Kirche und Kirchenpolitik in Spanien seit Beginn der bürgerlichen Epoche

El Quijote

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Man schaue sich Frankreich an, das jedes Mal, wenn die republikanisch gesinnten Kreise innenpolitisch die Oberhand hatten, versuchten die Stellung der katholischen Kirche so weit als möglich zu unterminieren, ähnliches findet sich, etwas zeitverzögert meines Wissens nach im 19. Jahrhundert auch in Spanien.
Formen des Antiklerikalismus gab es in Spanien seit dem Mittelalter, verstärkt in der napoleonischen Epoche. Davon zu trennen sind allerdings kirchliche Enteignungen (Desamortizaciones = Säkularisation/Mediatisierung).
Die bekannteste ist die Desamortización de Mendizábal 1834, das war die zweite größere Enteignung der katholischen Kirche nach Pepe Botellas (Joseph Bonaparte, der von seinem Bruder als König eingezetzt wurde, der Spitzname Pepe, weil Pepe < p.p. = padre putativo, botella(s) = Flasche(n), weil Joseph ein Allo... ein Allolo... ein Alkohol-Problem hatte). Nun ja... Pepe Botellas verdanken wir die schönen quadratischen Plätze in den spanischen Altstädten, die Spanier, Touristen und anliegende Barbesitzer so lieben, da an diesen Orten meist die Kreuzgänge von Klöstern standen). Kleinere Desamortizaciones hatte es bereits früher gegeben.
Mendizábal sah eben, dass die Kirche unheimlich viel Land besaß, dieses aber kaum wirtschaftlich nutzte. Dagegen gab es viele sehr arme Landarbeiter ohne eigenen Boden (in Spanien hat die Industrialisierung ja sehr spät eingesetzt). Also setzte er durch, dass das Kirchenland enteignet und verkauft würde. Das war also in erster Linie keine antikirchliche, sondern vor allem fiskalpolitische Maßnahme. Natürlich wurde das ehem. Kirchenland nicht von den Landarbeitern, die eh keinen Duro und keine Pesete in der Tasche hatten gekauft, sondern von den Leuten, die bereits viel Land besaßen, den meist adeligen Großgrundbesitzern. Das Resultat war also, dass sich wirtschaftlich wenig änderte und v.a. die Orden Klöster aufgeben mussten.
Der Antiklerikalismus bekam dann Auftrieb 1901, als Antonio Galdós Electra auf die Bühne brachte, ein von der griechischen Tragödie inspiriertes Theaterstück, das einen Fall eines von einem Priester in ein Kloster gelocktes Mädchen aus reichem Hause aufgriff. Der Vorwurf war nämlich, dass das Mädchen in den Orden gelockt worden war, damit das Erbe am Ende der Kirche zufiel. Wenn man so will, ist dieses Theaterstück der Anfang vom Ende der Katholischen Kirche in Spanien. Höhepunkte antiklerikaler Gewalt waren der Mai 1931, in dem der rote Hahn auf Klöster in ganz Spanien gesetzt wurde (vor allem dort, wo anarchistische Landarbeitergewerkschaften stark waren) und nach dem rechtsradikalen Putsch im Juli 1936 in den republikanischen Gebieten, weil man den Klerus als Teil des Putsches ansah (was ja auch zumindest in den "spanischen" Teilen Spaniens stimmte, es war eine rechtskatholische Regierung gewesen, die 1934 die Bergarbeiterstreiks im Baskenland hat zusammenschießen lassen). In den republikanisch gehaltenen Teilen Andalusiens, Zentralspaniens und Aragóns wurden Priester und Ordensleute erschossen, Nonnen vergewaltigt.
Umgekehrt hat aber auch die nationalkatholische Rechte vor allem in den baskischen Landesteilen Priester ermordet, die eben nicht für den spanischen Zentralstaat waren.
Mit dem Ende des Bürgerkrieges hat die Katholische Kirche in Spanien dann zunächst ihre Macht zurückerhalten (z.B. lag die Bildung vor 1931 und nach 1936/39) in den Händen der Kirche und eine der ersten Maßnahmen der Republik war die Aufhebung der Geschlechtertrennung in der Schule, eine der ersten Maßnahmen in den nationalen Gebieten war die Aufhebung der Koedukation, was in besonders ländlichen Gebieten in der Extremadura, Andalusien oder Kastilien dazu führte, dass Mädchen noch für Jahre keine Schulbildung erhielten. Zwar hat die Katholische Kirche im Spanien der frühen Francozeit auch Platz für Oppositionelle geboten (selbst Kommunisten), aber sie hat sich doch nie so richtig vom Franco-Regime gelöst, was ihr bis heute nachgetragen wird.

