheitern lassen.

Zuber, Ten Days in August, The siege of Liège 1914, 2014.
 
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