keltische Kampfesweise zur Zeit der Invasion in Italien

brigont

Mitglied
Hallo zusammen!

Ich interssiere mich sehr für Millitärgeschichte und würde gerne Eure Meinungen zu folgendem Thema hören:
Wie haben die Stämme, die um 400 v. Chr. die Alpen überquerten gekämpft?
Die Kelten dieser Epoche werden zumeist als lärmende, ungeordnete Haufen dargestellt, die Lärm machen, sich in eine Raserei hineinsteigern und dann wie ein tollwütiges Rudel in die feindliche Schlachtlinie (zu dieser Zeit auf der italienischen Halbinsel bei Griechen, Etruskern und Römern wohl eine Phalanx begleitet von leichtbewaffneten und Reiterei) hinein rennen. Ich persönlich halte das für absoluten Blödsinn. Die Bewaffnung mit großen Schilden und Stoßlanzen mit langer schwerer Klinge sind mMn. für den Kampf in geschlossener Schildreihe am besten geeignet. Eventuel wurde ein Angriffskeil, also ein Rechteck das mit der kurzen Seite auf den Feind traf gebildet, wie über 200 jahre später von den Keltberern (cuneus).
Welche Rolle spielten Streitwagen auf dem Schlachtfeld? Die spätere Beschreibung als "Schlachtfeldtaxi" will mir nicht so recht einleuchten.
Eure Theorien zum Ablauf einer Schlacht in dieser Epoche würden mich sehr interessieren...
Ich geb dann auch meine zum besten...
lG.
 
Aus dem Gedächtnis heraus... IIRC haben die Gäsaten keine Streitwagen eingesetzt, aber es stand irgendwo ,daß sie in Phalanx kämpften... soweit ich mich erinnere haben Speerträger die Schwertkämpfer gesichert, es muss also schon Formationen gegeben haben. Die keltischen Speere und Schilde waren ja auch recht groß...
 
Nochmal genau nachgeguckt... die Gäsaten kämpften nicht mit Streitwagen, aber sie waren ja auch per Definition "Speermänner"...

ABER: Die Gäsatenkönige Anaroestos und Kobkolitanos sollen mit Insubrern und Boiern ein Heer von 50.000 Fußkriegern und 20.000 Reitern und Streitwagenkriegern aufgebracht haben.. das ist im Vergleich zum Fußvolk schon eine gewaltige Mene an Kavallerie und Wagenkämpfern...

eienm Hirtius Kommentar können wir zudem entnehmen ,daß die Gallier auf dem Felde auch ruhten, es ist damit vermutlich gemeint ,daß die erschöpften Kämpfer der vordersten Reihen durch frische von hinten ersetzt wurden... sie bereiteten sich Lager aus Stroh und Heu um sich setzen zu können und führten diese Unterlagen auch schon vorher mit... das deutet IMHO schon auf ausgefeilte Nachrückstrategien und eine gute Disziplin hin.

für die frühen Kelten wird scheinbar noch keine Phalanx angegeben- hab jedenfalls noch nichts gefunden. obwohl ihre Ausrüstung dafür geeignet war und nicht auszuschlißen ist ,daß sie in Phalanx kämpften... Cäsar beschreibt aber später Phalanxen der Helvetier.

Möglich ,daß die Carnyx, die Kriegstrompete nicht nur zum Angst - und Muteinflössen verwendet wurde sondern auch um Befehle zu komunizieren... die Römer setzten ihre Tubae ja auch zu diesem Zweck ein une einige male verwenden Römer das Wort Tuba zum beschreiben der Carnyx.
 
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Ich habe gerade noch einmal in den Livius geschaut, zur Schlacht an der Allia 390 oder 387 BC, dem schwarzen Tag dies ater der römischen Frühgeschichte. Leider ist die Überlieferung mehr legendär als militärgeschichtlich bedeutsam. Weder ist dort der Einsatz von Kavallerie noch von Streitwägen überliefert. Livius erwähnt, dass die einfallenden Gallier mehrfach die Etrusker in Schlachten geschlagen haben, und mindestens seit 200 Jahren ( d.h. seit dem 6.Jahrhundert BC) nach Italien eingedrungen wären.
Kelten! Kelten? Keltische Spuren in Italien. Begleitbuch zur Ausstellung im Römisch-Germanischen Zentralmuseum 19 Mai bis 1. August 2010. Mosaiksteine 7 (Mainz 2010) | Martin Schönfelder - Academia.edu

Dies stimmt insofern mit der modernen Forschung überein, als dass sie heute nicht mehr von einer schlagartigen Invasion, sondern einem erst allmählichen Vordringen ausgeht, dem dann militärische Interventionen gefolgt sind (Kern der Wanderungssage um Bellovesus).
Schau Dir auch den Thread von 2013 http://www.geschichtsforum.de/f32/w...-sahen-aus-wenn-sie-die-schlacht-zogen-44515/ an.
 
gibt es Polybios Historia irgendwo online? Birkhan gibt in die Kelten Polybios I s. 138 (II,28) an...
ich hab den leider nicht hier...
 
