Kontinuität Franken zur Antike

erlen-zeisig

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Servus,
Geary sieht ja beispielsweise die Merowinger als Teil der Spätantike. Finde man kann auch gerade bei der Infrastruktur und Administration einige Kontinuitäten erkennen, gerade auch angesichts der Tatsache, dass die Franken bereits vor ihrer Herrschaft eine deutlich bezeugte Vorgeschichte als Föderaten und als Kämpfer im römischen Heer aufweisen, gleichzeitig waren ja heidnische Bräuche noch weit verbreitet und selbst nach Chlodwigs Taufe ne weiterhin bestehende Mischzivilisation vorhanden. Die Forschung diskutiert ja auch immer noch kontrovers, ob das Eigenkirchenwesen germanischen Ursprungs war (z.B. Vertreter wäre hier Stutz) oder ob es römisch-keltischen Ursprungs war (z.B. Fustel de Coulanges).

Welche Kontinuitäten und welche Brüche könnt ihr identifizieren? Würdet ihr Geary zustimmen?
 
Sein Buch "Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen" habe ich gelesen, ist aber schon eine Weile her.

Grundsätzlich scheint es aber ohnehin herrschende Meinung zu sein, dass es keine scharfe Zäsur gab, sondern einen Transformationsprozess mit zahlreichen Kontinuitäten.
 
Was wären das wohl für Kriterien, nach denen die Merowingerzeit eher in die Spätantike oder eher ins Mittelalter einzuordnen wären?

Gregor von Tours schreibt Latein, das man lesen kann, zwar fehlerhaft, aber dessen ist er sich bewusst: bäurisch schreibe er, und das als Abkömmling einer senatorischen Familie. Ich stelle mir vor, dass er noch nah an seiner mündlichen Sprache schrieb: Spätantike.

Fredegar schreibt ein chaotisches Pseudolatein. Wenn es Regeln hatte, dann seine eigenen (ist mein Eindruck gewesen, als ich da mal hereingeschaut habe). Nicht mehr spätantik, nicht mittelalterlich.

Die karolingischen Schriftsteller sind wieder verständlich, sie haben Latein wie eine Fremdsprache gelernt. Und nur in dieser im Volk nicht mehr gesprochenen, künstlich zu nennen Sprache spielt sich das gesamte (oder fast gesamte) intellektuelle Leben ab: Mittelalter.
 
Gregor von Tours schreibt Latein, das man lesen kann, zwar fehlerhaft, aber dessen ist er sich bewusst: bäurisch schreibe er, und das als Abkömmling einer senatorischen Familie.
Das muss man aber auch als Understatement betrachten. Captatio benevolentiae. Das Erhaschen des Wohlwollens des Adressaten.

Die karolingischen Schriftsteller sind wieder verständlich, sie haben Latein wie eine Fremdsprache gelernt. Und nur in dieser im Volk nicht mehr gesprochenen, künstlich zu nennen Sprache spielt sich das gesamte (oder fast gesamte) intellektuelle Leben ab: Mittelalter.
Das kann man auch gut an den Straßburger Eiden (denen in altfranzösisch) sehen, die im lateinischen Text von Nithardts historiarum libri IV (liber III) eingeflochten sind.

Ich habe vor Jahren mal einen Versuch gemacht, die Epocheneinteilung Antike, Mittelalter und Neuzeit anhand der Medien und ihrer Produzenten festzumachen. In der Antike war Schreiben relativ weit verbreitet, es wurde viel geschrieben und auch gelesen, selbst Werbung gab es, die rezipiert werden konnte. Es gab Inschriften, geschrieben wurde auf Wachs und Papayrus, sicher auch auf Pergament.
Im Mittelalter ging die Schreibfähiglkeit stark zurück, war fast exklusiv in der Hand der Kleriker, vor allem der Mönche, Leutpriester waren auch oft eher unegebildet. Geschrieben wurde vorwiegend auf vergänglichen Materialien und Pergament, Papyrus selten (in Europa fast nur in Italien) und ab dem 9. Jhdt. in der arabischen Welt auf Papier, das spätestens seit dem 14. Jhdt. auch in Zentraleuropa ankam. In dieser Zeit nahm auch der Alphabetismus wieder bedeutend zu. Ab Mitte des 15. Jhdts. gab es den Buchdruck, Papier und Buchdruck ermöglichten eine mediale Revolution.

