Kommunikations-Technik der Julikrise

Bereits am 17.Juli kam entsprechende Nachrichten von dem serbischen Geschäftsträger aus Rom, das eine Demarche von Wien zu erwarten sei. Italien ist tatsächlich mit der Info hausieren gegangen.

Achja, da war noch der dt. Botschafter in Rom, der sich Mitte Juli 1914 San Giuliano gegenüber verplappert hatte und einige Andeutung über die zu erwartenden Forderungen ÖUs gegenüber der serbischen Reg. gab und auch vermittelte, dass die ÖU-Reg. bei einer nicht vollständigen Erfüllung der Forderung seitens der serbischen Reg. diese mit militärischen Machtmitteln durchzusetzen gedenke. Diese Andeutungen wurden umgehend nach Petersburg weitergegeben.
 
Ja, habe ich gelesen.

In meinem Beitrag steht die Information, das San Giuliano nicht nur nach Petersburg Informationen hat fließen lassen, sondern eben auch in Richtung Belgrad.
 
Um eine relevante Telegraphiestation mit tägl. vielen dutzend bis wohl eher hunderten von Telegrammen zu überwachen, wären für die notwendige lückenlose Kontrolle aller Telegramme wohl mindestens zwei oder mehrere informelle Mitarbeiter notwendig. Im Ausland wäre diese Tätigkeit als Hochverrat einzustufen, der Aufwand zur Abschirmung vermutlich sehr groß. Und die sichere Dechiffrierung konnten gewiss nicht der/die informellen Mitarbeiter vor ort leisten.
 
Entschlüsseln konnte vor dem Krieg sicher bereits die 1911 geschaffene Chiffregruppe im Evidenzbureau unter Oberst Andreas Figl.

Die Annexionskrise 1908/09 legte die Schwachstellen des offensiven Kundschaftsdienstes gegen Russland frei.
Die Antwort darauf war der Ausbau des Chiffredienstes in Verbindung mit einem forcierten Abhorchdienst bei Telefon und Telegraf.

Aus https://www.bmi.gv.at/104/Wissensch...-Ausgaben/Jahrgang_2007/files/Beer_3_2007.pdf

Ich gehe auch nicht davon aus, dass deutsche Ingenieure die russischen Leitungen abhörten. Darum mein "theoretisch". Nur wussten die beteiligten Länder ja nicht, wie weit nachrichtendienstliche Tätigkeiten der anderen Seite gingen. Doch selbst wenn es Sicherheitsbedenken gab, es führte kein anderer Weg nach Petersburg. Ein Telegramm über Wien aufzugeben war mMn schon etwas riskanter, als der Weg über Odessa.
 
Das meine ich. Der kürzeste Weg nach St. Petersburg ohne österreichisches Gebiet zu tangieren, wäre der über Bukarest gewesen.
Die Frage ist, traute man den Rumänen, die ja immerhin inoffizieller 4. im Dreibund waren und mit Russland nicht unbedingt auf besonders gutem Fuß standen? .

Rumänien war schon eine Zeit ein Wackelkandidat für den Dreibund. Als im Januar 1914 Bratianu das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, wurde der Kurswechsel auf die Schiene gesetzt.
Als nämlich der russische Großfürst Michailovic im Dezember 1912 in Bukarest gewesen war, hatte Bratianu angekündigt, das er, falls er mit der Regierungsverantwortung betraut würde, eine Annäherung an Russland herbeiführen die Frage Siebenbürgens im Vordergrund stehen würde. Na, dem Beifall der rumänischen Öffentlichkeit konnte er sicher sein. Der russische Geschäftsträger in Bukarest bestätigte im Januar 1914 den außenpolitischen Richtungswechsel.
Ende März 14 kursierte das Gerücht, das der Sohn des Thronfolgers Karl mit der Großfürstin Olga Nikolaevna verlobt werden sollte. Sasonow hat sich sicher schon die Hände gerieben, denn dies wäre ihm sehr entgegengekommen.
 
