Kann man Chamberlain Schwäche vorwerfen?

Dieses Thema im Forum "Die Zeit zwischen den Weltkriegen" wurde erstellt von Kai2002, 17. Juli 2020.

  1. Kai2002

    Kai2002 Neues Mitglied

    Hey, am Dienstag werde ich meine Präsentationsprüfung halten. Ich bin Abiturientin aus BW und halte eine Präsentation über das Thema der Überschrift. Das Überthema ist die Appeasementpolitik.
    Meine bisherige Gliederung sieht gefolgt aus:
    1. Folgen des Ersten Weltkrieges
    2. Appeasement (Chamberlain)
    2.1 Beispiele (Anschluss und Münchner Abkommen)
    2.2 Gründe
    2.2 Reaktionen in Bevölkerung und Politik
    3. Alternativen und mögliche Folgen
    4. Fazit

    Denkt ihr, die Gliederung passt zur Fragestellung? Und auf was muss ich besonders wert legen bzw. gibt es Punkte, die ich vergessen habe?
    Vielen Dank schonmal!
     
  2. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Ich finde deine Gliederung ganz gut. Bei mir bleibt allerdings die Frage offen, wie man "Schwäche" genau defininiert. War es "schwach", wenn man vor dem 2.Weltkrieg einen weiteren Weltkrieg verhindern wollte? War es "schwach", wenn man vor Beginn des 2. Weltkrieges Hitler nicht rechtzeitig Grenzen aufgezeigt hat?
     
  3. Kai2002

    Kai2002 Neues Mitglied

    Neu
    Hey, das habe ich mir auch gedacht. "Schwäche" bedeutet ja, dass Chamberlain hätte stärker sein können oder? Der Verrat an der Tschechoslowakei, unabhängig seiner guten Gründe, ist ja dann schwach. Wie würdest du seine Schwäche definieren
     
  4. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Zumal vor dem Faktum des deutschen Rüstungsvorsprungs betrachtet.
     
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  5. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Ich werde dazu keine Definition abgeben, denn das ist deine Abi-Aufgabe.
    Ex post 2020 weiß man natürlich Sachen über das NS-Regime, die Chamberlain 1937/38 noch nicht wissen konnte. Hitlers "Mein Kampf" war aber schon teilweise ins englische übersetzt, komplett erst 1939. An Übersetzern sollte es aber auch nicht gemangelt haben. Im Vorfeld des Münchener Abkommens reiste Chamberlain mehrfach zu Hitler z.B. auf den Obersalzberg. Die "Verhandlungstaktik" der Nazis war ihm also nicht vollkommen fremd.
     
  6. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Welchen Rüstungsvorsprung genau meinst du?

    Engländer und Franzosen hatten mehr und bessere Panzer als die Wehrmacht zu Beginn des Krieges.

    Der Luftwaffe fehlten strategische Bomber und somit war die Führung eines strategischen Luftkrieges nicht möglich. Die alliierten Luftstreitkräfte verfügten zu Kriegsbeginn über 1300 Jäger. Beim Feldzug gegen Frankreich wurden 500 Luftsiege für die Briten und Franzosen gezählt; wenn der Feldzug also länger angedauert hätte, wäre das zu einen ernsten Problem für die Luftwaffe geworden.

    Und zur Marine muss nicht viel gesagt werden. Raeder selbst sagt, wir können nur mit Anstand untergehen.

    Personell war die französische Armee stärker als die Wehrmacht.
     
  7. hatl

    hatl Premiummitglied

    @Turgot ,
    hast Du dafür eine Literaturempfehlung?
     
  8. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Ich war eigentlich der Meinung, dieser Threat drehte sich inhaltlich um die Frage wie Chamberlains Appeasment-Politik zu bewerten ist.
    Das heißt, dass wir nicht über die Stärke der Briten und Franzosen zu Kriegsbeginn zu reden haben, sondern darüber, dass im Besondern im Hinblick auf die britische Politik bis zur "Zerschlagung der Resttschechei" wohl zu berücksichtigen wäre, dass die Rüstungsindustie, jedenfalls in Großbritannien, wesentlich weiter von einer Bereitschaft für einen tatsächlichen Krieg entfernt war, als in Deutschland.

