Kardinalshut

Kassia

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Bin bei Wiki zufällig über den Artikel zu Papst Johannes XXIII. gestolpert ("ich bin Joseph, euer Bruder"). Dort heißt es, daß der französische Staatspräsident Auriol, einer alten Gepflogenheit gemäß, dem neu ernannten Kardinal den Hut aufsetzte.
Um welche alte Gepflogenheit handelt es sich dabei? Wieso gerade die Franzosen?

Ich freue mich über sachdienliche Antworten.
Kassia
 
Helmuth Nürnberger, Johannes XXIII., rororo 1985, berichtet:
Das Kardinalat bedeutete den Abschied von Frankreich.[...] Präsident Auriol, Sozialist und überzeugter Atheist, machte von dem alten Vorrecht des französischen Staatsoberhaupts Gebrauch - das seit der Trennung von kirche und Staat nur noch selten in Anspruch genommen worden war -, als Vertreter des Papstes dem Erwählten das rote Birett aufzusetzen.

Da gab es offensichtlich für Frankreich als älteste Tochter der Kirche besondere Rechte.
 
Innerhalb der kirchlich - weltlichen Auseinandersetzungen hatten die
franz. Könige sehr lange und heftige davon mit den Päpsten.

Davon zeugt auch die Übersiedlung der Kurie nach Avignon 1309 und
das nach folgende Hin - und Her mit Päpsten und Gegenpäpsten -je
nachdem , was den Königen und Fürsten gerade passte. Besonders die
Bischofseinsetzungen und andere Ernennungen wollte sich der franz.
König im eigenen Land vorbehalten usw.

1516 wurde ein Konkordat zwischen Franz I. und Leo X. geschlossen,
nachdem der franz . König Bischöfe und Äbte nominieren konnte.
Damit hatte das franz. Königtum nahezu einzigartigen Einfluss auf die
nationale Kirche.

Ich denke mir , das der Brauch aus diesen Ernennungsrechten der franz.
Könige heraus ausgeübt wird.
 
Ich denke mir, dass der Brauch aus diesen Ernennungsrechten der frz. Könige heraus ausgeübt wird.

Und das ist auch die Antwort auf Kassias Frage. Die frz. Könige ernannten Äbte, Bischöfe und auch Erzbischöfe selbst und überreichten ihnen auch ihre Amtsinsignien, die römische Kurie "bestätigte" diese Ernennung nur. Kardinäle durfte natürlich nur vom Papst ernannt werden, aber auch hier hatten die Könige Frankreichs als Allerchristlichste Könige und Älteste Söhne der Heiligen Mutter Kirche eine Art Vorschlagsrecht, dessen bekannteste Vertreter die frz. Kardinäle Duprat, Richelieu, Mazarin und Fleury sind. Dennoch empfingen auch die frz. Kardinäle ihre Amtszeichen aus den Händen des Königs (Investiturrecht).

Zwar durften die frz. Präsidenten dann keine Kirchenmänner mehr ernennen, aber das Investiturrecht für Kardinäle erbten sie von den Königen und blieb ihnen bis heute erhalten. Was ich nicht weiß, ob dies auch noch für Bischöfe gilt, für Kardinäle definitiv ja. Das kirchliche Investiturrecht des frz. Staatspräsidenten wird aber heute nicht mehr angewandt, es existiert nur noch auf den Papier, "ruht" also.
 
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