Kopfjagd in Montenegro

Maglor

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Schon öfter haber ich aufgeschnappt, dass in Montenegro im 19. Jahrhundert (oder gar bis ins frühe 20. Jahrhundert) noch Kopfjagden üblich waren. Immer war es nur einer kleiner Hinweis in Abhandlungen, deren Schwerpunkt mehr auf Papua etc. lag. Eben ein Verweis darauf, die Kopf sei vor gar nicht all zu langer Zeit noch am Balkan betrieben worden.
Die abgetrennten Köpfe wurden an Locke getragen, die sich Montenegriner angeblich extra wachsen ließen, für den Fall Opfer eines Kopfjägers zu werden.
Ich wäre ja gern schlauer als die Encyclopaedia Britannica.
In Europe the practice survived until the early 20th century in the Balkan Peninsula, where the taking of the head implied the transfer of the soul matter of the decapitated to the decapitator. The complete head was taken by Montenegrins as late as 1912, being carried by a lock of hair worn allegedly for that purpose.
 
montenegrinnische Märchenerzählungen.

Wie so vieles eigentlich. Das sagt der Nachfahre von Montenegrinnern.
 
Die abgetrennten Köpfe wurden an Locke getragen, die sich Montenegriner angeblich extra wachsen ließen, für den Fall Opfer eines Kopfjägers zu werden.

Ja wie jetzt? Die Leute sollen sich absichtlich praktische "Trageschlaufen" wachsen gelassen haben, damit ihr späterer Mörder die Trophäe dann komfortabel tragen konnte? :nono:... :rofl:
 
Ja wie jetzt? Die Leute sollen sich absichtlich praktische "Trageschlaufen" wachsen gelassen haben, damit ihr späterer Mörder die Trophäe dann komfortabel tragen konnte? :nono:... :rofl:

Wieso nicht? Hat man in Japan auch gemacht. Da gab es aber die Komponente, dass für Japaner der Kopf eines Toten "Unrein" war und nicht direkt berührt werden durfte sondern mit einer kurzen Nadel an der Locke aufgenommen wurde.
 
Hauptquelle scheint die britische Balkanreisende und spätere Ethnologin Edith Durham zu sein. In ihren Briefen schilderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts die rauen Sitten am Balkan.
Die Kopfjagd hat sich wohl auf nicht auf die Montenegriner beschränkt, sondern scheint bis ins 19. Jahrhundert im gesamten Süden des Balkans mehr oder weniger verbreitet gewesen zu sein. Insbesondere bei Albanern, aber auch unter Türken, Serben und Ragusanern.
Hier Durhams detailreiche Beschreibung der balkanesischen Kopf bei Google-Books.
 
In der serbischen Stadt Nîs haben sich noch Reste einer osmanischen Trophäensammlung erhalten.
Der Schädelturm soll einst über 1000 Schädel serbischer Aufständischer enthalten haben. Die meisten Köpfe sind heute verschwunden.
Kunstvoll wurden die Köpfe der Serben zu einem Monument aufgeschichtet.
Die Serben selbst begnügten sich hingegen lediglich damit die Nasen erschlagener Türken zu sammeln.
 
Sucht man nach Bildern von albanischen und montenegrinischen Männern des 18. und 19. Jahrhundert, erkennt man im Nacken einen für Männer relativ langen Haarschopf. Der große Teil der Frisur wird jedoch meist von Kopfbedeckungen unterschiedlichster Art bedeckt: Fez, Turban, Zipfelmütze, Pelzmütze...

Auf diesem Gemälde Charles Robert Cockerell sind Albaner des frühen 19. Jahrhunderts zu sehen. An den Seiten sind die Krieger kahl rasiert, nur in der Mitte bleibt eine Locke.
Das Bild passt zu Edith Durhams Beschreibung: Blood vengeance raged between Montenegrin, Turk and Albanian, and for one head many would be taken. The heads were tied by the lock left on them to the neck or belt of the warrior.
Dies scheint die übliche Haartracht der Arnauten zu sein, so der Brockhaus von 1809: die Haare, deren Vordertheil abgeschoren ist, bedeckt eine bis auf die Augenbraunen vorgeschobene Mütze von rothem Tuch


