Lloyd George über den ersten Weltkrieg

Telegramm vom 28.07.1914 von Sasonow an Geschäftsträger Bronewski in Berlin

Infolge der Kriegserklärung Österreichs an Serbien werden wir mogen die Mobilmachung in den Militärbezirken Odessa, Kiew, Moskau und Kasan erklären. Bringen Sie das zur Kenntnis der deutschen Regierung und betonen Sie das Fehlen irgendwelcher Angriffsabsichten Russlands gegen Deutschland. Unser Botschafter in Wien wird vorläufig von seinen Posten nicht abberufen. (1)

Nachfolgend ein Telegramm vom.29.07.1914 von Nikolaus II. an Wilhelm II.

Ich bin froh, dass du zurück bist. In diesem äusserst ernsten Augenblick wende ich mich an Dich um Hilfe. Ein unwürdiger Krieg ist an ein schwaches Land erklärt worden. Die Entrüstung in Russland, die ich völlig teile, ist ungeheuer. Ich sehe voraus, dass ich sehr bald dem auf mich ausgeübten Druck erliegen und gezwungen sein werde, äusserste Maßnahmen zu ergreifen, die zum Kriege führen werden. Um ein solches Unheil wie einen europäischen Krieg zu verhüten, bitte ich Dich in Namen unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu weit zu gehen. (2)

Am 29.07.1914 beschossen Batterien der Truppen Österreich-Ungarns Belgrad. Das hat die Lage für Russland entscheidend verändert, denn sie sahen wohl nicht ganz zu Unrecht die Gefahr einer Invasion Serbiens. Der Zar und auch Sasonow gerieten jetzt unter sehr starken Druck der Militärs, die eine militärische Auseinandersetzung mit Österreich-Ungarn praktisch für unvermeidlich hielten. Sie setzten durch, das am 29.07.1914 der befehl zur Generalmobilmachung erteilt wurde. Der Zar widerrief diesen aber noch am gleichen Tage aufgrund eines Telegramms von Wilhelm II, welches unten folgt.

Mit der grössten Beunruhigung höre ich von dem Eindruck, den das Vorgehen Österreichs gegen Serbien in Deinem Lande hervorruft. [….] In Hinblick auf die herzliche Freundschaft, die uns beide seit langem mit festem Bande verbindet, biete ich daher meinen ganzen Einfluss auf, um Österreich zu veranlassen, durch sofortiges Handeln zu einer befriedigenden Verständigung mit dir zu kommen. Ich hoffe zuversichtlich, dass Du mich in meinen Bemühungen unterstützen wirst, die Schwierigkeiten, die noch entstehen können, zu beseitigen. (3)

Noch am 27.Juli 1914 hat der Staatssekretär Jagow den Diplomaten Frankreichs und Großbritanniens erläutert, das Deutschland nicht mobil machen werden, solange sich die russische Mobilmachung nur gegen Österreich richtet. (4)

Ganz im Gegensatz dazu der deutsche Generalstabschef Moltke, der am 29.07.14 ein Memo an Bethmann geschickt hat, aus dem hervorgeht, dass bereits die russische Teilmobilmachung als Grund für die deutsche Generalmobilmachung anzusehen sei, da die russische Teilmobilmachung zum Kriege führen würde. (5) Moltke führte den Schlieffenplan als wichtiges Argument, denn dieser sah ein enges Zeitfenster zur seiner Realisierung vor.


Ob die Reaktion der Serben auf das Ultimatum entgegenkommend ist darüber darf man streiten....

Selbst Kaiser Wilhelm II. war durchaus der Auffassung, das diese Reaktion Serbiens auf das Ultimatum Östereich-Ungarn so entgegenkommend war, das nunmehr kein Kriegsgrund mehr vorläge. Und wie schon oben ausgeführt: Das Ultimatum war mit Vorsatz so abgefaßt worden, das es für Serbien unannehmbar sein sollte.