Franco-Zeit:
1936/1939 - 1944 - faschistische Phase: Militär, Kirche und Falange teilen die Macht unter sich auf
1944 - 1956 - die Falange wird zurückgedrängt (dennoch bleibt die Falange eine der wichtigen Stützen des Staates und stellt weiterhin Minister)
1956 - 1969 - pragmatische Phase: katholische Pragmatiker mit Opus Dei-Hintergrund (meist Ökonomie-Absolventen von Opus Dei-Universitäten) übernehmen de facto die Macht, bauen die spanische Wirtschaft auf, Spanien beginnt, sich dem Tourismus zu öffnen: Spain is different
1969 - 1975 - 1969 gibt es eine Generalamnestie für alle, die bis 1939 auf republikanischer Seite gekämpft haben (drei ehem. Kämpfer kommen aus ihren Verstecken), 1975 stirbt Franco, in Spanien knallen die Sektkorken________________________________
Pos-Franquismo/Transisción
1975 - 1984 - Juan Carlos I. wird König Spaniens, es gibt freie Wahlen, zu denen selbst die KPE zugelassen wird, die Falange zerfällt in verschiedene Parteien, von denen nur eine faschistische Kleinstpartei den Namen der Falange behält, die Partido Popular als katholische Volkspartei kann sich aus der Erbmasse der Falange absetzen. 1978 wird die Verfassung verabschiedet, Putschversuche und Putschplanungen 1982 und 1984 scheitern, der König setzt sich zugunsten der Demokratie durch, weshalb man ihm bis 2008 auch jeden seiner Fehltritte nachgesehen hat.
Spanien wird Teil von EG und NATO.
 
Formen des Antiklerikalismus gab es in Spanien seit dem Mittelalter, verstärkt in der napoleonischen Epoche. Davon zu trennen sind allerdings kirchliche Enteignungen (Desamortizaciones = Säkularisation/Mediatisierung)
Die bekannteste ist die Desamortización de Mendizábal 1834, das war die zweite größere Enteignung der katholischen Kirche nach Pepe Botellas (Joseph Bonaparte, der von seinem Bruder als König eingezetzt wurde, der Spitzname Pepe, weil Pepe < p.p. = padre putativo, botella(s) = Flasche(n), weil Joseph ein Allo... ein Allolo... ein Alkohol-Problem hatte). Nun ja... Pepe Botellas verdanken wir die schönen quadratischen Plätze in den spanischen Altstädten, die Spanier, Touristen und anliegende Barbesitzer so lieben, da an diesen Orten meist die Kreuzgänge von Klöstern standen). Kleinere Desamortizaciones hatte es bereits früher gegeben.
Mendizábal sah eben, dass die Kirche unheimlich viel Land besaß, dieses aber kaum wirtschaftlich nutzte. Dagegen gab es viele sehr arme Landarbeiter ohne eigenen Boden (in Spanien hat die Industrialisierung ja sehr spät eingesetzt). Also setzte er durch, dass das Kirchenland enteignet und verkauft würde. Das war also in erster Linie keine antikirchliche, sondern vor allem fiskalpolitische Maßnahme. Natürlich wurde das ehem. Kirchenland nicht von den Landarbeitern, die eh keinen Duro und keine Pesete in der Tasche hatten gekauft, sondern von den Leuten, die bereits viel Land besaßen, den meist adeligen Großgrundbesitzern. Das Resultat war also, dass sich wirtschaftlich wenig änderte und v.a. die Orden Klöster aufgeben mussten.
Der Antiklerikalismus bekam dann Auftrieb 1901, als Antonio Galdós Electra auf die Bühne brachte, ein von der griechischen Tragödie inspiriertes Theaterstück, das einen Fall eines von einem Priester in ein Kloster gelocktes Mädchen aus reichem Hause aufgriff. Der Vorwurf war nämlich, dass das Mädchen in den Orden gelockt worden war, damit das erbe am Ende er Kirche zufiel. Wenn man so will, ist dieses Theaterstück der Anfang vom Ende der Katholischen Kirche in Spanien. Höhepunkte antiklerikaler Gewalt waren der Mai 1931, in dem der rote Hahn auf Klöster in ganz Spanien gesetzt wurde (vor allem dort, wo anarchistische Landarbeitergewerkschaften stark waren) und nach dem rechtsradikalen Putsch im Juli 1936 in den republikanischen Gebieten, weil man den Klerus als Teil des Putsches ansah (was ja auch zumindest in den "spanischen" Teilen Spaniens stimmte, es war eine rechtskatholische Regierung gewesen, die 1934 die Bergarbeiterstreiks im Baskenland hat zusammenschießen lassen). In den republikanisch gehaltenen Teilen Andalusiens, Zentralspaniens und Aragóns wurden Priester und Ordensleute erschossen, Nonnen vergewaltigt.
Umgekehrt hat aber auch die nationalkatholische Rechte vor allem in den baskischen Landesteilen Priester ermordet, die eben nicht für den spanischen Zentralstaat waren.
Mit dem Ende des Brügerkrieges hat die Katholische Kirche in Spanien dann zunächst ihre Macht zurückerhalten (z.B. lag die Bildung vor 1931 und nach 1936/39) in den Händen der Kirche und eine der ersten Maßnahmen der Republik war die Aufhebung der Geschlechtertrennung in der Schule, eine der ersten Maßnahmen in den nationalen Gebieten war die Aufhebung der Koedukation, was in besonders ländlichen Gebieten in der Extremadura, Andalusien oder Kastilien dazu führte, dass Mädchen noch für Jahre keine Schulbildung erhielten. Zwar hat die Katholische Kirche im Spanien der frühen Francozeit auch Platz für Oppositionelle geboten (selbst Kommunisten), aber sie hat sich doch nie so richtig vom Franco-Regime gelöst, was ihr bis heute nachgetragen wird.