Hinweise darauf, dass nicht nur Balkanesen an der Kopfjagd beteiligt waren, liefert das Wappen der Fürsten von Schwarzenberg. In Erinnerung an Schwarzenbergs führende Rolle bei der Verteidigung Wiens gegen die Türken ziert das Wappen der abgeschlagene Kopf eines "Türken", der von einem Raben bearbeitet wird. Auffälig sind Bart und Frisr des abgesclagenden Türkenhauptes, welche wohl dem Trend des Balkans folgte.
Besonderer Witz liegt noch darin, dass "Schwarzenberg" nicht jenes Adelsgeschlecht bezeichnet, sondern in Vergangenheit - ohne jeden Zusammenhang zum Hause Schwarzenberg - als Übersetzung für Montenegro herhielt.
Das Haupt des vor Wien gescheiterten türkischen Feldherrn wurde tatsächlich aus seinem Grab in Belgrad geraubt und der Schädel von Großwesir Kara Mustafa Pascha bis 1975 als Teil der Türkenbeute in Wien ausgestellt.
 
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In der serbischen Stadt Nîs haben sich noch Reste einer osmanischen Trophäensammlung erhalten.
Der Schädelturm soll einst über 1000 Schädel serbischer Aufständischer enthalten haben. Die meisten Köpfe sind heute verschwunden.
Kunstvoll wurden die Köpfe der Serben zu einem Monument aufgeschichtet.
Die Serben selbst begnügten sich hingegen lediglich damit die Nasen erschlagener Türken zu sammeln.


Das war keine Sammlung sondern ein Monument um die Bevölkerung zu schocken.
 
Von abgeschlagenen Nasen hab ich auch nie was gehört man sammelte Säbeln der Opfer.

Dort stand meist auch der Name drauf des Toten (wenn er bedeutend war).

So sollen sich die Rebellen bei der Schlacht von Misar, um die Säbel der Toten Pasas und Agas fast erschlagen haben.

Sinan Pasa Sijeric
Mehmed Beg Kulenovic
Mustafa Beg Begovic
Mehmed Pasa Vidajic

Die absolute Elite des bosnischen Pashaliks.

Battle of Mi?ar - Wikipedia, the free encyclopedia
 
In Edith Durhams beschreibt die Firsur wie folgt "Head hunting at the Balkan":
Till recently, the heads of all Serbs, Montenegrins and Albanians were shaven a long lock, plait or two side tufts only left.
Der Grund hierfür, so die populäre Ansicht, sei, dass der Sieger den abgetrennten Kopf sonst nur mittels Griff durch den Mund tragen kann. Dies wäre für den Unterlegenen äußerst unangenehm und entehrend, insbesondere, wenn der Kopfjäger der an anderen Religion (Islam / Christentum) angehöre und daher unrein sei. Da ist es besser man lässt sich ein langes Zöpflein wachsen, als wenn einem der Kopfjäger mit der Hand in der Mundhöhle herumträgt. (Hat auch viel mehr Stil.)
Auf jeden Fall handelt es sich um die damals typische Männerfrisur auf dem südlichen Balkan, egal ob Muslim oder Christ, Slawe oder Albaner.

Berühmte Kopfjäger soll es auch in "mittelalterlichen" serbischen Balladen gegeben. Als berühmter Kopfjäger wird auch der Grand Voyvoda Mirko genannt. Außerdem sollen noch montengerinische Söldner in russischen Diensten in den Napoleonischen Kriegen Köpfe erbeutet haben. In serbo-kroatischer (etc.) oder auch französischer Sprache müsste also noch das ein oder andere für oder auch wieder die Kopfjagd zu finden sein. Dann gibt es auch noch den Reisebericht des Ägyptologen Sir John Gardner Wilkinson, der in den 1830ern in Montenegro noch an einem Kirchturm in Cetinje zur Schau gestellte Türken-Köpfe gesehen hatte. Der Brite versuchte einen montenegrinischen Bischof von der Beendigung dieser Sitte zu überzeugen.

