Konflikt Kaiser und Papst

PostmodernAtheist

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Hallo, ich hätte da mal ne Frage zum Machtverhältnis zwischen Kaiser und Papst. Gibt es eine Seite des Konflikts die die Geschichte "positiv" geprägt hatte? Also zum Beispiel die Trennung von Kirche und Staat gefördert hat? Zunächst sah es ja eher gut aus für den Papst (Gang nach Canossa und so, wobei auch da glaub ich andere Interpretationen bestehen), aber später verzichten die Kaiser auf päpstliche Krönung und machen sich unabhängiger. Kann man da einen "Fortschritt" ausmachen? Darf man das überhaupt als Historiker?
 
Was ein "Fortschritt" ist, ist immer Ansichtssache und somit subjektiv. Auch inwieweit etwas die Geschichte "positiv" geprägt hat, ist Ansichtssache. Objektiv und wertneutral beschreiben kann man das nicht.

Man sollte übrigens auch nicht übersehen, dass gerade in der Zeit, als die päpstliche Kaiserkrönung nicht mehr als konstitutiv für die Kaiserwürde angesehen wurde, die Kaiser dennoch an die katholische Kirche gebunden blieben: Die katholischen Habsburger waren im Zeitalter der Glaubensspaltung auf die Stimmen der drei katholischen geistlichen Kurfürsten angewiesen (eine vierte katholische Kurstimme hatten sie als Könige von Böhmen selbst), um einigermaßen zuverlässig eine Mehrheit gegen die protestantischen weltlichen Kurfürsten bekommen zu können.
 
Was ein "Fortschritt" ist, ist immer Ansichtssache und somit subjektiv. Auch inwieweit etwas die Geschichte "positiv" geprägt hat, ist Ansichtssache. Objektiv und wertneutral beschreiben kann man das nicht.

Man sollte übrigens auch nicht übersehen, dass gerade in der Zeit, als die päpstliche Kaiserkrönung nicht mehr als konstitutiv für die Kaiserwürde angesehen wurde, die Kaiser dennoch an die katholische Kirche gebunden blieben: Die katholischen Habsburger waren im Zeitalter der Glaubensspaltung auf die Stimmen der drei katholischen geistlichen Kurfürsten angewiesen (eine vierte katholische Kurstimme hatten sie als Könige von Böhmen selbst), um einigermaßen zuverlässig eine Mehrheit gegen die protestantischen weltlichen Kurfürsten bekommen zu können.

Hm, aber Trennung von Kirche und Staat ist doch wohl objektiv besser? Nun gut, vielleicht ist das nicht Sache des Historikers das zu bewerten... Aber was mach ich dann als normaler Mensch?? Beschäftige ich mich gar nicht mit Geschichte?
 
Hm, aber Trennung von Kirche und Staat ist doch wohl objektiv besser?
Um eine "objektive" Bewertung vornehmen zu können, muss man erst einmal Beurteilungskriterien festlegen. Was man dafür heranzieht, ist erst wieder subjektiv (und kann somit das Ergebnis der "objektiven" Bewertung vorwegnehmen).

Nun gut, vielleicht ist das nicht Sache des Historikers das zu bewerten... Aber was mach ich dann als normaler Mensch?? Beschäftige ich mich gar nicht mit Geschichte?
Man kann sich doch auch ohne Werturteile mit Geschichte beschäftigen.
 
Um eine "objektive" Bewertung vornehmen zu können, muss man erst einmal Beurteilungskriterien festlegen. Was man dafür heranzieht, ist erst wieder subjektiv (und kann somit das Ergebnis der "objektiven" Bewertung vorwegnehmen).


Man kann sich doch auch ohne Werturteile mit Geschichte beschäftigen.

Kannst du mal ein Beispiel machen? Am Besten anhand der Kaiserfrage...

Wie viele Leute machen denn das schon ohne Werturteile?
 
Man kann sich doch anschauen, wie sich der Konflikt zwischen Kaiser und Papst entwickelte, ohne einer Seite die Daumen zu drücken oder sich über eine bestimmte Entwicklung zu freuen oder zu ärgern.
 