    Ja, Frankreich und Großbritannien hatten zu Kriegsbeginn mehr Truppen etc.

    Appeasement endet ja spätestens mit der "Zerschlagung der Resttschechei" im März 1939 und seit dem glaubte man ja auch in london nicht mehr an einen auf Dauer friedlichen Kurs Deutschlands und reagierte entsprechen.
    Dementsprechend sind die an sich überlegenen Ressourcen Großbritanniens und Frankreichs im September 1939 auch Produkt dessen, dass sowohl bei den Briten, als auch den Franzosen seit März 1939 die Rüstung intensiviert werden konnte.
    Wenn wir weiter über nummerische Verhältnisse zwischen den Streitkräften der Briten und Franzosen auf der einen und den deutschen auf der anderen Seite reden, dann wäre auch das seit 1935 enger werdende deutsch-italienische Verhältnis zu berücksichtigen, dass ab einem gewissen Punkt bedingte, dass Frankreich Ressourcen abstellen musste um im potentiellen Kriegsfall mit Deutschland auch seine Grenze gegen Italien zu decken. Außerdem wäre der Tatsache der Verteilung von Teilstreitkräften über die Kolonialreiche Rechnung zu tragen, was natürlich einer schnellen Mobilisation und Dislozierung der französischen Kräfte in Richtung Deutschland nicht unbedingt zuträglich sein konnte.

    Dann sollte man sich vielleicht auch über den Bereich Tiefenrüstung unterhalten.

    Ja, die Briten und Franzosen hatten mehr an Soldaten und Material. Dass war aber eine über Jahrzehnte aufgebaute militärische Stärke.
    Deutschland unter Hitler hatte seine Armee binnen 4 Jahren aus dem Boden gestampf, was natürlich auch gewisse "Kinderkrankheiten" mit sich brachte.
    Die Tatsache, dass es aber möglich war, ein solches Millionenheer binnen weniger Jahre aus dem Boden zu stampfen, zeigt aber dochh wohl auch, in wie hohem Maße, die Deutssche Wirtschaft bereits auf die Bedürfnisse der Rüstung umgestellt war.

    Und an der Stelle, muss man denke ich auch der Antizipation Rechnung tragen, dass auf Seiten der Westalliierten man ja nicht unbedingt mit einem Bewegungskrieg zu Lande rechnete.
    Die französische Generalität erwartete bekanntermaßen eher eine Neuauflage des 1. Weltkrieges und bei den Briten war ja überhaupt kein entsprechendes Landheer zur Verfügung, um sowas ausführen zu können.
    Denken wir an dieser Stelle vielleicht mal über die Auswirkungen des hohen Maßes an Konzentration der deutschen Wirtschaft auf den Rüstungssektor im Hinblick auf die Möglichkeiten von Munitions- und Nachschubproduktion nach.

    Wenn wir annehmen, dass die Franzosen und Briten anno 1938-1939 zwar über mehr Soldaten, Flugzeuge, Panzer etc. verfügten, dann müssen wir vielleicht auch die Notwendigkeiten eines industrialisierten Krieges bedenken, der von einem guten Teil der Militärs auf der interalliierten Seite als Abnutzungskrieg und Materialschlacht konzipiert gewesen ist.
    Wäre es ein halbes Jahr früher zum Krieg gekommen, weil die Briten und Franzosen den Einmarsch in Prag nicht hingenommen hätten, dann hätten sie wohl mit nummerisch überlegenen Verbänden gegen Nazideutschland antreten können.
    Allerdings wäre es im Hinblick auf die noch weitgehend auf die zivilen Bedürfnisse ausgerichtete Wirtschaft auch mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit zu Munitions- und Nachschubkrisen auf der Seite der alliierten Mächte gekommen, als auf der Deutschen Seite.

    Oder jedenfalls hätte man aus strategischen Gründen damit rechnen müssen.

    Ob es dann so ratsam ist eine Offensive mit nummerisch überlegenen Kräften, aber ohne hinreichende Nachschubversorgung hinzulegen, dass sei dann mal dahin gestellt.

    Appeasement mag zwar politisch nicht funktioniert haben, hat aber sicherlich Zeit und Spielräume verschafft, die Struktur der Wirtschaft mehr auf die militärischen Bedürfnisse zuzuschneiden, dort entbehrliche Mannschaften vorsichtshalber aus den Kolonien abuziehen, etc.


