Kaiser und Götter in Frauenkleidung

Saciel

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Hallo!

Ich mal wieder. Zwecks meiner Hausarbeit in Religionswissenschaften/ Antike Mysterienkulte bin ich auf einen interessanten Fakt gestoßen... scheinbar haben sich mehrere Kaiser (u.a. Commodus) öffentlich in Frauenkleidern gezeigt.
Das stelle ich mir bei den steifen Römern mit ihrem Patriarchat als äußerst seltsam vor. Zudem habe ich unter diversen Kaisern etwaige Münzen gefunden auf denen Mars, Apollo, Merkur und so einige andere in Frauenkleidern dargestellt sind.... warum? Was bedeutet das?
 
Mir liegen vor Alexander Demandt "Privatleben der römischen Kaiser" indem auf jeden Fall schonmal Commodus erwähnt wird (auch einige andere aber auswendig weiß ich grad nicht welche).
Im Durant Weltgeschichte "Das Römische Imperium" (Band 4) wird es ebenfalls erwähnt und Münzspezifisch eben im Kankelfitz (B. Ralph Kankelfitz: Römische Münzen, Katalog mit aktuellen Marktpreisen... der Katalog ist schon etwas älter aber meines wissens nach einer der besten).
Sowie einige Münzen die vorliegen oder ersucht wurden auf www.coinarchives.com/a/

Ich hab ja keine Ahnung ob das wirklich Frauenkleider sind oder nicht, die Apollo o.a. dort tragen, es steht in der Beschreibung...
 
Vieleicht liegt es auch einfach nur daran, das heute eine Tunika wie ein Frauenkleid aussieht. Richtig nachvollziehen kann ich eure Diskusion nicht.
 
Mir fällt da spontan nur Achilles ein, der in Frauenkleidung gesteckt wurde, um nicht zum Krieg gezogen wurde.

Einige Personen / Götter wurden mit weiblichen Zügen dargestellt, so hin und wieder auch Apollo, der bei einigen Reliefs oder Statuen eine sehr weibliche Hüfte besitzt.
Das sie aber Frauenkleidung tragen ist mir wie gesagt nur von einigen Heroen bekannt.
Eine Anekdote um Commodus fällt mir da nicht ein, muß aber nicht heißen das es sie nicht gab.
 
Varius Avitus ist so ein Kandidat:

Der Historiker Cassius Dio berichtet von täglich abgehaltenen Opferritualen, deren Grausamkeiten sich bis ins Absurde steigerten. Varius selber trat häufig in Frauenkleidern auf und soll seine Hofärzte angefleht haben, ihm seine Genitalien zu entfernen, um seiner Gottheit zu huldigen.

http://www.biologie.de/biowiki/Varius_Avitus

Oder auch Hohheit Soldatenstiefelchen:

Für sich selbst stiftete er einen Tempel, wo eine lebensgroße Caligula-Statue jeden Tag so gekleidet wurde wie der Kaiser selbst. Caligula kleidete sich auffällig, trug auch Frauenkleider und trat als Athlet, Wagenlenker, Tänzer oder Sänger auf.

http://www.medizin-medien.info/dynasite.cfm?dssid=4263&dsmid=63403&dspaid=481258
 
Danke @Mercy und Gabinius
@Florian
Nein die Leute unterscheiden da schon zwischen normaler Tracht und "Frauenkleidung", sonst würden alle alle Abbilder mit Tuniken als Frauenkleidung beschrieben (so alt ist der Katalog dann doch nicht...)
 
Danke @Mercy und Gabinius
@Florian
Nein die Leute unterscheiden da schon zwischen normaler Tracht und "Frauenkleidung", sonst würden alle alle Abbilder mit Tuniken als Frauenkleidung beschrieben (so alt ist der Katalog dann doch nicht...)


Naja, aber so richtig getraut hat sich hier auch keiner, zu schreiben, was mit den Leuten los war.
Kann doch kein Problem sein mal zu sagen, das es früher auch Transvestiten gab.
Schliesslich sind alle nur Menschenkinder.
 
*g* sowas denke ich mir dabei auch. Ich frage mich nur warum Apollo... also weshalb... und warum ausgerechnet Mars... in Frauenkleider gesteckt werden, auf Münzen... (das sind meistens so komplett Verhüllungen die stark von der üblichen Götterkleidung (oder nacktheit) abweichen..)
 
Mir ist von Commodus nicht bekannt, daß er diese effeminierten Züge gehabt hätte. Es hätte ja auch nicht so ganz zu seinem Selbstbild als wiedergeborener Herkules gepaßt.



Mir fallen da vor allem Caligula und Elagabal ein, von denen solche Anekdoten übertliefert sind. Caligula ließ Götterstatuen sein eigenes Profil aufsetzen, wobei er dann auch als Venus verehrt werden wollte und trug häufig Frauenkleider. Die beste Fundstelle ist da allemal Sueton. von Elagabal berichtet die freilich als Quelle sehr problematische Historia Augustalis.
 
Das Thema Androgynität oder Transsexualität im antiken Denken und Fühlen finde ich faszinierend. IMO passt dies besser als der moderne Begriff "Transvetitismus". Denn wenn solche Ereignisse Öffentlichkeitscharakter hatten, dann waren sie nicht einfach Ausdruck einer Laune des Cäsaren, sondern waren entweder Ausdruck seiner Macht (Hinwegsetzen über soziale Normen) oder einer kultischen Handlung.