So gesehen ist die Merwingerzeit wohl als Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter zu betrachten, der gallische senatorische Adel verlor mit Funktion an Einfluss, wenn er nicht in die theologische Richtung ging und in der Kirche Karriere machte.
 
So gesehen ist die Merwingerzeit wohl als Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter zu betrachten, der gallische senatorische Adel verlor mit Funktion an Einfluss, wenn er nicht in die theologische Richtung ging und in der Kirche Karriere machte.
Ich glaube, dass die frühe Merowingerzeit trotz Chlodwigs militärischer Erfolge, beim Versuch der Integration/Übernahme ex-römischer Verhältnisse scheiterte. Daran vermochte auch der Konsultitel Chlodwigs nichts zu ändern. Die Quellen sprechen weder von gotischen, noch von fränkischen Legionen; römische Straßen, Wasserleitungen, Großbauten wurden kaum gepflegt; entlarvend die Episode, wie eine Versammlung eines Merowingerkönigs in einem städtischen Gebäude zum Desaster wurde: es krachte ein... quasi als noch provinzialrömisch beschönigen die Quellen die Verhältnisse. Versuchte man vereinzelt noch in der ersten Hälfte des 6.Jh. an imperiale Traditionen anzuknüpfen (irgendwer veranstaltete Spiele), so schwanden diese undurchführbaren Ambitionen rasch.
Sicher trugen auch die Verheerungen des 5. Jhs. dazu bei, das von der einstigen provinzialrömischen Pracht nicht mehr besonders viel übrig war.
In diesem Sinn neige ich dazu, weniger für spätantik und mehr für frühmittelalterlich zu votieren.
 
Ich glaube, dass die frühe Merowingerzeit trotz Chlodwigs militärischer Erfolge, beim Versuch der Integration/Übernahme ex-römischer Verhältnisse scheiterte. Daran vermochte auch der Konsultitel Chlodwigs nichts zu ändern. Die Quellen sprechen weder von gotischen, noch von fränkischen Legionen; römische Straßen, Wasserleitungen, Großbauten wurden kaum gepflegt;
Von Chlodwigs Zeitgenossen Theoderich ist allerdings überliefert dass er Aquädukte und andere Großbauwerke errichten ließ (wobei das sicher eher in Richtung Instandhaltung/-setzung verstanden werden muss).
 
Theoderich hatte sich dank seiner Funktion als oströmischer General in den seinerzeit außerhalb des oströmischen Reichs "römischsten" Gefilden niedergelassen ;) Ravenna, Mailand, Rom usw waren da noch einigermaßen florierende Römerstädte - will sagen, er hatte es leichter beim anknüpfen an römisch/spätantikes als die Merowinger.
Seine Bautätigkeit: ich erinnere mich nur ans instandsetzen einer Wasserleitung und paar Anbauten an "Paläste" in Ravenna, gut möglich, dass ich da was übersehe.
 