... waren es bei Hughes bereits Tasten ...
Zuerst mal Danke für Deinen wieder einmal sehr interessanten Beitrag!

Der Hughes-Telegraf ist ein wahres Zuckerstück. Unten eine Art Schrumpf-Klavier und oben ein Lochbandschreiber. So wie ich das verstehe, konnte man damit Klartext in die Klaviertasten schreiben und der Hughes machte dann daraus einen Lochstreifen den man automatisiert versenden konnte, während man womöglich schon die nächste und übernächste auf Vorrat Nachricht schrieb.
Oder ein vermögender Mensch sagt seinem Diener des Morgens: „Da bring den Streifen zum Telegraphenamt, dass sie es senden was ich des Abends in das Klavier geschrieben, und bing den Streifen zurück.“ Kann man sich das so vorstellen?

Ich würde vermuten, dass die Übertragungsgeschwindigkeit noch der PARIS-Standard (1865?) ist. Der hat 20 x „PARIS “ pro Minute als Normierung der Übertragungsrate ….... und es kann dauern bis ein längerer Bericht durch ist.
Ein Dit (ähnlich wie ein Bit, aber Dreierkode: Null, 1-kurz, 1-lang und kürzester Schaltzustand babei) ist damit 60ms (Wiki), was durchaus eine sehr hohe Geschicklichkeit des Telegrafisten an der Taste forderte.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser noch langsame und an die menschlichen Morse-Fähigkeiten angepasste Standard, zur fraglichen Zeit noch galt.

Schweden verfügte damals mit der Great Northern Telegraph Company über das beste Telegrafie-Netz Europas mit direkten Kabeln nach
Was ich nicht gefunden habe: wem gehört die Leitung? Sind die Telgraph-Companies Lizenznehmer? Haben die eigene Standards in ihrem Netz?
 
wem gehört die Leitung?
Wem genau bei einer Telegrafenleitung was gehört, dazu müsste man einen Juristen beiziehen, da ja auch noch das Wegerecht bzw. Leitungsrecht mitspielt.
Konzessionsgebühren waren wohl überall zu zahlen. Im Falle der Indo-Europäischen Telegrafenlinie weiß ich nur, dass die Firma auch einen Anteil der Einnahmen an Russland bezahlen musste, weil die Linie die staatliche konkurrierte, was sie in anderen Ländern nicht unbedingt tat.
Wie man im Bericht von 1883 im Telegraphic Journal and Electrical Review lesen kann, wird nur eine Zahlung an die russische Regierung erwähnt, aber auch, dass die Firma zwei Kabel zwischen London und Emden leaste, also nicht ganz besaß.

Interessant auch das Leben des deutschen Telegrafie-Ingenieurs Ernst Höltzer im Ausland. Er stand zeitweise sogar in britischen Diensten.
https://assets.new.siemens.com/siem...on-lebenswege-3-ernst-hoeltzer-2015-web-d.pdf

Im Kriegsfall war es dann klar, wer die Oberhoheit über die Leitungen hatte. Einige Quellen meinen, die Kriegserklärung am 28. Juli 1914 haben den Weg über Bukarest nach Nis nehmen müssen, weil die Leitungen von Wien nach Belgrad bereits unterbrochen waren. Andere gehen von einer Übermittlung bis Semlin aus.
Dazu gibt es auch eine seltsame Geschichte beim ORF: Verhängnisvolle Kriegserklärung
Darin steht, dass das Telegramm mit der Kriegserklärung bis zur letzten Station in Semlin gelangte und dann irgendwie nach Belgrad, wo ein serbischer Journalist dem Telegrafenbeamten unbefugt über die Schulter schaute.
 
OT: Irgendein Telegraphie-Historiker nannte das schon vor 1914 bestehende weltweite Netz ein 'Proto-Internet'.