Franco-Zeit:
1936/1939 - 1944 - faschistische Phase: Militär, Kirche und Falange teilen die Macht unter sich auf
1944 - 1956 - die Falange wird zurückgedrängt (dennoch bleibt die Falange eine der wichtigen Stützne des Staates und stellt weiterhin Minister)
1956 - 1969 - pragmatische Phase: katholische Pragmatiker mit Opus Dei-Hintergrund (meist Ökonomie-Absolventen von Opus Dei-Universitäten) übernehmen de facto die Macht, bauen die spanische Wirtschaft auf, Spanien beginnt, sich dem Tourismus zu öffnen: Spain is different
1969 - 1975 - 1969 gibt es eine Generalamnestie für alle, die bis 1939 auf republikanischer Seite gekämpft haben (drei ehem. Kämpfer kommen aus ihren Verstecken), 1975 stirbt Franco, in Spanien knallen die Sektkorken________________________________
Pos-Franquismo/Transisción
1975 - 1984 - Juan Carlos I. wird König Spaniens, es gibt freie Wahlen, zu denen selbst die KPE zugelassen wird, die Falange zerfällt in verschiedene Parteien, von denen nur eine faschistische Kleinstpartei den Namen der Falange behält, die Partido Popular als katholische Volkspartei kann sich aus der Erbmasse der Falange absetzen. 1978 wird die Verfassung verabschiedet, Putschversuche und Putschplanungen 1982 und 1984 scheitern, der König setzt sich zugunsten der Demokratie durch, weshalb man ihm bis 2008 auch jeden seiner Fehltritte nachgesehen hat.
Spanien wird Teil von EG und NATO.

Verbindlichsten Dank, wieder was gelernt.
 