Die Quellen sprechen weder von gotischen, noch von fränkischen Legionen;
„Legionen“, wie wir sie aus den Zeiten Caesars oder der frühen Kaiserzeit kennen, gab es in der Spätantike allerdings auch bei den Römern selbst nicht mehr. Die militärischen Verbände waren zahlenmäßig stark geschrumpft und bei Herkunft, Zusammensetzung und Bewaffnung stark diversifiziert.
Sicher trugen auch die Verheerungen des 5. Jhs. dazu bei, das von der einstigen provinzialrömischen Pracht nicht mehr besonders viel übrig war.
Man sollte aber auch nicht übersehen, dass zumindest südlich der Loire der gallorömische Adel einflussreich blieb und weiterhin als Kulturträger fungierte. Bildung wurde noch lange hochgehalten, und vor allem die einflussreichen Bischofsämter wurden von (zumindest einigermaßen) klassisch gebildeten Romanen besetzt. Mit Venantius Fortunatus gab es auch noch einen bedeutenden Dichter.
Seine Bautätigkeit: ich erinnere mich nur ans instandsetzen einer Wasserleitung und paar Anbauten an "Paläste" in Ravenna, gut möglich, dass ich da was übersehe.
Sein Mausoleum in Ravenna.
 
Theoderich hatte sich dank seiner Funktion als oströmischer General in den seinerzeit außerhalb des oströmischen Reichs "römischsten" Gefilden niedergelassen ;) Ravenna, Mailand, Rom usw waren da noch einigermaßen florierende Römerstädte - will sagen, er hatte es leichter beim anknüpfen an römisch/spätantikes als die Merowinger.
Seine Bautätigkeit: ich erinnere mich nur ans instandsetzen einer Wasserleitung und paar Anbauten an "Paläste" in Ravenna, gut möglich, dass ich da was übersehe.

Was ist mit seinem Grabmal? Immerhin das wohl bedeutendste Baudenkmal der Ostgoten in Italien und eines der wenigen aus der Zeit der Völkerwanderung das erhalten ist.

 
Was ist mit seinem Grabmal?
(das hatte ich gänzlich vergessen)
Das Grabmal des Theoderich orientiert sich in Form und Gestaltung an römischen Vorbildern, wie etwa dem Augustus- oder Hadriansmausoleum, wobei die monolithische Dachkuppel wohl auf Vorbilder aus dem byzantinischen Kirchenbau zurückgeht. Die Vermischung west- und oströmischer Einflüsse kennzeichnet die Herrschaft Theoderichs, der selbst nur den Titel „rex Italiae“ führte, sich aber mit solchen Bauwerken wie dem Mausoleum in die Nachfolge der weströmischen Kaiser stellte.
zitiert aus I. 4. Das Theoderich-Mausoleum (C. B.)
Der Auftraggeber dieses Baus war ein sehr erfolgreicher ostgotischer Warlord*) und später zugleich "oströmischer General", das scheint mir das einzige "ostgotische" an diesem Grabmal zu sein (?!) Ansonsten ist es gleichsam ein Unikat, d.h. vergleichbare Bauprojekte von burgundischen, fränkischen, westgotischen, vandalischen Reges/Warlords haben wir keine.

Mich beschleichen ein paar Zweifel, dass Theoderichs Herrschaft in Italien ein besonders aussagekräftiges tertium comparationis für die in #1 genannte Merowingerzeit ist:
In der historischen Geschichtsforschung wird diese archäologische Periode auf die Zeit der Merowingerbezogen;[3] als frühgeschichtlicher Kulturraum der Merowingerzeit sind – nach Hermann Ament – die Herrschaftsgebiete der Merowinger anzusehen, d. h. die ehemaligen Provinzen des römischen Imperiumsin Gallien sowie die von Franken und Thüringern besiedelten Gebiete rechts des Rheins. Für die an die Reiche der Merowinger angrenzenden Gebiete wird die Bezeichnung Merowingerzeit gleichfalls angewendet, etwa für die Siedlungsräume der Sachsen und Friesen. Das gilt ferner auch für den Terminus östlich-merowingischer Kreis, der in der heutigen Forschung richtiger – so Ament – durch den Begriff östlicher Reihengräberkreis ersetzt wurde.[4]

Den Beginn der Merowingerzeit setzt die Geschichtsforschung mit der Machtübernahme Chlodwigs nach dem Tod seines Vaters Childerich von Tournai im Jahr 482 an, als ihr Ende wird meist die Krönung von Pippin dem Jüngeren als erstem König der Karolinger 751 definiert.[5]
zitiert aus Merowingerzeit – Wikipedia

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*)
Theoderich hatte sich dank seiner Funktion als oströmischer General in den seinerzeit außerhalb des oströmischen Reichs "römischsten" Gefilden niedergelassen ;) Ravenna, Mailand, Rom usw waren da noch einigermaßen florierende Römerstädte - will sagen, er hatte es leichter beim anknüpfen an römisch/spätantikes als die Merowinger.
 