Am 23.7.14 kabelte der russische Geschäftsträger der russ. Botschaft in Belgrad, Strandtmann, an Sasonow u.a.

Soeben, um 6 Uhr abends, hat der österreichische Gesandte dem Finanzminister Patschu, der Paschitsch vertritt, die Ultimativnote seiner Regierung übergeben. [...] Patschu, der mir den Inhalt der Note mitgeteilt hat, [...] bittet um den Schutz Rußlands und erklärt, daß keine serbische Regierung auf die gestellten Forderungen eingehen kann.

Q: IBZI, Reihe 1, Band 5, S. 6, #10.

Absende- und Eingangszeit sind in dieser Editionsreihe leider nirgends vermerkt.
 
Achja, da war noch der dt. Botschafter in Rom, der sich Mitte Juli 1914 San Giuliano gegenüber verplappert hatte und einige Andeutung über die zu erwartenden Forderungen ÖUs gegenüber der serbischen Reg. gab und auch vermittelte, dass die ÖU-Reg. bei einer nicht vollständigen Erfüllung der Forderung seitens der serbischen Reg. diese mit militärischen Machtmitteln durchzusetzen gedenke. Diese Andeutungen wurden umgehend nach Petersburg weitergegeben.

Bereits am 17.Juli kam entsprechende Nachrichten von dem serbischen Geschäftsträger aus Rom, das eine Demarche von Wien zu erwarten sei. Italien ist tatsächlich mit der Info hausieren gegangen.

San Giuliano ließ jedenfalls den serbischen Geschäftsträger dann noch wissen, "wenn Serbien nicht jene Rücksichten gewährt werden, welche ein Staat den anderen schuldig ist, dieselbe dem Widerspruch der öffentlichen Meinung Italiens begegnen werden, und daß die italienische Regierung ein Interesse habe, daß die volle Unabhängigkeit Serbiens erhalten bleibe."



Nur zur Info: am 17. Juli kabelte der serbische Geschäftsträger in Rom im Original (im Abdruck) an Paschitsch

Ich habe sichere Informationen, daß der Marquis von San Giuliano dem österreichisch-ungarischen Botschafter erklärt hat, daß was immer für eine Demarche Österreich-Ungarns gegen Serbien erfolgen werde, die Serbien nicht jene Rücksichten gewähren würde, welche ein Staat dem anderen schuldig ist, dieselbe dem Widerspruch der öffentlichen Meinung Italien begegnen werde, und daß die italienische Regierung ein Interesse habe, daß die volle Unabhängigkeit Serbien aufrechterhalten werde.

Q: Miloš Boghitchévitch, Die auswärtige Politik Serbiens. 1: Geheimakten aus serbischen Archiven, Berlin 1928, S. 427, # 407

Eine Demarche selber stellt erst mal nur eine diplomatische Protestnote dar, die doch erwartbar war.
Da steht nichts, was (so deutlich die) ernste(n), militärische(n) Absichten/Planungen der ÖU-Reg. abbildet, scheint mir, im Vergleich zu den Mitteilungen bzw. Andeutungen, die beispielsweise der dt. Botschafter in Rom San Giuliano im persönlichen Gespräch informell weitergab - und was der ital. Außenminister den ital. Botschafter so in Petersburg weitergeben ließ, von wo es nach Belgrad weitertransportiert wurde.

Dass der ital. Außenminister höchstselbst mit dem serb. Geschäftsträger/mit einem Geschäftsträger in Austausch treten würde, war schon unwahrscheinlich, der Erinnerung und Erfahrungen nach. Zudem war/ist wohl ziemlich sicher, dass die serbische Reg. via ital. Botschafter in Petersburg, welcher der russ. Reg. von den Infos des dt. Botschafters in Rom Mitteilung gemacht hatte, dann von der russ. Reg. erstmals via offiziöse Kanäle über die ernsten Absichten der ÖU-Reg. informiert worden war.

