Kirchenasyl

Teleri

Neues Mitglied
Hallo,

ich habe eine Frage zum Kirchenasyl. Und zwar: mußte der Asylsuchende den Altar berühren oder die Kirchentür (bzw. einen eisernen Ring daran)? Und wie lange konnte derjenige Kirchenasyl in Anspruch nehmen? Zu diesen Fragen scheint es sehr unterschiedliche Meinungen zu geben, oder handelt es sich dabei um regionale Unterschiede? Oder vielleicht auch konfessionelle? Oder gab es Änderungen im Laufe der Zeit?

Danke und Gruß,
Teleri
 
Ich versuche mal zu antworten...

Vielleicht hat sich das Verfahren regional und historisch immer mal wieder etwas gewandelt. Heute muß der Asylant ja nicht einmal in der Kirche sein, sondern brauch sich nur in irgendeinem Gebäude der jeweiligen Kirchengemeinde aufhalten. Aber die Kirche ist heute kein rechtsfreier Raum, rein rechtlich, kann der Staat auch in der Kirche auf Personen zugreifen.

Früher war es wohl so, daß die Kirche, so wie heute Botschaften, exterretorial waren, also nicht zum Herrschaftsgebiet des Königs (o.ä.) gehörten, sondern zum Herschaftsgebiet des Papstes, bzw. einfach Gottes. Um in den Bereich zu kommen, reichte es die Tür zu durchschreiten.
 
Im Grunde ist (war) dieses Recht so alt wie die Zivilisation! Ich weiß nicht, ob es in ganz Hellas so war, aber wer den heiligen Bezirk von Ephesos betrat, stand unter Artemis Schutz und durfte nicht ausgeliefert werden, er musste sich aber der Priesterschaft fügen. Ein rechtsfreier Raum war dies nicht.
 
An der Franziskanerkirche in Salzburg ist noch eine Schwurhand zu erkennen, die man berühren mußte um Kirchenasyl zu bekommen, wenn die Kirche versperrt war.

Ansonsten sagt das LexMA zum Kirchenasyl:

"Das schon in der röm. Kaiserzeit - wenn auch mit Einschränkungen - bestätigte kirchl. Asylrecht erlangte in den Kirchen des Ostens und v.a. des Westens große Bedeutung. Trotz Eindämmungsversuchen gegen die schon (zu) sehr erstarkte und z. T. mit Mißbräuchen verbundene Institution in der Karolingerzeit (z. B. Kapitulare v. Heristal 779 mit einer ersten Aufzählung von casus excepti) erfuhr das Asylrecht vom 11. Jh. an in Verbindung mit der Gottesfriedensbewegung (Treuga Dei) immensen Aufschwung. Kaum ein (Provinzial-)Konzil des 11. und 12. Jh. versäumte die Wiederholung von Vorschriften, wonach Kirchen und eine Vielzahl kirchl. privilegierter Orte und Gebäude allen sich dort befindl. Personen A. gewährten (perpetua sint in pace). Durch das 2. Lateranense (1139, c. 15) erlangten diese Bestimmungen gemeinrechtl. Geltung, ihre Verletzung wurde mit Exkommunikation bedroht. Über verschiedene Rechtssammlungen gelangten viele dieser canones in das Dekret Gratians (v.a. C. 17 q. 4), wodurch das Asylrecht weiter gefestigt wurde. Detailvorschriften, wie etwa über die örtl. Reichweite (60 bzw. 40 und 30 Schritte, vgl. C. 17 q. 4 c. 6), aber auch Fragen wie die des Schutzes für Häretiker oder der Begründung des Asylrechts durch göttl. oder menschl. Recht boten Anlaß zu eingehender Behandlung in den Rechtsschulen.
Schon mit Innozenz III. (X 3.49.6) und Gregor IX. (X 3.49.10) hatte sich durch Aufstellen von casus excepti, wodurch bestimmte Verbrecher vom A.-Schutz ausgenommen wurden, der Rückgang des Asylrechts abgezeichnet. Die Erweiterung dieser Ausnahme-Listen durch spätere Päpste (z. B. Gregor XIV. Cum alias, 1591, weiter vermehrt im 18. Jh.) und bes. auch die wachsenden Differenzen zw. staatl. und kirchl. Gerichtsbarkeit entzogen dem Asylrecht immer mehr Bedeutung, wenn es auch theoret. noch lange in Geltung blieb."

