Lügen im Ersten Weltkrieg

Wissenssuche

Neues Mitglied
Ich beschäftige mich seit längerer Zeit mit dem Thema Propaganda im Ersten Weltkrieg und habe mich gefragt, ob es Beispiele für Lügen gibt, die im Ersten Weltkrieg verbreitet wurden.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir weiterhelfen könntet.

Viele Grüße Wissenssuche :friends:
 
Eine der heute bekanntesten Lügen im Ersten Weltkrieg dürfte der sogenannte "Dolchstoß" gewesen sein, wonach die deutsche Armee - angeblich "im Felde ungeschlagen" -, durch Kommunisten, Sozialisten, Juden und andere - aus Perspektive der Reichsleitung oder militärischer Kreise - unliebsame Leute - "von hinten erdolcht" worden wäre. Dass das objektiv nicht zutreffend ist, entlarvt den "Dolchstoß" als Lüge.

Das allermeiste an Propaganda ist Lüge oder beinhaltet Lüge oder zumindest Unwahrheit bzw. Täuschungsabsicht, auf jeden Fall Beeinflussungsabsicht. Propaganda ist der Versuch politischer Werbung, Beeinflussung, Instrumentalisierung, Mobilisierung etcpp.
 
Die Dolchstoßlegende wurde aber erst nach dem Weltkrieg entwickelt. Die Kriegspropaganda lief aber schon im ersten Kriegsjahr auf Hochtouren und mit ihr wurden Greuelmärchen erfunden, die im Grunde genommen dem Kriegsgegner das Menschliche absprachen. In Belgien kam es immer wieder zu Unglücksfällen, dass sich deutsche Truppen gegenseitig beschossen, dass aus Häusern auf Kombattanten geschossen wurde. Vergeltungsmaßnahmen der Militärs gegen Zivilisten waren drakonisch. Sie wurden von den Deutschen gerechtfertigt durch die sogenannten Franctireurs, Zivilisten die sich am Kampf beteiligten und Verwundete etc. massakrierten. Die alliierte Propaganda dagegen kolportierte Geschichten und veröffentlichte Greuelmärchen von belgischen oder französischen Kindern denen die "Boches" die Hände abgeschnitten hätten, was sich mal in den Argonnen, mal nahe Ypern tatsächlich ereignet hätte, und nach der 2. Flandernschlacht wurde immer wieder von einem mysteriösen Kanadier berichtet, den die Deutschen angeblich mit Bajonetten an einen Baum gespießt und gekreuzigt hätten. Nach allem was heute bekannt ist, gab es Widerstand von Seiten der belgischen Armee, aber keine Franctireursbewegung, und ebenso falsch und fiktiv waren die Geschichten von verstümmelten Kindern und gekreuzigten Kanadiern.

Real waren dagegen die zahlreichen ethnischen Säuberungen seit 1915. In Serbien und im zurückeroberten Galizien vollstreckten k. k. Militärs zahlreiche Zivilisten, denen Verrat und Konspiration unterstellt wurde.
 
Nicht zu vergessen, dass immer wieder behauptet wurde, der Sieg sei zum greifen nah und der Krieg dauere allenfalls noch x Monate.
 
In irgend einer ausgesprochen militaristischen und patriotischen Schwarte aus dem ersten Weltkrieg las ich mal über das Gefecht an der Doggerbank.
Es war eine alles in allem ausführliche Beschreibung des Ablaufs, sie schlussfolgerten lediglich unzutreffend, dass das Führungsschiff der Briten vermutlich gesunken sei. Der Unterton war gekränkt, man bezichtigte die Briten, einen Sieg zu reklamieren der keiner war.
Worauf ich hinaus will:
Ich staune immer noch wie detailtreu, schmähungsfrei und objektiv in Anbetracht der Umstände das ganze gehalten war.
 