Bei Polybios steht nicht viel zur Schlacht an der Allia, er erwähnt dies im 2.Buch (18) und 1.Buch (6) nur am Rande, ohne die Schlacht zu beschreiben.
Livius liefert für das Jahr 295 BC jedoch eine Beschreibung der Schlacht von Sentinum (LIV X, 27 -29)
in der auf dem linken Flügel die Senonen kämpften. Der Konsul Publius Decius Mus griff mit seiner Reiterei die gallische Reiterei an, und warf sie zweimal, bis gallische Streitwägen eingriffen ("einem Kampf, der ihnen seiner Art nach neu war"), die Pferde wurden scheu, und die römische Reiterei floh, zu Tode stürzend, die Streitwägen drangen in die ersten Glieder des römischen Fußvolks ein, dort wurden durch die stürzenden Pferde und die Wägen viele totgetreten, die keltische Infanterie brach beim Anblick der Unordnung keilförmig in die römischen Linien ein. Später schreibt Livius, dass die Senonen Schild an Schild standen (im geschlossenen Glied), und die Römer deswegen Wurfpfeile, die die Kelten ebenso einsetzten, gesammelt und abgeschossen hätten. Diese Schildwand taucht auch ein zweites Mal im Text auf, als auserlesene campanische Reiterei vom siegreichen rechten Flügel und das zweite Treffen der dritten Legion die Senonen im Rücken angriffen. Zwar liegen zwischen beiden Schlachten 100 Jahre, und eine Weiterentwicklung der gallischen Kampfweise in der Konfrontation mit den italischen Heeren ist wahrscheinlich, in den Grundzügen kann dies jedoch auch die Kampfweise der "Invasoren" des 4.Jahrhunderts sein.
Immer noch gut zum keltischen Wagenbau und Kriegseinsatz derselben:
http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2000/0093/pdf/dms.pdf
 
Die Kelten dieser Epoche werden zumeist als lärmende, ungeordnete Haufen dargestellt, die Lärm machen, sich in eine Raserei hineinsteigern und dann wie ein tollwütiges Rudel in die feindliche Schlachtlinie (zu dieser Zeit auf der italienischen Halbinsel bei Griechen, Etruskern und Römern wohl eine Phalanx begleitet von leichtbewaffneten und Reiterei) hinein rennen.
(...)
Eventuel wurde ein Angriffskeil, also ein Rechteck das mit der kurzen Seite auf den Feind traf gebildet, wie über 200 jahre später von den Keltberern (cuneus).

Streich das "ungeordnet" (bzw setze es in Relation zu späteren römischen oder hellenistischen Berufsheeren), und beides ist so gut wie deckungsgleich: Für einen Sturmangriff durchaus hilfreich, sich in eine Art "Raserei" zu versetzen. Va für eine Truppe, die keine oder kaum militärische Disziplin und Subordination kannte, dafür aber einen elitären Kriegerethos, wie man ihn bei einem Kriegerstand (wie ihn die damaligen Kelten kannten) erwarten kann.
 
Weitere Kämpfe nach der Schlacht an der Allia zwischen Römern und Galliern in den folgenden Jahrzehnten des 4. Jhdts. fanden gemäß der Überlieferung 367, 361-360, 358, 352 und 349 statt.
367 soll es im Gebiet von Alba am Anio zu einer Schlacht zwischen den Römern unter dem zum fünften Mal zum Dictator ernannten Camillus und den Galliern gekommen sein, zu der Livius 6,42 eigentlich nichts weiter schreibt als den römischen Sieg zu vermelden. Plutarch bietet im 40. und 41. Kap. seiner Camillus-Biographie eine ausführliche Schlachtschilderung, deren Wahrheitsgehalt ich allerdings für arg zweifelhaft halte (schon weil es recht unwahrscheinlich ist, dass sich aus dieser Zeit eine brauchbare Schilderung erhalten hat, und weil Livius rein gar nicht darauf eingeht), zumal sie doch recht abenteuerlich gehalten ist. Wenn man ihr folgt, bestand die Stärke der Gallier in ihren Schwertkämpfern. Daher soll Camillus seine Soldaten mit glatten Helmen ausgerüstet haben, damit an ihnen die gallischen Schwerter abgleiten. Außerdem sollen die Römer in der Schlacht primär mit Lanzen gekämpft haben, um damit die Schwertschläge abzuwehren und sie schartig zu machen. Als die Gallier gegen die Römer nicht ankamen, sollen sie ihre Waffen weggeworfen und versucht haben, den Römern die Lanzen zu entreißen oder sie beiseitezuschieben, woraufhin diese nun selbst mit den Schwertern angriffen.
361 soll es dann zum legendären Zweikampf zwischen einem Gallier und dem Römer Titus Manlius, nachmals "Torquatus", gekommen sein (Livius 7,9-10). Zu einer Schlacht kam es noch nicht.
Sie soll dann 360 vor den Toren Roms stattgefunden haben (Livius 7,11), aber Einzelheiten werden nicht berichtet.
358 soll es zu einer Schlacht gekommen sein, die von Livius (7,14-15) ausführlicher geschildert wird, aber letztlich auch keine großen Schlüsse auf die gallische Kampfesweise zulässt.
Auch nicht viel ergiebiger ist die recht ausführliche Schilderung der Schlacht im Jahr 352 (Livius 7,23-24).
349 soll es dann zum legendären Zweikampf zwischen einem Gallier und Marcus Valerius, nachmals "Corvus", gekommen sein. Die knappe Schilderung der folgenden Schlacht bei Livius (7,26) gibt hinsichtlich der Eingangsfrage wieder nichts her.