Durham erwähnt weiter, die Kopfjäger hätten auch Waffen und Kleider geraubt:
Then with the Turks’ clothes and weapons and the heads upon oaken stakes they marched back to the village of Markovitch and set up eleven heads before the white Tower of the Serdar and Betcho’s head they carried to the tower above the Monastery where up till now many Turkish head have been impaled …
Interessant ist an der Stelle, der vergleichsweise unexotische Transport der Köpfe auf Lanzenspitzen und die Anbringung der Trophäen über dem Kloster.
 
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Die gleiche Frisur trugen auch die freiwilligen Galeerenruderer (Buonavoglia) zur Unterscheidung gegenüber den völlig kahlgeschorenen Sklaven und Sträflingen. Der Ursprung könnte aber auch bei ihnen der Balkan sein, da viele der Berufsruderer auf den venezianischen Galeeren aus der Region kamen.
 
Köpfe als Trophäen und aufgeschichtet als Abschreckung sind unter anderem aus den zentralasiatischen Steppenkulturen bekannt. Die Mongolen haben das gemacht und die Türkvölker auch. Könnte also gut sein, daß der Brauch durch die Osmanen auf den Balkan gelangt ist - muß aber nicht.
 
Köpfe als Trophäen und aufgeschichtet als Abschreckung sind unter anderem aus den zentralasiatischen Steppenkulturen bekannt. Die Mongolen haben das gemacht und die Türkvölker auch. Könnte also gut sein, daß der Brauch durch die Osmanen auf den Balkan gelangt ist - muß aber nicht.

Kann aber auch viel älter sein. Schon die Kelten nahmen Kopftrophäen.
 
Nicht nur das. Sie haben damit auch schöne Trophäenständer errichtet, mit Nischen für die einzelnen Köpfe, ähnlich wie der Turm in Nis.

Kommt der Brauch Hirschköppe an die Wand zu nageln vielleicht daher?:confused:
 
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Ich glaube kaum, dass die Sitte so alt ist. Die Ursprünge der Balkan-Völker sind ziemlich unbekannt und verworren. Eigentlich liegt nichts ferner als eine Kontinuität zu antiken Völkern. Statt der Kelten wären ja eigentlich auch Illrrer und Makedonen verdächtigere Ahnen. :D
Auffällig ist, dass sich die Völkerschaften so wenig unterscheiden. Archaische Sitten wie Schwurjungfrauen, Blutrache ... waren bei Montenegrinern und Albanern gleichermaßen vertreten, ebenso auch bei in der Region ansässigen Griechen, Türken und Vlachen und das offenbar unabhängig von der Religion.

Woher sie Sitten kommen ist unklar. Interessant ist sicher noch, dass eine ähnliche Frisur bei den Kosaken üblich war. Da diese ebenfalls eine undurchsichtige Mischung slawischer und turkischer Sitten darstellen, bringt dies natürlich kein Licht ins Dunkel.
Interessanter ist da dieser Text über die uskokischen Söldner der Habsburger im 16. Jahrhundert.
Die Uskoken von Senj - Habsburgs Wachhunde an der Militärgrenze
Die Uskoken gelten heute meist als Kroaten. Grund hierfür ist aber die Anbindung zum katholischen Habsburg, ursprünglich waren sie eine heterogener Söldnergruppierung.
Die Uskoken waren ein Gemisch aus vielen Völkern...
Viele hatten ähnlich den Kosaken eine Glatze, die lediglich von einer Locke geziert wurde...
Vergeltungsmaßnahmen wurden oft mit äußerster Grausamkeit durchgeführt und abgeschnittene Köpfe, Nasen und Ohren waren wie überall auf dem Balkan als Trophäen begehrt. Die Uskoken hatten allerdings einen besonders grausamen Ruf.


Das Motiv der zur Pyramide auftürmten Schädel taucht in den Türkenkriegen häufig auf. Beim serbischen Mythos rund um das Amselfeld spielen von den Türken aufgeschichte Serbenköpfe eine wichtige entscheidende Rolle.
 
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YouTube - Vuk Karad?i? (serija).1 Dobri hodi Crnoj Gori Montenegro Crna Gora

In dieser Serie "Vuk Karadzic" wird thematisiert.