    Über die Luftwaffe und Marine redest du selbst.
    Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des ersten Weltkriegs und demjenigen der Antizipation eines Abnutzungskrieges:

    Ist der Gedanke abwegig, dass von diesem Standpunkt aus militärisch betrachtet ein früheres Eingreifen die Kräfteparameter möglicherweise nicht so übermäßig stark zu Gunsten der Briten und Franzosen verschoben hätte, weil ihnen Appeasement ein Jahr verschaffte um im Bereich der Tiefenrüstung Pflöcke einzuschlagen, bzw. den eigenen Vorteil nicht so hoch einzuschäten, dass man einen Krieg als risikolos betrachten könnte?

    Mal abgesehen davon, dass im Hinblick auf die originär britischen Interessen, ja auch noch der causa Indien und der Sowjetunion Rechnung zu tragen wäre, würde ich aus den oben genannten Erwägungen meinen, dass die Ausgangalsage für die Briten und Franzosen, wenn sie das Schlucken der "Tschechei" und München nicht akzeptiert hätten, nicht unbedingt bedeutend besser gewesen wäre.
    Aus strategischer Perspektive und vor der Folie des antizipierten Abnutzungskrieges, mussten Briten und Franzosen vor allem Zeit gewinnen, um ihre Rüstung auch in der Tiefe auf Touren zu bringen und ihre Materialüberlegenheit voll ausspielen zu können.
    Nicht nur im Hinblick auf mehr vorhandene Panzer und Flugzeuge, sondern auch im Hinblick auf Munitionsproduktion und Produktion von Nachschub an sonstigem Kriegsmaterial und Reserven.
     
  9. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Grundsätzlich kann ich uneingeschränkt das Reihenwerk "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" sehr empfehlen. Das sind 10 Bände, insgesamt 13 Einzelbände. Das Werk ist auch international anerkannt. Es behandelt über das Schlachtengeschehen hinaus, auch die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse aber eben auch die Kräfteverhältnisse.

    Für meinen obigen kurzen Post habe ich aber nicht extra nachgeschlagen Ich habe mir jetzt eben mal auf die Schnelle das ausgezeichnete Werk von Karl-Hein Fireser "Blitzkrieg-Legende gegriffen. So schreibt Frieser beispielweise, das die deutschen Streitkräfte bereits im den Polenfeldzug nicht wesentlich länger fortzusetzen, sonst hätte der logistische Kollaps gedroht. Die Monate bei zum nächsten Feldug wurden dringend benötigt, um die Wehrmacht wieder operationsfähig zu machen. Beispielsweise sah es bei den Geschützen sehr schlecht aus. Wenn man Mai 1940 als 100% veranschlagt, dann waren zum Ende des Feldzuges gegen Polen lediglich noch 20% der 15cm Geschütze einsatzklar. Auch die Ausstattung mit Waffen war sehr lückenhaft, da die Zulieferung mit der teilweisen überstürzten Aufstellung der Verbände nicht mehr Schritt halten konnte.

    Frankreich konnte zu Beginn des Feldzuges 6,1vMillionen Soldaten mobilisieren, die Wehrmacht 4,5 Millionen.
    Der französischen Armee standen 300.000 Fahrzeuge zur Verfügung, der Wehrmacht 120.000. Das kaiserliche Herr hatte im Ersten Weltkrieg 1,4 Millionen Pferde im Einsatz, im Zweiten Weltkrieg waren
    2,7 Millionen.

    Von 157 Divisionen im Mai 1940 waren lediglich 16 Divisionen vollmotorisiert.

    Das deutsche Herr verfügt über insgesamt 2438 Panzer, wobei anzumerken ist, das der Panzer I nur mit einem Maschinengewehr ausgestattet war. Und es waren über 500 Panzer I im Einsatz. Das französische Heer verfügte über 3254 Panzer.

    Die Allierten verfügten insgesamt über 4469 Bomber und Jäger. Auf deutscher Seite ware es 3578.
     