(1) Welche Kontinuitäten und welche Brüche könnt ihr identifizieren? (2) Würdet ihr Geary zustimmen?
zu (1)
Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen/Alanen, Sueben kamen von außerhalb des römischen Reichs und eroberten längst romanisierte Gegenden, und wo eine solche "Reichs"gründung ein paar Generationen überdauerte, da gab diese demografisch geringe Militärelite die eigene Sprache zugunsten des spätlatein auf. Ihre Herrschaftsambitionen richteten sich nicht auf außerhalb der (ehemaligen) römischen Provinzen liegende Gegenden.
Anders die "Angelsachsen", die zwar ebenfalls eine römische Provinz eroberten, aber ohne die eigene Sprache aufzugeben - im Gegenteil.
Die Franken als Foederatentruppen befanden sich teils schon auf "römischem" Boden, Childerich I war gleichzeitig Frankenkönig und römischer Befehlshaber, und nach ihm und dem Ende des weströmischen Reichs expandierten die Franken sowohl in romanisierte als auch in "barbarische" (germanische) Gebiete; letztere wie z.B. alemannische, thüringische, bayrische sowie sonstige rechtsrheinische Gegenden romanisierten sie freilich nicht.
Das wären so ganz allgemein ein paar Unterschiede, wobei einzig die Franken und Angelsachsen überdauern konnten.
zu (2)
So lange sich die von der Militärregierung übernommene "römische Verwaltung" aufrecht halten ließ, kann sicherlich vom Versuch, quasi die Spätantike zu bewahren die Rede sein - aber das dauerte nur 2-3 Generationen (wenn überhaupt so lange) Man musste mit permanenten Kriegen, mit parallelen Rechtssystemen (leges barbarorum / römisches Recht), mit massiven Problemen der Staatsfinanzen (Besteuerung der Eroberer) zurecht kommen - mir scheint, dass spätestens ab Mitte des 6.Jhs. im merowingischen Kulturraum kaum noch von Spätantike die Rede sein kann.
 
Anders die "Angelsachsen", die zwar ebenfalls eine römische Provinz eroberten, aber ohne die eigene Sprache aufzugeben - im Gegenteil.
Der entscheidende Unterschied ist, dass die angelsächsische Invasion Britanniens mit einer erheblichen Bevölkerungsveränderung einherging, die sich durch Genanalysen nachweisen läßt, während die Franken ua germanische Völker sich nur als kleine Militärelite über die bisherige Bevölkerung legte, wie du auch sagst, und recht schnell von dieser Mehrheitsbevölerung kulturell absorbiert wurde. Neben der Sprache ist die Religion hier ein Zeichen: Die Franken übernahmen bald die christlich-katholische Religion der Unterworfenen, während die Angelsachsen erst später neu christianisiert wurden, teils vom Festland, teils von Irland aus.
 
zu (1)
Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen/Alanen, Sueben kamen von außerhalb des römischen Reichs und eroberten längst romanisierte Gegenden

Osthro- und Visigoten lebten allerdings schon drei bis vier Generationen auf römischem Boden und waren damit selbst schon erheblich romanisiert, obwohl sie versuchten, auch ihre nicht-römischen Traditionen zu bewahren.
 
