Kartographie in Mesopotamien

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Kartographie in Mesopotamien



Die bisher gefundenen und ausgewerteten archäologischen Funde von Karten und Plänen geben uns nur eine ziemlich begrenzte Vorstellung von den Fähigkeiten der Mesopotamier, Karten und Stadtpläne zu zeichnen. Zu den wenigen Beispielen zählen
Feldvermessungsurkunden ab dem 3. vorchristlichen Jt., sumerische und babylonische Baupläne von Gebäuden, die babylonische „Weltkarte“ aus dem 7. Jh. v. Ch. und der besonders eindrucksvolle Stadtplan von Nippur.


Eine Expedition der Universität von Pennsylvania fand 1889 bei Ausgrabungsarbeiten in Nippur (heute Nuffar, 180 km südöstlich von Bagdad) unter anderem eine 21 x 18 cm große Tontafel aus der kassitischen Zeit um 1500 v. Ch., die in einem Terrakottakrug verborgen lag. Diese Tafel gelangte in die Sammlung des damaligen Ausgrabungsleiters Hermann Hilprecht, der 1903 in seinem Buch „Explorations in Bible Lands“ eine kleine, undeutliche Fotografie des Fundes der Öffentlichkeit vorstellte. 1925 kam Hilprechts Sammlung zusammen mit 2500 vollständig erhaltenen Keilschrifttafeln und vielen Bruchstücken an die Universität Jena. Der Nachfolger Hilprechts auf dem Lehrstuhl an der Universität Pennsylvania, Samuel Noah Kramer, gehindert zunächst durch die Nazis, dann durch den Krieg und schließlich durch den „Eisernen Vorhang“, bekam erst 1955 die Zugangsmöglichkeit zur Hilprechts Sammlung. Die DDR gewährte ihm die Einreise und für zehn Wochen die Aufenthaltsgenehmigung für Jena.

Nachdem zahlreiche Versuche von Fachgelehrten, die Fotografie aus Hilprechts Buch zu entziffern, scheiterten, gelang Kramer, mit der Tontafel in den Händen, die Identifizierung dieser Tontafel als den ältesten bis dahin bekannten Stadtplan dieser Erde. Es war der 3500 Jahre alte Stadtplan von Nippur, der „heiligen Stadt“ der Sumerer (ohne die Legitimation durch den Stadtgott von Nippur, Enlil, konnte kein Herrscher von Sumer oder Akkad König werden). Ein amerikanisches Team unter der Leitung von Mac Gibson legte 1975 die Stadtmauern von Nippur frei, um die Genauigkeit des Stadtplans zu untersuchen. Seine Messungen haben ergaben, dass dieser Stadtplan nahezu maßstabgerecht gezeichnet wurde.

Der Plan ist in einer Mischung aus sumerischen und semitischen Bezeichnungen beschriftet. Hier die Beschreibung des Stadtplanes von Nippur, die Kramer so formulierte (entnommen aus H. Uhlig „Die Sumerer“):

„Die Karte ist nicht genau nordsüdlich orientiert, sondern ungefähr in einem Winkel von 54 Grad. In der Mitte befindet sich der Name der Stadt, mit dem alten sumerischen Zeichen geschrieben: EN- LIL- KI , >die Stätte Enlils<, das heißt die Stadt, in welcher der Luftgott Enlil wohnte, die führende Gottheit des sumerischen Pantheons. Die Bauten (...) sind: Die >ekur<, das Berghaus; Sumers berühmtester Tempel - der >kiur<; die >anniginna<, eine Art Umzäunung – und weit draußen an den Grenzen der Stadt der >eschmah<, der >Erhabene Schrein<. In der Ecke zwischen der südwestlichen und der südöstlichen Mauer liegt der >Stadtpark<, der >kirischauru<, wörtlich >Park im Zentrum der Stadt<. Die Südwestgrenze der Stadt bildet der Euphrat, mit dem alten sumerischen Zeichen geschrieben: >baranum<. Im Nordwesten wurde die Stadt von dem >nanbirdu< - Kanal begrenzt, wo, nach der alten sumerischen Legende von der Geburt des Mondgottes, der Gott Enlil zum ersten Mal seine zukünftige Gattin baden sah und sich sogleich in sie verliebte. Mitten durch die Stadt fließt der >idschauru<, wörtlich: >Stadtmittelkanal< - heute unter dem Namen Schatt- en Nil bekannt. Besondere Aufmerksamkeit aber hat der alte Kartenzeichner den Mauern und Toren gewidmet. Deshalb ist es nicht Ganz unwahrscheinlich, dass der Plan im Hinblick auf die Verteidigung der Stadt gegen einen befürchteten Angriff entstanden sein mag. In der südwestlichen Mauer finden wir drei Tore: das >kagal musukkatim<, >Tor der sexuell Unreinen< (...), das >kagal mah<, >Erhabenes Tor> und das >kagal gula<, >Großes Tor<.