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  10. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Stimmt aber du hast doch die Thematik selber in die Diskussion eingeführt.;)

    Die Aufrüstung begann aber nicht erst 1935. Das Fundament wurde schon in der Zeit der Republik gelegt. Schon in Dezember 1933 fiel die Entscheidung ein 300.000 Mann starkes Heer aufzubauen. Schon im Frühjahr 1934 war Hitler mit dem Tempo nicht zufrieden. Er verlangte eine Breitenrüstung, der Generalsstabschef Beck hingegen eine Tiefenrüstung.
    Im Juli 1935 erfolgte die Auflage des nächsten Programmes. Ziel war es 30-35 Divisionen zur Verfügung zu haben. Das war auch der Moment, wo der böhmische Gefreite die Wehrhoheit verkündete. 1941 sollten dann 63 Divisionen erreicht werden. Beck wollte eine langsamere Aufrüstung. Qualität war ihm wichtiger als Masse.

    Ein weiteres Probleme dieses enormen Aufrüstungstempos war das wirtschaftliche. Die gewaltige finanzielle Belastung und die möglicherweise volkswirtschaftlichen aber auch sozialen Folgen interessierten die Nazis nicht. Da war die Erbeutung der Bestände der tschechischen Armee sehr wertvoll. Ebenso wertvoll war im März 1938 die Erbeutung der österreichischen Goldreserven, die dringend benötigt worden war. Ab 1936 begann auch die Rohstoffknappheit und die Ersatzstoffindustrie begann ihre Kreativität freien Lauf zu lassen. 1937 konnten beispielsweise der Kupferbedarf des Heeres nur zu 50% gedeckt werden.

    Das kann man alles in den vorzüglichen Werk von Klaus Jürgen Müller, "Hitler und das Heer" nachlesen oder alternativ dazu vom gleichen Historiker die Biographie zu Beck, die neuer ist. Und auch Tante Wicki in dem entsprechenden sehr guten Artikel.

    Die wenig realistische Aufrüstungsplanung der Kriegsmarine, ab 1938 der sogenannte Z-Plan, der schon aufgrund des eben nicht vorhandener Stahlressourcen keine große Chancen zur Verwirklichung besaß. Aber es fehlte auch an Werften und entsprechenden Erfahrungen.

    Probleme über Probleme.

    Zur Luftwaffenthematik gibt es jede Menge hervorragende Aufsätze von Horst Boog im Reihenwerk Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg und das empfehlenswerte Werk " Die deutsche Luftwaffe1933 -1939" von Karl-Heinz Völker.

    Zur Luftwaffe lässt sich generell sagen, dass Fehlen der Möglichkeit zur Führung eines strategischen Bomberkrieges sich bemerkbar machte. Auch hier stieß man Grenzen der industriellen Kapazitäten. Später waren die Möglichkeiten zur Luftkriegführung über See nicht ausreichend. In der Luftschlacht um England reichte der Bestand der deutschen Luftwaffe nicht einmal aus, um die Bodenorganisation der britischen Jagdverbände zu zerschlagen oder eben die Zerstörung der britischen Rüstungsindustrie oder zumindest der Radaranlagen.
    Die Zahl der Kampfgruppen der Luftwaffe hatte sich seit 1937 nicht mehr nennenswert erhöht.

    Die deutsche Rüstung war darauf angelegt, das es ab Oktober 1940 zu relevanten Produktionssteigerungen kommen sollte, wobei der Höhepunkt im Herbst 1941 erreicht werden sollte. Die Planungen wurden durch das militärische Geschehen an der Front jedenfalls restlos überholt und trugen nicht dazu bei, die Zielkonflikte zwischen Tiefen- und Breitenrüstung zu behebe

    Deutschland hatte beispielsweise zu wenig Stahl und Gummi und konnte gerade 1000 Fahrzeuge im Monat produzieren, womit sich nicht einmal der monatliche Verbrauch ersetzten ließ. Halder verlangte eine Entmotorisierung.
     
    Zuletzt bearbeitet: 31. Juli 2021
  11. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Man kann Tante Wikis Artikel Aufrüstung der Wehrmacht durchaus als geraffte Zusammenstellung u.a. auch hinsichtlich des Rüstungsstandes 1939, wie auch der Rüstungsplanungen und ihrer Umsetzungen wie Grenzen, nutzbringend rezipieren, bilde ich mir ein.