Was ein "Fortschritt" ist, ist immer Ansichtssache und somit subjektiv. Auch inwieweit etwas die Geschichte "positiv" geprägt hat, ist Ansichtssache. Objektiv und wertneutral beschreiben kann man das nicht.
Kann ich nur unterschreiben.

Man sollte übrigens auch nicht übersehen, dass gerade in der Zeit, als die päpstliche Kaiserkrönung nicht mehr als konstitutiv für die Kaiserwürde angesehen wurde, die Kaiser dennoch an die katholische Kirche gebunden blieben: Die katholischen Habsburger waren im Zeitalter der Glaubensspaltung auf die Stimmen der drei katholischen geistlichen Kurfürsten angewiesen (eine vierte katholische Kurstimme hatten sie als Könige von Böhmen selbst), um einigermaßen zuverlässig eine Mehrheit gegen die protestantischen weltlichen Kurfürsten bekommen zu können.

Wobei herauszustellen wäre, welche Probleme ein an den Papst gebundenes, dezidiertes katholisches Kaisertum, im Rahmen der Reformation und dem, was dann folgte, ganz zwingend ohnehin bekommen musste.

Die endgültige Ablösung der Kaiserwürde von der Verleihung durch das Oberhaupt der katholischen Kirche war schlicht Grundvoraussetzung dafür, dass die protestantischen Fürsten überhaupt noch bereit sein konnten, dem jeweiligen (habsburgischen) Herrscher diesen Titel noch zuzuerkennen.


Hm, aber Trennung von Kirche und Staat ist doch wohl objektiv besser?
Ein Mensch, der im Früh- oder Hochmittelalter lebte, würde dir an dieser Stelle entschieden widersprochen haben, einfach weil die Geistlichkeit in der Lage war Funktionen auszuüben, für die es den weltlichen Akteuren an Kompetenz mangelte und nicht selten schlicht auch an vernünftig geordneten Archiven etc.

Was "zeitgemäß" oder "veraltet" ist, bemisst sich nicht an ideologischen Kriterien, sondern daran, ob die gegebenen Strukturen in der Lage sind, die ihnen gestellten Aufgaben gut zu bewältigen oder ob sich alternative Modelle entwickelt haben, die das in besserer Formm leisten können.
 
Kannst du mal ein Beispiel machen? Am Besten anhand der Kaiserfrage...
Wie oben angemerkt, mach es an Funktionalität fest.

Nimm das Königtum an und für sich.
Das wird im Frühmittelalter mal begründet und mit den Funktionen der Friedenssicherung , der Rechssprechung etc. versehen, weil es dafür eben keine anderen Institutionen gab.
Wie viel von dieser ursprünglichen Funktion ist zur Zeit eines Louis XVI. oder gar eines KWII. denn noch vorhanden? Und wie viel ist schlicht durch andere Institutionen übernommen worden?

Vor diesem Kontext: Stellen wir uns einfach mal die Frage:

- Würde eine um 800 herum lebende Person das Königtum für eine verzichtbare Einrichtung gehalten haben?
- Würde eine um 1789 herum lebende Person das Königtum für eine verzichtbare Einrichtung gehalten haben?
- Welche Gründe würde man dafür gehabt haben?

Stellt man sich die Frage und geht das im Geiste durch, muss man mehr oder minder zu folgendem Ergebnis kommen:

1. Eine um 800 herum lebende Person würde das Königtum in keinem Fall für eine verzichtbare Einrichtung gehalten haben.
2. Eine um 1789 herum lebende Person würde das Königtum möglicherweise durchaus für verzichtbar gehalten haben.