Auch die südöstliche Mauer ist von drei Toren durchbrochen: dem >kagal nanna<, >Tor des Nanna< (des sumerischen Mondgottes), dem >kagal uruk<, >Tor Erechs< (das biblische Erech...) und dem >kagal igibiurische<, >Tor, das nach Ur weist< (...). In der Nordwestmauer finden wir nur ein Tor, das >kagal nergal, >Tor Nergals<. Nergal ist der Gott, der früher einmal König der Unterwelt und Gemahl der Göttin Ereschkigal war und in dem Mythos INANNAS FAHRT IN DIE UNTERWELT eine wichtige Rolle spielt. Schließlich läuft parallel mit der Nordwestmauer ein Wallgraben und ein zweiter parallel mit der Südwestmauer. Beide hat der alte Kartograph mit dem Wort >hiritum< bezeichnet, dem akkadischen, nicht sumerischen, Wort für >Wallgraben<“.


Der Stadtplan von Nippur ist ein bis heute einmaliger Fund in der vorderasiatischen Archäologie geblieben. Es gibt Funde von Tontafeln mit sumerischen und babylonischen Bauplänen von Häusern und Tempeln, die sorgfältig gezeichnet sind und auch Maßangaben enthalten. Ein Tempelplan aus spätbabylonischer Zeit zeigt offensichtlich jeden einzelnen Ziegel in den Mauern.


Die berühmte babylonische „Weltkarte“ aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert, gefunden in Sippar ( Abu Habba/ Irak, nördlich von Babylon) stellt die Erde als Scheibe dar, umgeben von den Ozeanen, die „Bitterer Fluss“ genannt werden. An den äußeren Rändern sind verschiedene dreieckige Bereiche eingezeichnet und oben die Bemerkung „Wo die Sonne nicht gesehen wird“, ein Hinweis auf die Nordrichtung. Babylon ist als Rechteck im Zentrum eingezeichnet. Der Euphtet verläuft mitten durch die Erdscheibe, andere Städte und Länder sind durch Kreise markiert.

Die einzige gut erhaltene Landkarte, gefunden im altakkadischen Gasur (spätere hurritische Stadt Nuzi- jetzt Jorgan Tepe, 13 km s/w von Kirkuk/ Irak), zeigt ein Grundstück mit drei Dörfern und einem Flusssystem, das von Bergen umgeben ist. Auch die vier Himmelsrichtungen sind eingezeichnet.

Die zahlreichen sumerischen Feldvermessungsurkunden, die aber selten durch Pläne erläutert sind, stammen aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend. Feldvermessungen wurden von Tempelverwaltungen vorgenommen, um die Größe, den Bedarf an Saatgut und den zu erwartenden Ernteertrag festzuhalten. Urkunden dieser Art aus babylonischer Zeit stammen vorwiegend aus der Privatwirtschaft. Es sind grob gezeichnete schematische Pläne der Felder mit den dazugehörigen Flächenberechnungen. Auch die Besitzer der angrenzenden Grundstücke werden mitgeteilt. Solche Aufzeichnungen wurden wahrscheinlich im Zusammenhang mit Grundstücksverkäufen angefertigt.


Quellen:
H. Uhlig, Die Sumerer, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2002 (1992)
B. Hrouda, Der Alte Orient, Bertelsmann, München 2003
Historische Kartographie 3-3
 
Zuletzt bearbeitet:
Andronikos schrieb:

Danke, Andronikos :hoch: . Sippar war eine Stadt, die in den Königslisten als Stadt "vor der Sintflut" erwähnt wird. Dazu zählen auch Städte wie Eridu, Larak, Schurupak oder Badtibira. Ihren letzten Aufschwung erlebte Sippar um 600 v. Ch. unter Nebukadnezar II. Heute ist der Ort unter dem Namen Abu Habba bekannt, liegt nördlich von Babylon am Euphrat.Erst jüngst wurde dort ein intaktes Archiv ausgegraben.
 
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