@Stilicho die Osthrogoten auch? Ich dachte, die wären größtenteils von den Hunnen unterworfen worden (und erst nach der Hunnenherrschaft um die Mitte des 5.Jhs. auch Foederaten geworden, ein zu kurzer Zeitraum, um "romanisiert" zu werden?) , wohingegen die "Westgoten" römische Foederaten wurden (letzteres hatte ich vergessen)
 
An der Schlacht von Adrianopel (378) waren schon Ostgoten entscheidend beteiligt. Danach lebten diese auf römischen Boden, vor allem an der unteren Donau, aber auch in Pannonien. Einige Gruppierungen schlossen sich dann Jahrzehnte später den Hunnen an.
Man kann darüber diskutieren, ob erst dort in Pannonien die eigentlichen Osthrogoten (unter Valamir) entstanden, im Unterschied zu zahlreichen anderen gotischen Gruppierungen innerhalb des römischen Reiches.

Aber die gotische Einwanderung ins Reich fällt in die 70-er und 80-er Jahre des 4. Jahrhunderts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der entscheidende Unterschied ist, dass die angelsächsische Invasion Britanniens mit einer erheblichen Bevölkerungsveränderung einherging, die sich durch Genanalysen nachweisen läßt, während die Franken ua germanische Völker sich nur als kleine Militärelite über die bisherige Bevölkerung legte, wie du auch sagst, und recht schnell von dieser Mehrheitsbevölerung kulturell absorbiert wurde. Neben der Sprache ist die Religion hier ein Zeichen: Die Franken übernahmen bald die christlich-katholische Religion der Unterworfenen, während die Angelsachsen erst später neu christianisiert wurden, teils vom Festland, teils von Irland aus.
Die schiere Menge ist als Erklärung aber nicht hinreichend. Die Römer, die Araber und die Portugiesen und Spanier haben den Westmittelmeerraum, Nordafrika und die Levante bzw. Iberoamerika nicht durch Zuwanderung sprachlich kolonisiert. Es waren Verwaltung und/oder Religion,Schriftlichkeit etc. Und das ist eben auch der Unterschied zwischen den Angelsachsen und den Franken, Westgoten, Vandalen* oder Ostgoten: auf lokaler Ebene blieb die römische Funktionselite in Funktion, das war in Britannien nicht so.

*Es ist möglich, dass die Vandalen tatsächlich Gotisch/Vandalisch sprachen, der arianische Bischof von Karthago wird von Victor von Vita mit nescio latine zitiert, er könne kein Latein. Allerdings wird das eher als Nickeligkeit interpretiert: "Ich verstehe euch Katholiken nicht"; er soll diesen Satz bei einem arianisch- katholischen Disput seinen katholischen Widersachern entgegengeschleudert haben.
 
Und das ist eben auch der Unterschied zwischen den Angelsachsen und den Franken, Westgoten, Vandalen* oder Ostgoten: auf lokaler Ebene blieb die römische Funktionselite in Funktion, das war in Britannien nicht so.

Das ist der entscheidende Unterschied. Britannien wurde 409/410 oder etwas später geräumt, wer irgendwie konnte, kehrte nach Rom oder Gallien zurück. Es blieb zwar eine romanisierte Bevölkerung zurück, aber nahezu ohne staatliche Organisation.
Ähnlich in Noricum etwa 50 Jahre später. Österreichisch ist auch keine romanische Sprache.
 
Die Römer, die Araber und die Portugiesen und Spanier haben den Westmittelmeerraum, Nordafrika und die Levante bzw. Iberoamerika nicht durch Zuwanderung sprachlich kolonisiert.
Ich hab auch auf den Unterschied zwischen den barbarischen Invasoren (Angelsachsen auf der einen, und Franken et al auf der anderen Seite) abgestellt. Dass die Sache bei einer Eroberung durch eine hochstehende Kultur mit (eigener) Schrift, Bürokratie etc anders gelagert ist, ist offensichtlich.

