Landnutzung/"Flächennutzungsplanung": Wald vs. Feld vs. Siedlung im Mittelalter

rrttdd

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Hallo,

ich frage mich, ob und wie im Mittelalter die Landnutzung vorausgeplant wurde. Ich würde mich dabei mal grob auf die drei Kategorien Wald, Feld und Siedlung fokussieren...

Man nehme mal einen lokalen Herrscher/Graf xy anmit einem beschränkten Gebiet.

Das Gebiet kann er wie folgt nutzen:

Wald: Ergibt Brennholz bzw. Energie im Winter, Bauholz und etwas Nahrung durch Jagd.
Feld: Dient der Nahrungsmittelproduktion in großem Stil
Siedlung: dort leben Menschen und die Siedlung ist sowohl auf Felder als auch auf Energie aus den Wäldern angewiesen

Auf welcher Grundlage wurde eine Aufteilung durchgeführt. Beispiel: Ein Bauer hat viele Kinder und würde gerne Wald roden, um dort weitere Felder anzulegen. Jetzt müsste man als Graf/Ritter doch anfangen, Kalkulationen zu erstellen:

-der Wald ist verhältnismäßig klein
-das Dorf hat sich in den letzten Wintern beschwert, dass es mit dem Brennholz, was dort herausgeholt wurde, knapp war.
--> eigentlich muss man der Familie daher die Rodung untersagen, und im Gegenteil eher aufforsten... Dafür ginge aber Ackerfläche verloren.
Vielleicht findet sich aber noch eine andere Möglichkeit, z.B. durch Handel, Einziehung von Holz oder Nahrung als Zoll von durchreisenden Händlern oder Raubzüge in den benachbarten Grafschaften...

Wie wurde das damals geregelt?
 
Das ist schon mal ein guter Einstieg. Aber wie war das Verhältnis dieser Nutzungsformen zueinander? War es flexibel? Wenn ich jetzt z.B. Hutewald roden will, um die Feld-Allmende-Flächen zu vergrößern, was muss ich dann für Verfahren anleiern?

Und wurden in einem solchen Verfahren z.B. Erträge und Bedarfe prognostiziert, von denen der Ausgang mit abhängig war?
 
Du darfst dir das nicht wie eine moderne Verwaltung vorstellen. Wenn du es wirklich verstehen willst, musst du erst einmal den verfassungsrechtlichen Hintergrund verstehen. Zudem gab es teils große regionale Unterschiede.

Mal für Westfalen ein paar etwas vereinfachte Informationen.

Die Dörfer* waren in Gemeinheiten, eine Art Genossenschaften, gegliedert und wählten unterschiedlich benannte Dorfvorsteher. Hier nannten sie sich 'Burmeister', was aber keine Parallele zum Bürgermeister sein muss (vgl. u. das zum Burgericht gesagte). Sie leiteten Versammlungen und fungierten als Richter.

Denn diesen war das Burgericht zugeordnet, was aber auch lokal oder regional vom Adel oder Klerus besetzt werden konnte. Sie sind, zumindest in späterer Zeit nicht zu verwechseln mit den landrechtlichen Dorfgerichten als eine Art Untergericht der Gogerichte, wie sie etwa auch der Sachsenspiegel erwähnt. Leider gehen die Bezeichnungen durcheinander. Burgerichte regelten die Streitigkeiten der Mitglieder der Gemeinheit untereinander, zwischen den Mitgliedern und der Gemeinheit selbst und konnten auch gewisse Rechte der Gemeinheit durchsetzen. Es war also bei Weitem nicht so, dass der Adel alles entschied.

Zur Gemeinheit gehörten die Besitzer der Höfe, die nach der Meierqualität Anteil an der Gemeinheit hatten. Auch Adlige und Klerus konnten für ihre Güter stimmberechtigt sein, manchmal mit mehr als einer Meierqualität.

In Westfalen wurden die Dörfer durch Zäune oder Wallhecken vom Umland abgegrenzt. So ziemlich jeder Hof hatte eine Weide beim Haus. Oft, wie bei meinem Wohnort verliefen die Zäune des Orts** um die Weiden der äußeren Häuser. Innerhalb des Ortes waren die Höfe durch Zäune abgegrenzt, Kirche samt Friedhof durch Zaun, Wallhecke oder Mauer. Alles innerhalb der Zäune des Dorfes, was nicht durch Zaun abgegrenzt war, gehörte der Gemeinheit. Fiel ein Ort wüst, blieben die Berechtigungen hieran manchmal erhalten. Als im 19. Jahrhundert dann das Gemeingut der Gemeinheiten in den Gemeinheitsteilungen aufgeteilt wurde, entstanden daher manchmal noch Schriftquellen zu mittelalterlichen Ortswüstungen, die Annahmen zur Ortsgröße und teils auch zu Meierqualität und zur Lage der Höfe erlauben.