Italien ist tatsächlich mit der Info hausieren gegangen.

Italien? ;) Siehe GB-Botschafter de Bunsen, schon am 16. Juli aus Wien
So kabelte der GB-Botschafter in Wien, Maurice de Bunsen, am 16. Juli 1914 vertraulich an Edward Grey über Äußerungen des ÖU-Außenministers zu einem Freunde von de Bunsen, die ÖU-Reg. werde von serb. Reg. verlangen, gewisse entschiedene Maßnahmen zur Eindämmung nationalistischer und anarchistischer Propaganda zu ergreifen, [...] dass sie [ÖU-Reg.] auf sofortiger bedingungsloser Einwilligung bestehen werde, andernfalls Gewalt angewendet werden würde. Deutschland solle mit diesem Vorgehen völlig einverstanden sein.
Q: BD, deutschsprachige Ausgabe, Band XI, erster Teilband, S. 68, Nr. 50

Da zeichnen sich bereits klar sowohl das Ultimatum wie militärische Maßnahmen ab.
 
England war ja auch nicht der Verbündete Österreich-Ungarns, sondern Teil des gegnerischen Blocks, der Triple Entente. Italien hingegen war der Verbündete Österreich-Ungarns.

Die auswärtige Politik Serbiens liegt mir nicht im Original vor, sondern lediglich als Pdf Datei von der Bayrischen Staatsbibliothek.

Ich weiß, was eine Demarche ist.

Es ging , so verstehe ich das, ja wohl um das Ultimatum, was da kommen werden wird; wenn auch verklausiliert. . Von den militärische Absichten habe ich ja auch gar nicht gesprochen.

Ja, de Bunsen sprach Klartext.
 
Achja, da war noch der dt. Botschafter in Rom, der sich Mitte Juli 1914 San Giuliano gegenüber verplappert hatte und einige Andeutung über die zu erwartenden Forderungen ÖUs gegenüber der serbischen Reg. gab und auch vermittelte, dass die ÖU-Reg. bei einer nicht vollständigen Erfüllung der Forderung seitens der serbischen Reg. diese mit militärischen Machtmitteln durchzusetzen gedenke. Diese Andeutungen wurden umgehend nach Petersburg weitergegeben.

Der Botschafter Österreich-Ungarns Heinrich Graf von Lützow informierte den englischen Botschafter in Wien Sir Maurice den Bunsen am 15.Juli 1914 über das geplante Ultimatum.
"Am 15.Juli kam er (de Bunsen; Anmerkung von mir) mit Gemahlin und Töchtern zum Frühstück zu uns, und wir hatten in meinem Schreibzimmer eine lange und eingehende Besprechung der Situation. Langjährige Praxis in der Diplomatie gibt dem einzelnen die Fähigkeit, rasch zu beurteilen, was er gegenüber einen ausländischen Vertreter sagen darf und was nicht. Im Gegensatz zur ängstlichen Geheimtuerei (um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen) schien es mir unbedingt ratsam, dem englischen Botschafter die volle Wahrheit zu sagen. Er könne es als sicher annehmen, daß innerhalb der kommenden Woche eine sehr scharfe Note nach Belgrad abgehen werde.(1)

Dies hatte Sir Maurice de Bunsen dann am 16.07.1914 seinen Chef Sir Edward Grey berichtet. Darüber hinaus hatte de Bunsen auch den Botschafter Russlands in Wien Shebeko über das Gespräch mit von Lützow informiert. Wie man sich denken kann, wurden diese Informationen in Petersburg und London große Aufmerksamkeit gewidmet.


(1) von Lützow, Im diplomatischen Dienst der k.u.k. Monarchie, S.221






 
Die Nachricht von Sir Maurice de Bunsen vom 13.07.1914 kam erst am 18.07.1914 dort an.