Letztlich halte ich die Eingangsfrage für nicht beantwortbar. Sämtliche Berichte, die wir über die Kämpfe in Italien im 4. Jhdt. haben, stammen aus viel späterer Zeit und sind zweifelhaft, außerdem ohnehin eher unergiebig, was gallische Taktiken und Truppengattungen betrifft. Auch aus anderen Regionen haben wir keine zeitnahen Berichte vorliegen. Man kann natürlich versuchen, Berichte über Schlachten im 3. Jhdt. oder gar im Gallischen Krieg Caesars rückzuprojizieren, allerdings werden sich auch die Gallier weiterentwickelt haben. Speziell für Italien wissen wir nicht, inwieweit sich die Gallier nach ihren ersten Kontakten mit den Mittelmeerzivilisationen und speziell den Staaten Italiens an deren Kampfweisen angepasst haben, wie "original" sie im 3. Jhdt. also noch kämpften.

gibt es Polybios Historia irgendwo online? Birkhan gibt in die Kelten Polybios I s. 138 (II,28) an...
Griechisch: https://el.wikisource.org/wiki/Ιστορίαι
Englisch: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Polybius/home.html
 
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Erstmal Danke für die links! Musste das mal alles lesen...
Sehr interessant fand ich das Sennonengrab in Italien, und natürlich das Werk zu den Streitwägen (sehr ausführlich, cool, wo findet ihr sowas?)
Reinecke wie meinst du das "in Relation setzen" ?
Ein Kriegerethos schafft auch Disziplin, heisst für den Krieger gibts Regeln an die er sich zu halten hat, und ohne klare Hierarchie und Befehlsstruktur, hätten die nie in so großer Zahl über die Alpen gekonnt, geschweige denn das man sonst so große Heere niemals zusammenbrächte ( auch wenn ich die römischen Angaben für übertrieben halte, die teilweise von 70000 Mann berichten, aber wenns nur ein Drittel war, wars auch schon gewaltig...)
Ich glaube das die Kelten nicht weniger organisiert waren, wie Griechen, Römer u. Etrusker.
LG.
 
An Ravenik:
eben deswegen frage ich nach euren Theorien, oder was ihr für das wahrscheinlichste haltet ...
 
ich möchte so eine Schlacht nämlich in einem Buch beschreiben, mal erfrischend anders aber doch nach der Sichtweise der Mehrheit von Leuten die sich mit dem Thema beschäftigen...
 
Was soll es bringen draufloszuspekulieren? Manchmal sollte man sich einfach damit abfinden, dass etwas offen bleibt.
 
Du kannst Beiträge auch editieren, wenn Du noch etwas ergänzen willst.

Man weiß glaub ich ja nicht einmal genau wie Römer und Etrusker dieser Zeit kämpften...
Nein, weiß man eigentlich nicht. Bei den Römern ist unklar, wann und wie konkret sie von der (genaugenommen auch nur vermuteten) ursprünglichen Kampfweise als starre Phalanx (wobei es obendrein völlig divergierende Ansichten dazu gibt, welche Rolle die Kavallerie ursprünglich spielte) zur flexibleren Manipulartaktik übergegangen sind. Es wird vermutet, dass das eine Reaktion auf die Konfrontation mit den Galliern oder auch erst den Samniten gewesen sein könnte, aber Genaues weiß man nicht. Die erste zeitgenössische Darstellung des römischen Heerwesens stammt erst von Polybios (2. Jhdt. v. Chr.).
 