und zum weltlichen Asylrecht:

"[1] Das Recht, einem Straftäter an einem hl. Ort vorübergehend Schutz vor Rache oder vor der Verfolgung des Gerichts zu gewähren, war in der röm. Kaiserzeit zunächst den Tempeln vorbehalten. Seit dem 5. Jh. sprach man auch den Kirchen das Recht des A.s für unbewaffnete Flüchtlinge zu, wobei allerdings einige schwere Verbrechen als asylunwürdig ausgenommen waren (vgl. CTh. 9,45; N. 37). Die Bf.e beanspruchten auf Grund ihrer Herrschaft über die neuen A.e ein Interzessionsrecht, das darauf abzielte, den Geflüchteten der weltl. Strafe zu entziehen (Idee der misericordia) und ihn statt dessen der kirchl. Bußdisziplin zu unterwerfen. - In den germ. Nachfolgestaaten finden wir eine ähnl. Auffassung vom A. vor. Inwieweit das durch die Kirche vermittelte Recht der Spätantike durch eigene germ. Vorstellungen von einem A. beeinflußt worden ist, läßt sich nicht entscheiden, da Quellen erst aus dem HochMA erhalten sind, einer Zeit, in der sich die kirchl. Friedenslehre in ganz Europa verbreitet hatte. Wenn in nordgerm. Rechten (z. B. Grágás II, 52) der ins A. Geflüchtete als heilagr (heilig, sicher) bezeichnet wird, so mag die altertüml. Terminologie an den heidnisch-germ. Kult anknüpfen; es ist jedoch zu bedenken, daß sich bereits in den frühma. Volksrechten röm. und kirchl. Anschauungen vom A. durchgesetzt hatten. - Auffallend ist, daß in der karol. Zeit das Recht des A.s abgeschwächt wurde: Konzilienbeschlüsse und Kapitularien unterscheiden zw. verurteiltem und noch nicht verurteiltem Missetäter. Nur zugunsten des letzteren wurde der Schutz des A.s anerkannt, doch zugleich wurde einschränkend angeordnet, daß der Flüchtling grundsätzl. nur für kurze Zeit und in der Regel ohne Nahrung beherbergt werden darf. Die Flucht ins A. führte auch nicht mehr zur Befreiung von Strafe, sondern konnte nur die Todesstrafe ausschließen oder die verwirkte Strafe mildern. Der Bruch des A.s war mit strengen Strafen bedroht. - Als Ort des A.s (Freistatt, Freiung, Immunität) kommen nicht nur die Kirche und ihr Vorhof (Atrium, Friedhof), sondern im hohen und späten MA auch Kl., Stifte, Spitäler und die Häuser der geistl. Ritterorden in Betracht. Durch Privilegien und Gewohnheitsrechte wurde das A. auf weitere Örtlichkeiten ausgedehnt (Pfarrhäuser, Häuser von Richtern und Schöffen, Sitze von Gesandtschaften und Nuntiaturen). Fast immer wird der Schutz des A.s zeitl. eingeschränkt. Häufig finden sich Fristen von drei Tagen, von sechs Wochen und drei Tagen oder von Jahr und Tag. Zweck des A.s war es, den Flüchtling vor dem unmittelbaren Zugriff der Verfolger zu schützen. Im A. konnte er hoffen, unbemerkt zu fliehen. Das A. gab ihm jedenfalls die Möglichkeit, Sühneverhandlungen einzuleiten oder von dem ordentl. Gericht eine milde Strafe zu erbitten. Die Ausuferung der A.e und die damit verbundenen Mißbräuche konnten durch Weistümer und Stadtrechte des SpätMA nur mühsam eingeschränkt werden. Die Konflikte, die sich aus den unklaren Grundlagen und den unscharfen Grenzen des Asylrechts ergaben (insbes. zw. einzelnen Staatswesen und zw. der Kirche und weltl. Machthabern), waren sehr zahlreich (z. B. Auseinandersetzungen um das Asylrecht kirchl. Institutionen in den Städten). Erst der absolute Staat hat generelle Verbote des A.s erlassen. Reste des alten A.s haben sich bis in das 19. Jh. erhalten."
 
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