Nicht zu vergessen, dass immer wieder behauptet wurde, der Sieg sei zum greifen nah und der Krieg dauere allenfalls noch x Monate.
Vor dem Eingreifen der USA und zur Zeit der Meutereien in den französischen und italienischen Armeen und den Streiks in GB stand das Ganze auf Alliierter Seite auch so ziemlich auf der Kippe.
 
Die Menschen waren blind und sind ohne eigene Meinung ihren Vorgesetzten hinterher gelaufen bzw haben sich von denen in den Abgrund schicken lassen.
 
Vor dem Eingreifen der USA und zur Zeit der Meutereien in den französischen und italienischen Armeen und den Streiks in GB stand das Ganze auf Alliierter Seite auch so ziemlich auf der Kippe.

Ich glaube auch, dass da keine bewussten Lügen verbreitet wurden, wenn man einen baldigen Sieg verkündete und meinte, den Krieg nach einer Anzahl von x Monaten beenden kønne.
Ohne Siegeszuversicht braucht man einen Krieg erst gar nicht anfangen.
Dass es sich als falsch herausstellte, wissen wir aus der Nachschau.

Interessant wäre, inwiefern die dt. Generalitæt den Kaiser und die Bevølkerung belogen bzw. Informationen unterschlagen hat, als es dem Ende zuging. Die Einsicht, dass ganz pløtzlich der Krieg verloren sei und man dringend Waffenstillstandsverhandlungen führen müsse, kam ja für viele recht überraschend. Da gab es keinen früheren Zeitpunkt, reinen Wein einzuschenken? Wurden da vorher bewusst Tatsachen verdreht, wurde da im Vorfeld falsch berichtet? Oder hat man nicht sehen wollen, was man hätte sehen kønnen?

Gruss, muheijo
 
@ Muheijo
Bei der Fragestellung habe ich auch meine Zweifel und deshalb gefällt mir Dein Beitrag.

Für mich war der Deal mit dem Lenin überraschend.

Allerdings, davon habe ich erst weit nach der Wende gehört und mich dann, soweit es im Internet möglich ist, kundig gemacht.
Habe das dann mal bei einem Treffen meiner Studentengruppe (Ing. Maschinenbau) zum Besten gegeben. Da war man genauso überrascht.
 
I...
Ohne Siegeszuversicht braucht man einen Krieg erst gar nicht anfangen.
Dass es sich als falsch herausstellte, wissen wir aus der Nachschau.
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In dem Zusammenhang ist es mE erheblich zu betrachten, wie es um die "Siegeszuversicht" jener bestellt war, die den künftigen Krieg, vor dem Hintergrund ihrer besonderen Sachkundigkeit, wahrscheinlicher machten und für wünschenswert erachteten.
Ich würde vermuten, dass sich deren Zuversicht, im Blick auf die Erfolgsausichten eines solchen Tuns, negativ von der allgemeinen Wahrnehmung unterschied.
Moltke hat privat eine andere Meinung vertreten als offiziell, und Von Der Golz ging wohl ebenso von der großen Katastrophe aus.
Für den Beginn eines Krieges bedarf es nicht unbedingt einer "Siegeszuversicht".
 
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Für den Beginn eines Krieges bedarf es nicht unbedingt einer "Siegeszuversicht".
Jep. Eine "Kriegszuversicht" genügt, d.h., die Annahme dass der Krieg unvermeidlich ist.
Allerdings kann man das Ausmaß der Zuversicht evtl aus dem Verlauf von Friedensverhandlungem folgern? Welche Bedingungen war man bereit einzugehen bzw., an welchen Minimalforderungen sind die Verhandlungen gescheitert. Natürlich sind solche Verhandlungen Pokerspiele, aber die Schlusspositionen sollten doch irgendetwas aussagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Propaganda bezüglich einzelner Kriegsereignisse ist noch nicht erwähnt. Die Versenkung der Lusitania wäre da ein Beispiel. (Ja, die Doku-Soup, oder wie man es nennen will, lief gestern auf Phoenix.)
 
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