Schon in diesem Telegramm informiert de Bunsen, er nimmt Bezug auf einen Österreicher (von Lützow?) sehr zutreffend über die Haltung der verantwortlichen Minister der k.u.k. Monarchie. "Diese Leute argumentieren, daß die Doppelmonarchie ihre Stellung als Großmacht verlieren wird, wenn sie nicht ein- für allemal in Belgrad klarmacht, daß serbische Provokationen nicht länger diesseits der Grenze geduldet werden, und die dringen auf militärische Maßnahmen, um Serbien zur Annahme dessen zu zwingen, was sie als notwendige Forderung der Teilnahme österreichischer Vertreter bei der Aufgabe betrachten, die Anstifter und Komplicen des Anschlages auf den österreichischen Thronfolger herauszufinden und ihrer verdienten Strafe zuzuführen."

BD, Band 11, Erster Teilband, S. 73, Dokumente 55 (Deutsche Ausgabe)
 
Langjährige Praxis in der Diplomatie gibt dem einzelnen die Fähigkeit, rasch zu beurteilen, was er gegenüber einen ausländischen Vertreter sagen darf und was nicht. Im Gegensatz zur ängstlichen Geheimtuerei (um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen) schien es mir unbedingt ratsam, dem englischen Botschafter die volle Wahrheit zu sagen.
!!! Saperlot, das ist ein Musterbeispiel für Klartext sprechen in der Diplomatie.
 
Noch ein Wort zu Italien:

Aus Fiuggi Fonte meldet der deutsche Botschafter Flotow in Italien am 13.07.1914, das San Giuliano wohl eine Bündnisverpflichtung nicht anerkennen könne. Man habe sich hierzu ein Gutachten von Experten in Sachen Völkerrecht beschafft, welches darüber Auskunft gibt, das eine Regierung nur wegen Verbrechen gegen gemeines Recht, nicht wegen politischer Propaganda reklamieren könne, wenn diese Propaganda nicht zur Tat übergeht.“
Nur, Österreich hatte zu jenem Zeitpunkt noch gar nichts reklamiert gehabt. Es wird zu diesem Zeitpunkt deutlich, das Italien den Bündnisfall nicht anerkennen werde.
Flotow führt weiter aus, das "Minister will uns anscheinend vorbereiten, das er bei weiterer Komplikation nicht an Seite Oesterreichs bleiben kann." (1)

Damit wurde schon jetzt deutlich, das Italien ausfällt. Es kam ja bekanntermaßen im Mai 1915 noch schlimmer.

DD zum Kriegsausbruch 1914 (Ausgabe 1927), Band 1, S.64
 
Italien hingegen war der Verbündete Österreich-Ungarns.
Eben. Der Verbündete Italien war bewusst außen vor gelassen und getäuscht worden bei diesen weitreichenden, riskanten Entscheidungen. Wozu moralische Urteile über 'Italien' in diesem Fall..?.;)

Die auswärtige Politik Serbiens liegt mir nicht im Original vor, sondern lediglich als Pdf Datei von der Bayrischen Staatsbibliothek.
Ich meinte nicht ein mir vorliegendes, körperliches, gedrucktes Original, sondern den originalen Wortlaut, ob in der körperlichen Druckversion, oder in der digitalisierten Ausgabe der Druckversion. Und da hast Du Dich offensichtlich mit dem vertan, was Du hier davon referiert hast. Siehe mein 'Beitrag Nr. 70.