Außerhalb der Zäune des Ortes lag zunächst die Feldflur der Gemeinheit, d.h. die von den zur Gemeinheit gehörenden Äcker und Gärten sowie bestimmten Höfen zugeordnete Wiesen und Weiden. Wege hier unterstanden dem Gogericht.*** Und das Geleitrecht stand meist dem Landesherrn zu. Hier vor Ort gab es da eine Ausnahme: Landesherr war der Fürstbischof von Paderborn, aber das Geleitrecht lag bei den Edelherren, später Grafen und Fürsten zur Lippe. Aber auch hier konnte Besitz der Gemeinheit liegen, etwa Sammelplätze für Vieh oder Röthekuhlen zur Leinenherstellung, (Die Gärten konnten eigene Bezirke darstellen, aber ich will keinen Roman schreiben.)

Dann konnte eine Gemeinheit Allmenden besitzen, die meist um die Feldflur lagen, also gemeinsam genutztes Land. Meist wurde es zur Weide genutzt, es gab aber auch Wälder für Feuer- und Bauholz. Mitunter stand das Bau- und/oder Feuerholz einer anderen Partei, etwa dem Fürsten zu. Oft okkupierten Fürsten das Recht am Holz einfach. Ansonsten waren die Nutzungsrechte nach Meierqualität aufgeteilt, wobei natürlich die Leistungsfähigkeit des Landes bedacht war. Typisch wäre etwa, dass jeder Hof ein Schwein mästen lassen durfte, Vollmeier und der Pfarrer aber zwei. Entsprechend für Rinder, Gänse und Schafe, wenn letztere nicht auf bestimmte Höfe beschränkt waren. Jeder der ein Tier auf die Weide treiben lies, bezahlte einen Teil des Lohns des oder der Hirten, die als solche teils auch Häuser oder kleine Höfe besaßen.

Zwischen der Allmende, und inmitten der Feldflur, konnte Allod, also Eigenbesitz liegen. Oder es gab ein Sondernutzungsrecht. Dem hiesigen Rittergut stand etwa ein Kamp in der Allmende zu, der heute noch einen entsprechenden Flurnamen besitzt. Ein Teil davon reich nicht nur auf das Gebiet des Nachbarorts, sondern wurde sogar in ganz anderem Zusammenhang schon im Forum erwähnt: Dort wurde vor einigen Jahren eine germanische Siedlung der frühen Kaiserzeit entdeckt.

Und dann gab es meist weitere Gemeinheiten, da das noch lange nicht kompliziert genug ist. Dafür konnte es verschiedene Bezeichnungen geben. Eine umzäunte Schonung konnte etwa nur bestimmten Höfen, auch aus Nachbarorten zugeordnet sein. Diese Gemeinheiten wählten wieder Vorsitzende und hatte eine eigene Gerichtsbarkeit, gehörte aber für die normalen Vergehen zum Gogericht.

Dann gab es oft Gutsbezirke, also ein Rittergut, dass zu keiner Gemeinheit gehörte, sondern 'kommunal' quasi eigenständig waren, in NRW teils bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhundert. Das musste kein Allod sein, das gab es auch bei Lehen.

