Leinenbekleidung

Mittelalterlager

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Moin

Bei uns im Mittelalterforum hat gerade jemand gesagt: " Leinenkleider gab es nicht"

Ist das so korrekt?
Es handelt sich wohl um den Zeitraum von etwa 1200-1400 in Mitteleuropa.
Diese Aussage wäre komplett neu für mich und kaum glaublich.
 
Von der griechischen und römischen Antike bis ins europäische Mittelalter war Leinen neben Wolle das Material für Kleidung. Seine Blütezeit hatte das Leinen im vorindustriellen Europa. Als Baumwolle noch nicht in großen Mengen importiert wurde, war Leinen (neben wenigen Ausnahmen) die einzig verwendete pflanzliche Faser.

Im Mittelalter wurde Leinen (im Unterschied zu Wolle) durch die schmutzabweisende Eigenschaft bevorzugt für körpernahe Verwendung eingesetzt, auf Grund seiner Resistenz auch für Stoffpanzer. Da es schwer färbbar war, wurde es vorwiegend in blassen Tönen angeboten(...)
Wikipedia zu Leinen
 
So ganz daneben ist die Meinung zum Tragen von Leinen im Mittelalter nicht.

Leinen, Haft und Nessel wurden aber vor allem bei den Unterkleidern getragen.

Bei den Oberkleidern verwendete man wohl eher Schafwolle.
Die höheren Stände verwendeten wohl noch zusätzlich teure Importstoffe aus Seide.

Was dann so in:
· der Romanik 950/960 - 1140 und
· danach der beginnenden Gotik
getragen wurde, bitte bei Wiki „Kleidung im Mittelalter“.
 
Da ich kein Modeexperte bin, erst ein paar diesbezügliche Bemerkungen zu Leinen allgemein:

Leinen ist etwas für warme Tage und etwa für Benediktiner für den Sommer vorgeschrieben, allerdings nur grundsätzlich mit Ausnahmen für Regionen, wo Leinen nicht üblich ist.

Während der kleinen Eiszeit wurden sicher aus klimatischen Gründen andere Stoffe bevorzugt.

Leinen war nicht nur ein wichtiges Verbrauchs- und Handelsprodukt innerhalb des christlichen Europas, sondern wurde bis in den islamischen Raum und bis nach China gehandelt. Zur Tarnung beförderten die mit Diamanten handelnden Polos westfälisches Leinen. Das war also keine ungewöhnliche Handelsware von West nach Ost. Und wenn etwas die Handelsbilanz aufbessert, wird es häufig lieber exportiert, als es selbst zu nutzen.

Dann zwei Punkte zur Mode:

Werden in dieser Zeit nicht auch verschiedene Stoffe zu einem Kleidungsstück vereint?

Und wenn Kleid im Sinne von Oberbekleidung gemeint ist und nicht Kleid als besonderes Kleidungsstück, könnte dann nicht ein Missverständnis vorliegen? Die seit der Spätantike bestimmende Einheitskleidung wurde ja aufgegeben. Bezieht es sich vielleicht nur auf die einfachen Leinentuniken / -kittel des vorherigen Zeitraums, die nicht mehr getragen wurden?
 
Die "kleine Eiszeit" begann freilich erst um etwa 1400. In der mittelalterlichen Warmzeit lagen die Durchschnittstemperaturen in Europa höher sogar als heute, wir erreichen diese Werte gerade erst wieder. Und die Kleidung des europäischen Mittelalters fußte auf dem Zwiebelprinzip und bestand aus vielen Einzelstücken. Verlangte es die Witterung, legte man einfach eine zusätzliche "Schale" an.

Mit Pauschalaussagen wie "Leinenkleider gab es nicht" kann ich persönlich nichts anfangen, das ist bestenfalls archäologische Orthodoxie (Mangel an Fundstücken), schlimmstenfalls vom Blickwinkel der Konsumgesellschaft gesprochen, die für jedes Wetter die passende Jack Wolfskin-Jacke im Schrank hängen hat.

Denn das mittelalterliche Wirtschaftssystem war zwar nicht direkt eine Mangelwirtschaft, aber man kann es sich aufgrund der langwierigen Transportwege innerhalb der Lieferketten (eine mit dem Wind segelnde Schute schaffte donauabwärts im Sommer ca. 60km am Tag) schon ein bisschen wie die Wirtschaft der DDR vorstellen: Die Verfügbarkeit vieler Güter war begrenzt, und waren sie verfügbar, stürzte sich alles darauf.

Gilomen erwähnt in 'Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters' den Brief (ca. 1300) eines Tuchhändlers aus Konstanz an seine Frau. Darin beklagt sich der Mann, die Kölner hätten ihm das Geschäft ruiniert, und obendrein müsste er jetzt ertragen, selbst Knechte in seinen Tuchen herumstolzieren zu sehen. Was war geschehen? Köln hatte das Stapelrecht, der Importeur musste auf seinem Weg rheinabwärts seine Tuche den Kölnern zum Verkauf anbieten, und die Kölner kauften ihm die ganze Ladung zum Selbstkostenpreis ab.

Wie @dekumatland und @Ralf.M geschrieben haben, gehörte Leinen zum Repertoire der verfügbaren Stoffe und wurde auch als Oberbekleidung getragen. Flachs war in vielen Regionen leicht zu bekommen und konnte auch von der ärmeren Bevölkerung selbst zu Garn versponnen werden. Die Bauern stellten daraus das Bauern- oder Schäferleinen her, ein schwerer, wärmender Gebrauchsstoff wie Wolle, aber rauer.