Warum ist das so?
Weil um 800 herum das Königtum so mit die einzige Instanz ist, die überhaupt mit den Möglichkeiten ausgestattet ist, sich um Friedenssicherung und Regelung von Streitigkeiten zu kümmern. Dieses System war schon zur damaligen Zeit prekär, es war aber immer noch besser als überhaupt keine Institutionen in diesem Bereich.
Und in diesem Sinne gab es um 800 herum sehr gute Argumente Königtum (und eingebundene Geistlichkeit) gut zu finden.
Wenn jemand um 1789 Frankreich bereist hätte, wäre er zu Versailles auf eine in einem Protzbau versammelte Ansammlung von gelangweilten Hocharistokraten getroffen, die keinerlei gesellschaftliche Funktionen mehr hatten, sich in Teilen nicht mal mehr auf ihren Gütern persönlich sehen ließen und von Renten und Pensionen lebten.
In der Verwaltung des Landes und elementar wichtigen, gesellschaftlichen Funktionen hatten diese Leute, wie auch der französische König schlicht keine entscheidende Funktion mehr.
Das regelte mittlerweile weitgehend der bürokratische Apparat, der König war allenfalls noch für etwas von nöten, was man modern vielleicht "Richtlinienkompetenz" nennen würde.
Damit hatten sie sich zu überflüssigen Kostenposten entwickelt und ein Problem ihre Privilegien, Befugnisse und ihren Reichtum zu rechtfertigen zumal in Zeitenn des Mangels.
Eine um 1789 herum lebende Person hätte genau so gute Gründe gehabt, eine solche Ordnung für überlebt und abzulehnen zu halten, wie der um 800 lebende Mensch sehr gute, rationale Gründe gehabt hätte, sie zu beführworten, weil sich die materiellen Grundlagen der Lebenswirklichkeit dieser beiden fiktiven Personen deutlich von einander unterschieden hätten.

Und das gleiche kann man im Prinzip an allem durchdeklinieren.

War es ein Fortschritt, dass sich die Kaiser nicht mehr vom Papst krönen ließen? Nein, es war schlicht eine Notwendigkeit um das Kaisertum selbst für die Protestanten akzeptabel zu machen und es damit zu retten. Denn die hätten den Krönungsakt durch den Bischof von Rom, in ihren Augen einen Herätiker, niemals anerkannt.
Insofern war der Schritt schlicht funktionalistisch notwendig um einen Modus vivendi zu finden.

Ist die Trennung von "Staat" und Kirche objektiv gut?

Das hängt davon ab, ob der "Staat" auf sich selbst gestellt stark genug ist, die herrschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen oder ob er da Unterstützung bedarf und die Geistlichkeit das leisten kann.
Was wäre objektiv gut daran gewesen, wäre die kirche nicht im Frühmittelalter in die weltlichen Herrschaften eingebunden worden?
Die Folge wäre gewesen, man hätte es mit noch weniger schreib- und lesekundigen Personen zu tun gehabt und alle herrschaftlichen Aufgaben wären mehr oder minder nur auf Basis nicht belegbarer, mündlicher Vereinbarungen möglich gewesen.
Dann hätte das ganze noch weit prekärer ausgesehen, als es das realiter tat.

Im 18. und 19. Jahrhundert, in dem entsprechende bürokratiche Aparate entstanden sind, die das leisten können, wird die Geistlichkeit dafür dann nicht mehr benötigt.

usw.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Investiturstreit war eine reine Machtfrage. Mit „Trennung von Staat und Kirche“ hat er nichts zu tun. Die Könige und Kaiser stritten sich mit den Päpsten nicht um die Existenz geistlicher Herrschaften, sondern um die Investitur der Bischöfe, also ob der Papst oder König/Kaiser derjenige war, der das Recht hatte geistliche Fürsten einzusetzen (zu investieren). Auf beiden Seiten standen sowohl weltliche als auch geistliche Fürsten und es waren weniger ideologische Beweggründe als vielmehr persönliche Bindungen, die darüber entschieden, welcher Seite sie sich zugesellten.
Die Funktionsträger in der königlichen/kaiserlichen Verwaltung blieben auch weiterhin Geistliche.
Nehmen wir mal exemplarisch Heinrich V. und Adalbert von Saarbrücken. Adalbert unterstützte Heinrich und reiste für diesen zu Verhandlungen mit dem Papst Paschalis nach Rom, brach aber mit Heinrich nicht etwa aus ideologischen Gründen, sondern weil Heinrich ihm Trifels entzog. Heinrich nahm ihn dort gefangen und als Adalbert wieder freikam war er, mittlerweile selbst Bischof, in der Lage, Heinrich zu exkommunizieren. Fortan arbeitete Adalbert, der Heinrich zuvor (vor seiner eigenen Gefangennahme) unterstützt hatte, den Papst gefangenzunehmen, gegen die Interessen Heinrichs.
 
