Literatur zu Germanen

Bodhi-Baum

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Ich bin jetzt mal wieder dabei, mich intensiver mit den Germanen zu beschäftigen und frage mich, welche Literatur da zu empfehlen ist. Bin bei meinen Recherchen auf Felix Dahn gestossen, der ja eine ganze Menge über dieses Thema geschrieben hat. Sind seine Werke noch immer zu empfehlen?
 
Das kommt ein wenig darauf an, was du zu lesen gewohnt bist. Und ebenso wäre interessant, welche Aspekte dich interessieren. Schon mal einige Hinweise:

Ein dickes Werk aus jüngerer Zeit gibt es nicht. Wenn du dich in einer gewissen Tiefe informieren willst, musst du mit Älterem leben, dessen Sichtweise zu modifizieren ist. Bei letzterem hilft z.B. schon der Katalog zur Ausstellung über die Varusschlacht 2009.

Ein kurzer Überblick mit kommentierter Literaturliste wäre Herwig Wolfram, Die Germanen, München ²1995. (Es könnte eine neuere Auflage geben.)

Wenn du nach dicken, wissenschaftlichen Wälzern suchst:

Dahn ist zu alt. Ludwig Schmidt aber ist als Ausgangspunkt noch nicht ersetzt:

Die Bände seines "Die Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung." sind als "Die Westgermanen" und "Die Ostgermanen" nachgedruckt. (Der Vollständigkeit halber: Wegen seiner "Geschichte der Wandalen" sind diese darin kürzer behandelt und die Franken fehlen, da er aufgrund seines Todes nicht mehr dazu kam. (Erich Zöllner hat die Franken als "Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts" 1970 ergänzt. Moderner, aber dünner ist zu den Franken Ulrich Nonn, Die Franken, Stuttgart 2010. )

Trotz des Erscheinens während des Kriegs ist das Werk von Schmidt kein NS-Machwerk. Allerdings konnte er auch nicht frei schreiben. Er ist ein schönes Beispiel für den Deutsch-Unterricht, was durch Anspielungen und Andeutungen in einer Diktatur möglich ist, insbesondere wenn er mit regimetreuen Autoren* verglichen wird, ergibt das auch ein Bild von wissenschaftlicher Literatur, wie sie in Diktaturen entsteht.

Schmidt gibt das Bild der Quellen vor dem Hintergrund der damaligen, aber oft auch der damals älteren Literatur wieder. Ein solcher Entwurf unter modernen Vorzeichen ist ein Desiderat, weshalb jede ernsthafte und tiefergehende Arbeit bis zu ihm zurückgehen, ihn zumindest zur Kenntnis nehmen muss. Er betrachtet die Germanen getrennt nach Stämmen. Das gleicht in gewissem Maß aus, dass Begriffe wie Ethnos und Stamm ganz anders verstanden wurden und an Ethnogenese noch niemand dachte, da dies in der Darstellung selten eine Rolle spielt. Zudem hatte er da ein wesentlich fortschrittlicheres Bild als die Nationalsozialisten, was er aber oft nur andeutet oder nur so einarbeitet, dass es erst durch die bei Handbüchern seltene zusammenhängende Lektüre deutlich wird. Ich habe das im Forum schon ein- oder zweimal aufzeigen können, um zu zeigen, dass einige 'moderne' Erkenntnisse gar nicht so modern sind, sondern nur unbekannt, weil das Thema von '45 bis zur Jahrtausendwende eher stiefmütterlich behandelt wurde.

Ein anderes Werk konnte mit einer anderen Diktatur anders umgehen: Die Ideologie ist meist nur aufgesetzt und dazu so überbetont, dass sie leicht abzuziehen ist. Einige Einschränkungen konnte das nicht aufheben. Auf dem Gebiet Polens durfte es in der DDR-Archäologie z.B. keine Germanen geben. Da wird dann z.B. eine Karte vom Gebiet Polens nur "zum Vergleich" gezeigt. Auch Skandinavien liegt außerhalb des Betrachtungsraums. Das Werk gilt als Vermächtnis der DDR-Archäologie und ist ebenfalls nicht ersetzt, für den archäologischen Überblick damit immer noch unverzichtbar, wenn natürlich bei sehr vielen Themen durch neue Funde und Befunde zu modifizieren. In gewisser Weise führt es in den geschichtlichen Abschnitten von Schmidt bis in den Anfang der 80er Jahre, allerdings nicht zu ausführlich und mit besonderer Berücksichtigung der kommunistischen Lehre. Es handelt sich um
Bruno Krüger (Hrsg.): Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. Ein Handbuch in 2 Bänden. Band 1 und 2. (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Band 4). Akademie, Berlin 1976/1983.

Ich verlinke mal zur besseren Einschätzung die Wikipedia-Artikel der Autoren:
Bruno Krüger (Prähistoriker) – Wikipedia
Ulrich Nonn – Wikipedia
Ludwig Schmidt (Historiker) – Wikipedia
Herwig Wolfram – Wikipedia
Erich Zöllner – Wikipedia

* Etwa W.J. Beckers, die Völkerschaften der Teutonen und Kimbern in der neueren Forschung, von dem einige seltsame Theorien ausgehen, etwa dass die Kimbern und Teutonen zu den Seevölkern gehörten, weil Beckers sie wegen der Siedlungsgebiete am Meer einmal als Seevolk bezeichnet, was wohl dem sehr nominalen Stil der damaligen Rhethorik geschuldet ist.

Edit: Ich habe extrem lange gebraucht, das zu schreiben. Und jetzt sagt das Fieberthermometer krank. Es kann sein, dass ich ein wenig brauche, um auf konkretere Angaben zu reagieren.
 
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