Es waren Verwaltung und/oder Religion,Schriftlichkeit etc. Und das ist eben auch der Unterschied zwischen den Angelsachsen und den Franken, Westgoten, Vandalen* oder Ostgoten: auf lokaler Ebene blieb die römische Funktionselite in Funktion, das war in Britannien nicht so.
Wie Stilicho sagt, waren diese Strukturen in Britannien schon vor der angelsächsischen Landnahme stark geschwächt oder nicht mehr vorhanden. Kann man jetzt die Frage stellen, ob dieses weitgehende Fehlen einer Funktionselite die Voraussetzung war, dass eine so große Bevölkerungsverschiebung wie in Britannien überhaupt möglich oder von den Invasoren gewünscht war. Im Frankenreich, Spanien usw bildeten die germanischen Eroberer eine Militärelite, wenn man so will; die breite Masse der Bevölkerung war die gleiche wie vor der Eroberung. In Britannien wird ein anständiger Teil der einfachen Bevölkerung aus Angelsachsen bestanden haben, die die vorherige Population zumindest teilweise ersetzte.

So haben wir aus Britannien zB auch Nachweise, dass sehr viele Menschen das Land verließen und sich anderswo ansiedelten; namentlich in der Bretagne, die ja daher ihren Namen hat, vielleicht auch in Wales ua andere Teile Britanniens, die nicht angelsächsisch wurden. Aus dem Herrschaftsbereich der Franken, Goten, Vandalen wäre mir das nicht bekannt, zumindest so umfangreich, dass sich anderswo "Exilpopulationen" bildeten.
 
Ist ja alles richtig, aber du argumentierst eben über die schiere Masse der Invasoren. Die ist natürlich ein Faktor. Aber eben kein Automatismus, daher meine Beispiele von Römern, Arabern und Portugiesen/Spaniern. Okay, bei den Spaniern und Portugiesen ist es so, dass Altweltkrankheiten bei den indigenen Bevölkerungen erhebliche demographische Löcher rissen und damit auch das gesellschaftliche Gefüge ganz erheblich durcheinander brachte. Das war aber bei Römern und Arabern nicht der Fall. Die Araber stießen sogar in Räume vor, wo das prestigeträchtige Griechische oder Lateinische Verkehrs- oder Alltagssprachen waren und trotzdem schimpfen Alvarus und Eulogius von Córdoba, dass die jungen Christen fluenter im Arabischen als im Lateinischen seien.
 
Ist ja alles richtig, aber du argumentierst eben über die schiere Masse der Invasoren. Die ist natürlich ein Faktor. Aber eben kein Automatismus, daher meine Beispiele von Römern, Arabern und Portugiesen/Spaniern.
Was ist kein Automatismus? Ich hab doch überhaupt nichts über Römer oder Araber oder Spanier in der Neuen Welt geschrieben. Ich hab nur auf den Unterschied zwischen Franken in Gallien und Angelsachsen in Britannien hingewiesen: Bei den einen hat sich eine kleine Gruppe als Herrscher über eine weit zahlreichere Urbevölkerung etabliert, bei den anderen hat es einen erheblichen Austausch der Bevölkerung stattgefunden. Dass die Eroberer im zweiten Fall eher ihre Sprache beibehalten als im ersten, erscheint mir naheliegend; unbenommen davon, wie es dazu kommen kann, dass unter anderen Bedingungen auch eine kleine Minderheit einer unterworfenen Mehrheitsbevölkerung eine andere Sprache aufzwingen kann.

Ich weiß grad nicht, worauf du eigentlich hinaus willst, sry.

EDIT
Wobei, vielleicht meinst du das: Ich hab das nur geschrieben, weil es zwischen den germanischen Völkern, die Teile des römischen Reiches besetzten, ansonsten große Ähnlichkeiten gab. Alle kamen aus dem in vielen Punkten rückständigen Germanien, und machten sich im kulturell, ökonomisch etc eigentlich weit überlegenen römischen Reich breit. Da ergibt die Frage, warum es so große Unterschiede im Ergebnis gab, mE wesentlich mehr Sinn, als wenn man fragt, welche Auswirkungen völlig andere Eroberer in völlig anderen Situationen haben können.
 
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