Kultplätze/Heiligtümer in der Gallia Cisalpina?

brigont

Mitglied
Polybios schreibt von den beweglichen und den unbeweglichen Feldzeichen, welche von den Insubrern aus ihren Tempeln geholt wurden, als die Römer anrückten. Livius besitze ich leider noch nicht. Gibt es andere Quellen oder Ausgrabungen, die so ein Heiligtum behandeln? Weiß man darüber überhaupt etwas? Haben Insubrer, Boier, Lingonen, usw... ihren Göttern südlich der Alpen in Tempeln gehuldigt, wie sie es wohl bei Etruskern und Griechen gesehen haben? Oder suchten sie ein Nemeton auf? Oder haben urbane Kelten wie etwa die Boier aus Felsina Tempel besucht, während die Landbevölkerung traditionelere Orte aufsuchte?
Kann das überhaupt wissenschaftlich beantwortet werden?
LG.
 
Als Ende 216 v. Chr. der römische Praetor und designierte Konsul Lucius Postumius Albinus im Kampf gegen die Gallier fiel, brachten die Boier seine Rüstung und seinen Kopf in den heiligsten ihrer "Tempel". Den gereinigten Schädel vergoldeten sie und verwendeten ihn als Opfergefäß, außerdem tranken die Priester und Tempelvorsteher daraus. Näher beschrieben wird der "Tempel" leider nicht (Livius 23,24).
 
Welche Quelle spricht eigentlich zum ersten Mal von Druiden?
Bei Polybios kommen sie ja noch nicht vor.
LG.
 
Diodoros Sikulos und Caesar. Allerdings dürft Diodors Ausführungen zumindest teilweise auf Caesars De Bello Gallico basieren.
 
Wenn Polybios Sie nicht erwähnt, und auch sonst kein Grieche, dann wird es Sie wohl zur Zeit des Hochhellenismus noch nicht gegeben haben. Die Griechen müssten sie ja kennen. Immerhin haben sie die Kelten im 3. Jahrhundert vuZ.
selber kennengelernt. Wenn auch auf unangenehme Weise. Oder gab es Druiden nur in Gallien und Britanien und bei den Ostkelten nicht? Wenn die Kelten sich im Raum Ostfrankreich, Süddeutschland, Österreich, Schweiz, Böhmen entwickelt haben und sich ihre Kultur von da nach Osten, Süden u. Westen ausbreitete, Druiden aber nur im Westen als solche benannt werden, können Sie doch auch keine Urkeltische Institution gewesen sein oder?
Immerhin gab es bei den Kimbern Pristerinnen deren Rituale (Blut/Kessel) doch irgendwie sehr an Kelten erinnern.
 
Vielleicht haben damals einfach, im Okkulten Bereich, die Männer die Oberhand gewonnen, sprich die Zauberer haben den Hexen das Zepter entrissen...;)
 
Erstens kann man aus einer Nichterwähnung nicht auf eine Nichtexistenz schließen. Nur weil etwas existiert, muss nicht auch zwingend jemand darüber schreiben. Polybios z. B. hat ja nicht explizit ein Werk über die Kelten verfasst.

Zweitens ist nur ein Bruchteil der antiken Literatur erhalten, auch Polybios' Werk ist größtenteils verloren. Wir wissen also gar nicht, was in verlorenen Werken möglicherweise erwähnt wurde.