    Das scheint mir so nicht ganz zuzutreffen, wenn ich (nicht nur) Tante Wiki folge. Ein Millionenheer ist nicht primär Ausdruck einer umfangreichen Umstellung 'der Wirtschaft' auf Rüstungsproduktion.
     
  12. Turgot

    Turgot Aktives Mitglied

    Der Artikel ist gut und ich habe diesen auch genutzt.
     
  13. hatl

    hatl Premiummitglied

    Stimmt also doch nicht? ->
    Und diese Aussage scheint mir doch auch sehr zweifelhaft zu sein.
    War es nicht so, dass die Alliierten erst in den letzten Jahren vor dem 2. Weltkrieg erheblich aufrüsteten?
    Appeaser und Anti-Appeaser: Zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion

    Ein Gedanke abseits der Details:
    Appeasement als Mittel der Vernunft ist m.E. der Normalfall des außenpolitischen Handelns.
    Das funktioniert üblicherweise besser als Eskalation und hätte am Vorabend des 1. Weltkriegs die große Katastrophe verhindert.
    Das war vor diesem Hintergrund allen Akteuren bewusst.
    Peter Neville - Hitler an Appeasement* - hat ein sehr lesenswertes Buch über die Friedensbemühungen von Neville Chamberlain geschrieben.
    Eigentlich fasst er den Grund für das Scheitern dieser Politik sehr knapp zusammen: Hitler war nicht "appeasable".
    Und das scheint mir ein ungewöhnlicher und nicht einfach erkennbarer Umstand zu sein.
    Man hat später Chamberlain Schwäche vorgeworfen, hat ihn als 'funny man with umbrella' karikiert und als 'guilty man' verachtet.
    Was er indes machte war der ehrenwerte Versuch den Frieden zu wahren.
    Wenn man ihm was vorwerfen will, dann, dass er den unbedingten Kriegswillen Hitlers zunächst nicht erkannte.

    *Danke an @thanepower für den Hinweis auf dieses Buch.

    P.S. @Shinigami:
    Es würde mich durchaus erfreuen, wenn ich es erleben dürfte, dass Du eine fehlerhafte Aussage von Dir als solche auch benennen und korrigieren könntest, statt diese in höchst wortreicher Weise zu umnebeln.
     
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  14. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Das tue ich durchaus regelmäßig, wenn ich sie wiederlegt sehe.
    Nur sehe ich das nicht, weil, wie gesagt nach meinem Dafürhalten im Hinblick auf die Rüstung auch die nachschubtechnischen aspekte zu berücksichtigen sind, nicht nur die absoluten nummerischen Stärken an Material.


    Ja, nur mit dem 300.000-Mann Heer war man in der Planung dann auf 10% der nummerischen Stärke, die man dann faktisch 6 Jahre später zur Verfügung stehen sollte. Und auch wenn hier zwischen Kerntruppen und Reserven etc. zu unterscheiden ist und darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der weitere Verlauf natürlich auch die Übernahme österreichischer und sudetendeutscher, ausgebildeter Kader in die Armee ermöglichte, ist das doch eine sehr beträchtliche Leistung.

    Das überzogen schnelle und Tempo der übermäßig ausgedehnten Aufrüstung etc. ist mir durchaus bewusst. Im Hinblick auf zu empfehlende Literatur dazu, kann man sicher in Jeden fall auch "Ökonomie der Zerstörung" von Adam Tooze guten Gewissens empfehlen.
    Ich bin duchaus im Bilde darüber, dass das Ganze so rasant vonstatten ging, dass sowohl die finanziellen Reserven (Schacht wehrte sich nicht umsonst so vehement gegen eine derartig ausgedehntte Rüstung auf Pump) arg angegriffen waren, und Stahl und andere Stoffe in einem so großen Maße von der Rüstungsindustrie beansprucht wurden, dass er bereits kontingentiert werden musste und für zivile Zwecke, wie Wohnungsbau etc. nicht mehr im Hinreichenden Maße zur Verfügung stand, obwohl Deutschland nach wie vor einer der größten Stahlproduzenten der Welt war.
    Das die an Deutschland fallenden Territorien in Österreich und der Tschechoslowakei für die deutsche Rüstung nicht unbedeutend waren, ist mir ebenfalls klar. Mit Österreich kamen ja nicht nur Goldreserven, sondern auch Erzvorkommen und Vorräte, während ja gerade auch das heutige Tschechien ein relativ hochindustrialisiertes Gebiet war und alleine die Produktionsstätten, die an Skoda drann hingen nochmal zusätzlich erhebliche Kapazitäten bereitstellten.