Das ist wohl doch etwas übertrieben. Es stimmt, dass sie außer Gebrauch kamen, aber dennoch wurden sie um 400 von verschiedenen Völkern noch eingesetzt, z. B. den Karthagern und den Kyrenaiern. Ganz nutzlos werden sie also nicht gewesen sein.
 
Reinecke wie meinst du das "in Relation setzen" ?

Im Vergleich mit ein paar besoffener Hooligans mag eine Truppe als "relativ diszipliniert" erscheinen, die im Vergleich mit einem Bataillone preußischer Grenadiere eher unorganisiert erscheint. Immerhin ist alles relativ...

Ein Kriegerethos schafft auch Disziplin, heisst für den Krieger gibts Regeln an die er sich zu halten hat, und ohne klare Hierarchie und Befehlsstruktur,
(...)

Dem würde ich widersprechen. Ein Kriegerstand benötigt idR Werte wie persönliche Ehre und Leistungsbereitschaft respektive Mut des einzelnen Kämpfers, die in vielen Situationen der Disziplin und Organisation eines Berufsheeres direkt entgegenstehen. Mittelalterliche Ritter waren (in ihren Idealen) tapfer, aber nicht diszipliniert. Dem einzelnen preußischen Soldaten war der "Mut" vielleicht mit dem Stock eingeprügelt worden, aber die Unterordnung hatte er verinnerlicht. Beides zu haben ist schwierig bis unmöglich.

Gut, die Römer hatten in der Zeit noch kein Berufsheer, sondern eine Miliz. Diese bestand allerdings aus den (nicht zu armen) Bürgern, nicht aus einem Adels- oder Kriegerstand. Auch gehe ich davon aus, dass schon damals der Kern von Zenturionat und imperium existierte; etwas, was die griechischen Milizheere bspw noch nicht kannten, mit den entsprechenden Folgen. Die Söldner-/Berufsheere Karthagos und der hellenistischen Reiche sind wieder eine andere Sache.
 
Ein Kriegerethos schafft auch Disziplin, heisst für den Krieger gibts Regeln an die er sich zu halten hat
Ich stimme Reinecke zu. Ein "Kriegerethos" kann sogar kontraproduktiv sein, nämlich wenn für den einzelnen Krieger primär die "Ehre" zählt und Ruhm zu erwerben. Die mittelalterlichen Ritter hat Reinecke schon erwähnt; sie haben durch mangelnde Disziplin so manche Schlacht vergeigt. Auch die Samurai am anderen Ende der Welt waren in der Schlacht alles andere als diszipliniert. Ihnen ging es in erster Linie darum, würdige Gegner zu finden und sich mit ihnen zu duellieren. Diszipliniert waren erst die später aufkommenden großen Ashigaru-Heere, die eben nicht aus Samurai mit ausgeprägtem Kriegerethos bestanden, sondern aus Angehörigen unterer Gesellschaftsschichten.
Ebenso auch im alten Griechenland: Die Hoplitenphalangen bestanden aus Bürgern, die normalerweise verschiedensten zivilen Tätigkeiten nachgingen, nicht aus einem Kriegeradel mit einem entwickelten Kriegerethos. Einen Kriegeradel präsentiert uns Homer; bei ihm fahren die adligen Krieger eher unkoordiniert auf Streitwagen herum und suchen nach ebenbürtigen Gegnern.
Disziplinierte Heere mit Soldaten in Reih und Glied entspringen also eher Gesellschaften, in denen die Soldaten in verschiedenen sozialen Schichten rekrutiert werden und keinen allzu ausgeprägten Kriegerethos haben.

und ohne klare Hierarchie und Befehlsstruktur, hätten die nie in so großer Zahl über die Alpen gekonnt,
Sie müssen nicht unbedingt in einem großen Zug marschiert sein, sondern es kann auch über einen längeren Zeitraum immer wieder zu kleineren Zügen gekommen sein.
 
Es hat im Laufe der Geschichte öfters Heere gegeben, einige davon gewaltigen Ausmasses, die nicht durch "Disziplin, Hierarchien und Befehlsstrukturen" zusammengehalten wurden, sondern durch ein Geflecht an persönlichen Gefolgschafts- und Treueverhältnissen, seien es die erwähnten mittelalterlichen Ritterheere, die Mongolen, die Osmanischen Heere (mit Ausnahme der janitscharentruppe) etc.

Ich würde mal behaupten, dass dieses eine natürlichere und häufigere Erscheinungsform im Laufe der Geschichte darstellt, als Armeen auf der Grundlage von strengen Hierarchien und Disziplin, die man ausserhalb Europas und vor der Modernen Zeit, wohl nur bei den japanischen Ashigaru oder den Zulus findet.
 
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