Drittens könnte es durchaus ältere Erwähnungen geben, die aber nur indirekt durch Zitate bei späteren Autoren erhalten sind, sodass wir nicht nachprüfen können, was im Original wirklich stand.
Diogenes Laertios schrieb im Vorwort seiner Lebensbeschreibungen berühmter Philosophen, dass die Philosophie manchen zufolge bei den Barbaren entstanden sei, und nennt als Beispiele die Magier der Perser, die Chaldäer der Babylonier und Assyrer, die Gymnosophisten der Inder und die Druiden der Kelten und Gallier. Als Beleg führt er die Werke "Magikos" von Aristoteles und "Diadoche" von Sotion an. Ob "Magikos" wirklich von Aristoteles (4. Jhdt. v. Chr.) ist, ist allerdings umstritten, somit ist er als Beleg recht wertlos. Sotion schrieb vermutlich im 2. Jhdt. v. Chr. Aber wir wissen nicht, ob er wirklich ausdrücklich die Druiden erwähnt hat.
Strabon erwähnte die Druiden ebenfalls. Seine Ausführungen zu den Kelten entnahm er zumindest teilweise Poseidonios (2./1. Jhdt. v. Chr.), den er ausdrücklich als Gewährsmann nennt. Dass er auch seine Ausführungen zu den Druiden von Poseidonios hatte, schreibt er allerdings nicht ausdrücklich.
Somit besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Druiden bereits von Sotion und/oder Poseidonios erwähnt wurden, eventuell sogar Aristoteles. Genau wissen wir das allerdings nicht.
 
Sehr interesant! Ich muss zugeben, dass ich erst begonnen habe mich mit den Schriften der Antiken Zeitgenossen zu beschäftigen. Habe Homer und Polybios gelesen und warte gerade auf Livius...
Die Fachliteratur zu den Kelten wirft irgendwie bei jeder Antwort zwei neue Fragen auf. Am genauesten behandelt das Thema mMn. Birkhan, obwohl sehr viel von den Inseln dabei ist. Martin Kuckenburg, Elena Percivaldi, Bernhard Mayer, Jan de Frieß und Barry Cunliffe finde ich auch gut. Wobei letzterer, glaube ich, einmal behauptet hat, die keltische Kultur und Sprache sei im Westen entstanden, was ich nicht glaube, da doch die ältesten Funde aus Mitteleuropa stammen. Weis jemand gute Bücher, die den Zeitraum von den Keltenkriegen, über den zweiten punischen Krieg, bis nach dem 2. makedonischen Krieg behandeln? Dabei interesiert mich vornehmlich der militärgeschichtliche Aspekt, aber auch alles Andere.
 
Wobei letzterer, glaube ich, einmal behauptet hat, die keltische Kultur und Sprache sei im Westen entstanden, was ich nicht glaube, da doch die ältesten Funde aus Mitteleuropa stammen.
Kultur und Sprache sind nicht dasselbe.
Die ältesten keltischen Sprachzeugnisse stammen tatsächlich von der iberischen Halbinsel (bzw. aus Oberitalien).
 
Man definiert die Träger der La Tene Kultur aber nach dem Fundgut oder? Die könnten theoretisch viele verschiedene Sprachen gesprochen haben. Ähneln die Schriftfunde aus Iberien den Felsinschriften aus Gollasecca?
LG.
 
Man definiert die Träger der La Tene Kultur aber nach dem Fundgut oder? Die könnten theoretisch viele verschiedene Sprachen gesprochen haben.
Genau. La Téne bezeichnet eine archäologische Kultur. Hallstatt eine frühere archäologische Kultur. Das sind die archäologischen Kelten. In deren Gebiet haben wir viele als keltisch anzusprechende Ortsnamen, weswegen man davon ausgehen kann, dass die archäologische Kultur auch weitgehend den keltischsprachigen Gebieten entspricht. Aber man kann natürlich nicht von einer Keramik oder Metallarbeit, die der Hallstatt oder der La Téne zugehörig ist schließen, dass der Besitzer keltisch sprach.
 
Haben Insubrer, Boier, Lingonen, usw... ihren Göttern südlich der Alpen in Tempeln gehuldigt, wie sie es wohl bei Etruskern und Griechen gesehen haben? Oder suchten sie ein Nemeton auf? Oder haben urbane Kelten wie etwa die Boier aus Felsina Tempel besucht, während die Landbevölkerung traditionelere Orte aufsuchte?