Was wäre objektiv gut daran gewesen, wäre die kirche nicht im Frühmittelalter in die weltlichen Herrschaften eingebunden worden?

Um das Beispiel aufzugreifen - im frühen Frankenreich waren die galloromanischen Bischöfe die einzige existierende Verwaltung, von einem "Staat" konnte überhaupt keine Rede sein. Die fränkischen "Kleinkönige" waren Warlords mit einem Kriegerhaufen als Gefolge, das spätere Gesamtfränkische Reich nicht viel mehr. Da gab es nichts zu trennen, die Frage war stattdessen, wen eben diese Verwaltung als ihren höchsten "Chef" ansah.
 
War es ein Fortschritt, dass sich die Kaiser nicht mehr vom Papst krönen ließen? Nein, es war schlicht eine Notwendigkeit um das Kaisertum selbst für die Protestanten akzeptabel zu machen und es damit zu retten. Denn die hätten den Krönungsakt durch den Bischof von Rom, in ihren Augen einen Herätiker, niemals anerkannt.
Insofern war der Schritt schlicht funktionalistisch notwendig um einen Modus vivendi zu finden.
Allerdings begann die Abkoppelung bereits vor der Glaubensspaltung. Ludwig IV. von Bayern ließ sich nicht vom Papst krönen, sondern in Rom zum Kaiser proklamieren und von Bischöfen krönen. Maximilian I. führte seinen Titel mit Zustimmung des Papstes, aber ohne Krönung. Karl V. hingegen ließ sich (bereits zur Zeit der Reformation) nachträglich noch vom Papst krönen.

Säkular oder konfessionsneutral wurde das Kaisertum auch in der Zeit der Glaubensspaltung nicht, da die Krönung zum König von den (katholischen) geistlichen Kurfürsten vollzogen wurde. (Keine Ahnung, wie man das eigentlich gemacht hätte, wenn ein Protestant zum König gewählt worden wäre.)
 
Allerdings begann die Abkoppelung bereits vor der Glaubensspaltung. Ludwig IV. von Bayern ließ sich nicht vom Papst krönen, sondern in Rom zum Kaiser proklamieren und von Bischöfen krönen. Maximilian I. führte seinen Titel mit Zustimmung des Papstes, aber ohne Krönung. Karl V. hingegen ließ sich (bereits zur Zeit der Reformation) nachträglich noch vom Papst krönen.

Säkular oder konfessionsneutral wurde das Kaisertum auch in der Zeit der Glaubensspaltung nicht, da die Krönung zum König von den (katholischen) geistlichen Kurfürsten vollzogen wurde. (Keine Ahnung, wie man das eigentlich gemacht hätte, wenn ein Protestant zum König gewählt worden wäre.)

Wenn es nicht notwendig war, was dann?
 
Allerdings begann die Abkoppelung bereits vor der Glaubensspaltung. Ludwig IV. von Bayern ließ sich nicht vom Papst krönen, sondern in Rom zum Kaiser proklamieren und von Bischöfen krönen. Maximilian I. führte seinen Titel mit Zustimmung des Papstes, aber ohne Krönung. Karl V. hingegen ließ sich (bereits zur Zeit der Reformation) nachträglich noch vom Papst krönen.

Säkular oder konfessionsneutral wurde das Kaisertum auch in der Zeit der Glaubensspaltung nicht, da die Krönung zum König von den (katholischen) geistlichen Kurfürsten vollzogen wurde. (Keine Ahnung, wie man das eigentlich gemacht hätte, wenn ein Protestant zum König gewählt worden wäre.)

Natürlich beginnt der Prozess vorher, aber auch wenn sich das in Bologna vollzog und schon deutlich von älteren Traditionen gelöst hatte, immerhin lässt sich Karl V. noch 1530 durch den Papst krönen.