Höhepunkte antiklerikaler Gewalt waren der Mai 1931, in dem der rote Hahn auf Klöster in ganz Spanien gesetzt wurde (vor allem dort, wo anarchistische Landarbeitergewerkschaften stark waren) und nach dem rechtsradikalen Putsch im Juli 1936 in den republikanischen Gebieten, weil man den Klerus als Teil des Putsches ansah (was ja auch zumindest in den "spanischen" Teilen Spaniens stimmte, es war eine rechtskatholische Regierung gewesen, die 1934 die Bergarbeiterstreiks im Baskenland hat zusammenschießen lassen).
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Zwar hat die Katholische Kirche im Spanien der frühen Francozeit auch Platz für Oppositionelle geboten (selbst Kommunisten), aber sie hat sich doch nie so richtig vom Franco-Regime gelöst, was ihr bis heute nachgetragen wird.
Was ich vielleicht noch hätte dazuschreiben sollen: Zusammen mit dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien war der Vatikan der erste Staat, der die Franco-Regierung als die legitime Vertretung Spaniens anerkannte und das bereits im August 1937, als der Ausgang des Bürgerkrieges noch völlig offen war.

Auf der anderen Seite trug die Jugendarbeit der Acción Católica seit den 1960ern erheblich zur Einübung demokratischer Strukturen in Spanien bereits während der Franco-Zeit bei. In Katalonien und im Baskenland bot die Kirche den Raum für Opposition gegen den zentralspanischen Nationalkatholizimus schlechthin an. Das war ein Paradox, welches zu heftigen Konflikten zwischen Teilen der Kirche und Staat führte.

Bereits 1944 gründete sich die - vom franquistischen Staat weil katholisch ausgerichtet geduldete Oppositionsgruppe -
Alianza Nacional de Fuerzas Democráticas, deren erklärtes Ziel die Abschaffung des Franquismus war. Hier arbeiteten von Christdemokraten bis zu Sozialisten viele Lager der spanischen Opposition zusammen. Einer der Gründer der ANFD ging 1960, nachdem seine Frau verstorben war, sogar als Laienbruder ins Kloster.

Die Katholische Kirche in Spanien kann aber am Ende trotzdem nicht von der demokratiefördernden Jugendarbeit der Acción Católica und der ANFD profitieren, weil eben der Nationalkatholizismus eben doch das vorherrschende Element war und bis heute die katholische Kirche in Spanien in ihrem prominenten Personal deutlich konservativ und unversöhnlich konservativ ausgerichtet ist.

Das steht im scheinbaren Widerspruch zu den vielen Prozessionen, vor allem während der Karwoche/Semana Santa, aber die Mitgliedschaft in einer Hermandad oder Cofradía setzt zwar voraus, dass man formal katholisch ist, aber viel mehr als Taufe, Erstkommunion, Firmung und Hochzeit in der Kirche muss da nicht hinterstecken. Etwa 15 % der Spanier besuchen noch regelmäßig eine Kirche und das in einem Land, in dem formal 90 % katholisch sind. (Gleichwohl sagen bei Beragungen nur 60 - 70 % das sie katholisch seien).
 
Etwa 15 % der Spanier besuchen noch regelmäßig eine Kirche und das in einem Land, in dem formal 90 % katholisch sind. (Gleichwohl sagen bei Beragungen nur 60 - 70 % das sie katholisch seien).
Erst einmal besten Dank für die Darstellung der mir bislang unbekannten Fakten über die kath. Kirche in Spanien (ich dachte immer naiv, Spanien sei seit der Reconquista erzkatholisch) - eine Frage dazu: sind die erwähnten 60-70 % aus Befragungen ein Phänomen der letzten 1-2 Jahrzehnte, oder gilt dieser Schätzwert schon länger?
 
Bei Arno Gimber (Kulturwissenschaft Spanien, 2003?), meine ich mich zu erinnern, dass dem zufolge nur noch 42 % der Spanier der RKK angehörig fühlten. In anderen, ähnlich gelagerten Werken finde ich das aber nicht wieder. Etwa Bernecker, Spanien heute (2008), darin der Beitrag von Fernando Vallespín über Gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahre (in demselben Band: Carlos Collado Seidel, Spaniens tiefgreifender religiöser Identitätswandel) der zwar dieselbe Tendenz skizziert, aber eben auch zwischen Zugehörigkeit zur Kirche und religiöser Praxis unterscheidet. Nach Vallespín waren 2008 noch etwa 78 % bekennend katholisch und noch ungefähr 20 - 25 % besuchten regelmäßig die Messe, bis zu 30 % wenigstens mehrfach pro Jahr.
 
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