Es ging , so verstehe ich das, ja wohl um das Ultimatum, was da kommen werden wird;
Das tut es nicht, offensichtlich. Italien war ja offiziell gar nicht informiert und weiterhin bewusst getäuscht worden. Wie hätte also San Giuliano ausgerechnet den ÖU-Botschafter davon unterrichten sollen/dürfen/können oder über etwas, was die beiden Bündnispartner verheimlichten, mit konkreten Details und Inhalten ansprechen können? Abgesehen davon, dass der ÖU-Botschafter nicht der serbische Geschäftsträger gewesen war...;)

San Giuliano sprach nur dass an und konnte nur das ansprechen, was allgemein diskutiert wurde.
Ja, de Bunsen sprach Klartext.
Das trifft es bei de Bunsen nicht und von Lützow war zu diesem Zeitpunkt kein Botschafter mehr, auch wenn er gegenüber de Bunsen deutlich gemacht hatte, was die ÖU-Regierung wohl plante. Meine Bemerkung: Da zeichnen sich bereits klar sowohl das Ultimatum wie militärische Maßnahmen ab.


Der Botschafter Österreich-Ungarns Heinrich Graf von Lützow informierte den englischen Botschafter in Wien Sir Maurice den Bunsen am 15.Juli 1914 über das geplante Ultimatum.
Gute Recherche & Quelle, soweit wohl zuverlässig. Natürlich war von Lützow zu diesem Zeitpunkt kein Botschafter mehr - wie hätte er als Botschafter der ÖU-Regierung in Wien den englischen Botschafter in Wien treffen können? Von Lützow war 1913, zuletzt Botschafter in Rom, 'rentiert' worden,

Noch ein Wort zu Italien:

Aus Fiuggi Fonte meldet der deutsche Botschafter Flotow in Italien am 13.07.1914, das San Giuliano wohl eine Bündnisverpflichtung nicht anerkennen könne. Man habe sich hierzu ein Gutachten von Experten in Sachen Völkerrecht beschafft, welches darüber Auskunft gibt, das eine Regierung nur wegen Verbrechen gegen gemeines Recht, nicht wegen politischer Propaganda reklamieren könne, wenn diese Propaganda nicht zur Tat übergeht.“
Nur, Österreich hatte zu jenem Zeitpunkt noch gar nichts reklamiert gehabt. Es wird zu diesem Zeitpunkt deutlich, das Italien den Bündnisfall nicht anerkennen werde.
Flotow führt weiter aus, das "Minister will uns anscheinend vorbereiten, das er bei weiterer Komplikation nicht an Seite Oesterreichs bleiben kann." (1)

Hans von Flotow hatte Kurlaub in Fiuggi gemacht und logierte gleichzeitig mit San Giuliano sogar im gleichen Hotel. Von Flotow führte dort informelle Gespräche und deutete darin an, was er nicht hätte andeuten sollen/dürfen gegenüber San Giuliano.

Stefan Schmidt, Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914 (2009), notiert zurecht S. 68 u.a.,

Konkrete Hinweise auf die Absichten Österreich-Ungarns hatte gegen Monatsmitte auch der italienische Außenminister San Giuliano erhalten. Obwohl die Habsburgermonarchie beabsichtigte, den italienischen Partner gemeinsam mit den anderen Mächten vor ein fait accompli zu stellen, hatte der deutsche Botschafter in Rom dem Außenminister in mehreren Gesprächen zwischen dem 14. und 16. Juli angedeutet, daß Österreich-Ungarn sehr weitreichende Forderungen stellen werde und daß, sollten diese nicht unmittelbar und uneingeschränkt von Serbien erfüllt werden, die Habsburgermonarchie ihre Forderungen mit den ihr zu Gebote stehenden militärischen Machtmitteln durchsetzen werde.