Das ging auch 1530 noch, weil die Reformation zwar schon lief, aber noch kein endgültiger Deckel auf der Kirchenspaltung war, das versuchte man ja noch lange zu vermitteln und zu verhandeln, um den Bruch zu vermeiden.

Dennoch war das tradaitionelle Kaisertum eine Sache zwischen dem dem König und dem Papst. So lange der Papst als Element in diesem Modell irgendwie vorhanden war und Funktionen übernahm, musste das für die Protestanten in der Folge inakzeptabel werden.
Wenn sie den Papst nicht mehr anerkennen wollten, konnten sie auch keine vom Papst gestifteten Institutionen und von ihm verfügte Rechtsakte oder durchgeführte rituelle Akte mehr anerkennen.
Deswegen musste der Papst als Funktionsträger aus dem Zeremoniell verschwinden, damit das Kaisertum für die Protestanten akzeptabel blieb.

Natürlich wurde es nicht säkular, das wäre auch kaum im protestantischen Interesse gewesen. Das Faktum, dass weiterhin durch katholische Erzbischöfe gesalbt und gekrönt wurde, war ja insoweit akzeptierbar, dass das Kaisertum nicht mehr an Rom gebunden war, sondern an die Entscheidung des Kurfürstenkollegiums und die Erzbischöfe, wenn sie krönten und salbten, dies nicht als abgesandte des Katholizismus taten, sondern in Ausübrung der Funktionen ihrer Ämter als hohe Reichsfürsten.

Konfessionsneutral wurde das natürlich nicht, aber im 16. jahrhundert ist auch noch so überhaupt nicht klar, dass die Katholiken dauerhaft das Übergewicht im Kurfürstenkollegium behaupten können würden, das entscheidet in letzter Konsequenz erst der 30-jährige Krieg und der verändert die Lage wieder insofern massiv, als dass dass Friedenswerk von Münster und Osnabrück ja durchaus das Verhältnis von Kaiser und Fürsten gegeneinander neu definiert.
 
(Keine Ahnung, wie man das eigentlich gemacht hätte, wenn ein Protestant zum König gewählt worden wäre.)

Das wäre sicherlich nicht ganz unproblematisch gewesen. Aber wenn wir schon im spekulativen Bereich sind, es gab im 16. jahrhundert durchaus mal Bestrebungen die Reformation auch im Erzbistum Köln einzuführen:

Kölner Reformation – Wikipedia

Wäre das ein Bisschen anders ausgegangen und hätte sich z.B. die Reformation in Köln gehalten, hätte man das Zeremoniell dahingehend anpassen können, dass wenn ein Protestant gewählt wird der Kölner das mit der Krönung übernimmt und die Aufgabe im Fall der Wahl eines Katholiken dem Mainzer zufällt oder etwas in der Art.

Man hätte auch irgendwann mal die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums insgesamt reformieren können, die überkommenen Regelungen aus dem 14. Jahrhundert spiegelten die Machtverhältnisse des 16. und 17. jahrhunderts ja ohnehin nicht mehr wieder.
Dieses Problem hätte man auch im Zuge einer solchen Reform aus der Welt schaffen können.
 
So lange der Papst als Element in diesem Modell irgendwie vorhanden war und Funktionen übernahm, musste das für die Protestanten in der Folge inakzeptabel werden.
Immerhin wurde aber noch im 18. Jhdt. der König bei seiner Krönungszeremonie u. a. gefragt:
1) Vis sanctam fidem catholicam et apostolicam tenere et operibus iustis servare? (Willst du den heiligen katholischen und apostolischen Glauben halten und durch gerechte Werke bewahren?)
6) Vis sanctissimo in Christo patri et domino, Romano pontifici et sanctae Romanae ecclesiae subiectionem debitam et fidem reverenter exhibere? (Willst du dem heiligsten Vater und Herrn in Christus, dem römischen Papst, und der heiligen römischen Kirche die geschuldete Unterwürfigkeit und Treue ehrerbietig leisten?)
Der König antwortete auf jede Frage mit "Volo" (Ich will).
 