Ein Gespräch ab der 5 Minute. Vuk Karadzic ist der mit dem Fes.

Montenegrinner:Vuk schreib nicht Blödsinn über uns, das wir Barbaren seien oder sowas.
Karadzic sagt: Wer sagt das.
Montenegrinner. Die Franzosen beschwerten sich wie wir den Franzosen die Köpfe abgeschlagen haben.
Karadzic: Und was habt ihr erwiedert.
Montenegrinner: Unser Führer hat gesagt wir haben das von den Franzosen, ihr habt eurem eigenen König den Kopf abgeschlagen. Die werden noch erzählen wir hätten Johannes dem Teufer den Kopf abgeschlagen. Seit dem es Menschen gibt schlagen sich die Menschen den Kopf ab, auch zwei Hühner greifen den Hals gegenseitig an.
 
Ich glaube kaum, dass die Sitte so alt ist. Die Ursprünge der Balkan-Völker sind ziemlich unbekannt und verworren. Eigentlich liegt nichts ferner als eine Kontinuität zu antiken Völkern. Statt der Kelten wären ja eigentlich auch Illrrer und Makedonen verdächtigere Ahnen. :D
Auf.
Die Uskoken von Senj - Habsburgs Wachhunde an der Militärgrenze
Die Uskoken gelten heute meist als Kroaten. Grund hierfür ist aber die Anbindung zum katholischen Habsburg, ursprünglich waren sie eine heterogener Söldnergruppierung.


Die meisten Uskoken stammten aus dem Osmanischen Reich Bosnien, Herzegovina, Montenegro und Westserbien.

Wie auch ein großer Teil der stokavischsprechenden Einwohner des heutigen Kroatien von Einwanderern abstammen.

Vor den Migrationen

Serbo_croatian_dialects_historical_distribution.png




Shtokavian_subdialects1988.png
 
Der Film über Vuk Karadzic ist super, den muß ich mir besorgen, habe ihn noch nicht gekannt.

Der Rest des Gesprächs ist auch ganz lustig, da wird auf das Köpfen, welches seit Menschengedenken praktiziert wird eingegange, selbst der engel der Adam aus dem Paradies herausgeworfen hat soll ein Schwert getragen haben, um Adam, im Falle von Gegenwehr, die Rübe abzuhauen.
Darauf erwidert einer dann dass die Montenegriner, wenn diese im Paradies gewesen wären dort immer noch wären :rofl:
 
Der spätere Revolutionsführer Leo Trotzki schrieb 1912 für eine Kiewer Zeitung einen Artikel über damals brandaktuellen Balkankrieg und die damit verbundenden Greueltaten an Türken und Albanern im heutigen Mazedonien. Er beruht auf dem Bericht eines Serben.

Zwei Tage vor meiner Ankunft in Skopje erblickten die Einwohner am Morgen unter der Hauptbrücke über den Vardar, also direkt im Stadtzentrum, Berge von albanischen Leichen, denen die Köpfe abgetrennt waren. Die einen sagen, das seien hiesige Albaner gewesen, die von den Komitadshi getötet wurden; die anderen sagen, die Leichen seien von den Fluten des Vardars angespült worden. Auf jeden Fall waren die Leute mit den abgetrennten Köpfen nicht im Gefecht getötet worden...
Über den Verbleib der abgetrennten Köpfe wusste Trotzki nichts zu berichten.

Durchaus im Sinne von Vuk Karadzics bagatellisiernden Hühnervergleich ist diese Aussage:
›Wir braten Hühner und schlachten Arnauten. Aber das haben wir schon über‹, fügt er mit einem Gähnen hinzu und begleitet seine Worte mit einer Geste von Müdigkeit und Gleichgültigkeit.

Der Kanun, der überlieferte albanische Kodex für Sitten, Selbstjustiz usw. hat für den Fall auch seine Bewertung. Wenn ein Mörder das bereits tote Opfer verstümmelt, gilt die Verletzung der Leiche als weitere Mord. Durch die nachträgliche Köpfung wird Gegner symbolisch ein zweites Mal getötet. Dies muss dann entsprecht doppelt gerächt werden.
 
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