Konfessionalisierung erst ab 1586/1594?

Afkpu

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Hey Leute,

da ich mich vornehmlich versuche von der finsteren finsteren frühen Neuzeit fernzuhalten, nun im Rahmen einer Seminararbeit aber nicht umhin komme hätte ich hier eine Frage an euch.

Das Thema der Arbeit ist der lange Türkenkrieg Rudolfs II. 1593-1606 und die Frage ob dieser stabilisierend auf die Reichspolitik gewirkt hat. Ich will von euch keine Beantwortungf dieser Fragestellung, die ich ohnehin schon (wenn auch erst auf einem riesigen Schmierzettelstapel) herausgearbeitet habe sondern habe ein anderes Anliegen.

Auf die Zusendung meines Konzepts (Kapitelüberschriften etc.), hat mein Dozent geantwortet ich sollte stärker auf die "Konfessionalisierung / Polarisierung der Reichspolitik welche 1586/1594 einsetzte" (Zitat Dozent) eingehen. Ich habe allerdings in einem Kapitel die politischen "Institutionen" des Reiches und ihre Stellung zueinander kurz dargelegt und auch die Problematik welche die Reformation und der Abfall einzelner Reichsstände zu derselben mit sich brachte beschrieben.

Nun verstehe ich nicht was mein Dozent mit dem "Anfang der Konfessionalisierung/Polarisierung 1586/1594 meinte, m.E. nach hat die Polarisierung / Konfessionalisierung des Reiches bereits sehr viel früher, unmittelbar nach dem Beginn der Reformation angefangen, sonst wären das Wormser Edikt und der Augsburger Religionsfrieden ja etwas zu früh angesiedelt. Oder meint er hiermit das wieder stärkere aufflammen der konfessionellen Probleme nach dem Augsburger Religionsfrieden?

Ich bin für jede Art von Hilfe dankbar :)
 
Besser spät als nie ;)

Guten Tag,

auch, wenn dein Beitrag bereits ziemlich alt und unbeantwortet ist, möchte ich dir noch kurz eine mögliche Antwort liefern:

Zwar prägte sich die Konfessionalisierung im Alten Reich bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus, allerdings eskalierte der reichsinterne Konflikt - abgesehen von den verheerenden Fehden vor dem Augsburger Religionsfrieden - erst zum Ende des 16. Jh.
Die Leistung des (noch so umstrittenen) Reichsfriedens von 1555 besteht dabei in der relativ langen Friedensphase im Reich. Dies ist um so höher zu bewerten, wenn man den konfessionellen Bürgerkrieg in Frankreich des 16. Jh. parallel betrachtet, der ja erst durch die Hegemonialisierung der Bourbonen mit dem Regierungsantritt Heinrichs von Navarra (Heinrich IV.) seinen Abschluss fand.

Eine politische Zuspitzung des Konfessionellen Zeitalters begann dann - wie durch deinen Prof. angemerkt - mit dem Konflikt um das Erzbistum Köln.
Dieses war als eines der drei geistlichen Kurfürstentümern zentral für die Wahl des katholischen habsburgischen Kaisers, da zum Ende des 16. Jh. nur die drei geistlichen (Mainz, Trier, Köln) und die weltliche Kurstimme der Habsburger (als Könige von Böhmen) für die 4:3 Mehrheit bei der Kaiserwahl (die durch die goldene Bulle endgültig geregelt worden war) verantworlich waren. Die anderen drei weltliche Kurfürstentümer waren bereits dem "neuen Glauben" "verfallen" (zumeist aus machtpolitischen und nicht religiösen Beweggründen)

Aber zurück zum Thema: Am Ende des 16. Jh. kam es zum ersten mal zum machtpolitischen Kampf um die Vorherrschaft des Katholizismus im Reich, da die Kölner Erzbischof- und Kurfürstenstimme durch den Übertritt des Truchsess (Gebhard I. von Waldburg ? Wikipedia) und damit die katholische Mehrheit bei der Kaiserwahl unmittelbar gefährdet war.
Daher kam es unmittelbar zum Kölnischen Krieg 83-88, in dem der Kaiser und die spanischen Habsburger zusammen mit Papst und - vor allem - mit der Unterstützung der Wittelsbacher gegen das protestantische Bündnis vorgingen. (vgl. Truchsessischer Krieg ? Wikipedia)

Nicht wenige Geschichtswissenschaftler sehen daher bereits hier den Beginn der konfessionellen und realpolitischen Konflikte, die später als 30jähriger Krieg bezeichnet werden sollten.
Zwar setzte sich das katholische Bündnis gegen den Truchsess (der zu seiner radikalen Position von den protestantischen Zwängen gezwungen wurde) durch, allerdings zeichnete sich hier erstmals seit 1555 die reichsinterne machtpolitische Dimension der Glaubensspaltung aus, die 1618 erneut ausgefochten wurden.

Äußerst interessant ist dabei die wittelsbachische Reichskirchenpolitik ab 1555, ohne die die katholische Mehrheit im Kurfürstenkolleg vermutlich nicht realisierbar gewesen wäre und dadurch der Herrschaftsanspruch der Habsburger - die ja bis zum Untergang des Reiches bis auf eine Ausnahme den Kaiser stellen sollten - fundamental in Frage gestellt worden wäre.



Beste Grüße
SI
 
Das ganze kommt zwar sehr spät, aber interessant ist auch (für alle die auch noch Seminararbeiten darüber schreiben) das was rund um den Kölner Krieg auf institutioneller Ebene passierte. Weder Reichskammergericht noch Reichshofrat wurden als befugt angesehen im Fall Gebhart von Waldburg Recht zu sprechen. Man mag hier auch von einer bewussten Blockade bzw. Boykott reden. Instrumente die also rein hypothetisch einen Krieg verhindern könnten fielen gänzlich aus, was sich bis zum Prager Fenstersturz hinzog (wenn auch nicht linear).
 
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