Immerhin wurde aber noch im 18. Jhdt. der König bei seiner Krönungszeremonie u. a. gefragt:
1) Vis sanctam fidem catholicam et apostolicam tenere et operibus iustis servare? (Willst du den heiligen katholischen und apostolischen Glauben halten und durch gerechte Werke bewahren?)
6) Vis sanctissimo in Christo patri et domino, Romano pontifici et sanctae Romanae ecclesiae subiectionem debitam et fidem reverenter exhibere? (Willst du dem heiligsten Vater und Herrn in Christus, dem römischen Papst, und der heiligen römischen Kirche die geschuldete Unterwürfigkeit und Treue ehrerbietig leisten?)
Der König antwortete auf jede Frage mit "Volo" (Ich will).

Und diese Formeln hätten, wäre jemals ein Protestant zu einer Mehrheit der Kurstimmen gekommen, sicherlich zu sehr bösem Blut geführt, weil sich dann unweigerlich die Frage gestellt hätte, ob eigentlich der Wahlakt hinreichend zur Konstituierung des Kaisertums eines Kandidaten war oder es des in dieser Form ritualisierten Krönungsaktes zusätzlich zwingend bedurft hätte.
So lange das nicht passierte und eindeutig zu Gunsten des zeremoniellen Aktes entschieden wurde, konnte man von protestantischer Seite ja an einer Rechtstheorie festhalten, nach der das Kaisertum durch den Wahlakt begründet wurde und des zeremoniellen Krönungsaktes nicht zwingend bedurfte.
Sofern sie das taten und es auch keinen Anlass gab das anzuzweifeln, konnte den Protestanten im Grunde genommen egal sein, welche privaten Willensbekundungen ein gewählter, katholischer Kandidat in Richtung Rom äußerte, so lange sie nicht den aus dem Königtum/Kaisertum erwachsenen Pflichten gegen das Reich zuwider liefen oder nach 1555 den Augsburger Religionsfrieden verletzten oder nach 1648 das westfälische System.

Eine solche Verletzung ergibt sich aber schwerlich aus der oberflächlichen Formel Rom gegenüber Treue zu zeigen, das ist ja nun keine Verpflichtung zu irgendwelchen konkreten Maßnahmen. Von "Unterwürfigkeit" konnte ja angesichts der Machtverhältnisse realiter ohnehin nicht ernsthaft die Rede sein.

Das konnten die Protestanten unter diesen Voraussetzungen sicherlich schlucken, so lange kein Protestant gewählt wurde, der diese Formel verweigerte und so lange niemand die Gültigkeit der Wahl ohne diese Formel in Frage stellte und diese Formel auch nichts enthielt, dass reichsinterne Vereinbarungen zur Disposition stellte.

Das ist eine vollkommen andere Nummer, als ein exklusiv innerkatholisches vom Papst verliehes Amt, möglicherweise mit dem klaren Auftrag die Protestanten zu bekämpfen.

Letzteres musste für die Protestanten nicht nur aus glaubenstechnischen Aspekten ein Problem sein, sondern auch als eine strukturelle Gefährdung des reichsinternen Friedens erscheinen.
Sofern die Institution des Kaisertums sich auf die Reichsfürsten und nicht eine auswärtige Macht begründete war wenigstens ein struktueller Gegensatz zwischen institutionellem Kaisertum und Reichsverfassung und internen Vereinbarungen ausgesschlossen oder mit Hinblick auf den 30-Jährigen Krieg zumindest unwahrscheinlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hm, aber Trennung von Kirche und Staat ist doch wohl objektiv besser? Nun gut, vielleicht ist das nicht Sache des Historikers das zu bewerten... Aber was mach ich dann als normaler Mensch?? Beschäftige ich mich gar nicht mit Geschichte?

Vorab, ein Kommentar: Es führt zu nichts, historische Sachverhalte nach modernen Gesichtspunkten zu bewerten, die ihren Zeitgenossen nicht bekannt waren und nicht bekannt sein konnten. Was nicht bedeutet, dass man seine Menschlichkeit verneinen und etwa ein Unrecht nicht auch als solches bezeichnen sollte.