Ich habe von der Gallia Cisalpina leider keine Ahnung, aber vielleicht hilft dieser Aufsatz weiter:

https://www.academia.edu/3623689/Di...och_gallisch_oder_schon_römisch?auto=download

Der Aufsatz ist aus Martin Schönfelder (Hrsg.), Kelten! Kelten? Keltische Spuren in Italien, Mainz, 2010. Da mögen auch andere Aufsätze zu diesem Thema weiterhelfen.


Noch eine kleine Korinthenkackerei meinerseits: bitte doch den richtigen Akzent setzen, hier bitte den Accent grave, nicht den aigu und schon gar nicht ohne Akzent, also La Tène :D (Wenn hier mal die Académie française 'reinschaut, was soll die von uns denken?;))
 
Noch eine kleine Korinthenkackerei meinerseits: bitte doch den richtigen Akzent setzen, hier bitte den Accent grave, nicht den aigu und schon gar nicht ohne Akzent, also La Tène :D (Wenn hier mal die Académie française 'reinschaut, was soll die von uns denken?;))
Mh. Ob die Académie française ernstlich böse ist, wenn ich einen Schweizer Ort falsch schreibe? Da macht mir die Académie suisse mehr Angst! ;)
 
Academia edu bekomm ich immer auf meine mail adresse geschickt, hab ich schon gelesen...ich glaube man kann die anfangs gestellte Frage erst beantworten, wenn ein, als solches erkennbares, keltisches Heiligtum in Norditalien ausgegraben wird. Sollte das bereits passiert sein, habe ich es einfach nicht mitbekommen.
 
Academia edu bekomm ich immer auf meine mail adresse geschickt, hab ich schon gelesen...ich glaube man kann die anfangs gestellte Frage erst beantworten, wenn ein, als solches erkennbares, keltisches Heiligtum in Norditalien ausgegraben wird. Sollte das bereits passiert sein, habe ich es einfach nicht mitbekommen.

Hast Du bereits alle Beiträge in dem Band gelesen bzw. angelesen, ob da zu dem Thema etwas verwertbares enthalten ist?

Mh. Ob die Académie française ernstlich böse ist, wenn ich einen Schweizer Ort falsch schreibe? Da macht mir die Académie suisse mehr Angst! ;)

Immerhin in der französischsprachigen Schweiz. Die Académie ist Gralshüterin der französischen Sprache mit all ihren Akzenten. Ihre Mitglieder - die unsterblichen 40 - sind mit Degen bewaffnet, um diese zu verteidigen. :) Also Obacht, wenn diese quarante Immortels mit Degen losstürmen.

Danke, Carolus, daß du mir das Outing erspart hast... :rotwerd:

Ich habe kurz vor Weihnachten einen Weihnachtsmarkt besucht, auf dem "Crepe's" (sic!) angeboten wurden. In einem Wort gleiche zwei Orthographieverbrechen:eek:! Wenn ich einen Edding dabeigehabt hätte, ja dann... :)
(Belegfoto mit dem crime d'ortographe geht an die Académie 'raus, dann sollen das die 40 Unsterblichen mit ihren Degen regeln:D)
 