(1) Juli 1914, S.259, München 1965

(2)Juli 1914, S.258, München 1965

(3) Juli 1914, S.258f, München 1965

(4) Telegramm Cambon vom 27.07.1914 an Bienvenu-Martin und Telegrmm Goschen vom 27.07.1914 an Grey

(5) Molkte am 29.07.1914 an Bethmann Hollweg
 
Bezüglich der härte des Ultimatums möchte ich Bülow den jüngeren zitieren.
Zit:
""Es sei an die Noten Englands und Frankreichs an Ägypten 1882, Englands an Portugal 1890, der Vereinigten Staaten von Amerika an Spanien 1898, Englands an Frankreich 1898, Englands an die Türkei 1906, Italiens an die Türkei 1911 erinnert. Wie bereits oben erwähnt, hat Österreich-Ungarn am 18. Oktober 1913 ein Ultimatum an Serbien gerichtet mit der Forderung, binnen acht Tagen Albanien zu räumen. Einzelne der genannten Ultimaten haben zu Kriegen geführt, ohne aber, ebensowenig wie die Balkankriege, eine allgemeine Konflagration zu verursachen. Keine von ihnen war durch die Bedrohung vitaler Interessen des angreifenden Staates hervorgerufen, ein Moment, das bei der Beurteilung des österreichisch-ungarischen Vorgehens 1914 immerhin sehr ins Gewicht fällt. So weitgehend auch die Wiener Forderungen an Serbien waren, so werden sie doch in allen Punkten von den Noten übertroffen, die England, Frankreich und Rußland zu wiederholten Malen 1916 und 1917 an das damals neutrale Griechenland gerichtet haben. Ob der österreichisch-serbische Krieg von irgendeinem Gesichtspunkte aus gerechtfertigt erscheinen kann, mag dahingestellt bleiben. Der Krieg der Vereinigten Staaten mit Spanien, der Burenkrieg, der russisch-japanische Krieg, der italienisch-türkische Krieg und die Balkankriege sind jedenfalls aus geringeren Anlässen entstanden. "
Zit Ende

Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 - Die Folgen der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers

Hier einige Noten Österreich-Ungarns kurz vor Kriegsausbruch die deutlich machen das keine Expansion angestrebt wurde.

Graf Szcsen an Grafen Berchtold

Graf Szcsen an Grafen Berchtold

Graf Szcsen an Grafen Berchtold

Graf Mensdorff an Grafen Berchtold

Graf Berchtold an Grafen Szpry in Petersburg

Hier eine Note aus der ich zitiere:
"Ich erinnerte den Botschafter daran, daß wir wiederholt betont hätten, wir wollten keine Eroberungspolitik in Serbien treiben, auch dessen Souveränität nicht antasten, bloß einen Zustand herstellen, der uns Sicherheit biete gegen Beunruhigung seitens Serbiens. Hieran knüpfte ich eine längere Erörterung unseres unleidlichen Verhältnisses zu Serbien. Auch gab ich Herrn Schebeko deutlich zu verstehen, in welch hohem Maße die russische Diplomatie an diesen Zuständen schuld sei, was er durchaus nicht ableugnete, nur seinen Minister diesfalls in Schutz nahm und als Antagonisten einer solchen Politik hinstellte.

Im weiteren Verlaufe unserer Unterredung erwähnte ich die nunmehr zu meiner Kenntnis gelangte russische Mobilisierung. Nachdem sich dieselbe auf die Militärbezirke Odessa, Kiew, Moskau und Kasan beschränke, trage dieselbe einen hostilen Charakter gegen die Monarchie. Was der Grund hievon sei, wisse ich nicht, da ja gar kein Streitfall zwischen uns und Rußland existiere. Österreich­Ungarn habe ausschließlich gegen Serbien mobilisiert, gegen Rußland nicht, was allein aus dem Umstande zu ersehen sei, daß das I., X. und XI. Korps nicht mobilisiert worden seien. Bei dem Umstande jedoch, daß Rußland offensichtlich gegen uns mobilisiere, müßten auch wir unsere Mobilisierung erweitern, wobei ich jedoch ausdrücklich erwähnen wolle, daß diese Maßnahme selbstverständlich keinen feindseligen Charakter gegen Rußland trage und lediglich als die notwendige Gegenmaßnahme gegen die russische Mobilisierung zu betrachten sei."
Graf Berchtold an Grafen Szpry in Petersburg
 
Grundsätzlich vorweg: Ich habe gar nicht behauptet, dass es beim Krieg gegen Serbien um expansive Ziele ging. Aber es ist beispielsweise doch anzumerken, das sich Österreich doch gegenüber der britischen Regierung am 29. Juli ziemlich ausweichend lavierte und meinte, nicht voraussehen zu können, was sie nach einem siegreichen Krieg tun würde. (1)

Mir ging es bei meinen Ausführungen darum, deutlich zu machen, das es bei dem Ultimatum darum ging, das es von Serbien nicht angenommen werden kann.