Der Stoff des Mittelalters schlechthin – sozusagen die Jeans dieser Epoche – waren aber Wolltuche, die v.a. in Norditalien und den Niederlanden hergestellt wurden, und zumindest nach der Pest (die makabrerweise für einen Wohlstandsschub sorgte) selbst für die wohlhabendere Landbevölkerung erschwinglich waren.

Man darf sich das Endergebnis nicht wie einen Wollpullover vorstellen (gerade Hollywood zeigt hier immer wieder regelrechte Strickjacken), sondern eher wie Loden. Je nach Qualität konnten diese Tuche sehr weich und fein werden, waren aber merklich schwerer als Leinen oder z.B. auch als unsere Baumwolle.
 
Ich musste mich gerade erst von Meteorologen dahingehend korrigieren lassen, dass die kleine Eiszeit um 1250 begann und um 1850 endete. Angeblich bessere Analysen. Davor pflegte ich auch andere Daten zu nennen.

Ich berief mich auf die Ordensregeln, die natürlich dem Zwiebelprinzip nicht im Wege stehen.

Aber Schäferleinen. Das hatte ich nicht mehr im Kopf.
 
Gut möglich, dass es neuere Forschungsergebnisse gibt, die ich nicht kenne, aber das Datum 1250 wundert mich dann doch. Denn alle Aufzeichnungen der damaligen Zeit deuten auf Klimaveränderungen hin, die sich binnen weniger Jahrzehnte deutlich bemerkbar machten, wahrscheinlich innerhalb einer einzigen Generation. Doch die durch diese Veränderungen entscheidend mitverursachte Agrarkrise des 14. Jahrhunderts beginnt mit Missernten aufgrund verregneter, ungewöhnlich kühler Sommer in den 1320ern. 1250 spräche für einen wesentlich langsameren "Aufbau" der Krise.
 
Da hat der Meteorologe den Begriff "kleine Eiszeit" aber äußerst großzügig ausgelegt. Ich kann das so nicht unterschreiben. In den überlieferten Quellen gibt es meines Wissens dafür keine Hinweise.

Wegen der Leinenbekleidung wollte ich hier kein Fass aufmachen.
Ich habe dicke und dünne Wollkleidung, sowie noch Leinentuniken und Leinenhosen.
Der dünne Wollstoff trägt sich hervorragend aber das Leinen fühlt sich besser an.
Mit Kleid ist das bei uns auf den Mittelaltermärkten tatsächlich übliche Frauengewand gemeint, ein Kleid halt.
 
Ja, das kenne ich auch alles. Vielleicht ist es wie mit den Jahreszeiten. Die Meteorologen sehen die Wetterumstellung schon Anfang des Monats, doch gefühlt beginnt das Wetter erst Mitte des Monats. Ich versuche nochmal nachzufragen. Ein Bekannter eines Bekannten, der es beim Smalltalk fallen lies.
 
Ja, das interessiert mich, kannst mir auch gerne eine PN schicken.
Es kann durchaus sein, das es schon um 1250 eine erste Tendenz gab, die Auswirkungen aber erst etwa 100 Jahre später richtig spürbar wurden.
 
Wegen der Leinenbekleidung wollte ich hier kein Fass aufmachen.
Alles gut.
Da hat der Meteorologe den Begriff "kleine Eiszeit" aber äußerst großzügig ausgelegt. Ich kann das so nicht unterschreiben. In den überlieferten Quellen gibt es meines Wissens dafür keine Hinweise.
Ja, das kenne ich auch alles. Vielleicht ist es wie mit den Jahreszeiten. Die Meteorologen sehen die Wetterumstellung schon Anfang des Monats, doch gefühlt beginnt das Wetter erst Mitte des Monats. Ich versuche nochmal nachzufragen. Ein Bekannter eines Bekannten, der es beim Smalltalk fallen lies.
Die Datierung der Kleinen Eiszeit ist durch Bohrkerne aus Alpengletschern relativ genau möglich. Die kühlere Witterung sorgte für ein größeres Volumen der jährlich hinzutretenden Eisschichten, und die Masse der angewehten Pollen nahm ab. Außerdem änderte sich die Zusammensetzung des Blütenstaubs, weil wärmeliebende Arten aus dem Alpenraum verdrängt wurden.

Aber es kann natürlich sein, dass man durch regionale Messungen genauere Erkenntnisse erhalten hat.
 
Bei der Datierung geht es ja hier um 1250.
Möglich ist das ja, aber die Auswirkungen treten dann wohl stark verzögert ein.
Wäre schon interessant die ersten Hinweise auf den Beginn der "kleinen Eiszeit" zu erkennen.
 
Ich musste mich gerade erst von Meteorologen dahingehend korrigieren lassen, dass die kleine Eiszeit um 1250 begann und um 1850 endete.
Gut möglich, dass es neuere Forschungsergebnisse gibt, die ich nicht kenne, aber das Datum 1250 wundert mich dann doch. […] 1250 spräche für einen wesentlich langsameren "Aufbau" der Krise.
Dabei wird sicherlich das Wolf-Minimum(@ de. Wikipedia), die Phase geringerer Sonneneinstrahlung um 1270/1340, mit einbezogen, dessen Auswirkungen mit den klimatischen Folgen des Ausbruch vom Vulkan Samalas(@ de. Wikipedia) eingeleitet wurde.(»1250« ist aber auf jeden Fall etwas zu früh)
 
Sylvester kam noch eine Mail. Der Bekannte deutete an, dass der Meteorologe wohl eine Jahrhundert-Nummerierungsschwäche hat. *mit den Augen roll*

Für eine breitere Öffentlichkeit werden wohl aber auch manchmal einige andere Phänomene am Rande oder mittendrin mit eingeschlossen.
 
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