Hallo brigont, zu deiner Ausgangsfrage, richtig gute Frage! Warum? Erst dadurch ist mir aufgefallen, dass die römischen Quellen (Ravenik hat richtig eingeschränkt, dass viele verloren gegangen sind), die uns bekannt sind, an einer genaue gesellschaftlichen Beschreibung der italischen keltischen Gesellschaft desinteressiert (z.B. Polybios) sind. Polybios ist recht sparsam mit Personennamen, nicht einmal Brennos erwähnt er, einmal erzählt er, dass die Boier ihre eigenen Doppelkönige Atis und Galatos töteten (2,21,5). Sonst erwähnt er die anonymen Häupter (Prinzeps) der Kelten, im Vergleich zur Beschreibung der gallischen Gesellschaft durch Cäsar (und sicher auch Poseidonios) bleiben seine Informationen jedoch kursorisch und ankedotenhaft - Polybios erwähnt (2,17,10), dass die Kelten keine anderen Künste als Landbau und Krieg kennen und ein einfaches Leben führen würden - direkt danach spricht er jedoch vom Gold, dass die Kelten wie das Vieh zu ihrem Besitzstand zählen würden (auch die cisalpinen Kelten prägten Münzen). Eine priesterliche Kaste wie die Druiden beschreibt er nicht, spricht aber von Tempeln: die Insubrer holen ihre unbeweglichen Feldzeichen aus dem Tempel der Athena (2,32,6): selbst das keltische Pantheon ist keiner Erwähnung wert. Polybios enschuldigt sich fast, wenn er abschließend seinen Exkurs zu den römischen Keltenkriegen begründet (2,35,4): "meinerseits glaube ich in Ansehung ihrer bald erfolgten Austreibung aus der ganzen Ebene des Padus, mit Ausnahme weniger am Fuß der Alpen gelegenen Gegenden, weder ihren ersten Einfall, noch die später von ihnen vollführten Taten, noch die letzte Erhebung mit Stillschweigen übergehen zu dürfen, indem ich es für Pflicht des Geschichtsschreibers halte, solche Zwischenspiele des Schicksals dem Gedächtnis der Nachwelt zu überliefern, damit nicht die kommenden Geschlechter, mit dergleichen Ereignissen völlig unbekannt, bei plötzlichen und unerwarteten Einfällen der Barbaren den Mut verlieren..." Seine Beschreibung der Kelten ist stark klischeebehaftet, es ist kein ethnographischer Exkurs, ähnlich auch bei Livius (im 5.Buch 33,4-35.3), es gibt nur magere Informationen zum politischen und sozialen Leben, zur Religion, Gebräuchen, Feste, Wohnorten oder dem Wirtschaftsleben. Städte wie Mediolanum werden während der Kriegsereignisse erwähnt, in der Beschreibung der Wohnorte (2,17,9) schreibt Polybios jedoch, dass sie Dörfer ohne Mauern bewohnen und keinen Hausrat besitzen. Auch in sich ist die Schilderung der italischen Kelten nicht kohärent. Dies ist vielleicht dadurch verursacht, dass die Kelten als militärischer Kriegsgegner beurteilt werden, alle Charakterisierungen mit ihrer Kriegstüchtigkeit in Beziehung stehen, wie Bernhard Kremer über Livius urteilt (Das Bild der Kelten bis in augusteische Zeit, S.17-19). So soll das primitive planlose Wohnen vielleicht eine Mentalität der keltischen Kriegsgegner bebildern, die wie Polybios (2,35,2-3) urteilt, von Planlosigkeit, fehlender Klugheit und Mangel an Überlegung gekennzeichnet ist (dem stellt er ihre verzweifelte Kühnheit und Leidenschaft entgegen). Wer jedoch Livius Beschreibung der Schlacht an der Allia liest, stellt fest, dass ausnahmsweise der senonische Fürst berechnend und überlegt handelt (und klug die Besatzung eines Hügels zuerst angreift (Liv.5,38,3), und ganz untypisch die römischen Feldherren "unrömisch" unüberlegt agierten (kein Aufschlagen eines Lagers, keine Befragung der Götter, keine Anlage einer Verschanzung, Schwächung des Mitteltreffens, Liv. 5,38,1).
Zu deiner Frage der Tempel und Heilgtümer: sie werden bei Polybios eben nur im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen herangezogen, sind für ihn von keinem eigenständigen ethnographischen Interesse. Schade für uns, weil wir dadurch aus den überlieferten schriftlichen Quellen recht wenig über die italischen Kelten erfahren.
Zu deiner Frage nach archäologischen Funden werde ich hoffentlich bald etwas schreiben. Unten doch eine andere Kunst als Landbau und Krieg, der Helm von Canosa di Puglia, 4.Jahrhundert BC
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