Zum Ultimatum. Wie schon mehrfach ausgeführt: Man war sich einig darüber, das die Note an Serbien so zu formulieren war, das diese von Belgrad abgelehnt werden müsse(2) Berchtold wies den österreichischen Botschafter in Belgrad bereits am 7. Juli 1914 an, das es egal ist wie die Serben reagieren Sie müssen die Beziehungen abbrechen und abreisen; es muss zum Krieg kommen. (3)

Einer der Knackpunkte des Ultimatums war wohl der Punkt 6, in dem verlangt wird, dass österreichische Organe an den Ermittlungen teilnehmen. Des Weiteren wurde von Serbien gefordert, Bemühungen die auf dem Erwerb von österreichisch-ungarischem Territorium abzielten, zu ahnden. Außerdem habe antiösterreichische Propaganda künftig zu unterbleiben. Das waren natürlich Eingriffe in die Souveränität Serbiens.

Auf deutschen Drängen wurde das Ultimatum nicht wie vorgesehen am 25.Juli 1914, sondern bereits am 23.Juli 1914 übergeben. Graf Berchtold führte als Begründung in der Sitzung des Ministerrats aus, da man schon jetzt in Berlin nervös zu werden. Man machte sich in Berlin wohl Sorgen, das Österreich-Ungarn möglicherweise den Druck Frankreich und Russlands nachgeben würde, Serbien die Möglichkeit einzuräumen, Österreich Genugtuung zu geben. Jedenfalls war auf der Ministerratssitzung auch Conrad mit Berchtold Vorschlag einverstanden und der Ministerrat stimmte dann der Übergabe der Note am 23.Juli zu . Das war möglicherweise eine geschichtsträchtige Entscheidung von enormer Tragweite, da diese Tage wenig später fehlten, um den Frieden vielleicht doch noch zu retten.

Der Text des Ultimatums war auf deutscher Seite seit dem 12.Juli bekannt. Graf Hoyos hat am 22.Juli 1914 gegenüber dem deutschen Botschaftsrat Prinz Stollberg gemeint, „dass die Forderungen doch derart seien, dass ein Staat, der noch etwas selbstbewusst sei und Würde habe, sie doch unmöglich annehmen könne.“ (4)

Russland setzte sich am 24.juli für eine Fristverlängerung des Ultimatums ein.

Bereits am 25.juli 1914, vor Ablauf des Ultimatums und der Kenntnis der serbischen Antwortnote, wurde im Ballhausplatz die Antwortnote auf die serbische Note vorbereitet. Aus ihr geht sehr deutlich hervor, dass die serbische Reaktion aus verschiedenen Gründen auf jeden Fall als unzureichend erachtet werden wird. (5)

Serbien hat das Ultimatum fast vollständig akzeptiert. Belgrad war lediglich nicht bereit, österreichische Behörden an der Untersuchung mitwirken zu lassen. Wilhelm seine Reaktion ist von mir schon mehrfach erwähnt worden, doch er wurde vom AA praktisch ausgebremst.


(1) Geiss Julikrise und Kriegsausbruch.Hannover 1963/64. Band 1: S.345ff. und 408 und 448f.

(2) Manfried Rauchensteiner: DerTod des Doppeladlers: Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, S.79

(3) Manfried Rauchensteiner: DerTod des Doppeladlers: Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, S.75

(4) Deutsche Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr.87

(5) Vladimir Ćorović: Odnosi između Srbije i Austro-Ugarske u XX veku. Biblioteka grada Beograda,S. 758, Belgrad 1992
 
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Die Strafermittlungen auf Seiten Ö-U haben eine direkte beteiligung des serbischen Geheimdienstes und weiterer ranghoher serbischer Politiker festgestellt.
Demnach war eine beteiligung Ö- Ungarischer Ermittler unumgänglich.
Es ist somit mildeste Möglichkeit diese Ermittlung mit aussicht auf Erfolg zu leiten indem man auch auswärtige Ermittler hinzuzieht.
Schon seit längerem Frage ich mich ob es Vorschläge gab gegebenfalls
unabhängige Beobachter/Ermittler in diesem Fall zu konsultieren.
(zb. Schweden usw)
Das man in Berlin nervös wurde ist selbstverständlich, hier wurde davon ausgegangen das Rußland Kriegswillen zeigte und jedes weiter zögern in Deutschlands Situation selbstmörderisch wäre.
Die Frage Krieg oder Frieden lag zu grossem Masse in Russlands Händen.
Nochmal zu den Forderungen Ö-U, diese sind nicht zu hart gewesen, selbst heute werden Marschflugkörper aus nichtigeren Gründen in Flug gesetzt, oftmals wird der Status einer monarchie und ihre abhängigkeit von einem erblichen Titel (besonders bei dem labilen konstrukt Ö-U) in diesem Konflikt unterschätzt. Der Mord eines Thronfolgers und seiner Frau hat ähnliche Auswirkungen wie eine Bombardierung des Senats oder des Weissen Hauses in den USA. Die reaktion auf eine solche Tat darf man auch hier ohne probleme Vorhersagen
Im Falle Ö-U hatte die Tat noch grössere Konsequenzen, der Zerfall des Landes ohne Fortführung der kuK Monarchie war vorprogrammiert.
 