Siehe Documenti Diplomatici Italiani, Reihe 4, Band 12, S. 272 (Runderlass San Giulianos vom 16.7.14 aus Fiuggi), und erst recht sein Telegramm vom 17.7. ebenfalls aus Fiuggi:

T. GAB. RR. 720. Fiuggi, 17 luglio 1914, ore 17.

Decifri Ella stessa. (Per Vienna e Berlino). Ho tele,grafato al r. ambasciatore a Pietroburgo e al r. ministro ,a Bucarest quanto segue:

(Per tutti). In via confidenziale informo che da fonte autorevolissima mi risulta che Austria-Ungheria sostenuta dalla Germania, essendo entrambe convinte che Russia non si muoverà, imporrà alla Serbia condizioni inaccettabili per aver pretesto ad attaccarla e schiacciarla annettendosi poi probabilmente territori da determinare. Probabilmente tale pericolo grave anche pei nostri interessi sarà evitato se, prima di un passo austriaco irrevocabile a Belgrado, Governo russo farà conoscere amichevolmente ai Governi austriaco e tedesco che non rimarrebbe indifferente e neutrale o se Governo romeno farà loro conoscere che considera come contrario ai suoi vitali interessi e come incompatibile col mantenimento dell'amicizia romena qualunque atto che miri ad indebolire la Serbia e a strappare ad essa o al Montenegro qualsiasi parte del loro territorio.


Entschlüsseln Sie es selbst. (Für Wien und Berlin). Ich habe dem königlichen Botschafter in St. Petersburg und dem königlichen Gesandten in Bukarest folgendes telegraphiert:
(Für alle). Ich teile Ihnen vertraulich mit, dass ich aus sehr zuverlässiger Quelle erfahren habe, dass Österreich-Ungarn, unterstützt von Deutschland, die beide davon überzeugt sind, dass Russland sich nicht bewegen wird, Serbien unannehmbare Bedingungen auferlegen wird, um einen Vorwand zu haben, es anzugreifen und zu vernichten, wahrscheinlich unter Angliederung noch zu bestimmender Gebiete. Eine so große Gefahr auch für unsere Interessen wird wohl vermieden werden, wenn die russische Regierung vor einem unwiderruflichen österreichischen Schritt in Belgrad der österreichischen und der deutschen Regierung in freundlicher Weise zu verstehen gibt, daß sie nicht gleichgültig und neutral bleiben wird, oder wenn die rumänische Regierung ihnen zu verstehen gibt, daß sie jede Handlung, die darauf abzielt, Serbien zu schwächen und ihm oder Montenegro einen Teil ihres Gebietes zu entreißen, als gegen ihre vitalen Interessen gerichtet und mit der Aufrechterhaltung der rumänischen Freundschaft unvereinbar betrachtet.
Ohne dass man wissen oder vermuten könnte, dass dies von der königlichen Regierung kommt, wäre es notwendig, dass Sie sofort einen inoffiziellen, geheimen und möglicherweise indirekten Weg finden, um sicherzustellen, dass die genannte Regierung in Wien und Berlin mit gleicher Geheimhaltung den oben genannten Schritt tut, bevor Österreich seine Forderungen an Serbien formuliert.

(Übersetzt mit DeepL, Unterstreichung von mir)​
 
Eben. Der Verbündete Italien war bewusst außen vor gelassen und getäuscht worden bei diesen weitreichenden, riskanten Entscheidungen. Wozu moralische Urteile über 'Italien' in diesem Fall..?.;)

Zuerst nur hierzu ein paar Worte. Getäuscht? Verschwiegen, ja, und das mit gutem Grunde. Italien war ja nicht mehr vertrauenswürdig und hatte auch schon recht früh in der Krise deutlich gemacht, das es nicht auf Seiten des Verbündeten zu finden sei. Aber gut, wir haben halt unterschiedliche Meinungen zu Italien und das ist auch okay.
 
Ich meinte nicht ein mir vorliegendes, körperliches, gedrucktes Original, sondern den originalen Wortlaut, ob in der körperlichen Druckversion, oder in der digitalisierten Ausgabe der Druckversion. Und da hast Du Dich offensichtlich mit dem vertan, was Du hier davon referiert hast. Siehe mein 'Beitrag Nr. 70.

Ich beziehe mich mit meiner Ausführung auf meinen Beitrag #59. Was ist da inhaltlich falsch?
 
Zurück
Oben