    Wie du unten schon richtig schreibst, gab es Probleme über Probleme:

    Ich möchte dazu aber folgendes bemerkt haben:

    - Die Tatsache, dass man Stahl und andere Ressourcen in Deutschland bereits aus politischen Gründen kontingentierte, dass man bereits mit dem System der Mefo-Wechsel versuchte eine systematische Sparneigung der eigenen Bevölkerung zu provozieren und sie mit massiven Zahlungsversprechen in der Zukunft zu ködern, die Tatsache, dass Deutschland im Hinblick auf Konsumgüter zunehmend Produktions- und Importlücken aufwies, auch die der staatlich verhängten Lohnstopps.
    Das alles sind Anzeichen dafür, wie weit bereits deutlich vor Kriegsbeginn in Deutschland Elemente einer Kommandowirtschaft griffen, was es verhältnismäßig einfach machen musste, den Rest der Wirtschaft auch noch zügig für militärische Zwecke umstrukturieren zu können.
    Und hier hatte Deutschland gegenüber den Briten und Franzosen, anno 1938/1. Hälfte 1939 unbestreitbar einen deutlichen Vorsprung.
    In Duetschland warenn die Schlüsselindustrien bereits Jahre vor Beginn des Krieges auf Kriegszwecke getrimmt, bei den Briten und Frannzosen nicht.
    Und diese Umstellung, komplett ohne Anlaufzeit und der hier vorhandene Rückstand, hätten sich bei einem Krieg schon 1938 oder in der ersten Hälfte 1939 wahrscheinlich, wie gesagt, spätestens bei der Nachschubproduktion und Distribution gerächt und einen Teil des nummerischen Vorteils wieder aufgehoben.

    - Der andere Aspekt ist, dass sich Deutschland durch den weiteren Ausbau seiner industriellen Kapazitäten, auch durch die Aufnahme der österreichischen und tschechischen, im Grunde selbst ein Importproblem schuf, weil die Verarbeitungsleistung, selbst wenn man noch den Versuch die Salzgitter-Erze effektiv zu verhütten mit einbezieht, sich noch weiter von den realiter vorhandenen Erzreserven abhoben und insofern absehbar war, dass Deutschland ohne externe Ressourcenquellen seine Industriekapazitäten, sofern die rein militärisch genutzt wurden und kaum noch zivile konsumgüter herstellten, mit denen die Handelsbilanz verbessert und mehr Erz hätte aufgekauft werden können, auf die Dauer auch gar nicht mehr voll ausfahren konnten.
    Zumal die Deutsch-Sowjetische zusammenarbeit, als die Appeasement-Politik aufgenommen wurde, ja durchaus nicht absehbar war.
    Vorher konnte man vom wirtschaftlichen Standpunkt her, was Briten und Franzosen angeht, durchaus davon ausgehen, dass alleine die Ressourcenknappheit und die völlige finanzielle Überdehnung Deutschland nötigen würden, sich entweder im Hinblick auf weitere Aufrüstung zurück zu halten oder aber durch Einfuhren aus dem Ausland um so abhängiger und anfälliger für eine Blockade zu machen.

    Oder eben Krieg anzufangen, wohl wissend, dass die eigenen Ressourcenvorräte bereits nachhaltig angegriffen waren.


    Gar keine Frage.


    Was aber doch zeigt, dass die Deutsche Rüstung in 1938 und 1939 merklich auf ihren Zenit zulief und danach zurückgefahren hätte werden müssen, während die Briten und Franzosen mit dem absoluten Hochfahren ihrer Kapazitäten erst später begannen, zusammen über eine andere Rohstoffbasis verfügten und den Peak ihrer Rüstung mutmaßlich erst wesentlich später erreicht hätten.
    Was es für sie, nicht nur aus politischen Überzeugungen, sondern auch aus strategischen Überlegungen hinaus nicht eben unplausibel machte, eine etwaige militärische Auseinandersetzung mit Deutschland aufzuschieben.
     

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