chrdidt schrieb:
Demnach war eine beteiligung Ö- Ungarischer Ermittler unumgänglich.Es ist somit mildeste Möglichkeit diese Ermittlung mit aussicht auf Erfolg zu leiten indem man auch auswärtige Ermittler hinzuzieht.

Das sehe ich aber ganz anders. Es ist durchaus nicht selbstverständlich, das im Zuge des Attentats Österreich-Ungarn in die Souveranität Serbiens eingreift. Oder wie verstehst du es, wenn österreichische Ermittler mit polizeilicher Gewalt in Serbien ermitteln?

Hast du eigentlich das hier gelesen?

Turgot schrieb:
Der Text des Ultimatums war auf deutscher Seite seit dem 12.Juli bekannt. Graf Hoyos hat am 22.Juli 1914 gegenüber dem deutschen Botschaftsrat Prinz Stollberg gemeint, „dass die Forderungen doch derart seien, dass ein Staat, der noch etwas selbstbewusst sei und Würde habe, sie doch unmöglich annehmen könne.“ (

Die Forschung ist sich m.W. nach eigentlich in der Bewertung über den Sinn und Zweck , den ich nun schon mehrfach genannt habe, des Ultimatums einig. Österreich-Ungarn war nicht an einem Nachgeben Serbiens interessiert. Man wollte und bekam dem Krieg.


chrdidt schrieb:
Das man in Berlin nervös wurde ist selbstverständlich, hier wurde davon ausgegangen das Rußland Kriegswillen zeigte und jedes weiter zögern in Deutschlands Situation selbstmörderisch wäre.

In Berlin wurde man nervös, wegen der zeitlichen Erfordernisse des Schlieffenplans. Dadurch wurde der Druck auf die politischen Akteuere nur noch erhöht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sehe ich aber ganz anders. Es ist durchaus nicht selbstverständlich, das im Zuge des Attentats Österreich-Ungarn in die Souveranität Serbiens eingreift. Oder wie verstehst du es, wenn österreichische Ermittler mit polizeilicher Gewalt in Serbien ermitteln?
Wie ich das sehe? Unter den damaligen Gegebenheiten und dem Stand der polizeilichen Strafermittlungen eine Notwendigkeit.
Es waren serbische Institutionen an diesem Attentat beteiligt, folglich kann man diese Institutionen nicht mit der Aufklärung beauftragen.

Der Text des Ultimatums war auf deutscher Seite seit dem 12.Juli bekannt. Graf Hoyos hat am 22.Juli 1914 gegenüber dem deutschen Botschaftsrat Prinz Stollberg gemeint, „dass die Forderungen doch derart seien, dass ein Staat, der noch etwas selbstbewusst sei und Würde habe, sie doch unmöglich annehmen könne.“

Die Würde hat Serbien mit der Unterstützung des Attentats verloren, wo wäre Ö-Ungarns Würde geblieben?

In Berlin wurde man nervös, wegen der zeitlichen Erfordernisse des Schlieffenplans. Dadurch wurde der Druck auf die politischen Akteuere nur noch erhöht.
Rußland kannte den Schlieffenplan, folglich war es Rußland bewusst was passieren würde wenn es Mobilmacht.
Der Anfang der Kausalitätenkette die zur Eskalation führten lag also in Rußlands Händen.
Nochmals mir geht es hauptsächlich nicht um den lokalen Konflikt zwischen Serbien und Ö-U, der war einer unter vielen, es geht um die Frage wer eine Ausweitung hervorrufen wollte und andiesem Punkt nimmt Rußland eindeutig die aktivere Rolle ein.
Bezüglich Einmischung und Mobilisation.
 
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