Doch sollte der Historiker die Grenze zwischen persönlicher Meinung und fachlichem Urteil nicht verwischen, und stets im Auge behalten, dass er gegenüber dem historischen Akteur einen Wissensvorsprung genießt. Er muss ihn als Produkt seiner Zeit respektieren. Eine solche Professionalität beweist er wahrscheinlich am besten, indem er alle Gesichtspunkte eines Sachverhalts herausarbeitet und gleichberechtigt darstellt.

Ich habe vergessen, von wem dieses Zitat stammt, habe die Rolle des Historikers aber einmal (wie ich finde zutreffend) folgendermaßen charakterisiert gelesen: Der gute Historiker muss sagen können, dass König Heinrich bei Azincourt gut daran tat, seine Gefangenen hinrichten zu lassen. (Gemeint ist, dass jene bald gemerkt hätten, wie wenig zahlreich ihre Bewacher waren, und den Engländern in den Rücken gefallen wären.)

Passend dazu, Heinrich wurde von Zeitgenossen nicht kritisiert, nicht einmal von französischen Autoren. Die Moral: Will man etwas über sie lernen, wird man um die Maßstäbe der betrachteten Zeit nicht herumkommen.

Was nun Deine eigentliche Frage angeht …

Man wird, denke ich, zu dem Urteil gelangen, dass bis in die Neuzeit hinein eine Trennung von Staat und Kirche im Heiligen Römischen Reich keinesfalls eine gute Sache, ja sogar unmöglich gewesen wäre.

@Shinigamis Argumentation lässt sich auch auf diesen Fall anwenden. Eine der Ursachen für den Konflikt zwischen Papst und Kaiser bestand darin, dass das Kaisertum einer loyalen Priesterschaft im Sinne einer Nationalkirche bedurfte, um seine Herrschaft zu festigen, an der die anderen Reichsfürsten kräftig sägten.

Bis zu Friedrich II. (der in Sizilien saß) wäre das Heilige Römische Reich ohne die Kirche wohl nicht zu verwalten gewesen. Das ottonische System hatte sie zu einer Stütze des Kaisertums gemacht, sie generierte gebildetere und verlässlichere Staatsdiener als der Adel. Die geistlichen Fürsten waren ebenso eine Stütze, solange sie ihre Macht vom Kaiser ableiteten, anders als die weltlichen konkurrierten sie nicht mit ihm.

Überhaupt leistete die Kirche mit ihrem Wirken in der karolingischen Renaissance einen fundamentalen Beitrag zur Herausbildung des Reiches als staatlicher und kultureller Einheit (innerhalb zeitgenössischer Grenzen, versteht sich); auch die Renaissance des Hochmittelalters ging von den Klöstern aus. Kurzum, man kann sich kaum ausmalen, wie die Geschichte des Reiches ohne seine Bindung an die Kirche verlaufen wäre.

Man kann wohl guten Gewissens annehmen, dass die Trennung zwischen Staat und Kirche erst dann möglich war – anders: erst dann die Bindung von Staat und Kirche entbehrlich geworden war –, als die gefestigten absolutistischen Staaten sie tatsächlich einleiteten: mit der Säkularisierung im ausgehenden 18. Jahrhundert.

Tatsächlich rechtfertigte Montgelas, der die Säkularisation in Bayern einleitete, seine Politik mit ebendieser Argumentation. Die Kirche habe sich im Mittelalter große Verdienste um Nation und Gesellschaft erworben, heute aber, da der Staat in der Lage sei, die vormals kirchlichen Aufgaben zu übernehmen, hemme sie ihn.
 
Wie El Quijote schon angesprochen hat, ging es bei den Konflikten zwischen Kaiser und Papst ohnehin gar nicht um die Frage "Trennung von Staat und Kirche ja oder nein", sondern ganz im Gegenteil nur um die Frage, wer innerhalb der Verbindung von Staat und Kirche das Sagen hatte. Dass geistliche Würdenträger auch weltliche Aufgaben wahrnehmen und über weltliche Besitzungen/Einkunftsquellen verfügen sollten, war zwischen den Parteien unstrittig. Gerade diese Verknüpfung machte die Frage, wer bei der Besetzung das entscheidende Wort hatte, so heikel.
 
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