Erst mal zu den Griechen.

Bereits der Seher Tereisias hatte ja mehrfach das Geschlecht gewechselt und hatte, befragt von Zeus, welches Geschlecht denn mehr von der körperlichen Liebe habe, der Frau die 9fache Lust zugewiesen. (Warum gerade 9?)

Tatsächlich waren bereits die Kybele-Priester damit konfrontiert: in Frauengewänder gehüllt steigerten sie sich in einen Rausch, bis sie sich anschließend selbst kastrierten - und damit die Voraussetzung für die Priesterschaft schufen.

"Travestie" gab es aber auch bei den Oschophorien, einem athenischen Fest zum Gedenken an die Rückkehr des Theseus vom Minotaurus, in dem zwei Jugendliche als Mädchen verkleidet die Prozession zum Heiigtum anführten. Oder wie Plut.Solon 8f berichtet, wurden auch bei den Skirophorien, einem anderen athenischen Fest, das an die Eroberung der Insel Salamis (anderer Name für Skiras) erinnert und wo sich die Männer als Frauen verkleidet hatten.

Umgekehrtes gab es übrigens auch: zu den Hochzeiten in Argos erschienen die Bräute mit einem falschen Bart! Und in Sparta wurde die frisch verheiratete Ehefrau erst mal kleider- und haartechnisch zum Mann gemacht (nach Plutarch, Lykurgos).

Soviel zur griechischen Folklore, nun zur römischen.

Juvenal erwähnt (II, 84 ff.) geheime Gesellschaften in Rom, die der Bona Dea geschminkt und in weiblicher Kleidung opferten.

Flavius Josephus schreibt im "Jüdischen Krieg" (IV, 9) über galiläische Krieger: "Noch bluttriefend verpraßten sie ihren Raub und gebärdeten sich übersättigt ohne Scheu wie die Weiber: sie kräuselten sich das Haar, legten Weiberkleider an, salbten sich mit wohlriechendem Öl und bemalten sich zur Zierde die Augen. Aber nicht nur in bezug auf Putz suchten sie es den Weibern gleichzutun, sie ließen sich auch als solche gebrauchen, und im Übermaß ihrer Geilheit ersannen sie widernatürliche Lüste: wie in einem Hurenhause wälzten sie sich in der Stadt und befleckten sie mit Werken der Unzucht. Weiber dem Gesichte nach, hatten sie in der Hand den Mordstahl. Mit zierlichen Schritten tänzelten sie einher, plötzlich verwandelten sie sich in Angreifer. Aus ihren feinen gefärbten Oberkleidern zogen sie Schwerter und durchbohrten jeden, der ihnen in den Weg kam."

Bei Sueton, Otho XII, lesen wir über den 3-Monats-Kaiser (Loeb-Translation):
"XII. Neither Otho's person nor his bearing suggested such great courage. He is said to have been of moderate height, splay-footed and bandy-legged, but almost feminine in his care of his person. He had the hair of his body plucked out, and because of the thinness of his locks wore a wig so carefully fashioned and fitted to his head, that no one suspected it. Moreover, they say that he used to shave every day and smear his face with moist bread, beginning the practice with the appearance of the first down, so as never to have a beard; also that he used to celebrate the rites of Isis publicly in the linen garment prescribed by the cult. [...]"

Über die ganz generelle kulturelle Bedeutung? Oft wird gesagt, es handele sich um den Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat, als eine Erinnerung hieran, aber da kenne ich mich nicht aus.
 
Travestie und Weiblichkeit ist bei den römischen Geschichtsschreibern freilich auch ein Zeichen für "schlechte" Kaiser. Neben Otho ist solches auch bezeugt für Nero, der als "Ehefrau" den Freigelassen Doryphoros heiratete, und für Elagabal, der sich ebenfalls als Frau verehelichen ließ und auch den Wunsch nach einer Geschlechtsverwandlung äußerte.

Elagabal ist sowieso eine interessante Figur, weil sein Leben eine der bizarrsten Schilderungen in der römischen Historiografie ist. Anders als andere "Wüstlinge" wie Commodus oder Caligula stach er nicht durch besondere Grausamkeit hervor, regierte außerdem nur vier Jahre.
 
So, jetzt habe ich über Commodus doch noch was gelesen: er hatte nicht nur 300 Frauen, sondern auch "Lustknaben", angeblich war auch er Pathicus, d.h. passiver Homosexueller. Quelle: Aelius Lampridius, Vita Commodi §5, dem röm. Biographen der sog. Augustanischen Historien, den man allerdings nur bedingt trauen sollte. Text habe ich leider nicht vorliegen.
 
Mir ist von Commodus nicht bekannt, daß er diese effeminierten Züge gehabt hätte. Es hätte ja auch nicht so ganz zu seinem Selbstbild als wiedergeborener Herkules gepaßt.

Je nu, sowohl Achilles als auch Herakles haben sich mal mit Mädchenkleidern unter dieselbigen gemischt. So richtig vollkommen abseitig wäre das also nicht gewesen (hätte nur ein bisschen dumm ausgesehen mit Commodus' prächtigem Bart).
 
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