Außerhalb der Allmende gab es im Frühmittelalter noch freies Land, Wildnis, Mark oder Forst, deren Nutzung eigentlich Königsregal war, aber von Landesherrn, Gutsbesitzern, Gemeinheiten, aber auch einzelnen Dörflern ursupiert wurde. Offiziell ging das Recht irgendwann auf die Landesherrn über, die ihr Recht aber auch nur beschränkt durchsetzen konnten, teils auch, je nach betroffenem Gebiet, die Inbesitznahme nicht ungern sahen. Beim Reinhardswald in Nordhessen etwa erweiterten die umliegenden Dörfer ihr Gebiet auf Kosten des Landesherrn, um ein Beispiel außerhalb Westfalens zu nennen. Wie so etwas vor sich ging, kann von Ort zu Ort unterschiedlich sein. Hier vor Ort wurden im 13. oder 14. Jahrhundert kleine Gewässer reguliert, wodurch große Ackerflächen auf sehr gutem Boden, wohl großteils in einer Mark des Fürstbischofs, entstanden. Mit dem Land wurden vorzugsweise die Gemeinheiten bedacht, die mitgearbeitet hatten. Das führte zu einer geographisch etwas seltsamen Zuordnung von Feldfluren. Ob es darum ging, das Abwandern von Bauern zu stoppen oder noch in die Phase des Wachstums fiel, kann ich nicht sagen, bzw. will ich nicht spekulieren. Dazu müsste ich erst ungedruckte Quellen einsehen.

War die Gegend entsprechend besiedelt entstanden schließlich Allmenden, die quasi Grenzen zwischen den Dörfern markierten und Gemeinheiten gehörten, die aus Berechtigten von zwei oder mehr Orten bestand.

Ich habe da einiges weggelassen und vereinfacht. Veränderungen in der Allmende musste natürlich die entsprechende Gemeinheit beschließen, wenn es mit rechten Dingen zuging. War Besitz von freien Höfen, Freihöfen und auch bestimmten dem Gericht zugeordneten abhängigen Höfen betroffen, konnten Änderungen nur vor dem Freigericht wirksam werden.

Ich muss daran erinnern, dass Rechte im Mittelalter auch mal in Fehden begründet wurden. Und die Verhältnisse in Brandenburg unterschieden sich gründlich von denen in Ostwestfalen. In Brandenburg gab es gewachsene und geplant besiedelte Dörfer, Burgwarde und das Markenrecht lag, wohl wenig bestritten, beim Markgrafen. Es gibt zudem Ortslisten, quasi Landesinventare aus verschiedenen Zeiten und damit eine bessere Quellenlage. Entsprechend gibt es zur Ostsiedlung mehr Publikationen, die aber eben nur für das jeweilige Untersuchungsgebiet gelten. In Westfalen wurde etwa das Gebiet der Stadt Delbrück bei Paderborn besiedelt. Am Endergebnis ist zu sehen, dass es tatsächlich geschafft wurde, dass ein Raum geschlossener Siedlung von zur familia des Bischofs gehörenden Bauern zu schaffen und den Adel auszuschließen. Zuvor war es ein Reichsforst, den die Bischöfe in ottonischer Zeit zusammen mit der Egge erhielten. Die vielzitierte Verfassung des Lands Delbrück ist einfach die Organisation der bischöflichen Familia mit ein paar Sonderrechten für die Bauern. Es geht darin auch darum, dass die Macht des Lehns-, Grund- und Leibherrn eingeschränkt ist.

* Diese Dorfform ist nach heutiger Ansicht erst im Frühmittelalter entstanden, entweder durch Kombination fränkischer und sächsischer Traditionen oder schon im 7. Jahrhundert. Natürlich war es erst später 'voll' entwickelt.
** Hier war es eine Wallhecke, es handelt sich aber um einen feststehenden Rechtsbegriff, der für beides benutzt wird. Es handelte sich für mehr als die erwähnten Aspekte um eine Grenze. Die (ganz) Niedere Gerichtsbarkeit etwa lag oft innerhalb der Zäune beim Dorfgericht, außerhalb beim Gogericht.
*** Ich gehe natürlich insgesamt von einem einfachen Fall aus, der etwa Landstraßen nicht berücksichtigt.
 
Ich stelle gerade fest, wie viele Rechtschreib- und Grammatikfehler in meinem Beitrag sind. Ich hoffe, ihr entschuldigt das. Ich konnte mal wieder vor Schmerzen nicht schlafen und war daher übermüdet, als ich das schrieb.

Ich muss noch ergänzen, dass die Landesherrn seit dem Spätmittelalter begannen, dies umzugestalten, was in der frühen Neuzeit verstärkt wurde. Im Hochstift Paderborn übernahmen die Pfarrer weitere weltliche Aufgaben und neben die Burmeister, mitunter auf nur einen beschränkt trat ein Beamter des Landesherrn, je nach Ort als Richter oder Förster bezeichnet sowie ein Steuereintreiber. Diese Eingriffe waren je nach Landesherrschaft verschieden und unterschiedlich intensiv.
 
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